Donnerstag, 30. Juni 2016

B-52

„I think I’m having a mid-week crisis.” (Zippy)
Ich sitze auf der Toilette und unter mir, ganz tief unter mir, ich schwöre es, fliegt ein winziger Condor über die Badezimmerfließen.
Warum bekommt man in Deutschland eigentlich kein Philly Cheesesteak Sandwich? Und auch der „Bacon Ultimate Cheeseburger“ von „Jack in the box“ mit seinen 930 Kalorien und „Dave’s Triple“ von „Wendy’s“ (1070 Kalorien) fehlen uns schmerzlich.
Nach dem Mauerfall war Osteuropa das Versuchsfeld der neoliberalen Reconquista (der Sozialismus war nur ein kurzes Intermezzo) und dann hat man dieselben Methoden auf Westeuropa angewandt. Verkauft hat uns die Nummer der Wolf, der die meiste Kreide gefressen hatte, und der hieß Schröder. Aber diesmal wird niemand die kleinen Geißlein aus dem Bauch des Raubtiers befreien.
Bescheidene und ehrliche Menschen sind in den Medien immer eine skurrile Randerscheinung.
Die guten alten fünfziger Jahre, als wir uns mit Hühnerfett oder einem Kotelett die Haare zurückkämmten, bevor wir mit unseren Cousinen Twist getanzt haben.
Arbeit ist mit weitem Abstand die dümmste Form der Vermögensbildung.
Aufgepasst, Nordkorea! Bonetti Universal Ltd. hat heute seine erste Mittelstreckenrakete gezündet. Sie schlug auf dem Parkplatz von Netto ein.
Das Wort „nachdenklich“ habe ich schon lange nicht mehr gehört oder gelesen. So haben sich die Zeiten geändert. Früher waren kluge Leute stolz auf ihre Nachdenklichkeit, heute hat man innerhalb einer Nanosekunde eine felsenfeste Meinung zu jedem Thema.
Hätten Sie’s gewusst? Johnny Maltas Alter, der Verwalter Jakob Malta, hat die Innenbeleuchtung für Handschuhfächer erfunden.
Haushalts-Tipp: Regulieren Sie die Temperatur in Ihrer Küche spielend leicht durch den geöffneten Ofen bei zweihundert Grad (Winter) oder durch den geöffneten Kühlschrank (Sommer).
Auf dem Kreuznacher Wochenmarkt gibt es jetzt auch einen Apple-Store. Eine Pension in Bretzenheim nennt sich „Hinterconti“. Gefällt mir.
Was fällt Ihnen zum Datum 7.11.1989 ein? Nein, nicht der Mauerfall. Der war zwei Tage später. Alle vier Zahlen (7, 11, 19, 89) sind Primzahlen. Mehr Spaß mit Primzahlen demnächst im neuen Bonetti-Magazin. Exklusiv an Ihrem Kiosk!
Warum ist auf der israelischen Flagge eigentlich ein Ninja-Wurfstern?
Empfehlung: Betreten Sie die Filiale der Sparkasse in Waldalgesheim nie mit einer Gorillamaske. Nicht alle Anwesenden sind begeistert.
Schwerpunkt Fußball-EM: Als bekennender Kuchenfreund frage ich mich, warum die Fußballer an ihren Füßen „Stollen“ haben. Wo ist da der Sinn?
„Montgomery Speck, ein aus der Glibberwelt der Sozialdemokratie entsprungener künstlicher Darmausgang und Eskamoteur …“ – „Nein, Mister Bonetti. Welcher Leser weiß denn heutzutage noch, dass ein Eskamoteur ein Trickkünstler und Taschenspieler ist, der etwas ‚durch gezwungene Erklärungen scheinbar zum Verschwinden bringen‘ kann, wie es im Duden heißt?“ Dieser hoffentlich einigermaßen erheiternde Dialog wurde Ihnen vom lexikalischen Auskunftsdienst Bad Nauheim präsentiert.
Stellenausschreibung: Der Zoo Schweppenhausen sucht noch Affen und Faultiere. Bewerben Sie sich jetzt! Elefanten mit Dickhäuterschein Klasse III werden bevorzugt genommen.
Kurzer Hinweis: Rotwein aus dem Tetrapak muss man nicht atmen lassen.
Wenn meine Unterhose als EM-Orakel taugt, dann gewinnt die Mannschaft mit den braunen Trikots.
Nina Hagen - My Way. https://www.youtube.com/watch?v=YP3Uu9Rt6Gc

Mittwoch, 29. Juni 2016

Die Abenteuer von Eike, dem kleinen Eierbecher 3

„Echte Revolutionäre sind die, die nichts zu verlieren haben.“ (Michail Aleksandrowitsch Bakunin)
Es war tiefe Nacht, als das Segelschiff anlegte. Über dem Hafen funkelten die Sterne, denen die Bewohner dieser alten Stadt noch keine Namen gegeben hatten.
Am nächsten Morgen drängelten sich die Menschen am Pier und sahen zu, wie kostbare Schätze aus fernen Ländern von Bord getragen wurden.
Ganz am Ende verließ ein Paar das Schiff: Eike und Eileen, die beiden kleinen Eierbecher. Sie gingen durch die Stadt, deren Häuser alle weiß gestrichen waren. Die Menschen hatten keine Haare auf dem Kopf und machten allesamt einen korpulenten Eindruck.
In der Ferne sahen sie zwei riesige Türme. Auf einem Turm war ein P, auf dem anderen ein S. Sie beschlossen, zu diesen Türmen zu gehen. Es stellte sich heraus, dass sie zu einer Kirche gehörten, in deren Innerem ein silberner Löffel verehrt wurde.
Vorsicht, ihr kleinen Eierbecher. Hier droht Gefahr! Oder ist es eine Welt, in der Eierbecher respektiert und voller Hochachtung in den Kreis der Gemeinde aufgenommen werden?
Wir haben keine Zeit für diese Frage, denn in der Hochgeschwindigkeitsserie um Eike, den Eierbecher (in Amerika heißt die Serie übrigens „The marvellous adventures of Ike the eggcup“) geht es weiter mit:

Die Abenteuer von Eike, dem kleinen Eierbecher 4
Aufgekratzt wie Edmund Stoiber nach drei Runden Auto-Scooter hielt Eike den Kopf aus dem Fenster. Der Fahrtwind kitzelte ihn und er schrie vor Glück. Zusammen mit Eileen war er auf dem Weg …
Nach Venedig? In die Rummelsburger Bucht? Zur Blue Man Group?
Was passiert als nächstes?
Erzählen Sie es mir! Erzählen Sie es uns allen!
Lassen Sie die Rolle als passiver Zuschauer hinter sich!
Sie sind kein Konsument!
Herunter von der Tribüne!
Wie geht es weiter?
Wenn Sie nicht mitmachen, werden Eike und Eileen sterben!
Na los!!!
Metallica - Hero Of The Day. https://www.youtube.com/watch?v=CBJey2dkiAI

Dienstag, 28. Juni 2016

Scheiß doch die Wand an!

Kennen Sie die Standardabzocke an nächtlichen Burger-, Döner- und Würstchenbuden? Gibt es vermutlich seit der Antike. An Ihrer Alkoholfahne glaubt man, Sie als Opfer erkennen zu können. Und dann beginnt das alte Spiel: Sie zahlen mit einem Zwanziger, der Leichenteilhändler gibt Ihnen auf einen Zehner raus. Wenn man die Arschkrampen hinter dem Tresen auf den Fehler hinweist, kommt noch nicht Mal ein müder Erklärungsversuch, sondern das korrekte Wechselgeld. Seit ein paar Jahren drehe ich den Spieß um. Ich zahle mit einem Zwanziger, behaupte dann aber, ich hätte mit einem Fünfziger bezahlt. Damit sorgst du bei den Pennern für Bluthochdruck. Die Diskussion kann man je nach Stimmung beliebig verlängern. Einfach mal den Spieß umdrehen. Und am Ende sage ich: Nee, war Spaß. Und gehe. Ist mir doch so scheißegal, wer hier das Opfer ist. Mach ich halt mal Stress. Das schaffe ich ganz locker ohne Schauspielunterricht. Leuten auf den Sack gehen – die nach Bratfett stinkenden Hoschis können das und ich auch.

Die Abenteuer von Eike, dem kleinen Eierbecher 2

„Des Vogelfluges wirre Zeichen lesen
Aussätzige, die zur Nacht vielleicht verwesen.
Im Park erblicken zitternd sich Geschwister.“
(Georg Trakl: Traum des Bösen)
Das Leben in der Fremde fiel Eike nicht schwer. So ein kleiner Eierbecher braucht ja nicht viel. Er isst und er trinkt nicht. Nur ein wenig Nähe und Zärtlichkeit braucht selbst ein Eierbecher. Aber zu Eileen kommen wir später.
Tagsüber trieb sich Eike in der Innenstadt herum und beobachtete das bunte Treiben. Am Abend lag er auf der Wiese im Stadtpark und sah dem Sonnenuntergang zu. Er musste sich natürlich vor habgierigen Menschen in 8 nehmen, die ihn gerne mit zu sich nach Hause genommen hätten. Aber Eike passte auf, denn er war ein pfiffiger Eierbecher. Und er wollte nie wieder in einer finsteren Höhle leben, die er nur verlassen durfte, wenn die Menschen ihn benutzten.
Eike wollte überhaupt nicht mehr benutzt werden. Eigentlich wollte er auch kein Eierbecher mehr sein. „Porzellanwesen“ oder „Freischaffender Künstler““ schwebten ihm als Beschreibungen seiner neuen Existenz vor. Er wollte das Leben in seiner kostbaren Tiefe ausschöpfen und anschließend ein Buch schreiben oder ein Bild malen. Vielleicht auch eine Skulptur oder eine Serie von Skulpturen – aus weißem Porzellan. Oder in bunt. So genau wusste er das noch nicht.
Dann traf er Eileen. Sie war wunderschön und hatte eine schlanke Taille. Ganz filigran, in hellem Rosa glänzend und voller bezaubernder Verzierungen. Sie arbeitete in einem Frühstückscafé in einem Einkaufszentrum. Natürlich als Eierbecher.
Eike verliebte sich in Eileen und eines Tages nahm er seinen ganzen Mut zusammen und sprach sie an. Zuerst sah sie ihn ganz erstaunt an. Dann musterte sie ihn gründlich von oben bis unten. Und nach einer kleinen Ewigkeit lächelte sie.
Fortsetzung folgt
The Temptations - My Girl. https://www.youtube.com/watch?v=6IUG-9jZD-g

Sonntag, 26. Juni 2016

Ich will den Replikator!

