Donnerstag, 7. Mai 2015

Die Frühjahrsoffensive

Im berühmten französischen Restaurant „Trebuchet“ (18 von 20 Punkten im Gault-Millau) am Berliner Landwehrkanal direkt gegenüber dem Verteidigungsministerium sitzen zwei Männer mittleren Alters in teuren dunkelblauen Anzügen. Auf den ersten Blick ist nicht erkennbar, wer von beiden der Lobbyist und wer der Politiker ist. Sie haben sich ein Séparée mit Blick auf das Wasser und den Bendlerblock reservieren lassen.
A: Hat Ihre Frau das Forschungsprojekt bekommen?
B: Ja, das Fraunhofer-Institut lässt Sie schön grüßen.
A: Es freut mich, dass es geklappt hat.
B: Mich freut es, dass wir uns wieder einmal im Trebuchet treffen können. Ein ausgezeichnetes Restaurant.
A: Ich kenne ja Ihre Vorliebe für Krustentiere.
B: Es geht doch nichts über Hummer gratiniert mit Vanille-Whiskysauce. Und Escargot de Bourgogne als Vorspeise. Und Sie liebäugeln vermutlich mit Foie gras, schwarzen Trüffeln und der vorzüglichen Canard Barbarie.
A: Die Leber nehme ich auf jeden Fall. Aber ich könnte mich auch zu den köstlichen Rillons de porc hinreißen lassen. Das Spesenkonto von Metzler & Schloch muss bluten. Das haben wir uns verdient.
B: Lassen Sie das bloß nicht Ihren Chef hören.
A: Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, aber die Rechnung muss hoch sein. Wenn ich den Bewirtungsbeleg von einer Würstchenbude einreichen würde, sähe es so aus, als hätte ich keinen Erfolg in Berlin. Mein Vorgesetzter würde Verdacht schöpfen. Hohe Rechnungen bedeuten Erfolg in meiner Branche.
B: Dann sollten wir wieder eine Flasche von dem ausgezeichneten Puligny-Montrachet Premier Cru nehmen.
A: Gute Wahl. Wie läuft es im Ministerium?
B: Mit der Chefin verstehe ich mich sehr gut. Helga Eisenmund ist offen für unsere Vorschläge. Die Ausrüstung der Truppe stammt noch aus dem vorigen Jahrhundert. Selbst die Polen haben inzwischen bessere Gewehre als wir.
A: Wo liegt das Problem Ihrer Meinung nach?
B: Es ist Rolf Pappenheim, der Staatssekretär. Der Mann hat Finanzwissenschaften studiert, wenn Sie verstehen, was ich meine. Er blockiert meine Vorschläge in Sachen Beschaffung und liegt der Ministerin die ganze Zeit mit Sparmaßnahmen in den Ohren, mit denen sie sich im Kabinett und in der Öffentlichkeit profilieren soll.
A: Gut, also Pappenheim. Sonst noch jemand?
B: Nein, die Leute, die für die Ausrüstungsplanung des Heeres zuständig sind, habe ich natürlich voll auf meiner Seite. Gerade für die neuen Operationsräume im Nahen und Mittleren Osten brauchen wir funktionsfähiges Gerät. Schließlich verteidigen wir uns weltweit.
A: Haben Sie schon eine Idee, was wir unternehmen könnten?
B: Ich habe neulich einen Parteifreund vom MAD gebeten, sich die Diplomarbeit von Pappenheim genauer anzuschauen. Offenbar hat er geschlampt, aber das müsste man mal genauer untersuchen.
A: Sehr gut. Schicken Sie mir bitte eine Kopie dieser Arbeit in mein Berliner Büro. Diplomarbeiten sind ja leider nicht öffentlich einsehbar. Aber ich habe da eine Journalistin, die ich gelegentlich mit Interna füttere. Cheyenne Drzenkowski, jung, ehrgeizig und gut vernetzt.
B: Aber wir brauchen einen seriösen Mittelsmann für diese Enthüllung. Die Medien haben im Augenblick kein gutes Image.
A: Lassen Sie das ruhig meine Sorge sein. Wenn an dem Plagiatsvorwurf etwas dran ist, wird Frau Drzenkowski die Ergebnisse ihrer Recherche mit einem Professor besprechen, der ein Parteibuch der Opposition hat. Dann bekommt die Sache politisch und medial den richtigen Drive. Und wenn an der Sache nichts dran sein sollte, kann ich immer noch einen angeblichen Ghostwriter engagieren, der öffentlich zugibt, die Arbeit für Pappenheim geschrieben zu haben. Das reicht für einen Rücktritt. Und Privatdozenten oder anderes akademisches Fußvolk, das in Armut lebt, gibt es genug.
B: Nils Klingelhöfer! Der hat eine Professur für Finanzwissenschaften in Tübingen und sitzt für die Grünen im Stadtrat. Ich kenne ihn, ein alter Schulfreund. Der wird sich die Sache nicht entgehen lassen.
A: Perfekt. Sie denken doch sicher an mein Unternehmen, wenn der Weg für neue Investitionen Ihres Hauses frei ist?
B: Selbstverständlich, wir kennen uns doch. Und wenn Pappenheim aus dem Weg ist, erbe ich seinen Wahlkreis in Oberbayern. Dös is a gmaade Wiesn, wie man bei uns daheim sagt.
A: Sehr gut. Und Sie werden hoffentlich vom Ministerialdirektor zum Staatssekretär befördert werden. Wir sollten uns zur Feier des Tages noch eine Flasche Champagner gönnen. Ich schlage den Grande Sendrée von Drappier vor.
B: Wunderbar. Es ist mir immer wieder ein Vergnügen, mit Ihnen zu speisen.
Tenpole Tudor - Swords of a Thousand Men. https://www.youtube.com/watch?v=_FWv1w5UKBM

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