Benjamin Krause betrachtete kurz
das Haus und ging dann durch den gepflegten Vorgarten zur Haustür. Er
klingelte.
Eine Frau öffnete und sah ihn
misstrauisch an.
„Wir kaufen nichts.“
„Mein Name ist Krause und ich
möchte ihnen nichts verkaufen“, sagte er und lüpfte den Hut. „Ich möchte Ihnen
etwas schenken.“
Die Frau lachte.
„Ist das die neueste
Vertretermasche?“
„Nein. Ich meine es ernst.
Genauer gesagt schlage ich Ihnen einen Tausch vor. Sie geben mir einen alten
Kugelschreiber und ich gebe Ihnen einen neuen, der Ihr Leben lang halten wird.“
Die Frau stutzte. Dann ging sie
ins Haus zurück. Krause wartete.
„Funktioniert das auch mit drei
Kugelschreibern?“ fragte sie, als sie wieder zurück war.
„Selbstverständlich.“
Er öffnete seinen Koffer, der
voller silberfarbener Kugelschreiber war.
„Greifen Sie zu.“
Die Frau nahm drei
Kugelschreiber heraus und gab ihm die drei leeren Kugelschreiber.
Krause bedankte sich und ging.
Am Spätnachmittag kam er zurück
in die Zentrale. Er klopfte bei seinem Vorgesetzten an die Tür, der ihn in sein
Büro bat. Otto Günzel war um die siebzig Jahre alt, sein schlohweißes Haar
stand in alle Richtungen vom Kopf ab und die ledrige Haut hing schlaff von
seinem ausdruckslosen Gesicht.
„Setzen Sie sich, Krause. Wie
ist es gelaufen?“
„Sehr gut. Ich habe über
zweihundert alte Kugelschreiber.“
„Phantastisch. Werfen Sie sie in
den Mülleimer und holen Sie sich im Lager neue Kugelschreiber.“
„Gerne. Darf ich Sie etwas
fragen?“
„Nur zu, junger Mann.“
„Wie verdient Ihre Firma
eigentlich Geld? Wir tauschen teure Kugelschreiber gegen wertlosen Plunder ein.
Es ist für mich kein Problem. Ich verdiene jetzt ein halbes Jahr auf diese
Weise mein Geld. Aber was ist der Zweck dieses Geschäfts?“
Der alte Günzel lachte.
„Ich habe Millionen geerbt und
dann Milliarden mit Aktien verdient. Microsoft, Google, Amazon, Tesla. Jetzt
setze ich mein Geld ein, um einen Angriff auf den Kapitalismus zu starten. Mit
der Kugelschreiberindustrie fange ich an. Ich verschenke Kugelschreiber, die
man nicht mehr ersetzen muss. Das ist nachhaltig und klimafreundlich.
Irgendwann habe ich diesen Industriezweig in die Knie gezwungen. Die Hersteller
können keine Kugelschreiber mehr verkaufen, weil es keine Nachfrage mehr gibt.
Dann mache ich weiter. Zahnbürsten, Handtücher, irgendwann Autos und
Flugzeuge.“
„Das könnte eine Weile dauern“,
wandte Krause ein.
Günzel winkte ab.
„Nein. Ich habe schon im ganzen
Land Filialen eröffnet. Wenn es sich erst einmal herumgesprochen hat, werden
uns die Leute mit ihren Kugelschreibern die Bude einrennen. Und dann kommen sie
mit den ganzen anderen Sachen, bei denen wir ein Tauschgeschäft anbieten. Weitere
Milliardäre werden sich meiner Bewegung anschließen. Das ist meine Revolution.
Ich schlage den Kapitalismus mit seinen eigenen Waffen: mit Waren.“
Krause fing noch am selben Abend
an, Bewerbungen zu schreiben.
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