„I’m afraid! I need something in a heavy cream sauce.” (Zippy)
„Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2200. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise …“ Damit ging es los – und ich war fasziniert. Was würde es in der fernen Zukunft nicht alles geben. Kleine, flache Geräte, mit denen man kabellos über große Distanzen telefonieren kann. Nicht diesen klobigen grauen Apparat, der auf der Kommode im Flur unserer Wohnung stand und über dessen verknäultes Kabel man immer gestolpert ist. Monitore auf dem Schreibtisch, die Informationen aufnehmen und geben können. Diese Geräte sind miteinander vernetzt und dieses Netzwerk enthält alle Informationen, so dass Bücher und Bibliotheken vollkommen überflüssig werden. Ich habe auf einer mechanischen Schreibmaschine angefangen zu schreiben. Als ich die erste elektrische Schreibmaschine bekommen habe, die an das Stromnetz (!) angeschlossen war, dachte ich, okay, das war’s. Das ist das High Tech-Teil, an dem du den Rest deines Lebens schreiben wirst.
Damals hat man über die Visionen der Drehbuchautoren gelacht. Verrückte Welt des 23. Jahrhunderts. Wie kann es so etwas Durchgeknalltes jemals geben? Heute lachen wir über diese Erfindungen, die längst selbstverständlich geworden sind. Ist doch klar, dass jeder ein Smartphone und einen internetfähigen PC hat. Schnee von gestern. Und den Phaser, also Laserwaffen, gibt es auch schon. „Beamen“ können wir noch nicht und ich glaube auch nicht, dass wir das je hinkriegen werden. Einen Menschen mit alle seinen Erinnerungen bis ins letzte Atom zu zerlegen, zu versenden und anderswo wieder zusammenzusetzen? Das ist so, als würde man aus einem Schwein eine Wurst und aus der Wurst wieder ein Schwein machen. Daran glaube ich nicht. Mir geht es hier auch um etwas anderes: Ich will den Replikator!
Der Replikator auf der Enterprise ist eine Maschine, der man sagt: „Ich will eine Lasagne!“ Und Sekunden später kann man einen Teller mit heißer Lasagne aus dem Gerät holen. Es geht mir nicht um Bequemlichkeit. Na gut, ein bisschen vielleicht. Es geht mir um den Traum der Veganer. Essen, ohne das Leben von Tieren zu beenden. Fleisch essen ohne Massentierhaltung. Letztlich um Ernährung ohne den Tod von Lebewesen – und Pflanzen sind schließlich auch Lebewesen, die im Zweifelsfall nicht in meinem Magen landen wollen, sondern wachsen, blühen und sich fortpflanzen wollen. Gäbe es den Replikator, der die Atome einer Lasagne auf einem Teller perfekt zusammensetzen könnte, bräuchten wir keine Landwirtschaft mehr. Keine Hühnerfarmen, Maisfelder, Kuhställe, Gewächshäuser.
So wie Automobil und Traktor das Pferd und den Ochsen von mühseliger Arbeit befreit haben, befreit der Replikator den Menschen von der Arbeit auf den Feldern, er rettet die Tiere und die Pflanzen dieser Welt. Wir könnten die Zucht all dieser kranken Viecher – Kühe, die ohne gemolken zu werden, platzen würden, hässliche fette Schweine, die mit den Wildscheinen im Wald nichts mehr gemein haben, Hühner, denen am Fließband Eier aus dem Arsch fallen – endlich einstellen und die Welt der Natur ihrer freien Bestimmung zurückgeben. Es wäre eine Welt, in der das Futtern von drei Hamburgern hintereinander moralisch korrekt wäre. In der Veganer den ganzen chemieverseuchten Tofu- und Seitan-Plunder fröhlich aus dem Fenster werfen könnten. In der Wisente auf wilden Wiesen grasen würden. Deswegen möchte ich den Replikator. Der Kollateralnutzen: Küchenlegastheniker wie ich haben immer lecker zu essen und müssen ihren faulen Arsch auch nicht in den Supermarkt bewegen.
Kommen wir zur technischen Umsetzung. Ich gebe zu, am Ende dieser kleinen Einlassung zum Thema Ernährung nähere ich mich unaufhaltsam meinem Schwachpunkt. Ich habe von Technik keine Ahnung. Wie kommen die Streifen in meine Zahnpasta? Weiß ich nicht. Ist mir auch egal. Aber es gibt 3D-Drucker, die Gegenstände herstellen können. Das „Internet der Dinge“. Angeblich wird an einem Gerät gearbeitet, das eine echte Pizza „ausdrucken“ kann, obwohl wir dann ein neues Verb für diesen Prozess brauchen. Irgendwann – und ich bin überzeugt, dass es vor dem Jahr 2200 sein wird – gibt es den Replikator. So wie wir die Informations- und Kommunikationstechnik der Sechziger-Jahre-Serie bereits haben, werden wir auch die Produktionstechnik der Enterprise bekommen. Ich werde es vermutlich nicht mehr erleben, aber mir gefällt dieser Traum aus meiner Kindheit. Immerhin schaffen wir bereits den Teller für die Lasagne mit der aktuellen Technik.
P.S.: Star Trek wird am 8. September fünfzig Jahre alt (Erstausstrahlung auf den Vereinigten Planeten). Nur wenige Wochen nach mir. Der Bericht in der „TV-Spielfilm“ zum neuen Star Trek-Film, der nächsten Monat in die deutschen Kinos kommt, beginnt mit folgenden Sätzen: „Fünfzig zu werden kann traumatisch sein. Man wird langsamer. Fühlt sich nicht mehr ganz so jung. Sieht vielleicht auch nicht mehr ganz so positiv in die Zukunft wie früher …“
Wheel Catherine – Delicious. https://www.youtube.com/watch?v=FbjnGvZvpSY

Freitag, 24. Juni 2016

Katastrophenalarm

Alle reden heute über den Brexit. Alle? Nein, hier im Hunsrück hat es ein schweres Unwetter gegeben. In Stromberg wurde Katastrophenalarm ausgelöst, die Freiwillige Feuerwehr Schweppenhausen ist im Einsatz.
http://www.bild.de/news/inland/unwetter/gewitter-unwetter-46465574.bild.html
Nach dem Regen wollte ich ins drei Kilometer entfernte Stromberg, um dort einzukaufen. Wir haben uns durch die überflutete Landstraße bis zum Ortseingang gekämpft – dann war Schluss. In Schweppenhausen kompletter Stau bis zur Autobahnauffahrt. Über Schleichwege haben wir uns zu Edeka in Waldalgesheim durchgekämpft, sonst hätte ich jetzt noch nicht einmal das Bier in meiner Hand! Kein Brot, keine Schokolade. Von TP und TK-Produkten ganz zu schweigen (morgen braten wir Burger im Garten) …
http://www.allgemeine-zeitung.de/lokales/polizei/unwetter-am-rhein-und-im-hunsrueck-land-unter-in-trechtingshausen-katastrophenalarm-in-stromberg_17021527.htm
Der Abschied von Großbritannien aus der EU ist gar nicht so schlimm. „Brüssel“ ist zu einem neoliberalen Elitenprojekt verkommen, in der das Führungsduo Merkel / Hollande im Alleingang regiert und die gewählten Volksvertreter im Parlament für die Gurkenkrümmung zuständig sind. Das war ein Wake Up Call für Kontinentaleuropa:
Phil Collins - Wake Up Call. https://www.youtube.com/watch?v=gHFds7yE4uw

