Mittwoch, 31. Mai 2023

Zur Lage im Osten

 

1.     Die Angriffe auf den russischen Verwaltungsbezirk Belgorod und auf Moskau sind völkerrechtswidrig. Die sanfte Wiedereingliederung der abtrünnigen Provinz Ukraine ins Russische Reich ist hingegen kein Bruch des Völkerrechts.

2.     Alle Ukrainer sind Nazis. Die ersten Worte, die ukrainische Kleinkinder lernen, sind nicht Mama und Papa, sondern „Heil Hitler“.

3.     Es ist ein Skandal, dass Putin noch nicht den Friedensnobelpreis bekommen hat.

4.     Iranische, chinesische und nordkoreanische Waffenlieferungen an Russland sind gut, NATO-Waffenlieferungen an die Ukraine sind böse.

5.     Kein Russe ist jemals gewalttätig geworden. Angebliche Videos über die Enthauptung von Kriegsgefangenen und Berichte über Massenvergewaltigungen und entführte Kinder sind Fake News.

6.     Überall auf der Welt fallen Regimekritiker aus dem Fenster oder sterben an Lebensmittelvergiftungen. Aber: Assange! Hier enthüllt der Westen seine hässliche Fratze.

7.     Die Ankündigung, in Berlin nach dem Endsieg eine russische Militärparade abzuhalten, ist nur Spaß. Die Deutschen haben eben keinen Humor.

8.     Es ist eine Spezialoperation, kein Krieg – egal, wie viele Jahre es noch dauert. Gehen Sie bitte weiter, hier gibt es nichts zu sehen.

9.     Die Amerikaner haben mit allem angefangen. Hiroshima, Hollywood und Hamburger!!! Alle Kriege seit den napoleonischen Feldzügen gehen auf ihre Kappe.

10.  Die Russen gewinnen, weil ihr Land nämlich viel größer ist. #Vietnam #Afghanistan

 

Dienstag, 30. Mai 2023

Bonetti verzockt das Glasauge seiner Großmutter

 

Blogstuff 808

„Schreiben sollte ich, sagt mein innerster Arzt. Schreiben, trotzdem mein Kopf so unsicher ist und trotzdem ich vor einem Weilchen die Unzulänglichkeiten meines Schreibens zu erkennen Gelegenheit hatte.“ (Franz Kafka am 1.5.1913 an Felice Bauer)

Der Film „Alien“ rührt an unsere Urängste. Nicht nur die Angst vor dem Fremden, sondern die Angst vor dem Fremden in uns. Da lebt etwas in dir, dass sich von dir ernährt, dass sich durch dich hindurchfrisst, dass dich buchstäblich auffrisst und tötet. Wie ein Krebstumor wächst es immer weiter. Und dann bricht es blutspritzend aus dir hervor, aber es stirbt nicht mit dir, sondern lebt als Monstrum weiter, das Tod und Verderben bringt. In sehr harmloser Form ging es mir so mit einem Hautmaulwurf, den ich mir in Brasilien eingefangen hatte. Er grub s-förmig Gänge unter der Haut meiner linken Fußsohle. Mein Kreuzberger Hausarzt hat ihn durch Vereisung ins Jenseits befördert.

Da man sich diesen Hakenwurm an Stränden holt, an denen es streunende Hunde und Katzen gibt, tippe ich auf Jericoacoara, wo wir 1995 auf unserer sechswöchigen Reise Station gemacht haben. Ein malerischer abgelegener Ort mit Traumstrand und äußerst schlichten Unterkünften inmitten eines Dünennationalparks, zu dem damals noch nicht einmal eine Straße geführt hat. Das Fischerdörfchen war erst wenige Jahre zuvor von Hippies und Aussteigern entdeckt worden. Mit Geländewagen, auf dessen offener Ladefläche wir saßen, ging es bei Mondschein durch die Dünen.

Der Sexualkundeunterricht in der sechsten Klasse war ein Schock für mich. Als mir der Lehrer erklärt hat, dass ich keine Kinder bekommen könnte, habe ich geweint.

Welchem Marketinggenie haben wir eigentlich die dreieckigen Kürbiskernbrötchen zu verdanken? Nach ihm wird eines Tages eine Waschstraße benannt werden.

Bin ich ein Snob, nur weil ich Toilettenpapier mit Monogramm habe?

Der saudische Ölkonzern Aramco erzielte 2022 einen Gewinn von 161 Milliarden Dollar. Die meisten Unternehmen auf der Welt kommen noch nicht einmal auf einen Umsatz in dieser Höhe.

Halten wir mal fest: Es macht die Linken aggressiv, wenn ich Witze über Gendersprache, Frauen, Migranten, Homosexuelle, Veganer, Behinderte und Transmenschen mache; es macht die Rechten aggressiv, wenn ich Witze über Spießersprache, das Vaterland, die Polizei, Nazis, Autofahrer, Fleischfresser und Biodeutsche mache. Das kann ja heiter werden.

Warum machen eigentlich immer nur Heteros Amokläufe und keine Drag Queens?

Elf Uhr morgens. Ich sehe, wie der Hähnchenmann seinen Verkaufswagen aufschließt. Da hängen sie schon, die gegrillten Kadaver. Wie alt sie wohl sein mögen? Und wer kauft ranziges Gummi, um es zu essen?

 

Montag, 29. Mai 2023

Neulich bei den AC


„Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) plant neue Richtlinien für ihre Essens-Empfehlungen. Und will den Bundesbürgern einen radikalen Fleischverzicht nahelegen.

Aus einem brisanten internen Dokument zur neuen „Lebensmittel-Strategie“ (liegt BILD in Auszügen vor) geht hervor: Sie will eine neue Höchstgrenze von gerade einmal zehn Gramm Fleisch pro Tag!

Zwar muss sich per se keiner an die Richtlinie halten. Doch Kantinenbetreiber könnten dazu faktisch gezwungen werden, wenn sie ihr DGE-Zertifikat behalten wollen.“

„Hallo, ich bin Holgi.“

„Hallo, Holgi“.

„Vergebt mir, denn ich habe gesündigt.“

„Wir sind hier nicht in der Kirche. Erzähl uns einfach, was passiert ist“. Das war Margot Schachtfeger, die Kursleiterin der Anonymen Carnivoren.

„Ich war auf dem Weg nach Hause, da kam ich an dieser Metzgerei vorbei.“

Hälse reckten sich nach vorne, manche leckten sich die Lippen, andere schluckten vor Erregung.

„Ich bin vor dem Schaufenster stehengeblieben und habe auf einen Ring Fleischwurst gestarrt.“

„Solange du an Fleisch denkst, bist du nicht geheilt, Holgi“, sagte Frau Schachtfeger.

„Ich weiß, aber es kam noch schlimmer. Die Tür öffnete sich, eine Kundin verließ das Geschäft und ich sog den Geruch von frischer Wurst ein.“

Es war so still, man hätte ein Mettbrötchen fallen hören können.

„Wie in Trance betrat ich den Laden. Die Verkäuferin fragte mich, was ich haben wollte.“

„Und?“

„Ich kaufte ein Vierhundert-Gramm-Schweinenackensteak, trug es nach Hause und haute es mir in die Pfanne.“

Die Teilnehmer rieben sich die dicken Bäuche.

„Vierhundert Gramm? Das ist mehr als eine DGE-Monatsration. Du willst doch clean werden?“

„Ich wäre so gerne Veganer, aber ich schaff es nicht.“

„Danke für deine Geschichte, Holgi.“

„Danke, Holgi“, sagten die anderen im Chor.

Sie werden es nicht schaffen. Keiner von ihnen. Nur hundert Meter von der Volkshochschule entfernt gibt es eine Frittenbude mit lecker Currywurst.

 

Sonntag, 28. Mai 2023

34. Spieltag

 

Normalerweise reicht mir die ARD-Sportschau, aber weil meine 05er das Zünglein an der Waage beim Herzschlagfinale um die deutsche Meisterschaft spielen durften, war ich bei Dortmund-Mainz auf Sky UK live dabei.