Blogstuff 51

„Die originellen Bücher sind in der Nacht der Zeiten verstreut wie die Sonnen in den Einöden des Weltenraums, um ihre Dunkelheit zu erhellen.“ (Claude-Adrien Helvetius)
NEWSFLASH: Nach dem Brexit wurden heute überraschend England, Wales und Nordirland von der EM ausgeschlossen. Nachnominiert wurden Holland, Dänemark und Griechenland.
Ich plädiere für die Einführung der Prügelstrafe in Werbeagenturen. Ich bin nur ein Wortspiel vom bewaffneten Widerstand entfernt.
Er war ein Universaldilettant. Spielte Klavier wie Messi und Fußball wie Mozart.
Bonetti Innovations Ltd. hat eine überdachte Teststrecke für Regenschirme entwickelt, auf der auch Unwetter mit Hagel und Sturm simuliert werden können.
Hätten Sie’s gewusst? 1851 erfindet Friedrich von Lunger das Herumlungern, das sich bis heute großer Beliebtheit erfreut.
Trotz aller technischen Innovationen gibt es eine Konstante: Je bedeutender ein Mensch ist, desto mehr Türen und Zimmer müssen wir durchschreiten. Vom Obdachlosen trennt uns keine Tür, vom Vorstandsboss trennen uns viele Türen.
Idee für ein Gemälde: Büroangestellte, die panisch durch starken Regen rennen.
Ich finde eine leere Dose und dribble sie durch die Straßen bis zu mir nach Hause, wo ich sie meinem Nachbarn in den Vorgarten schieße.
Die Linke im Netz: exzentrische Scharmützel von Splittergruppen und Einzelkämpfern. Jeder will der Heiland sein, keiner der Jünger. Der Erfolg der Rechten hingegen hat etwas Hündisches, sie folgen willig ihrem Rudelführer.
Haben Sie schon mal vom Homo floresiensis gehört, der in grauer Vorzeit auf der indonesischen Insel Flores gelebt hat? Der war nur einen Meter groß. Das ist doch die Lösung unserer Probleme! Der Mensch muss kleiner werden. Dann konsumiert er weniger, fährt keine riesigen SUVs mehr und es passen mehr Leute auf den Planeten. Deswegen schreibe ich ja seit Jahren nur noch Kurzgeschichten.
Hätten Sie’s gewusst? Das Bundesministerium für Bildung und Forschung wurde 1955 gegründet und hieß ursprünglich Bundesministerium für Atomfragen, ab 1957 dann Bundesministerium für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft. Der erste Chef dieses Ministeriums war Franz-Josef Strauß.
Ich habe beim TuS 09 Schweppenhausen Fußball gespielt. Das ist charakterbildend. 0:8 oder 1:10 haben wir gegen andere Kuhkäffer verloren. Das waren keine Niederlagen, das waren Demütigungen. Tabellenletzter in einer Liga, aus der man nicht mehr nach unten absteigen konnte, weil da einfach nichts mehr kam. Und doch sind wir erhobenen Hauptes nach Hause gegangen und zum nächsten Spiel wieder angetreten. Auf staubigen Hartplätzen und sumpfigen Matschwiesen. Die Bälle fischte man aus trüben Bächen oder suchte sie in trostlosen Weizenfeldern. Nie habe ich eine Meisterschaft oder einen Pokal gewonnen. In all den Jahren nicht. Aber es hat mich auf das Leben vorbereitet. Da träumt man ab der E-Jugend nicht mehr davon, ein Prinz zu sein. Kein Vorgesetzter und kein Vater hat uns je so angebrüllt wie der Fußballtrainer. Eherne Lehrsätze: „Du bist nichts Besonderes“ – „Aus dir wird sowieso nix mehr“ - „Geh nach Hause“. Als Erwachsener brüllst du dann mit tausenden anderen Fans im Stadion den Gegner an: „Ihr könnt nach Hause fahr’n, ihr könnt nach Hause fahr’n, olé olé olé olé!“
Nationalismus, Religion, Ideologie – das sind die schweren Möbel, die in manches leere Zimmer gestellt werden.
Heinz Pralinski hatte in seiner Jugend so schwere Akne, dass er Pink Floyd zu ihrem Album „The Dark Side Of The Moon“ inspiriert hat.
Blut und Boden ist wieder in. Der Sultan aus dem Morgenland fordert einen Bluttest für türkischstämmige Abgeordnete im Bundestag, weil er deren völkische Herkunft anzweifelt, Schäuble mahnt offen die Auffrischung des teutonischen Volkskörpers durch Kriegsflüchtlinge an – Integration als Infusion: „Die Abschottung ist doch das, was uns kaputtmachen würde, was uns in Inzucht degenerieren ließe.“
Er hatte Augen wie ein Luchs. Aber wie ein sehr alter Luchs.
Der Unterschied zwischen Individualismus und Egoismus ist der gleiche wie zwischen Netzwerk und Seilschaft – alles eine Frage der Perspektive.
Die Bundesregierung? Hier eine kleine Auswahl meiner Empfindungen: Abscheu, Resignation, Fassungslosigkeit, Zorn, Entsetzen, ungläubiges Staunen, Zynismus.
Hätten Sie’s gewusst? Die Strahlung der Sonne wird thermonuklear erzeugt. Atomkraft ist eigentlich nichts anders als hausgemachte Sonnenenergie. Denken Sie mal darüber nach, wenn Sie in diesem Sommer vor einem Eiscafé sitzen und die wohltuende Strahlung unseres Zentralgestirns genießen. Windräder sind hingegen im heimatlichen Spiralarm unserer Galaxis bis vor kurzem noch völlig unbekannt gewesen und sehen außerdem doof aus.
Gianna Nannini – America. https://www.youtube.com/watch?v=JfYgghOqo0s

Donnerstag, 23. Juni 2016

Hungernde deutsche Mädchen in den Klauen geiler Judenböcke

Sie haben diese Überschrift angeklickt. Wie geht es Ihnen? Habe ich Sie auf Betriebstemperatur gebracht? Wenn Sie links gepolt sind, regt Sie der Antisemitismus in der Überschrift auf, wenn Sie rechts gepolt sind, machen Sie sich gerade Sorgen um den blonden Nachwuchs unserer feinen Herrenrasse.
Keine Sorge. „Hungernde deutsche Mädchen in den Klauen geiler Judenböcke“ ist eine Überschrift, die ich mir nicht selbst ausgedacht habe. „Der Stürmer“, Ausgabe 35, Jahrgang 1925. „Der Stürmer“ war ein rechtsradikales Hetzblatt, das am 20. April 1923, am 34. Geburtstag von Adolf Hitler, zum ersten Mal erschien. Julius Streicher ist der Herausgeber gewesen, in den Nürnberger Prozessen wurde er zum Tode verurteilt.
Die „Judensau“ Heinrich Heine wird als „das größte literarische Schwein des vergangenen Jahrhunderts“ denunziert, er ist „Das Schwein vom Montmartre“, wie es in einer Überschrift im „Stürmer“ Nr. 52 / 1925 heißt. Manchmal denke ich an derlei Fäkalpropaganda, wenn ich Texte im Internet lese.

Montag, 20. Juni 2016

Die Siebziger, Alter!

„Das Schöne am Altwerden ist doch: es wird so vieles egal. Welche Frisur ist gerade angesagt? Sei froh, dass du Haare hast. Sollte man sich seine Sackhaare entkrausen lassen, blondieren und Geld in einen Stufenschnitt investieren? Völlig schnuppe, weil ich immer noch ohne Prostatamassage am Pissoir stehe!“ (Andy Bonetti: My sweet little Ding-A-Ling)
Annemarie Jagger blickt exklusiv zurück auf ein unvergessenes Jahrzehnt:
Die Siebziger! Das können sich die jungen Leute ja gar nicht mehr vorstellen. Das war das beste Jahrzehnt ever. Die Klamotten, die Frisuren, die Musik. Heute möchte ich nicht jung sein. 2016 jung? Nö. Kannste mir schenken. Will ich nicht haben. Natürlich war nicht alles schön. Wir hatten zum Beispiel Wirtschaftskrisen, dass die Heide wackelt. Da durfte man sonntags nicht mit dem Auto zu Oma und Opa. Weil es die Regierung verboten hat. Der Schlamassel im Nahen Osten war auch schon. Und zwar durchgehend. Israel gegen sämtliche Nachbarn. Und Bürgerkrieg im Libanon. Die rechte Gefahr gab’s auch. Na, selbstverständlich! Franco-Diktatur in Spanien. Dazu richtige Kommunisten, praktisch  in ganz Osteuropa. Krieg? Überall und bis zum Abwinken. Statt Irak hatten die Amis Vietnam, statt der Ukraine hatten die Russen Afghanistan. Terrorismus gab’s natürlich auch. Was denkt ihr denn? Aber noch schön hausgemacht. RAF, Bewegung 2. Juni, Revolutionäre Zellen. Heutzutage wird das ja alles aus dem Ausland importiert. Und wir hatten Willy Brandt. Leck mich am Arsch, war der geil! Hat die ganze Zeit geraucht, gesoffen und Weiber angebaggert wie ein Rockstar. Und hat während seiner Amtszeit den Friedensnobelpreis bekommen. So nebenher, verstehste? Weil er so geil war. Und laufend hast du Leute getroffen. Weil telefonieren so teuer war und Fernsehen nur ein paar Stunden gegen Abend lief. Scheiße waren die Medien damals schon, aber es gab noch Alternativen. Sektfrühstück! Wer macht das heute noch? Den ganzen Tag im Schlafanzug rumlaufen und Showaddywaddy hören? Heutzutage gibt’s ja noch nicht mal Schlafanzüge. Nee, so schön wird’s nie wieder.
Heute um 21 Uhr auf Bonetti TV.
P.S.: Folgende Stars wurden in den siebziger Jahren „vor der Zeit dahingemäht in ihres Lebens rotwangiger Maienblüte“ (Melville: Moby Dick): Sid Vicious, Jimi Hendrix, Janis Joplin, Jim Morrison, Elvis Presley, Bruce Lee, Salvador Allende, Sepp Herberger.
Patrick Hernandez - Born To Be Alive (Mega Extended UltraTraXX Mix). https://www.youtube.com/watch?v=-ob45BjCqxo

Samstag, 18. Juni 2016

Pants on fire

Gott – wenn es ihn oder sie wirklich gibt – hat in sechs Tagen – falls wir dieser Aussage tatsächlich wörtlich folgen wollen – die ganze Welt und insgesamt zwei Menschen geschaffen: eine Frau und einen Mann.
Nirgendwo steht geschrieben, dass Gott dich geschaffen hat. Keiner von uns Pappnasen wird in der Bibel erwähnt. Und die Bibel ist nur ein Buch, das von Leuten geschrieben wurde, die nicht dabei waren.
Also weiß ich gar nicht, was die ganze Scheiße eigentlich soll. Gott war höchstens eine knappe Woche in der Gegend und ist dann weitergezogen. Hat mittlerweile vermutlich eine Million Welten erschaffen. Falls die Geschichte überhaupt stimmt.
Und wenn wir jetzt die ganzen Hoschis in den Medien und auf der Straße sehen – keiner von denen kann sich auf Gott, Allah, Buddha oder wen auch immer berufen. Wir machen uns die Sache viel zu einfach, wenn wir an irgendwelche Legenden glauben.
Vielleicht fressen uns demnächst grauenhafte Monster aus einer anderen Galaxis und die haben auch einen Jesus?
P.S.: „Pants on fire“ nennt man bei POLITIFACT Aussagen von Politikern, die nicht nur gelogen, sondern auch peinlich sind.

Freitag, 17. Juni 2016

Ladycat

„Ich muss Ihnen noch schnell gestehen, dass ich die Einsamkeit nicht mag, und es gibt keine schrecklichere Einsamkeit als die in Gesellschaft einer leeren Flasche.“ (Carlo Manzoni: Ein Schlag auf den Schädel und du bist eine Schönheit)
Es passt nicht in mein Weltbild, die Geschichte passt überhaupt nicht zu mir, aber ich erzähle sie trotzdem:
Ich lag bei einem Freund in Ingelheim auf dem Sofa, die Liebe hatte mich umgehauen. Ich war allerschwerstens in eine Frau verliebt und trotz aller Versuche gescheitert. Am Abend vorher. Endgültig. Jetzt lag ich da und war am Ende. Konnte den Körper nicht bewegen, so wie man oft im Traum den eigenen Körper nicht beherrschen kann und wie gelähmt ist. War nach dem Aufwachen erst gar nicht aufgestanden. Hatte doch alles keinen Sinn. Kein Moment der Niederlage, sondern der totalen Kapitulation. Die Tage des endlosen Heulens sollten mir noch bevorstehen, hier ging es um das nackte Überleben. Du glaubst, vor dem größten Glück deines Lebens zu stehen, du siehst in deinen Tagträumen hundertmal dein Happy End. Und dann wirst du in den Staub getreten, du bist so einsam wie ein fremdes Tier in dieser Welt.
Und dann kam sie. Ich kannte sie gar nicht. Mein Freund hatte die Wohnungstür aufgelassen und so war sie offenbar durchs Treppenhaus in den Flur gekommen. Ich hörte sie, Trauer verträgt kein Geräusch. Die leisen Schritte auf dem Parkett waren kaum wahrnehmbar. Dann sah ich sie. Graugemustert. Ich hatte sie noch nie zuvor gesehen. Sie mich auch nicht. Als wäre es selbstverständlich, sprang sie auf das Sofa und nahm auf meinem Bauch Platz. Dort ringelte sie sich zusammen und blieb liegen. Ich streichelte sie ein bisschen, aber eigentlich blieb sie von alleine eine halbe Stunde auf mir. Und ich schwöre: in dieser Zeit zog sie den Schmerz aus meiner Seele. Sie hat mich geheilt. Katzen haben diese Kräfte. Auch wenn ich so etwas nie wieder erlebt habe. Den Rest des Schmerzes habe ich mir zu Hause aus dem Leib geflennt.
Als an diesem Tag die unbekannte Katze von meinem Bauch sprang und für alle Ewigkeit aus meinem Leben verschwand, hatte ich sehr viel gelernt:
• Es gibt Erfahrungen, die mit der Wissenschaft (und damals war ich noch Wissenschaftler) nie etwas zu tun haben werden.
• Alles Lebendige ist ganz anders vernetzt, als die Nerds der Internetwelt es je verstehen werden.
• Katzen sehe ich inzwischen mit anderen Augen.
• Mein Scheitern war so hochgradig trivial wie die Wahl zum Kassenwart der Volkstanzgruppe Obermoschel. Liebe …
Public Image Limited - This Is Not A Love Song. https://www.youtube.com/watch?v=Az_GCJnXAI0

Donnerstag, 16. Juni 2016

Retrostuff: Erklärung

Es ist gut, dass es sie gibt. Sie sind an meine Knöchel gekettet, ich schleife sie hinter mir her und sie halten mich als Gegenleistung am Boden. Es sind wahrhaft stählern zu nennende Ungetüme, sie sind unglaublich schwer und auf diese Weise verhindern sie, dass ich wegfliege. Kaum vorzustellen bei der geringen Schwerkraft dieses Planeten! Sie sind überlebensnotwendig, stellen Sie sich nur vor, sie sprängen in den Himmel und brauchten Wochen, bis Sie wieder auf dem Boden wären! Nein, nein, da ist es schon besser, diese Gewichte mit sich zu tragen. Natürlich ist das Fortkommen mit ihnen beschwerlich und in diesen Wintertagen sind sie eine besondere Last, soviel ist gewiss.
Es ist vor allem eine wohltuende Müdigkeit, die sie mir verschaffen. Alles wird zur Anstrengung, immer bin ich gleich zu Tode erschöpft. Aber diese ankerförmigen Gebilde geben mir Halt, sonst würde ich durch die Stadt taumeln und ständig gegen Häuser und Passanten fliegen. Das wäre nicht schön, geradezu albern und würdelos wäre das. Dagegen aber die Würde dieser schweren Arbeit! An manchen Tagen lupfen die Menschen anerkennend die Hüte, wenn ich vorüber komme, immerfort angestrengt an den Ketten zerrend. Meine verbissene Beharrlichkeit, allerdings nur das Produkt meist wochenlanger Untätigkeit, lässt mich wenigstens die notwendigsten Aufgaben bewältigen. Ohne diese überraschende, stundenweise Entschlossenheit wäre ich schon längst verhungert. Ich würde in irgendeinem Wald liegen, von klarem Eis bedeckt, und im Frühjahr würde ich beginnen, zu vermodern und zu verrosten.
Sinead O'Connor - Nothing Compares 2 U. https://www.youtube.com/watch?v=auUPqxI1vqg

Peinlicher Höschenblitzer in Beverly Hills

„Everybody in the house, put your hands in the air.“ (diverse Musiker)
Keine Höschen, aber allerschwerste Literaturarbeit aus dem Jahre 1991:
„Ich erwachte zu früh. Es war noch dunkel und so stand ich eine Weile unschlüssig am Fenster und sah hinaus. Aus den Schornsteinen der kleinen Häuser stiegen senkrecht Rauchschwaden empor. Es schien, als hauchten die Gebäude ihren letzten Lebensatem in den Nachthimmel, als strömte ein unbekannter Geist aus diesen steinernen Flaschen. Wie gerne wäre ich ebenfalls aus dem Gefängnis meines kläglichen Körpers geströmt. Nur ein weißer Dunstschleier, der hinaufsteigt. Der erste Luftwirbel ließe mich straucheln, im unendlichen Nichts des Luftozeans wäre ich verloren.“
Solche Jahrhundertnummern habe ich damals im Wochentakt rausgehauen!
Klaus Nomi - Simple Man. https://www.youtube.com/watch?v=gFaZyHxQGYQ

Mittwoch, 15. Juni 2016

Blogstuff 49

„Ein Angehöriger der Kreise der Intelligenz und des Wissens lud ihn zum Nachtessen ein. Es gab weiße Böhnli. So und nicht kostbarer essen Mitglieder des Verbandes zur Aufrechterhaltung der Kultur.“ (Robert Walser: Der Räuber)
Nennen Sie mir eine gute Sache, die das 21. Jahrhundert hervorgebracht hat! Eine!!
Okay: Bonetti Passion & Devotion – die neue Duftlinie.
Rente mit 73? Wurde gerade von sogenannten Experten (Ökonomen …) vorgeschlagen. Da sollten wir alle mal kurz und trocken lachen. Bis 73 sind wir längst durch neuere Modelle ersetzt worden. Wie Smartphones.
Brüller für promovierte Biologen: „Leider kann ich die Hautcreme nicht benutzen. Ich bin nämlich osmose-intolerant.“
Warum besteht die Wählerschaft rechter Parteien hauptsächlich aus Männern? Rechtsradikale Bewegungen hatten schon immer eine große Anziehungskraft für Männer, die sich nur in der Gruppe stark fühlen. Lagerfeuer => Kameradschaft => Polenfeldzug. Da fühlen sich intelligente Frauen einfach nicht wohl. Ist eigentlich logisch, oder?
Hätten Sie’s gewusst? 1982 gewann Andy Bonetti das erste All English Lawn Snooker-Turnier in Buzzlewood, Leicestershire.
Deutsche Leitkultur, bitte ganz langsam und gelallt aussprechen: „Hauptsache, der Kühlschrank ist voll und die Heizung geht.“
Diese Woche war ich im Traum schon mit einem Filmteam in Stockholm und Lehrer an einem englischen Internat in den 1920er Jahren. Da gab es als Nachtisch zum Beispiel konisch geformte Kuchen, die man in eine Tasse steckt, in die sie perfekt hineinpassen, und mit einem Zahnstocher perforiert, bevor man Tee darauf gießt. Köstlich! Meine Träume sind unglaublich plastisch. Oft sind die Nächte in Schweppenhausen aufregender als die Tage. Wie erinnert man sich an alle Einzelheiten? Mein Tipp: Fangen Sie bereits im Traum an, sich an den Traum zu erinnern. Machen Sie sich ruhig Notizen im Traum, auch wenn Stifte und Papier erfahrungsgemäß schwer zu finden sind und die Schrift im Traum immer unleserlich ist.
Mut – Wermut – Schwermut.
Eilmeldung: Bonetti-Reliquie gestohlen! Die handsignierte Stoffserviette ist aus der Vitrine der Stadtsparkasse Bad Nauheim verschwunden und vermutlich gerade auf dem Weg nach Polen.
Von der Lügenpresse verschwiegen: Flächendeckender Streik der Yogalehrer in Kreuzberg. Mit wem mache ich jetzt meine Lieblingsübungen „Kronkorken in Hanglage“ und „Bogenschütze mit Reizdarmsyndrom“?
Eine Million Mutanten nähern sich dem Dorf. Sie leuchten in der Dunkelheit. Demnächst mehr zu diesem Thema.
Die Vögel im Garten zwitschern ja manchmal ein Lied, aber die Ameisen wirken immer so ernsthaft und beschäftigt. Offenbar kennen sie weder Feierabend, Wochenende oder Urlaub.
Andy Bonetti ist bekanntlich kein Freund großer Inszenierungen, aber die einhundert Meter hohe Statue im Berliner Tiergarten schmeichelt ihm schon.
Informationen für Fortgeschrittene: Wenn Sie bei Google „Wichsfrikadellen“ als Suchbegriff eingeben, kommen Sie automatisch zu den Rezepten für Lachsfrikadellen. (Ich überprüfe Beleidigungen immer, bevor ich sie anonym im Internet versende. Wussten Sie übrigens, dass der Begriff „Scheißhausfotze“ aus dem Film „Rocker“ von Klaus Lemke stammt, der 1972 gedreht wurde? http://www.quotez.net/german/rocker.htm)
Neulich wurde eine Frau von der Polizei erwischt, die in Brustimplantaten Kokain aus Kolumbien schmuggeln wollte. Herr Ober … - ich hätte gerne einen neuen Planeten.
Hätten Sie’s gewusst? Die Aufzeichnung von Andy Bonettis legendärer Lesung vor ahnungslosem Publikum auf dem Bahnsteig 5 des Bottroper Hauptbahnhofs 1987, er hatte damals angeblich eine Flasche Bommerlunder intus, ist das meistverkaufte Bootleg in Deutschland.
Prince & Sheila E. Live - A Love Bizarre. https://www.youtube.com/watch?v=6aI-9QGjcA4
Letzte Meldung:
http://www.bz-berlin.de/panorama/mann-beerdigt-gewuerzgurke-und-loest-damit-einen-polizeieinsatz-aus