Ich habe mich noch nie über Tore der Mainzer geärgert. Gestern war es der Fall. Aber Dortmund hat sich auch wirklich blöd angestellt. Der erste gefährliche Angriff und es steht 0:1. Dann bekommen die Dortmunder einen Elfer. Haller nimmt Can den Ball aus der Hand, weil er es unbedingt selbst machen will – und versemmelt das Ding. In der 24. Minute fällt das 0:2 und dann wurden die Dortmunder Beine schwer. Zeitgleich führten die Bayern in Köln.

Die Münchner haben die Meisterschaft nicht gewonnen, Dortmund hat sie verloren. Die Rückrunde war voller rätselhafter Spiele. Das 3:3 gegen Stuttgart, nach 2:0-Führung gegen zehn Stuttgarter. Die FCB-Niederlagen gegen Mainz und Leipzig. Wie angeschlagene Boxer taumelten beide Vereine dem Saisonende entgegen. Zwischen dem Kölner Ausgleich in der 81. und Musialas Siegtreffer in der 89. Minute war Dortmund Meister. Der Ausgleich in der Nachspielzeit kam viel zu spät.

So knapp war es zuletzt bei der „Meister der Herzen“-Sache vor etwa zwanzig Jahren. Ich fand es toll, wie das Publikum noch eine halbe Stunde nach der verlorenen Meisterschaft, die schon so sicher schien, im Stadion geblieben ist. Eine Woche vorher, in Mordor, sind die Zuschauer schon nach dem 1:2 gegen Leipzig in Massen aus dem Stadion geströmt. Die ganze Erbärmlichkeit der Bayern zeigte sich gestern, als man direkt nach Abpfiff die Entlassung von Kahn und Brazzo verkündete. So schlimm ist noch nicht mal die FDP.  

Der Reinfall von Schaffhausen

 

Blogstuff 807

„Arbeiten? Ich will mich doch nicht verschlechtern.“ (Arno Dübel)

Jemand kommt durch sämtliche Sicherheitskontrollen und umarmt dann den Bundeskanzler. Was ist denn mit diesem Land los? In anderen Ländern hätte es ein Attentat gegeben. Es erinnert mich an den Typen, der bei Merkel in der Uckermark an der Haustür geklingelt hat. Sie öffnete die Tür und er plauderte mit ihr.

Arno Dübels Leiche ist verschwunden. Der Typ ist zu faul für seine eigene Beerdigung.

Dicke beschleunigen den Klimawandel, weil sie mehr Lebensmittel verbrauchen und ihr Transport aufgrund ihres hohen Gewichts mehr Energie verbraucht. Noch ein Grund mehr für Fat-Shaming. Ich bin die Sophie Scholl des Klimawandels!

Ich habe mir gerade ein E-Auto für 350 Euro gekauft. Neuwagen! Okay, es ist nur 45 km/h schnell. Damit kann ich nicht auf die Autobahn, aber für mein Leben im Hunsrück reicht es. Bis zum nächsten Supermarkt sind es nur zwei Kilometer. Den Führerschein gibt es zusammen mit einer Packung Kellog’s Frosties.

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Wissen Sie, was ein Sakrarium ist? Es ist ein heiliger Ausguss, in dem geweihtes Öl, das ranzig geworden ist, oder Hostien, die zu Boden gefallen sind, entsorgt werden. Schließlich kann man den Leib Christi nicht einfach auf den Müll werfen.

Wohnungsprobleme gab es auch schon in den neunziger Jahren. Ich erinnere mich an vier Leute aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis, die damit konfrontiert waren. Da gab es R., der einen Sommer lang in seinem Auto gelebt hat. D., der immer mit seiner Ratte Legolas bei mir aufgekreuzt ist, die Bier aus einem Kronkorken getrunken hat, und der in einer winzigen Holzhütte auf dem Campingplatz in Heidenfahrt gelebt hat. Er ist vor einigen Jahren an Leberzirrhose gestorben. S., die in einer Hütte ihrer Großeltern auf dem Campingplatz in Guldental lebte. Ein Fußball- und Kneipenkumpel aus Schweppenhausen, den seine Frau rausgeschmissen hatte, und der in einem Wohncontainer auf dem Campingplatz an der Aumühle lebte. Solche Phasen gibt es im Leben. Manche ziehen auch bei Freunden ein. Aus einer Woche auf der Couch werden drei Monate. Hatte ich auch schon – in meiner Berliner Einzimmerwohnung. Hauptsache, man lebt nicht auf der Straße.

Was macht eigentlich Heinz Pralinski? Er schreibt gerade den vierten Band seiner Trilogie „Lockdown Forever – Mein neues Leben als Grottenolm“.

CDU/CSU und FDP reden immer von der Rente mit siebzig. Das geht mir nicht weit genug. Warum überhaupt Rente? Erst wenn ein Amtsarzt (mit entsprechendem Parteibuch!) die dauerhafte Arbeitsunfähigkeit einer Person festgestellt hat, wird eine Mindestrente in Höhe des Bürgergelds ausgezahlt. Man kann auch im Rollstuhl an der Supermarktkasse sitzen oder mit dem Rollator die Post austragen. #RageBait

 

Samstag, 27. Mai 2023

Veggie-Day reloaded

 

„Viele Menschen sehen ein, dass der Erhalt der Lebensgrundlage elementar ist, aber ihre eigenen existentiellen Nöte sind ihnen näher. Während die Grünen Angst vor dem Ende der Welt haben, haben viele Menschen Angst vor dem Ende des Monats.“ (Christoph Sieber)

Sie erinnern sich an den Bundestagswahlkampf vor zehn Jahren? Die Grünen forderten einen Veggie-Day pro Woche in der Kantine und der Mensa. Ich weiß gar nicht, ob es das Wort Shitstorm damals schon gab, aber riesige Horden von Schweinenacken-Orks zogen marodierend durchs Land, Fackeln und Mistgabeln wurden geschwungen. Das Wahlergebnis war mit 8,4 Prozent eine herbe Niederlage.

Es gibt Themen, bei denen die Bürger allergisch reagieren, wenn der Staat sich einmischt. Dazu gehören Datenschutz und Ernährung, Auto und Heizung. Staatliche Projekte wie das geplante Heizungsgesetz (eigentlich: „Gebäudeenergiegesetz“, Neufassung 2023) werden als Eingriff in die persönliche Autonomie und Entscheidungsfreiheit wahrgenommen. Wäre Holgi der chinesische Staat, würde er von Einmischung in die inneren Angelegenheiten sprechen und es sich verbitten.

Übt der Staat Druck auf die Bürger aus, entsteht Gegendruck. Es ist also weder pädagogisch noch politisch (die nächsten Wahlen kommen bestimmt) sinnvoll, rigide Vorgaben zu machen. Ab 2024 sollen keine neuen Gas- und Ölheizungen mehr eingebaut werden. Die Idee ist richtig, denn Klimaschutz wird immer wichtiger. Selbst die eben erwähnte chinesische Regierung gibt den Autofabriken im eigenen Land jetzt Quoten vor, wie viele E-Autos gebaut werden sollen. Aber wir leben nicht in einer Diktatur, also muss man behutsamer und geschickter vorgehen.

Holgi soll von selbst draufkommen, dass die Wärmepumpe eine gute Idee ist. Also unterstützt der Staat den Einbau mit Zuschüssen. Auch das steht im geplanten Gesetz. Zuckerbrot statt Peitsche. Wenn die Wärmepumpe günstiger ist als Öl- und Gasheizungen und wir davon ausgehen, dass Holgi rational denkt, entscheidet er sich für die preiswertere Variante. Zuckerbrot 2: Der CO2-Preis. Eine Tonne CO2 kostet Holgi im Augenblick 30 Euro. 2025 sind es schon 45 Euro, also fünfzig Prozent mehr. 2026 dann 55 bis 65 Euro – der CO2-Preis verdoppelt sich im Vergleich zu heute. Gleichzeitig werden die Strompreise gesenkt. Das hat übrigens schon die Regierung Merkel beschlossen, das ist keine Idee der Grünen.

Auf diese Weise zieht die Wärmepumpe ganz elegant und geschmeidig an den anderen Heizungen vorbei. Holgi hat alles richtig gemacht, Habeck hat alles richtig gemacht und die Grünen schmieren nicht wieder so hässlich ab wie 2013. Vielleicht ergänzt man das Gesetzesvorhaben noch um eine soziale Komponente als Schmankerl, z.B. Förderung nach Höhe des Einkommens. Man verbietet nichts, auch keine neuen Öl- und Gasheizungen, man fördert nur. Schließlich könnte es aufgrund der hohen Nachfrage nach Wärmepumpen zu langen Wartezeiten kommen (Personalmangel, Lieferengpässe). Es könnte so einfach sein, wenn man sich ein wenig in die Holgis dieser Welt einfühlen kann und nicht ökologischen Frontalunterricht macht.

P.S.: Laut ZDF-Politbarometer vom 26.5.2023 findet eine Mehrheit von 56 Prozent das geplante Heizungsgesetz gut.



Freitag, 26. Mai 2023

Andy Bonetti: Alleingang am Nanga Parbat

 

Blogstuff 806

„Ich fühlte mich, als hätte ich mein Leben lang in billigen Hotels an Türen geklopft und niemand hätte mir aufgemacht.“ (Raymond Chandler: Die kleine Schwester)

Im Nachbardorf Waldalgesheim gibt es einen türkischen Lieferdienst, der Döner und Pizza bringt. Sehr lecker ist die Pizza Patrice mit Sahnesoße, Dönerfleisch, Mais und Paprika. Eine Eigenkreation. Mal was Neues. Gefällt mir. Vor zwei Jahren machte ein türkischer Lieferdienst im Nachbarort Stromberg auf, nicht verwandt und nicht verschwägert. Pizza und Döner. Was hat er? Die baugleiche Patrice. Sogar den Namen haben sie geklaut. Dieses Jahr hat in Guldental, zwei Dörfer weiter in einer anderen Himmelsrichtung, ein türkischer Lieferdienst aufgemacht. Tolle Karte. Döner, Pizza – und Hamburger. Endlich bekomme ich Hamburger geliefert. Und Chili Cheese Nuggets. Neulich hat er die Karte geändert. Keine Burger mehr – aber plötzlich auch die Pizza Patrice. Leute, habt ihr schon mal was vom Alleinstellungsmerkmal gehört? USP anyone?

Warum sind alle Swimmingpools in der Jungs-Farbe hellblau gekachelt, aber nie in rosa?

Seit Wochen läuft eine BILD-Kampagne, die behauptet, die Grünen seien in den Umfragen abgestürzt. Das geben die Zahlen der wichtigsten Meinungsforschungsinstitute nicht her. Die Grünen liegen im Schnitt bei 15 Prozent, bei den letzten Wahlen hatten sie 14,8 Prozent. Herbe Verluste haben aber die Koalitionspartner. SPD und FDP haben jeweils ein Drittel ihrer Wähler verloren. Die Gewinner sind CDU/CSU und AfD, die beide sechs Prozentpunkte gewonnen haben. Vor allem der Anstieg der AfD von zehn auf sechszehn Prozent ist unfassbar. Die Nazis sind jetzt die drittstärkste Partei.

„Optimist“. Das ist eine Segelbootsklasse für Kinder und Jugendliche. 1976 waren wir mit N.U.R. (Neckermann Urlaubsreisen) auf Malle. Während mein Vater auf größeren Jollen segelte, habe ich einen Kindersegelkurs besucht. Wir waren nur zwei Jungs. Am Ende gab es eine Regatta. Ich habe verloren. Bei der Preisverleihung am Abend hat der Sieger vor allen Leuten einen tosenden Applaus und den ersten Preis bekommen. Ich bekam eine Kaffeetasse mit maritimem Motiv. So endete mein Optimismus im Alter von zehn Jahren.

Mythos Transsubstantiation: Wein und Hostie verwandeln sich im Gottesdienst zu Leib und Blut Christi. Aber wie lange ist der Herr in mir? Bis ich zum nächsten Mal aufs Klo muss? Länger? Löst er sich auf, weil er im Magen auf Cola und Pizza trifft? Wo ist der Papst, wenn man ihn mal braucht?

Meine Generation nannte man „Generation X“ nach dem Roman von Douglas Coupland. Vor uns gibt es die Boomer, nach uns die „Millennials“ (Jahrgänge 1981 bis 1996), die man auch „Generation Y“ nennt. Danach kommt die „Generation Z“ und an diesem Punkt ist das Alphabet zu Ende. Kein Wunder, dass die jungen Leute als „Letzte Generation“ jetzt eine Riesenpanik schieben. Dabei gibt es noch Unmengen an Sonderzeichen. Generation &?

Donnerstag, 25. Mai 2023

Wie ich wirklich mein Geld verdiene

 

Natürlich habe ich kein Medienimperium. Langjährige Leser wissen das. Aber irgendwie muss ich ja über die Runden kommen. Also arbeite ich als Babysitter für zehn Euro die Stunde. Ich habe von 13 bis 18 Uhr fünf Kinder von der Grundschule in Schweppenhausen bei mir im Haus. Das macht 250 Euro am Tag. Schwarzgeld. Bin ja nicht blöd.

Sie dürfen bei mir in den Fernseher und aufs Handy glotzen so viel sie wollen. Aber ich mache mit ihnen auch nützliche Dinge. Da gibt es zum Beispiel unser Öko-Projekt: In meinem Garten lernen die Kinder die Natur kennen. Während sie Unkraut jäten, lernen sie nützliche von schädlichen Pflanzen zu unterscheiden. Im Haus machen wir lustige Spiele. Wer räumt am schnellsten die Spülmaschine aus? Der Sieger darf mit meinem tollen Staubsauger „spielen“. Oder Verstecken: Die Kinder verstecken sich und ich mache auf dem Sofa ein Nickerchen.

Kinder lieben Ravioli von Maggi. Zwei Konserven reichen für alle fünf Kinder. Manchmal backe ich uns aber auch eine leckere Wagner-Pizza. Nachmittags gibt es Chips und Schokolade. Ich habe mit den Kindern einen Deal gemacht. Wenn sie zuhause erzählen, sie würden jeden Nachmittag einen Apfel bekommen, gibt es was Leckeres. Wenn sie unser Geheimnis verraten, kaufe ich tatsächlich Äpfel oder Schlimmeres. Dann müssen sie auch ihre Hausaufgaben machen.

Während der Ferien mache ich richtig viel Geld. Da nehme ich die Kinder von acht bis achtzehn Uhr. Das sind 500 Euro am Tag. Die Eltern stehen Schlange. Alle wollen mich als Babysitter. Ich überlege, ob ich nicht eine Ukrainerin einstellen sollte, die mir für 2000 Euro im Monat die ganze Arbeit abnehmen würde. Aber zehn oder zwanzig Kinder können einem auch ganz schön auf die Nerven gehen. Fragen sie mal eine Kindergärtnerin oder einen Lehrer.

Mittwoch, 24. Mai 2023

+++ breaking news +++ Vorentscheidung in der Meisterschaft? +++ breaking news +++

Razzia bei der Letzten Generation!

Klimaterroristen verhaftet!!

Dortmund am Samstag ohne Reus und Hummels!!!