Dienstag, 14. Juni 2016

Der Sieg

„Das Auge sieht ihn, doch keine Hand könnte ihn fassen, den im Strome sich spiegelnden Mond.“ (Bruce Lee)
Ich erwachte erst, als der Zug schon angehalten hatte.
„Endhaltestelle. Bitte alle aussteigen.“
Eine freundliche Stimme aus dem Lautsprecher. Ich sah mich im Wagen um. Niemand zu sehen. Aus der Ferne kam eine Schaffnerin langsam auf mich zu. Ihr Haar hatte die Farbe von Crème brûlée.
„Sind wir denn schon da?“, fragte ich sie müde.
„Wegen des großen Fests hält der Zug heute bereits hier.“
„Und wo sind wir?“
„Die Stadt heißt Talweg.“
Ich stand auf und verabschiedete mich. Draußen dämmerte es bereits.
Der Bahnhof war völlig leer. Ich ging durch die Eingangshalle und betrat den Vorplatz. Auch hier war niemand zu sehen. Ich ging weiter in die Innenstadt und befand mich kurz darauf in einem Labyrinth kleiner Gassen mit windschiefen alten Häusern. Ich sah ein Gasthaus und wollte die Tür öffnen, doch sie war verschlossen. Inzwischen war es dunkel geworden.
Dann hörte ich sie. Erst undeutlich, dann wurde der Lärm immer lauter. Eine Menschenmenge kam näher. Neugierig ging ich auf sie zu, da bogen die ersten Männer um die Ecke. Sie trugen Fackeln, Sensen und Knüppel. Ich konnte nicht verstehen, was sie brüllten, und drückte mich erschrocken in einen Hauseingang. Es waren Tausende, die an mir vorüberzogen. Und plötzlich öffneten sich über mir die Fenster, ich sah die Gesichter alter Menschen, die mit Holzlöffeln auf Kochtöpfe schlugen und die Menge anfeuerten.
Irgendwo in der Stadt erklang ein neues Brüllen, ein anderes Brüllen. Es klang anderes als das vielstimmige Brüllen der Menge. Die Menge klang wie ein Tier, aber dieses neue Brüllen klang nach einem einzigen Tier. Neugierig lief ich der Menge hinterher, die dem Klang des Tiers zu folgen schien.
Wir bogen um zwei Ecken und dann sah ich es. Ein riesiges schwarzes Monster, an die fünf Meter hoch. Es sah einem Stier ähnlich, hatte aber sechs Hörner. Als es die Menge näher kommen sah, drehte es den Kopf und stieß einen gewaltigen Schrei aus. Dann stürzte es sich auf die Menschen, die in wilder Flucht auseinanderstoben und sich gegenseitig über den Haufen rannten. Einige mutige Männer warfen ihre Speere auf den Stier oder schlugen mit ihren Knüppeln nach den Beinen des Ungetüms.
Als sich die Menge in den Seitengassen zerstreut hatte, lief das Tier davon. Die Männer mit ihren Fackeln und Waffen sammelten sich wieder und nahmen die Verfolgung auf. Wir liefen über den Marktplatz, wo sich die Menge teilte. In einer angrenzenden Geschäftsstraße umzingelte sie den Stier, indem sie von zwei Seitengassen und vom Marktplatz aus angriffen.
Das Monstrum brüllte und hob die Vorderhufe. Während ein Hagel von Speeren auf seinen Rücken niederprasselte, sprang es auf die Leiber der Angreifer. Es war ein langer blutiger Kampf, bis der Stier endlich im Staub der Straße lag. Mit Knüppeln schlugen die Männer auf das sterbende Tier ein. Blut spritzte und floss in Strömen in den Rinnstein.
Als der Stier endlich tot war, wurde er mit Äxten und Messern zerlegt. Die Männer hielten sich triumphierend dampfende Fetzen Fleisch über den Kopf und jubelten. Schließlich wurde mit Eisenstangen der Kopf des Tiers aufgebrochen. In seinem Inneren war ein goldener Pokal.
Der Jubel war grenzenlos, als ein Mann, der auf dem gigantischen Kopf stand, den Pokal in die Höhe hob. Ein freudiges Gebrüll erscholl unter den Jägern und verbreitete sich rasch über die ganze Stadt. Überall lachende Gesichter. Der Sieg.
Gang of Four - If I Could Keep It For Myself. https://www.youtube.com/watch?v=-9WRtY6G4Pg

Montag, 13. Juni 2016

Montagvormittag am Kreuznacher Bahnhof

Am Bahnhof habe ich im Rahmen meiner minutiös geplanten soziologischen und ethnologischen Feldexpeditionen (Bus verpasst) eine Stunde lang das Strandgut der Leistungsgesellschaft beobachten können, das um diese Uhrzeit nicht in Büros, Fabriken und Geschäften tätig ist: Rentner, Migranten und stark übergewichtige junge Menschen.
Auf einer Sitzbank auf dem Bahnhofsvorplatz, von dem diverse Buslinien ihren Ausgang nehmen, habe ich in dieser Zeit auch einigen Neubürgern, die uns von den fernen Gestaden unseres liebenswerten kleinen Planeten erreicht haben, Auskunft erteilen können, da die Behördenbriefe zwar mit Datum und Adresse ausgestattet sind, nicht aber mit einer Wegbeschreibung.
Warum, wird an dieser Stelle meiner skizzenhaften Ausführungen der geneigte Leser fragen, wird gerade dieser distinguierte Herr im besten Alter gefragt, der in einer dunkelblauen Windjacke auf einer Bank sitzt, ohne Zeitung zu lesen oder sein Telefon zu befingern? Meine bescheidene Antwort: Weil ich Kompetenz ausstrahle. Ich bin die Lösung eurer Probleme, also kommet zu mir, die ihr mühselig Deutsch oder Englisch sprecht und mit Aldi-Tüten beladen seid, ich will euch erquicken.
Ich habe zwanzig Jahre lang in der Berliner Innenstadt Menschen aus allen Weltgegenden zwischen San Francisco und Yokohama Auskunft erteilt und hunderte von ihnen fotografiert, bevor der Selfie-Stick erfunden wurde. Hier gehöre ich hin – bis der nächste Bus kommt.

Retrostuff: Judgement Day

Er hatte es von einem alten Mann erfahren, der jeden Tag im Park saß und die Tauben fütterte. An diesem Morgen hatte E. sich, entgegen seinen Gewohnheiten, zu ihm auf die Bank gesetzt, die der Alte mit seiner Plastiktüte, die unerschöpfliche Mengen von Brot zu enthalten schien, zu seinem Stammplatz erkoren hatte. Ihm war gar nicht nach reden zumute gewesen, er saß einfach nur da. Irgendwann sind sie dann ins Gespräch bekommen. Und so hatte E. es erfahren: morgen würde unwiderruflich die Welt untergehen. Zunächst erschrak er fürchterlich. Alles würde vorbei sein, alle Pläne, alle Hoffnungen waren mit einem Schlag zunichte gemacht. Die Zukunft bestand aus vierundzwanzig Stunden, die er nutzen wollte. Er wusste nur noch nicht wie.
Als er die Behörde betrat, in der er jahrelang gedient hatte, trug er nicht mehr den dunklen Anzug, den man von ihm gewohnt war und den alle trugen. Er hatte sich verändert. Er trug jetzt eine Jeans und ein zerrissenes T-Shirt, über dem sich zwei Patronengurte spannten. Er hatte eine doppelläufige Pump-Gun in seinen seit Jahren erstmals trockenen Händen und noch eine Pistole im Hosenbund, von den Handgranaten nicht zu reden. Zuerst ging er ins Vorzimmer, in dem die Sekretärin gerade Texte vom Diktaphon in den Computer eingab. Sie hörte ihn nicht kommen und als er vor ihr stand, mit einem Ruck ihren Drehsessel zu sich umdrehte und ihr die Waffe unters Kinn hielt, konnte sie noch nicht einmal schreien. In einer gewaltigen Explosion spritzten Blut und Gehirn an die Wand. Der aufgeregt aus seinem Zimmer hereinstürzende Abteilungsleiter bekam die zweite Ladung ab.
Ins Zimmer mit den beiden Schreibkräften warf er nur eine Granate und zog die Tür hinter sich zu. Ihr Sterben war zu unwichtig, als dass es ihn interessiert hätte. Inzwischen lief alles auf den Gängen aufgeregt und schreiend durcheinander. ‚Als ginge die Welt unter‘, dachte er mit einem Lächeln und fühlte sich, während er unaufhörlich schoss und nachlud, wie auf einer Truthahnfarm. Als draußen bereits die Sirenen heulten, kehrte langsam Ruhe im Hause ein. Er öffnete die letzte Tür und stand vor seinem Chef.
Guano Apes - Open Your Eyes. https://www.youtube.com/watch?v=UNo2-viKfW8

Sonntag, 12. Juni 2016

Retrostuff: Ackerstraße

Wenn man von der Invalidenstraße die Ackerstraße bis zur ehemaligen Mauer an der Bernauer Straße weitergeht, gelangt man an einen einsamen Häuserblock, der von Gräberfeldern umgeben ist. Die Nordwestseite des altertümlichen Gebäudes, jene Seite also, die sich dem Todesstreifen und den ersten Häusern West-Berlins zuwendet, ist eine kahle leere Wand. Nur ein einziges winziges Fensterchen hoch oben unterm Dachgiebel bietet den Ausblick auf dieses Ende der Welt.
Zumindest muss es spielenden Kindern wie das Ende der Welt vorgekommen sein, falls es damals hier spielende Kinder gegeben hat. Ich stelle mir vor, dass zu jener Zeit das kleine Fenster vom Speicher aus durch die Wand gebrochen wurde. Sicher war es danach den Mietern des Hauses verboten, hinaufzusteigen und einen Blick auf die andere Seite zu werfen. Womöglich hatte nur die Grenzpolizei oder der Geheimdienst einen Schlüssel zu diesem Ausguck. Weiter stelle ich mir vor, dass ein junger Mensch, den man wie alle jungen Menschen mit schlechter, ermüdender und geisttötender Arbeit belästigt, weil dies angeblich der Preis für eine spätere Karriere sei, dort oben als Wachposten seinen Militär- oder Polizeidienst zu leisten hatte.
Ich sehe ihn vor mir, wie er jeden Morgen um acht Uhr hier ans Ende der Welt heraus kommt, die Treppe zum Ansitz erklimmt, um von dort aus die Umgebung bis zum Abend zu beobachten. Anfangs nimmt er den Dienst sehr ernst und hält angestrengt nach sogenannten Grenzverletzern Ausschau. Er hat einige belegte Brote und eine Flasche Mineralwasser mit, vielleicht hat man ihm auch eine Toilette auf dem Dachboden installiert, so dass es keinen Grund zum Verlassen des Postens gäbe.
Mit der Zeit wird ihm langweilig. Es passiert nichts. Nur die seltenen Gespräche mit den Kollegen über Funk. Kein undienstlicher Satz, nur knappe Meldungen und Anweisungen. Schließlich kennt niemand den einsamen Kauz da oben. Der junge Mann beginnt, Bücher mitzubringen, um sich die Zeit zu vertreiben. Draußen geschieht nichts Ungewöhnliches - und wer kann ihn dort oben schon sehen? Möglicherweise ein Jemand mit einem Fernglas auf der anderen Seite der Welt – ein Gedanke, den man vernachlässigen kann. Wieder einige Zeit später bringt er sich Papier und Stifte mit. Er hat den ganzen Tag für sich, er hat Ruhe, er hat Muße. Er beginnt zu schreiben. Jahrelang führt er dort oben ein herrliches unberührtes Schriftstellerdasein. Er wird für das Schreiben bezahlt, der nachdenkliche Blick aus dem Fenster ist etwas Selbstverständliches geworden.
Was er wohl heute macht?
Killing Joke – Walking With Gods. https://www.youtube.com/watch?v=WALWEYQgymc