The Curse of Beauty: The Story Behind Andy Bonetti

 

Blogstuff 805

„Es ist nichts so eilig, dass es nicht durch Liegenlassen noch eiliger würde!“ (Arno Schmidt)

Ich habe Ihnen, liebe Lesende, meinen unermesslichen Reichtum zu verdanken. Täglich strömen Sie in die Bahnhofsbuchhandlungen und an die Kioske, um die Druckerzeugnisse von Bonetti Media käuflich zu erwerben. Aber ich habe gelernt, dass wir Superreichen auch etwas zum Klimawandel beitragen müssen, und übe mich daher ab heute in Verzicht. Auch wenn es mir nicht leichtfällt. Nur noch ein Flug mit meinem Privatflugzeug pro Woche. Die zweite Yacht wird verkauft, vom Erlös kaufe ich tonnenweise Kukident-Haftcreme für die letzte Generation. Nur noch einmal Fleisch pro Tag und keine Gänsestopfleber mehr. Zur Garage, in der mein Bugatti steht, fahre ich ab jetzt mit dem Lastenfahrrad.

Die Geschichte kennt keinen Konjunktiv. Es gibt Zukünfte, aus denen wir auswählen können, aber es gibt nur eine Vergangenheit. Dennoch erlaube ich mir ein Gedankenspiel: Käme Hitler heute an die Macht? Anfang der dreißiger Jahre war Weltwirtschaftskrise, es herrschten bittere Armut, Massenarbeitslosigkeit und Verzweiflung in Deutschland. Großindustrie und Hochfinanz mussten fürchten, dass sich die Massen dem damals noch attraktiv erscheinenden Kommunismus zuwenden könnten. Also unterstützten sie Hitler massiv, der sich mit seiner Propaganda bei der Bevölkerung einschleimte. Der zerlumpte Prolet, der tumbe Rübenbauer und der verbitterte Kleinbürger wurden zu „Herrenmenschen“ und zu Angehörigen einer überlegenen arischen Rasse erklärt, der nichts weniger als die Weltherrschaft gebührte. Diese leicht durchschaubare Bauchpinselei funktionierte und Hitler stieg zum unangefochtenen Führer Deutschlands auf. Wo wäre Hitler heute? Meine Hypothese: Er wäre ein Björn Höcke, ein Nazi, der politisch isoliert wäre, der keinen Koalitionspartner fände und von den global operierenden Großkonzernen und Banken nicht unterstützt würde.

„Ach, Sie sind aus Bielefeld?“ – „Das habe ich doch schon dreimal erwähnt.“

Es heißt, ein Glas Rotwein pro Tag würde das Risiko eines Herzinfarkts verringern. Ich trinke zwei Flaschen Weißwein am Tag und manchmal muss ich mich regelrecht zwingen, das Glas Rotwein hinterherzuschütten.

Warum haben wir so schlechte Politiker? Warum will kein intelligenter Mensch diesen Job machen? Erstens ist er schlecht bezahlt. Die wenigsten schaffen es in den Bundestag und dort bekommt man nur 10.000 Euro im Monat. Dafür steht man im Top-Management morgens nicht auf. Selbst Bundesminister bekommen nur 20.000 Euro brutto. Zweitens bekommen Politiker nur Zeitverträge. Wer lässt sich sein Leben lang auf diesen Deal ein? Drittens ist man als Politiker immer in der Öffentlichkeit und in den Medien. Bei jedem Einkauf und an jeder Tankstelle wird man erkannt. Für die eigenen Kinder ist es ein Spießrutenlauf. Einer der Schüler auf unserem Gymnasium war damals der Sohn eines Milliardärs. Niemand nahm von ihm Notiz, ich habe es auch erst Jahrzehnte später erfahren.

Dienstag, 23. Mai 2023

Neulich in meinem Detektivbüro

 

Es war einer dieser Tage, an denen der Frühling nicht so richtig in Schwung kommen wollte. Ich blickte aus meinem Bürofenster und sah, dass Wichtelbach in dichten Nebel getaucht war. In der Ferne glitzerten die majestätischen schneebedeckten Gipfel des Hunsrücks in der Morgensonne.

Seit Monaten hatte sich kein Klient mehr in meine Detektei verirrt, auf der Sitzfläche des Besucherstuhls lag eine dicke Staubschicht. Da klopfte es plötzlich an der Tür.

Eine unscheinbare junge Frau trat ein. Sie war dünn, ungeschminkt, hatte ihr Haar zu einem Dutt zusammengeknüllt und trug eine schreckliche Hornbrille, in der ihre Augen herumschwammen wie in einem Aquarium.

„Sind Sie Rüdiger Marlowe?“

„So steht’s an der Tür, Puppe.“

„Ich suche jemand, der jemand suchen kann.“

„Ich kann es versuchen.“

Sie kam näher und sah den staubigen Stuhl. Sie zog ein Taschentuch mit dem eingestickten Monogramm „B. H.“ aus der Handtasche und wischte den Stuhl ab. Dann setzte sie sich.

„Was würde mich die Sache kosten?“

„Kommt darauf an, wie lange es dauert und wie schwierig es ist, die betreffende Person zu finden.“

Ich öffnete die Schublade meines Schreibtischs, fischte eine Flasche Bourbon heraus und goss mir einen Vierfachen ein, den ich in einem Zug die Kehle hinunterspülte.

„Es geht um meine Schwester Ute.“

„Sie ist verschwunden?“

Ich stopfte meine Bong, nahm einen tiefen Zug und bekam einen schrecklichen Hustenanfall.

„Seit einer Woche antwortet sie nicht auf Mails oder Anrufe.“

Sie öffnete ihr Haar und Wogen von goldblonden Locken fielen über ihre Schulter.

„Das ist ja ein Ding“, antwortete ich lahm.

Ich legte mir eine fette Line Koks und ließ sie durch einen gerollten Fünf-Euro-Schein geräuschvoll in meinem Rüssel verschwinden.

Sie öffnete die beiden oberen Knöpfe ihrer Bluse und beugte sich zu mir nach vorne. Ich blickte mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund auf ihr üppiges Dekolleté.

„Sie müssen mir helfen, Mister Marlowe.“

Ich packte mein Spritzbesteck auf den Tisch und sagte: „Kein Problem, Schätzchen. Ich habe schon ganz andere Sachen gefunden.“

Sie nahm ihre Brille ab. In ihren Augen glitzerte die pure Wollust. Dann klebte sie sich zwei künstliche Wimpern auf die Glotzpickel und malte sich etwas rote Schmiere auf die Lippen.

Um die Sache kurz zu machen: Die Schwester ist wieder aufgetaucht und ich habe jetzt eine rattenscharfe Freundin.    

 

Montag, 22. Mai 2023

Bonetti wirft einen brennenden Beutel mit Scheiße durchs Fenster

 

Blogstuff 804

„Ich bin Berlinerin. Ich werde lieber ehrlich angepöbelt als höflich beleidigt.“ (Lea Streisand)

Deutschland ist kein unabhängiger Staat, Deutschland ist von der Kolonialmacht USA besetzt. Es spricht für die Hufeisentheorie, dass man diesen Schwachsinn nicht nur von Reichsbürgern, sondern auch von Linken hört, die immer noch orientierungslos durch die Ruinen des untergegangenen Sozialismus irren.

Sanktionen sind Symbolpolitik. Das war in Zeiten der „Kontinentalsperre“ Napoleons nicht anders als heute. Man dokumentiert, dass man mit dem Gegner weder redet noch Handel treibt. Aber das Kapital findet immer seinen Weg. Wer könnte den Kapitalismus aufhalten? Wer will ihn überhaupt aufhalten?

Kann sich noch jemand an Sydne Rome erinnern, eine amerikanische Schauspielerin und Aerobic-Ikone aus den achtziger Jahren? Sie hat einen Italiener geheiratet und lebt jetzt – in Rom!

Zur Zeit der Zaren war Warschau nur eine russische Provinzstadt. Der Vielvölkerstaat zerfiel allmählich, so wie das Habsburgerreich 1918. Als 1989/90 der Sozialismus als Klammer der UdSSR wegfiel, gingen die einzelnen Sowjetrepubliken ihrer Wege. Putins russischer Nationalismus ist für Kasachen und Usbeken nicht attraktiv, ebenso wie die armselige Der-Westen-ist-doof-Ideologie. Heutzutage können sich die Menschen, im Gegensatz zu früher, in den Medien und auf Reisen über anderen Staaten und Kulturen informieren.