Samstag, 11. Juni 2016

Blogstuff 48

„Steter Tropfen höhlt das Sein.“ (Ludwig Wittgenstein)
Die Politik hat sich im Konkubinat der Konzerne behaglich eingerichtet. Wer gegen die herrschende Ordnung aufbegehrt wie die streikenden Franzosen, bewirft die Konkubine mit Steinen, nicht den Kaiser.
Die Bundesregierung hat heute das Gesetz über die neue Bruttokaltrente beschlossen: sechshundert Euro ab 75. Dankesprozessionen in allen deutschen Großstädten.
Preisfrage: Kann Sigmar Gabriel dreißig Sekunden mit geschlossenen Augen auf einem Bein stehen? Ich sage: nein.
Hätten Sie’s gewusst? „Bisamrattenfrikassee à la Meyer“ ist das einzige Gericht, das Sie in Zürich für weniger als zehn Euro serviert bekommen.
Exklusiv: Udo Walz ist der neue Greenkeeper in Andy Bonettis Garten.
Es ist Frühling, die Rapsfelder blühen gelb, die Schlachtfelder blühen rot.
Als ich in der Sauna einen Norweger traf, machte ich mich über seine Fjorde lustig.
Wir reiten unbekannte Tiere und halten uns für mächtige Dompteure. Wir wissen gar nichts. Aber unsere Einbildung erschafft sich eine ganze Welt.
Diese ewige Verdammnis einer endlosen Suche nach Wichtigkeit, nach eigener Bedeutung. Die Könige der Verdammten erhalten eigene Fernsehserien.
„Punkt“ ist ein Wort, bei dem sich sämtliche Fehler, die das fränkische Idiom für uns bereithält, in einer einzigen Silbe vereinigen: Bungd.
Gut sein und gut leben wirkt im Neoliberalismus wie ein Widerspruch.
Auch hier auf dem Land schreitet die Urbanisierung unaufhaltsam voran. Gestern erklärte mir das Nachbartöchterchen stolz, sie habe eine „Cola-Pflanze“ gefunden. Was sagt man dazu?
Manchmal nimmt die Werbung ja die Stimmung in der Gesellschaft stärker auf als die Politik. Ist Ihnen auch aufgefallen, dass die perfekten Models in den Werbespots und auf den Plakaten immer häufiger durch normal aussehende Menschen ersetzt werden, die irgendwie „echt“ aussehen? Und jetzt stellen Sie sich mal vor, wir hätten demnächst einen Familienminister, der bis vor kurzem noch als Sozialpädagoge gearbeitet hätte? Eine Sozialministerin mit Facharbeiterbrief und zehn Jahren Berufserfahrung in China? Einen Bauern als Ernährungsminister?!
Hätten Sie’s gewusst? Andy Bonetti wurde schon im Alter von drei Jahren als Reinkarnation von William Shakespeare erkannt. Sein Geburtsname ist eigentlich Rama Lama Ding Dong. Mit zwölf Jahren wurde bei ihm von einem Germanistikprofessor Authentizismus diagnostiziert, der ihm allerdings operativ entfernt wurde, als er die Risco Tanner-Reihe begann, die bekanntlich ein Riesenerfolg wurde.
Wer mir diesen Mist abgekauft hat, schluckt auch folgende Pointen:
Neulich bin ich in einem Hula Hoop-Reifen steckengeblieben.
Johnny Malta ist seit letzter Woche Mitglied bei „Scherze ohne Grenzen“.
Lesen Sie jetzt das Reisetagebuch von Lupo Laminetti, der für uns Norditalien besucht hat: „Mein Lecco“. Originaltitel: „Lecco mio.“
Wenn ich eine Fritteuse zu Hause hätte, wäre ich schon lange tot.
Nachtisch: Mettpraline an Zwiebelsorbet.
In Andy Bonettis Garagentrakt passt inzwischen keine Luxuslimousine und kein italienischer Sportwagen mehr, in seiner Villa steht in jedem Zimmer ein Großbildfernseher und die Konten seiner Briefkastenfirmen in Panama sind jetzt echt randvoll – er kann einfach nicht mehr. Wohin mit der ganzen Kohle? Bitte klauen Sie das nächste Risco Tanner-Heft! Damit tun Sie Andy Bonetti einen großen Gefallen. Und der hessische Dichterfürst setzt den nächsten großen Trend: Die Reichen haben endlich genug. Sie können den verdammten Zaster nicht mehr sehen.
News-Flash: „Universum soll sich schneller ausdehnen als gedacht“.
Die Älteren werden sich erinnern: Am 26. April 1997 hielt Bundespräsident Herzog von der CSU, also einer der Veränderungshektik doch recht unverdächtigen Partei, seine „Ruck-Rede“. Deutschland am Ende der Ära Kohl (1982-1998) erschien nicht nur ihm als ein Land im Dornröschenschlaf. So ist es heute wieder. Wir werden nicht nur von Dilettanten regiert, sondern von lethargischen Schlafmützen, deren Wille zur politischen Gestaltung völlig erloschen zu sein scheint – einzig der Wille zum Machterhalt, der instinktive Klammerreflex aller Gierigen, ist bei Merkel und Gabriel noch spürbar.
P.S.: Der Text kann Spuren von Gluten enthalten. Sprechen Sie mit mir über inhaltliche Unverträglichkeiten und Allergien.
Fischer Z - So Long. https://www.youtube.com/watch?v=bAXlIu-_TKE

Freitag, 10. Juni 2016

Die Kirche des runden Leders

“The capacity of human beings to bore one another seems to be vastly greater than that of any other animal.” (H.L. Mencken)
Es ist mal wieder soweit. Einen Monat lang zerfällt Deutschland in zwei verfeindete Lager. Der Fußball spaltet die Nation in Freunde und Feinde.
Fangen wir mit den Fußballfeinden an. Sie geben bereits vor dem ersten Spieltag eines Fußballturniers ungefragt und geradezu zwanghaft jedem zu verstehen, dass sie sich die Spiele nicht anschauen werden. Dass Fußball langweilig und primitiv ist. In der linken Variante der Kritik wird hervorgehoben, dass der Sport erzkapitalistisch sei und ausschließlich von Millionären betrieben werde. Ihre Kritik dient in erster Linie der Darstellung der eigenen geistigen und vor allem moralischen Überlegenheit. Nie ist Selbstgerechtigkeit billiger zu haben als beim Fußball. Ich muss nur eine Fernsehübertragung ignorieren – prompt bin ich Millionen von Menschen überlegen. Ein wohlfeiles Distinktionsmerkmal, das selbstverständlich mit humorloser Verbissenheit und oberlehrerhaften Monologen präsentiert werden muss. Man muss noch nicht einmal auf seine Bratwurst verzichten wie der Veganer. Alle zwei Jahre das gleiche Ritual.
Kommen wir zu den Fußballfreunden. Kaum beginnen die Übertragungen auf dem heimischen Bildschirm, zieht man sich ein DFB-Trikot über, schminkt sich das Gesicht, schmückt die Wohnung in schwarz-rot-gold (übrigens nie mit der grünen Fahne des DFB, dessen Auswahl ja eigentlich zum sportlichen Vergleich antritt) und bereitet ein kleines Buffet vor, zu dem grundsätzlich Mini-Buletten gehören, in denen winzige deutsche Fähnchen an Zahnstochern stecken. Wenn die deutsche Mannschaft gewonnen hat – wobei man bei jedem deutschen Tor bereits das gesamte Haus zusammengebrüllt hat wie eine abgestochene Sau –, torkelt man besoffen und „Schland“-lallend zu seinem Auto, das ebenfalls schwarz-rot-gold geschmückt ist, und trifft sich mit seinen Gesinnungsgenossen zum Autokorso, um die gesamte Nachbarschaft zu terrorisieren. Oder man hat ohnehin gleich den ganzen Abend auf einer „Fanmeile“ verbracht, die man in Zivil gar nicht mehr betreten kann, und wo es zugeht wie bei den römischen Saturnalien. Alle zwei Jahre das gleiche Ritual.
„Häng doch schon mal die Deutschlandfahne ans Balkongeländer, Gisela, morgen fängt die EM an!“ – „Ich finde ja, alle deutschen Spieler sollten die Nationalhymne mitsingen.“ – „Gleich ist das erste Gruppenspiel. Wollen wir uns gegenseitig das Gesicht bemalen?“
Ganz Deutschland ist in zwei Lager geteilt. Ganz Deutschland? Nein, da gibt es auch noch eine winzige Gruppe von Menschen, die ganz anders sind. Mein Freundeskreis besteht glücklicherweise aus solchen Leuten. Sie leben in einem kleinen gallischen Dorf, ihr Zaubertrank ist aus Hopfen und Malz und sie treffen sich einfach, um sich ein Spiel anzusehen. So wie sie sich das ganze Jahr treffen, um die Bundesliga, die Champions League oder einfach eine DVD anzuschauen. Niemand käme auf die Idee, sich für eine Fernsehsendung zu verkleiden oder zu schminken. Weil es einfach albern ist. Für den ganzen schwarz-rot-goldenen Tand hat man keinen müden Cent übrig und wenn das Spiel langweilig ist, plaudert man eben ein wenig über andere Themen. Trittbrettfahrer, die alle zwei Jahre auf den Hype hereinfallen und jetzt krampfhaft Leute suchen, in deren Wohnzimmer sie dann mit dummen Fragen und geheucheltem Halbwissen jedem echten Fan auf die Nerven gehen, werden abschlägig beschieden. Man bleibt unter sich, freut sich über spannende Spiele, ärgert sich über langweilige Partien und geht anschließend gemütlich nach Hause. Die Wege in unserem Dorf sind sehr kurz. Einen Autokorso hat es hier selbst nach gewonnenen Weltmeisterschaften noch nie gegeben. Seit vierzig Jahren jedes Wochenende das gleiche Ritual.
P.S.: Es gibt noch eine weitere Gruppe: die Migranten. Leider, lieber Moralapostel und lieber antideutsche Wutschlumpf, sind sie auch nicht besser. Ein türkischer oder italienischer Autokorso hat dieselbe Lautstärke wie ein deutscher. Ich habe schon mit Kreuzberger Türken, Brasilianern im Maracana-Stadion und holländischen Campern Fußballspiele gesehen – es scheint ein internationales Phänomen zu sein. Die Kirche des runden Leders kann überall auf der Welt der totale Horror sein, wenn man ihre fanatischen Gläubigen trifft. Aber es gibt eben auch in allen Ländern die stillen Gourmets, die wissend nicken, wenn man Dinge sagt wie „Günter Netzer 1973“ und nicht erst ihr allwissendes Telefon bemühen müssen.
P.P.S.: Fast hätte ich es vergessen. Es gibt ja noch eine fünfte Gruppe: die Sanftmütigen. Die Leute, die sich zu dem Thema gar nicht äußern. Die während eines WM-Endspiels mit deutscher Beteiligung ins Schwimmbad gehen, weil sie dort endlich mal ihre Ruhe haben (wahre Geschichte!). Die in den gespenstisch leeren Supermarkt gehen, während die anderen wegen eines Ballspiels wildfremder Männer kreischen, und mit einer sichtlich entspannten Kassiererin eine geradezu verschwörerisch lange Unterhaltung beginnen. In diesen Stunden treffen Sie in der Sauna garantiert den Mann oder die Frau Ihres Lebens. Menschen, die den Gleichmut und die stoische Gelassenheit besitzen, einen Monat lang eine medial aufgepumpte Belanglosigkeit zu ignorieren. Fußball ist nicht wichtig. Wenn man das begriffen hat, kann man sich in aller Ruhe die Spiele anschauen – oder eben nicht.
BAP - Zehnter Juni. https://www.youtube.com/watch?v=c4pgBDsvyec