Tuchels Bilanz nach elf Pflichtspielen: 5 Siege, 2 Unentschieden und 4 Niederlagen, darunter gegen die ruhmreichen 05er. Zum Vergleich Nagelsmann in dieser Saison: 27 / 7 / 3. Holt den Mann zurück! Schickt Kahn zur Hertha!

Die Grünen haben die Energiewende wirklich komplett verkackt. Erst werden die Kohlekraftwerke hochgefahren und jetzt kommt der Ölkäfer.

Für Industriesubventionen und Steuervergünstigungen gab der deutsche Staat 2019 noch 24,6 Milliarden aus, im vergangenen Jahr waren es 47,3 Milliarden. Umverteilung à la SPD.

Foodporn analog: Ich bestelle eine Pizza, klingele bei den Nachbarn und präsentiere sie voller Stolz.

Hertha ist zum siebten Mal abgestiegen. Aber es ist so schön wie beim allerersten Mal.

Russland ist angegriffen worden (wir erinnern uns an die amerikanischen Bomben auf Moskau) und verteidigt sich jetzt. Ähnlich wie beim Forechecking oder Pressing steht man bei der Verteidigung tief in der Hälfte des Gegners. Daher sind die Hyperschallraketen der russischen Armee auch klassische Vergeltungswaffen wie die V1 und die V2.

Sonntag, 21. Mai 2023

Wie die Welt am deutschen Wesen genesen wäre

 

Wenn wir den Krieg gewonnen hätten,
mit Wogenprall und Sturmgebraus,
dann wäre Deutschland nicht zu retten
und gliche einem Irrenhaus.

(Erich Kästner: Die andere Möglichkeit)

Es gibt in diesem Haus vier Räume mit Bücherregalen. Insgesamt sind es sicher mehr als tausend Bücher und ich finde immer wieder neuen Stoff für meine Lektüre. Zurzeit lese ich „Wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte“ von Ralph Giordano. Es ist 1989 erschienen und ich habe es im Trubel um das Ende des Sozialismus und die deutsche Einheit verpasst. Mein Vater hat es damals gekauft, es ist mit vielen Unterstreichungen und Haftnotizzetteln versehen.

Zunächst stellt sich die Frage, wie Hitler und seine Anhänger überhaupt auf die größenwahnsinnige Idee einer deutschen Weltherrschaft gekommen sind. Versetzen wir uns in die 1920er und 1930er Jahre zurück. Großbritannien beherrscht ein Viertel der Welt, das Empire hat ein Vielfaches der Einwohner jenes perfiden Nordseearchipels (1800 kommen z.B. auf jeden Briten 25 Inder). Frankreich herrscht über ein Weltreich. Die Europäer haben sich in den Jahrhunderten zuvor ganze Kontinente wie Amerika und Australien unter den Nagel gerissen und die einheimische Bevölkerung fast komplett ausgerottet. Das anfangs noch bedeutungslose russische Reich am Rande Europas unterwarf ganz Nordasien, eine riesige Landfläche.

Was zunächst Spanien und Portugal, später Großbritannien, Frankreich und Russland, und sogar kleinen Staaten wie die Niederlande (Indonesien) und Belgien (Kongo) geschafft haben, könnten doch die Deutschen auch hinkriegen, oder? Der erste Anlauf zum „Platz an der Sonne“ unter Willem Zwo war zwar gescheitert, die Ambitionen waren aber noch quicklebendig. 

***

Im Dritten Reich wurden am Südrand des Berliner Tiergartens die Botschaften der drei deutschen Verbündeten Italien, Spanien und Japan gebaut. Nach Kriegsbeginn entpuppte sich Italien als militärische Luftnummer, Spanien verweigerte die Teilnahme und Japan war ein ferner und ungeliebter, weil nicht-arischer, Verbündeter. Es war vage geplant, dass nach der Vernichtung der Sowjetunion die Wehrmacht und die kaiserliche Armee in Omsk aufeinandertreffen sollten.

Nach den raschen Erfolgen gegen Polen, Frankreich und die Sowjetunion wuchsen die Pläne der Nazis ins Phantastische. Europa bis zum Ural und zum Kaspischen Meer, die Niederlande, Belgien, Elsass-Lothringen, die französische Kanalküste, Südschweden, die deutschsprachige Schweiz (die beiden anderen Sprachgebiete sollten Frankreich und Italien zugeschlagen werden), Portugal und der marokkanische Norden (zur Kontrolle der Meerenge von Gibraltar) sollten zum Deutschen Reich gehören. Noch im Sommer 1942 träumte Heinrich Himmler davon, dass im neuen „Lebensraum“ (Polen / Sowjetunion) in fünfhundert Jahren eine halbe Milliarde Deutsche leben würden, denen die slawischen Ureinwohner als Leibeigene zu dienen hätten.

Geplant war eine Kette von Marine- und Luftwaffenstützpunkten im gesamten Atlantik. Von den Kanarischen Inseln, die heute noch von deutschen Handtuch-Bataillonen gehalten werden, den Azoren und anderen Inseln sollten Bomber das Finanzjudentum in New York angreifen und die Vereinigten Staaten zur Kapitulation zwingen. Joseph Goebbels war als Diktator für die USA vorgesehen, die nicht-arische Bevölkerung sollte ermordet oder vertrieben werden.

Vier Wochen nach Beginn der Operation Barbarossa im Juni rechnete Hitler mit einem Sieg über die UdSSR bis September 1941. 1942, nach der Sicherung der Herrschaft über Kontinentaleuropa, sollte Teil 2 des großen Plans beginnen. Neben dem Angriff auf die USA Besetzung des Suezkanals, Eroberung des Iran, Syriens, des Irak, Afghanistans – und dann würden die deutschen Divisionen bei ihrem Einmarsch von der indischen Bevölkerung stürmisch als Befreier begrüßt werden. Teil 3: der Rest der Welt. Von der Welthauptstadt Germania würde man über Satellitenstaaten und Kolonien herrschen.

Es ist bekannt, dass für diese Welthauptstadt, das ehemalige Berlin, die größten Bauten der Menschheitsgeschichte geplant waren. Weniger bekannt ist, dass die Olympischen Spiele 1940 in Tokio stattfinden sollten und Hitler das olympische Feuer per Langstreckenflug persönlich vorbeibringen wollte. Ab 1944 sollten dann alle Olympischen Spiele in einem neuen Stadion in Germania veranstaltet werden, dass doppelt so breit und fünfmal so hoch wie das Stadion von 1936 werden sollte. Ungelöst war das Problem, was der Zuschauer in hundert Metern Höhe und mehr als hundert Meter von der eigentlichen Sportstätte entfernt eigentlich gesehen hätte.

Natürlich wollten die Nazis auch den alten Hohenzollerntraum verwirklichen. Der Mittelafrikanische Ergänzungsraum wäre vom Atlantik bis zum Indischen Ozean und vom Südrand der Sahara bis zum Sambesi gegangen. Hitze und Malaria machen dem Herrenmenschen bekanntlich nichts aus. Hart wie Leder, zäh wie Kruppstahl oder so ähnlich. Wäre das schön gewesen! Und zwanzigfacher Fußballweltmeister wären wir auch.

Samstag, 20. Mai 2023

Susi – Schicksalsjahre einer Keiferin

 

Blogstuff 803

„Was?! Mei Frau ist tot? Ja, dass die mir nie was g'sagt hat davon! Drum hab i de schon so lang nimmer g'sehn!“ (Karl Valentin)

Hegel sah in Napoleon die „Weltseele zu Pferde“, die die Menschheit zu ihrem Endziel führen würde. Was für ein Schwachkopf. Für seinen Fan Karl Marx war es dann das Proletariat. Die Leute waren früher genauso dämlich wie heute.