Donnerstag, 9. Juni 2016

Danke, liebe Muslime

„Wer einen großen Skandal verheimlichen will, inszeniert am besten einen kleinen.“ (Friedrich Dürrenmatt)
Eigentlich sollten wir ja froh sein, dass der Muslim da ist. Was hatten wir in früheren Zeiten nicht für Konflikte in Deutschland: evangelische gegen katholische Christen, Bauern gegen Fürsten, Nazis gegen Kommunisten, BRD gegen DDR. Alles vorbei. Weil der Muslim da ist.
Sobald man einen gemeinsamen Feind hat, lässt man die Fäuste sinken und verbündet sich gegen den Fremden. Noch vor fünfzig Jahren waren Mischehen zwischen Katholiken und Protestanten eine heikle Angelegenheit. In welcher Kirche findet die Trauung statt? Wo werden die Kinder getauft? Unter diesem Druck ist die Jugendliebe oft zerbrochen und man hat die schwabbelige Cousine aus dem Nachbardorf nehmen müssen.
Damals war die Grenze zwischen Ingelheim, das unmittelbar dem zu Hohenzollernzeiten protestantischen Reich unterstand (Kaiserpfalz Karls des Großen!), und dem Erzbistum Mainz, einem der mächtigsten Anker des deutschen Katholizismus (der Erzbischof gehörte zu den sieben Männern, die bis 1806 den deutschen Kaiser auswählen durften!), zwischen den beiden Dörfern Wackernheim und Heidesheim. Auf dieser Grenze verprügelten sich bis in die 1950er Jahre noch die Jugendlichen, stellvertretend für die alten Ansprüche der konkurrierenden Glaubensgemeinschaften. Selbst in meiner Jugend standen beide Volksgruppen in der großen Pause getrennt auf dem Hof des Gymnasiums.
Alles vorbei. Heute gilt es, Mischehen zwischen Muslimen und Christen kritisch zu beäugen und die alten Feinde im Namen Jesu Christi schleichen inzwischen in vielen deutschen Gauen gemeinsam des Nachts um die Asylantenheime. Und den alten Ärger zwischen Links und Rechts, Ost und West begräbt man in langweiligen großen Koalitionen oder man begnügt sich mit gegenseitigen Beschimpfungen – immer anonym und im Internet, wo man für die dummen Sprüche keine aufs Maul bekommt. Harmlos und zugleich aufgeblasen wie ein hupender Autofahrer.
Und unseren Mutterinstinkt können wir am Flüchtling ausleben. Ist das nicht schön? Danke, liebe Muslime! Ohne Euch wäre es im Land der Entdeutschten nur halb so schön.
P.S.: Und einen schönen Ramadan wünsche ich, während wir uns wieder mit Schweinswürsten und Alkohol mästen, grölend im Autokorso unterwegs sind und alles mit schwarz-rot-goldenem Tinnef zuscheißen. Ich appelliere an Eure Toleranz, wenn Euch die Grilldunstschwaden und Schlachtgesänge erreichen. Immer dran denken, wer hier der Chef im Ring ist. Nicht böse gemeint, okay? Bis zur nächsten stummen Begegnung im Aldi
Euer Kiezschreiber
Sailor – Glass of Champagne. https://www.youtube.com/watch?v=tkYkeeM8qIA

Geldanlage leicht gemacht

„Dem Schein zum Trotz schafft der Mensch sich die Ziele nicht selbst. Die Zeit, in die er hineingeboren wird, zwängt sie ihm auf, er kann ihnen dienen oder sich gegen sie auflehnen, aber der Gegenstand der Dienstbarkeit oder Auflehnung ist von außen gegeben.“ (Stanislaw Lem: Solaris)
Auf dem Sparbuch bekommt man nichts mehr, bei der Lebensversicherung und bei Staatsanleihen auch nicht. Und jetzt kauft die EZB auch noch die Unternehmensanleihen mit guter Bonität auf und lässt dem Kleinanleger nur die Ramschanleihen. Was machen? In Aktien investieren? Hätte man das zu Beginn des Jahrhunderts mal gemacht! Am 1. Januar 2000 deutsche Wertpapiere gekauft. Deutsche Bank – Fels in der Brandung. E.ON und RWE – der Kühlschrank läuft immer und abends macht jeder im Wohnzimmer das Licht an. Mit Energieversorgern kann man nichts falsch machen. Die Abgasmafia VW & Co. oder die Agrarterrorzelle Bayer-Monsanto? Eine sichere Bank.
Mein Tipp: Legen Sie Ihr Geld nicht an, geben Sie es aus. Tragen Sie es ins Gasthaus und in den Getränkemarkt. Kaufen Sie sich zur Fußball-EM – auch wenn sie für die deutschen Fans sehr kurz werden könnte – einen neuen Fernseher (zwo Meter breit). Fahren Sie mal wieder so richtig schön in Urlaub. Fünf Sterne Deluxe. Gönnen Sie sich mal was! Und wenn Sie pleite sind – einfach einen Kredit aufnehmen. Denken Sie immer daran: das letzte Hemd hat keine Taschen. Und wenn nix mehr geht, machen Sie es wie die Banken. Jammern Sie Vati Staat die Ohren voll, der wird Sie weiterfinanzieren. Existenzminimum gibt’s immer und die Schwarzarbeit brummt. Wenn Sie irgendwo Bestechungsgelder abgreifen können – machen Sie’s! Das Management macht’s doch auch. Immer nach dem Motto: Scheiß doch die Wand an!
Die Deutschen sind immer noch viel zu brav. Ich nenne meine Methode „Guerilla-Investment“. Jetzt leben, später nicht bezahlen. Und montags ruhig mal wieder blau machen. Sie werden sehen, wie gut  Ihnen das tut. Einfach keine Sorgen mehr machen, dann sinkt auch der Blutdruck.
MARRS – Pump up the volume. https://www.youtube.com/watch?v=p60LO_nqMF0