Meine Großmutter, meine Mutter und mein Onkel kamen als Kriegsflüchtlinge aus Liegnitz nach Diez an der Lahn. Dort wurde ein Ghetto für die „Vertriebenen“ gebaut, in dem sie lebten. Das Viertel existiert heute noch: Sudetenstraße, Schlesierstraße, Danziger Straße, Pommernstraße, Westpreußenstraße, Königsberger Straße usw. Ich konnte als Kind mit diesen Namen nichts anfangen, wenn ich meine Oma in der Breslauer Straße besuchte.

Was macht eigentlich Heinz Pralinski? Er arbeitet jetzt in einer schäbigen Klickiklickibude in Manila. „Will write for food“.

Werden diese Kläffer eigentlich nie müde? Müssen die nicht irgendwann mal ins Bett gebracht werden? Erst lebten wir wegen Corona in einer Diktatur, jetzt wegen der Waffenlieferungen an die Ukraine. Kann man das noch steigern? Kommt jetzt die diktatorischste Diktatur aller Zeiten? Und sämtliche Menschen und Medien, die nicht haargenau die Kläffermeinung vertreten, sind natürlich manipuliert und gleichgeschaltet. Alles Adolf. Von morgens bis abends.

Keine Kinder, keine Karriere. What a time to be alive!

Wegen der Windräder sterben die Vögel aus. Das Artensterben begann überhaupt erst mit den Windrädern. Versuchen Sie heute mal, Hot Wings bei KFC zu bekommen. Es gibt sie nicht mehr. Chicken Nuggets kriegst du nur noch über Beziehungen. McDonald’s hat sie komplett aus dem Angebot genommen.

Attila Reichelt behauptet, wegen der Energiekrise seien im Winter 32.000 Deutsche erfroren. Aber was ist mit den vielen Impftoten?

Mike Angelo. Das klingt eher nach New Yorker Mafia als nach großem Künstler. Und dennoch hat der Junge seinen Weg gemacht.

Mit 15 fing er an, E-Gitarre zu spielen. In seinem Kinderzimmer hing ein Plakat von einem Zappa-Konzert in Frankfurt 1979, das er nie besucht hat. Mit 19 nervte er seine Familie mit der Gitarre so sehr, dass er in den Keller verbannt wurde. Gleichzeitig flog er aus seiner ersten Band Point Blank, weil er auch dort allen auf die Nerven ging. Er konnte den ganzen Tag „Sweet Home Alabama“ spielen, ohne das ihm langweilig wurde. Mit 21 schob ihn sein Vater in seine kleinste Eigentumswohnung ab, eine 25qm-Mansarde nur einen Kilometer von seinem Elternhaus entfernt. Da lebt er auch heute noch, mit 57. Er hat zwanzig Gitarren und hat niemals mit einem anderen Menschen zusammengelebt. Wegen seines Diabetes mellitus wurde ihm der rechte Fuß amputiert. Er hinkt wie der Teufel persönlich.

Freitag, 19. Mai 2023

So funktioniert Journalismus, Freunde der Sonne

 

Als ich im Internet von der Demo las, wusste ich sofort, dass es meine große Chance sein würde. Die Nazis wollten unter dem Motto „Wir holen uns Neukölln zurück“ auf der Sonnenallee demonstrieren. Natürlich kam es zu einer Schlägerei zwischen den Migranten und den Faschos. Ich beobachtete aus einem Hauseingang die wüste Prügelei und warf mich erst in die Menge, als die Polizei kam.

Ich wurde verhaftet und wir fuhren in einer sogenannten Wanne aufs nächste Polizeirevier. Selbstverständlich war ich auf den Punkt vorbereitet. Ich trug ein T-Shirt mit der Aufschrift „Haut die Bullen platt wie Stullen“, dazu eine Jogginghose und Schuhe mit Klettverschluss. Als auf der Dienststelle meine Personalien aufgenommen wurden, verweigerte ich die Aussage. Ich musste alle persönlichen Gegenstände abgeben, aber meine Taschen waren leer. Ich hatte auch keine Papiere dabei. Also kam ich in die Arrestzelle.

In der Zelle waren ein halbes Dutzend Nazis, ein dürrer alter Mann und drei Mitglieder eines mexikanischen Kartells, deren nackte Oberkörper, rasierte Schädel und Gesichter komplett tätowiert waren. Alle sahen mich wütend an, als ich in die Zelle gebracht wurde. Nur der Alte kauerte ängstlich und verzweifelt in der Ecke. Man hatte allen die Gürtel und Schnürsenkel abgenommen und so hielten sie ihre Hosen oben, indem sie ihre Hände in den Hosentaschen hatten.

Das Wichtigste im Knast ist der Respekt. Du darfst keine Schwächen zeigen, du musst den anderen klarmachen, dass du das Alphatier bist. Mächtig großer Krieger. Eine tödliche Gefahr. Also machte ich erstmal zwanzig Liegestütze nur mit dem linken Arm, dann zwanzig nur mit dem rechten Arm, anschließend zwanzig ohne Arme. Dann sprang ich auf. Ich hatte absoluten Ruhepuls.

Ich ging zu den drei mexikanischen Kartellkillern hinüber und blickte dem Größten von ihnen eiskalt in die Augen.

„He, Inka-Hackfresse, warum haben sie dich eingebuchtet?“

Er grinste verächtlich und spuckte vor mir auf den Boden.

„Hab ein Weißbrot aufgeschlitzt, du verpisste Gestapo-Schwuchtel.“

Er spannte seine Muskeln und nahm die Fäuste aus den Hosentaschen. Seine Hose begann zu rutschen und ich nutzte diesen winzigen Augenblick der Irritation. Eine stahlharte Gerade landete mitten in seiner Visage und ich ließ umgehend einen tückischen Leberhaken folgen. Während er stöhnend zu Boden sank, spuckte er seine Zähne aus wie ein Popcornautomat.

Die beiden anderen Mexikaner kamen drohend auf mich zu, aber dann griffen die Nazis an. Da ihnen allen die Hosen rutschten, war der Kampf eher peinlich als brutal. Ein Polizist kam und hieb mit seinem Schlagstock auf das Gitter der Zelle ein.

„Aufhören! Ich schick euch alle nach Moabit!“

Ich ging zu dem ängstlichen Mann in der Ecke, der mich verzweifelt ansah. Nachdem ich mich neben ihn gesetzt hatte, legte ich väterlich meinen Arm um seine Schultern.

„Ich kann dich beschützen, aber ich brauche Infos zu deinem Boss.“ Ich wusste, dass er der Privatsekretär von Döpfner war. Ich hatte über die Nachrichtenagenturen von seiner Verhaftung erfahren.

Er blickte zu Boden und schwieg.

Ich nahm seinen Adamsapfel, der groß wie ein Tischtennisball war, zwischen Daumen und Zeigefinger.

„Ich kann dir aber auch die Gurgel zudrücken, bis der Sandmann kommt.“

Danach packte er aus. Murdochs News Corp. und Springer hatten heimlich die Mehrheit beim SPIEGEL erworben und planten Kampagnen für Trump und Merz. Außerdem würde es einen deutschen Kanal von Fox News geben. Endlich würde mit der ganzen links-grün-versifften Scheiße Schluss sein.

So geht erfolgreicher Top-Journalismus, Ihr Karo-Luschen! Man muss dahin gehen, wo es weh tut. Exklusive Informationen sind pures Gold, du musst die Story als Erster haben. Sehe ich aus wie Relotius, der einfach zu Hause sitzt und sich seine Texte bei einer Flasche Rotwein ausdenkt?

Nächste Woche: Bonetti findet die Druckplatten für gefälschte Bitcoins.

Leg dich nicht mit Zohan an - Liegestuetze [HD] - YouTube

 

Donnerstag, 18. Mai 2023

Blogpost eines alten Weggefährten – So war Kleinbloggersdorf im August 2014

 

So, der ist überfällig, der ist sogar extrem überfällig, der muss sein, den will ich schon lange machen, weil er es verdient hat, weil ich seinen Blog so mag, weil ich seine Entwicklung faszinierend finde, weil einer nur so schreiben kann, wenn er Dinge selbst erlebt hat oder eine Vorstellungskraft hat, die nicht mehr nur Empathie ist, sondern irgendetwas größeres, ein literarisches Talent, ein Schreiber, ein Kiezschreiber.

Den Kiezschreiber lese ich seit etwa 2011. Zu der Zeit habe ich noch gar nicht gebloggt, sondern bei dem untergegangenen Bewertungsportal Qype meinen unmaßgeblichen Sermon ins Netz geblasen. Blogger waren für mich damals noch entrückte Feenwesen, die fast auf einer Stufe mit dem "professionellen" Online-Journalismus standen und die irgendwas machten, was ich nicht konnte: Einen Blog.

Der Kiezschreiber wohnte damals noch gegenüber in Berlin-Wedding und da ich die meisten Blogs meiner Umgebung in meinem Feedreader habe (außer die fünf Millionen Mutti- respektive Vatiblogs, denn so viel Content über den Kosmos zwischen Wickeltisch, Zahnfee und Bioweinbergpfirsich verkrafte ich nicht), war er eben auch dabei, denn ich mag ja Wedding sehr.

Seine Texte - er sieht mir das hoffentlich nach - fand ich seinerzeit zugegebenermaßen immer ein wenig konfus. Zu kurz auch. Keine Linie. Keine Absätze. Es gab Fragmente zur aktuellen Politik, kleinere Rants zu irgendwelchen Dingen, irgendwas zum Quartiersmanagement, das ich nicht verstand, einige Positionen zur unseligen Debatte um die Planierung des Mauerparks, als ein traurige Ansammlung von Clowns genannt Bürgerinitiative den Protest dagegen erst (zur Freude des Investors) in unerträglicher Vereinsmeierei befriedet und dann 
komplett verkackt hat.

Der Kiezschreiber
hat die Sache mit dem Mauerpark immer begleitet, für meinen Geschmack etwas dünn, aber nicht wirklich falsch, so wie das ganze Blog - leicht dünn, manchmal wirr, aber so ganz falsch nie. Ich las ihn so nebenbei, mein Eindruck war der eines sympathischen Kerls, der sich offenbar gerne verzettelt, sich oft das Leben schwerer macht als nötig und keine Mitte hat. Ich räume ein, ich habe ihn gerne überblättert. Oft überblättert. Quergelesen, wenn es hochkommt. Ja, culpa. Mea. Maxima. Tralala.

Dann
das.

September 2013. Krankheit. Abschied. Der Kiezschreiber schmeißt hin.

Autsch. So schnell geht das. Es ist eben doch Kleinbloggersdorf hier, in dem ich mich an den netten schrulligen Nachbarn gewöhnt habe und ihn vermisse, wenn er fort ist. Ich bin so ein sentimentaler Hund. Ich trauere um Leute, die ich gar nicht kenne.

Dann drei Monate später der
Neuanfang. In Schweppenhausen. Was zum Teufel ist Schweppenhausen?

Ehrlich, ich habe keine Ahnung, was dazwischen passiert ist, ich weiß ja im Grunde nichts über den Kiezschreiber, nur, dass ihm der Neuanfang zumindest literarisch (und hoffentlich sonst auch) gut getan hat, denn er ist seit diesem Jahr ständiger Bewohner meiner regelmäßigen Linkliste von Texten, die ich für lesenswert und in seinem Fall sogar partiell für großartig halte. Kiezschreiber Schweppenhausen unterscheidet sich in Stil, Thematik und Ästhetik diametral von Kiezschreiber Wedding.

Ich weiß es nicht, vielleicht liege ich komplett falsch, aber mich beschleicht das Gefühl, dass da einer sein Leben aufschreibt, ob aus eigenem Erleben oder aus fremden Einflüssen heraus kann ich nicht beurteilen und es ist mir auch egal. Da kommt ein Brett nach dem anderen, mal feinfühlig, mal brachial, mal derb, mal sinnlich. Fast jeden Tag eins. Literatur. Für umme. Er verschenkt sie einfach so.

Ja, ich lese ihn unheimlich gerne, die meisten seiner neueren Texte wären es wert, zwischen Buchdeckel gepresst zu werden, würden sich Bücher heutzutage noch lohnen.

Natürlich ist der optische Auftritt seines Blogs ein Heuler, na klar, es wirkt vom Design her ziemlich ungelenk und nicht so ansprechend wie das andere mal eben so nebenher bringen, aber das finde ich, der es nicht geschafft hat, bei wordpress.com ein schwarzes Theme einzurichten, das nicht 99,99 $ kostet, und deshalb gleichfalls hier bei Blogspot, dem Idiotenhoster für technische Nullen, anheuern musste, tatsächlich charmant. Noch einer, der das nicht kann. Find' ich gut.

Kiezschreiber, ich wünsche dir ehrlich, unironisch und mit allem gebotenen Pathos alles Gute, viel Kraft und in erster Linie Gesundheit. Bitte schreib' weiter. Und halt' den Kopf oben.

 

 

 

Mittwoch, 17. Mai 2023

Oktobass statt Oktopus

 

Blogstuff 802

„Ab fünfzig musst du tierisch auf dich achtgeben. Wenn nicht, wächst dir über Nacht eine Steppjacke aus dem Oberkörper.“ (Nils Heinrich)

Der Oktobass ist das größte Streichinstrument der Welt. Er ist 3,45 Meter hoch und wiegt über hundert Kilogramm. Das war damals, als ich noch in einer Rokoko-Band gespielt habe, immer eine Quälerei in der U-Bahn.

Hätten Sie’s gewusst? Die meisten Polohemdenträger haben in ihrem Leben noch nie Polo gespielt.

Montagmorgen, 9:30 Uhr. Handwerker im Haus. Er pfeift fröhlich. Beim Abschied spreche ich ihn darauf an, dass Montagmorgen selten jemand fröhlich ist. Er grinst und sagt: „Solange ich arbeiten kann, bin ich gut drauf.“ Mit Anfang zwanzig sind die Leute offenbar noch motiviert. 

14. Mai 1958. In der Maggi-Fabrik in Singen am Bodensee läuft die erste Dose Ravioli vom Band. Ein kulinarischer Alptraum, den wir alle schon mal gegessen haben (mancher von uns auch öfter, als er zugeben will), wird 65 Jahre alt. Die Achse Berlin-Rom funktioniert auch in der Adenauer-Zeit. Noch heute laufen täglich 170.000 Dosen im selben Werk vom Band. 36 Millionen Dosen und damit etwa eine Milliarde Ravioli im Jahr. Und irgendjemand isst das viele Zeug tatsächlich. Sie haben uns durch die Corona-Zeit gebracht und werden uns durch den russischen Einmarsch bringen. Die Erfindung der Fertiggerichte hat übrigens mehr zur Emanzipation beigetragen als alle Demonstrationen und Emma-Heftchen zusammen. Endlich konnte die Hausfrau die Fesseln, die sie an den Herd gebunden hatten, abwerfen und sich neben der kostenlosen Ausbeutung durch den Mann auch noch der Lohnsklaverei hingeben.

Vor fast zehn Jahren, Anfang Juli 2013, bin ich von Berlin nach Schweppenhausen gezogen. Ruhe. Ein ganzes Haus und ein großer Garten für mich allein. Seither habe ich keinen Kriminalroman und kein Sachbuch mehr geschrieben. Es sind viele kurze Texte und Notizen („Blogstuff“) entstanden, ich schreibe nie länger als eine Stunde am Tag. Ein entspanntes Leben. Dennoch sind in dieser Zeit ca. 3750 Word-Seiten Text (gespeichert in Dateien à 80 Seiten) entstanden. Zehn Jahre sind 3650 Tage, also etwa eine Seite pro Tag – obwohl nach meinem Umzug nichts geplant war. Nur umfassende Ruhe, keine Ziele, keine Ambitionen. Ich habe in meinem Leben noch nie so viel geschrieben. Gelesen habe ich in dieser Zeit hunderte von Büchern, selbst „Krieg und Frieden“ oder „Mann ohne Eigenschaften“. Endlich hatte ich Zeit für die wesentlichen Dinge.

Ich lache über meine zehnjährige Pilgerschaft.

Verschossenes Gewand, zerschlissener Hut, Klopfen an die Tore des Zen.

In Wahrheit ist das Gesetz Buddhas so einfach:

Iss deinen Reis, trink deinen Tee, trage deine Kleider!

(Aus: Eiji Yoshikawa: Musashi, München: Droemer Knaur 1984, S. 1090. Übrigens ein sehr empfehlenswerter Abenteuerroman für lange Winterabende)

 

Dienstag, 16. Mai 2023

Der Bürger rät, wir raten mit

 

Die deutsche Politik hat ein Image-Problem. Die Mehrheit ist mit der aktuellen Regierung und der Arbeit im Parlament unzufrieden. Die Vorwürfe lauten: Vetternwirtschaft, Klientelpolitik, Selbstbereicherung (#Maskendeals), Verbotspolitik u.v.m. Die Parteien erscheinen als hermetisch von der Bevölkerung abgeschlossene Zirkel, als volksferne Elite, die den Bürger durch patriarchalische Erziehungsmaßnahmen entmündigen möchte. Die Politiker sind aber nicht nur Puppenspieler, sondern hängen selbst wiederum an den Fäden der Lobbyisten aus Industrie und Beratungsunternehmen.

Um diesem Image entgegenzuwirken, hat man jetzt tief in den Marketingbaukasten gegriffen und die Bürgerräte erfunden. Auf diese Weise möchte man die Bürger wieder näher an die politischen Entscheidungsprozesse heranführen und sie für die Demokratie begeistern. Es erinnert mich alles sehr an die Runden Tische der Neunziger, als ein Instrument, das in der Transformation der DDR vom Sozialismus zur Demokratie 1989/90 eingesetzt wurde, als Allzweckwaffe für alle möglichen Themen genutzt wurde.

Ich selbst habe zwei Jahre an einer sogenannten Bürgerwerkstatt in Berlin teilgenommen, bei der es um die Erweiterung des Mauerparks ging. Es war eigentlich eine Beschäftigungstherapie mit Moderatoren, bunten Kärtchen, die man beschriften durfte, und endlose Debatten über die Gestaltung der Erweiterungsfläche. Wir haben beraten, aber die Politiker haben sich nicht beraten lassen. Schließlich wurde entschieden, eine Hälfte der Erweiterungsfläche zu bebauen und die andere Hälfte nach den Plänen eines externen Landschaftsarchitekten zu gestalten.

Wie sieht der Bürgerrat, der den Bundestag beraten soll, konkret aus? Das Gremium soll aus160 repräsentativ ausgelosten Bürgern bestehen. Er soll über konkrete Themen insgesamt vierzig Stunden debattieren und dann eine Empfehlung aussprechen. Organisiert und moderiert wird der Rat von einem Verein namens Mehr Demokratie e.V. „Neutrale“ Experten sollen die Diskussion unterstützen. Natürlich ist die Empfehlung für das Parlament nicht verbindlich. Die ganze Aktion ist leicht zu durchschauen, selbst für einen Laien.

Ich habe Fragen:

Wer kontrolliert die Auslosung?

Wer definiert, welcher Experte neutral ist? Wer wählt sie aus?

Welche Mehrheit ist für eine Empfehlung erforderlich? Eine relative oder eine absolute Mehrheit? Was sagt es uns, wenn siebzig Bürger dafür und sechzig dagegen sind, während sich der Rest enthält oder bei der Abstimmung nicht erscheint?

Was verspricht man sich von den Empfehlungen? Erinnert es nicht an die Empfehlungen des Ethikrats, der ebenfalls nicht demokratisch gewählt ist?

Durch was sind die 160 Bürger legitimiert, die für 80 Millionen Bürger sprechen sollen?

Hat das Gremium die Relevanz von Meinungsumfragen, an denen wenigstens zweitausend Bürger teilnehmen? Was ist, wenn in einer BILD-Online-Umfrage 150.000 Leute anderer Meinung sind?

Wie marginal ist der Einfluss einer solchen Show-Veranstaltung auf den Gesetzgebungsprozess?

Inwiefern wird durch einen Bürgerrat die Demokratie konkret gestärkt?

P.S.: 2021 gab es einen Bürgerrat zum Thema Klima, der eine ganze Reihe von Vorschlägen erarbeitet hat. Die ganze Veranstaltung habe ich gar nicht mitbekommen. „Was seine Wirkung angeht, so kann der offiziell gelobte Bürgerrat Klima getrost als Flop bezeichnet werden.“ (Dieter Rucht in: ZEIT-Online, 7.5.2023)

 

Montag, 15. Mai 2023

Maximal minimalistisch: Bonetti Media

 

Blogstuff 801

„Wir beschleunigen das Leben in der Angst, wir könnten es verpassen. Und indem wir es beschleunigen, verpassen wir es.“ (Roger Willemsen)

Zum Glück musste meine Mutter den Gebärende-Personen-Tag nicht mehr miterleben.

Ich lehne die Vier-Tage-Woche ab, weil sich dann meine Arbeitszeit vervierfachen würde.

Die Leute sehen sich Fußballspiele an, aber sie lesen keine Bücher über Fußball. Sie gehen arbeiten und geben ihr Geld aus, aber sie lesen keine Bücher über Wirtschaft. Niemand weiß, was ein Lombardsatz ist.

Auf seinem Pappschild stand „Paris“. Er stand zwei Stunden am Ortsausgang Schweppenhausen Richtung Windesheim. Dann ging er wieder nach Hause.

Schon wegen der vielen Flüchtlinge müssen wir die Autobahnen ausbauen. Meine Meinung.

Die Idee „Wandel durch Handel“ ist genauso tot wie der Trickle-Down-Effekt. Es ist eine Lebenslüge, Profit mit Menschenrechten und sozialer Ungleichheit zu verbinden. Es ging immer nur um Profit. #China #Russland

Man sagt nicht mehr Sozialdemokrat, man sagt „S-Wort“.

Multitasking bei Bonetti: Während ihm ein Senegalese die Schuhe putzt und eine Thailänderin seine Fingernägel manikürt, sieht er auf BILD-TV einen Bericht über die Flüchtlingskrise.

Wirtschaftsförderung in der Provinz: Die Bahn bleibt zwei Stunden in Idar-Oberstein liegen und die Passagiere gehen in die Cafés, Restaurants und Schmuckgeschäfte. Verspätung auch mal so rum denken!

Hätten Sie’s gewusst? Erling Haaland absolvierte 2016 als Fünfzehnjähriger ein Probetraining bei der TSG Hoffenheim. Da er 5.000 € Monatsgehalt forderte, bekam er keinen Vertrag.

Ich bin nicht faul, ich leide an Belastungsintoleranz. Leider ist diese Krankheit unheilbar.

Wer erinnert sich nicht an Raphaël Georges Marquis Béthenod de las Casas de Montbressieux, den Rennfahrer mit dem längsten Namen der Motorsportgeschichte? Er fuhr in den dreißiger Jahren in der Europameisterschaft gegen Caracciola & Co. Sein bestes Ergebnis war ein dritter Platz beim Grand Prix d’Albi 1946. An diesem Tag gewann der legendäre Tazio Nuvolari sein letztes Rennen. Als die Formel 1 1950 begann, beendete Raph seine Karriere und arbeitete fortan als Chauffeur und Autovermieter an der Riviera.