Mittwoch, 8. Juni 2016

Retrostuff: Berichte von der Front der Erkenntnis

„Ich höre Geräusche, die andere nicht hören und die mir die Musik der Sphären stören, die andere auch nicht hören.“ (Karl Kraus)
Ereignisprotokoll. Ort: DZ. Zeit: 230888.
Die letzte Zeile dieser rätselhaften Sendung habe ich mir noch behalten, sonst ist alles vergessen. Sie lautet: „Die Zeit ist eine Pflanze“. Ich vermute, dieser Satz bezieht sich auf einen zufälligen Treffpunkt im Raum-Zeit-Kontinuum, der noch näher zu bestimmen wäre. Also, denke ich mir, melde ich die Sache mal dem Commander oben im Turm. Ich nehme das Funkgerät und rufe Velvet Mercury:
„Commander M, bitte melden Sie sich! Melden Sie sich, Commander!“
Ich höre seine Stimme nur schwach und weit entfernt.
„Commander, ich bin Sergeant Oga Wambo. Ich habe da eine wichtige Sendung aus dem Äther, Sir. Es war, als hätte man mir den Kopf gesprengt. Ich habe leider nur den letzten Satz der Botschaft mitbekommen. Er lautet ... äh, Moment ... jetzt höre ich es wieder:
Ich war ein kleiner Junge noch
Und wusste noch recht wenig.
Die Eltern waren mir ein Joch,
So zog ich nach Venedig.
Oder war das letzte Woche?“
„Es ist betrüblich, in welchem Zustand Sie dort auf Ihrem Außenposten die Lieder des Feindes abhören. Von unserer Festung hängt vieles ab, die WAISEN DES WANDELNDEN WELTGEISTES verlassen sich auf die tadellose Verrichtung unseres Dienstes.“
Und nun rollte dem Commander tatsächlich eine Träne über die blasse Wange, tropfte auf einen der bunt schillernden Orden und blieb dort funkelnd hängen.
„Augenblick, Chef! Jetzt hab ich’s:
Ein Huhn ging übers Wasser,
Die Jünger staunten sehr.
Sie wetzten gleich die Messer
Und fielen drüber her.“
Daraufhin legte der Commander wütend auf und ich muss mich hier vor der Disziplinarkammer verantworten. Nehmt doch Rücksicht, Jungs! Die Arbeit auf den Außenposten ist hart und entbehrungsreich. Die Versorgung ist schlecht, den ganzen Tag muss ich den gegnerischen Zuflüsterungen lauschen, ich bin ihren Geschichten völlig ausgeliefert. Alle paar Wochen erreicht mich ein Brief, wenige Zeilen nur aus der fernen Heimat. Abends stehe ich meist nutzlos in meiner Amtsstube, das Empfangsgerät wispert immer noch hinter meinem Rücken, ein boshaften Zischen. Ich frage mich in solchen Momenten immer, was der Sinn meiner Mission sein mag, ob auch ich dereinst im Rumpf eines Sonnenlichtgleiters einer neuen Welt entgegen fliegen werde, wie es uns am Beginn unseres Dienstes unter den weißen Fahnen versprochen wurde. Zweifel beginnen mich zu packen, ich gehe unruhig auf und ab, stehe eine Weile grübelnd im Halbschatten eines Aktenschranks und luge verbittert durch die Schießscharten in die tiefschwarze Nacht. An diesem Punkt erreicht das Leiden ein Ausmaß, das eine korrekte Ausübung meiner Tätigkeit unmöglich macht. Ich bitte also vor Euch, meine lieben Kameraden von der Front der Erkenntnis, nicht etwa um Gnade – Gnade kann in einem solchen Fall unmöglich gewährt werden – , sondern um ein mildes Urteil, das der Tat und ihren Begleitumständen gerecht wird.
Hochachtungsvoll, Sergeant Oga Wambo
(7. Kavallerieregiment der „Verlorenen Reiter“, z.Z. stationiert in der Militärpension „Zum Feindesblick“, 2. Stock, erstes Zimmer rechts, 3x klopfen und den Ruf des Waldkäuzchens ausstoßen, nach „Wambo, dem Verständigen“ fragen)
Anlage: Antrag auf eine Bewußtseinsreinigung auf Tahiti, ein Paßbild, das mich als Huhn verkleidet zeigt und eine Kopie meiner unschuldigen Seele.


Ereignisprotokoll. Z, den 2.4.89
Hoher Rat!
Ich habe wieder hinüber gehorcht, hinein gefühlt gewissermaßen, und bin sehr traurig. Alle Werkzeuge bleiben stumpf, wieder und wieder verliere ich mich in bloßen Andeutungen, wenn ich Euch über dieses Erkennen berichten möchte.
Zunächst einmal zum Problem des Wegs. Es gibt ein Ziel, aber keinen Weg, wie der Kollege K. bereits richtig notierte. Die Lösung dieses Paradoxons ist einfach: Das Ziel kommt zu uns. Wir können es aber nicht kommen sehen, es schleicht sich vielmehr an, immer von hinten, es trifft uns sozusagen im Schlaf. Wir können an unseren Geräten so lange wachen, wie wir wollen – wir wachen oft nächtelang und lauschen angestrengt in das Gefunkel und Gerausche jener Welt –, irgendwann nicken wir erschöpft ein. Wenn wir dann aufwachen, ist es da gewesen. Anfangs wollte es keiner zugeben, dass es hier war. In schwachen Stunden haben wir es uns gestanden. Niemand weiß Näheres, alle zerfressen sich in Zweifeln.
Und an dieser Stelle gewinnt nun meine Bitte an Euch Sinn und Gewicht: Besucht unsere Station, die in diesem wahrhaft finsteren Kontinent Sturm und Feuer standhalten muss! Stellt dieser heiligen Aufgabe Eure gesteigerte Empfindungsfähigkeit zur Verfügung, fasst in Worte, was wir nur ahnen, rahmt das Geheimnis in vermittelbare Erkenntnis! Dieser rätselhafte Wahn ... – genug für heute. Der nächste Bericht wird Ihnen hoffentlich ein aufschlussreicheres Bild über die Situation dieses Außenpostens vermitteln. Gnade und Verzeihung den schuldlos Schuldigen.
Der treue Diener Ihrer Majestät
Sergeant Oga Wambo

Ereignisprotokoll. Ort: Kommandoturm Nord. Zeit: schwer zu sagen.
O Herr der tausend Namen!
Vergib mir meine Schwermut, aber bald wird wieder ein frostiger Winter über unsere Beobachtungsstation hereinbrechen. Dann sitze ich wieder allein zwischen all den Maschinen und Metallorganen, die mit mir sprechen. Das ist alles, aus mehr besteht unser Leben nicht. Verzeiht, wenn ich mich beklage. Natürlich kann ich nicht erwarten, dass Ihr die Mühsal auf Euch nehmt und diese entlegene Station besucht. O Herr der tausend Stationen! O Herr der tausend mal tausend Planeten! Aber was würdet Ihr sagen, wenn Ihr ständig solche Botschaften empfangen würdet:
Des Abends, wenn ich trinken geh‘,
Erscheint ein kleiner Storch.
Ein einz’ges Äuglein hat er noch,
Die Beine sind schon morsch.
Das hält doch keiner aus, zum Mäusemelken ist das. Zum Mäusemelken! Verzeiht meine Erregung, werter Gebieter. Jedes Mal, wenn der heiße Wind durch die Gänge und Schluchten unserer Station weht, beginnt das Leiden. Ein grässlicher Anblick, die tapferen Männer ... sie rennen hinaus in das tote Grau.
In jüngeren Jahren bin ich selbst einmal dort draußen gewesen. Ich darf Ihnen versichern: Da ist nichts. Gar nichts, an der Oberfläche ist kein Leben zu erkennen. Verbrannter Boden, bis in einer Meile Tiefe ohne jegliche Andeutung von Sein, ansonsten stinkender grauer Nebel. Und doch empfangen wir ununterbrochen merkwürdige Signale. Pfeifen, Rauschen, dazwischen wieder ein stimmenähnliches Zwitschern, das wie eine ferne unbekannte Erzählung klingt, Jaulen, Fiepen und Trillern. Vor allem dieses Rauschen, majestätisch laut, eine unendlich lange Symphonie. Man muss ihr jahrelang lauschen, um den tiefen Sinn ihrer Tonfolgen zu entziffern. Klingen so die Sterne und Pulsare? Hören wir in diesem Märchenozean der Klänge die Stimmen der Planeten? Wie Delphine springen die hohen Pfeiftöne durch die Komposition. Sie waren anfangs ein recht beliebtes Studienfeld, doch ihr schriller Klang bedeutet nichts. Wenn man diesen Fontänen länger zuhört, erkennt man bald ihre Sinnlosigkeit.
In Kürze mehr. Stets Euer Diener
Sergeant Oga Wambo


Ereignisprotokoll. Ort: Z-City. Zeit: 3/2189-IV.
Sehr geehrter Herr Volkspräsident, wie Sie sich ja zur Zeit zu titulieren pflegen!
Ich kann nur schwerlich meinen Zorn unterdrücken, wenn ich an die letzten Wochen zurück denke. Die Post Ihrer Behörde kam, wenn überhaupt, nur spärlich, keine Hinweise, die unser Leben betreffen, geschweige denn uns anleiten können. Eine karge Kost für das feinfühlige Netz unserer Ängste und Sorgen. Ich muss gestehen, ich mache mir ernsthaft Gedanken über die Ruhe auf der Station. Seit geraumer Zeit warten wir auf neue Entdeckungen, aus denen wir weitere Erkenntnisse ziehen könnten. Unsere Männer in der Entschlüsselungsabteilung sind der Verzweiflung nahe. So lange ohne eine sinnvolle Äußerung in den Wellen, ganze Nächte zerbrechen sie sich den Kopf über neue Strategien. Alte Aufzeichnungen und Interpretationssysteme werden aus den Aktenschränken hervor geholt und neu diskutiert. Es bilden sich ganze Jüngerschaften für ein bestimmtes System der Erklärung, die eine Zeit lang düster durch die Flure schleichen, um sich Tage später plötzlich wieder aufzulösen. Aber was macht man mit solchem Unsinn wie den folgenden Zeilen?
Erst liegt es einfach da
Dann hebt es sich mit Klagen
Klagen über Plagen
Bald liegt es wie es war
Dann sitze ich abends am Schreibtisch und lese ihre Berichte. Mit schreckgeweiteten Augen lese ich die Verzweiflung aus diesen Zeilen. Sie machen sich kein Bild von unseren Qualen! Von „Wasser als möglichem Vergleichsmodus für die Omega-Amplitude“ sprechen diese verlorenen Helden, sie klagen über „Rauschen, vollkommenes Rauschen, immer nur Rauschen“. Niemand weiß, was mit ihnen geschehen ist, wenn „ein Teil meiner Selbst lautlos davon fliegt und einen warmen Duft hinterlässt“. Solche Zeugnisse reiner Erkenntnis erreichen mich täglich. Was soll ich diesen Menschen antworten? Wie groß wäre unser Glück, wenn Sie uns wenigstens einige persönliche Zeilen zukommen lassen würden. Eine treuere Dienerschaft werden Sie, Exzellenz, niemals finden.
Verzeihen Sie meine Entrüstung, aber auch ich bin in die ‚Letzte Lehre der leeren Sphäre‘ noch nicht so weit vorgedrungen, dass ich meine stille Wut gänzlich unterdrücken könnte. Vergeben Sie mir meine Ungeduld!
In der angenehmen Hoffnung, dass diese Zeilen Sie und Ihre geschätzte Familie gesund antreffen, sehe ich Ihrer Antwort mit großer Sehnsucht entgegen und zeichne mit ergebenster Hochachtung
Sergeant Oga Wambo

Nachwort: Wer kennt das intergalaktische Gezwitscher und Gezirpe noch, dem jener tapfere Sergeant auf seinem einsamen Horchposten lauscht? Es klingen die Pulsare, ungeölte Planeten ziehen quietschend auf ihrer Bahn durch einen Märchenozean aus Jaulen, Fiepen, Pfeifen, Rauschen und Trillern vorüber. Wer hat noch die Kraft, hinter dem Lärm des Industriezeitalters jenen fernen Sirenengesang, diese unbegreiflichen Sinfonien tanzender Elektronen wahrzunehmen?
Gary Numan - Down in The Park. https://www.youtube.com/watch?v=XaF9KTH0SEg

Dienstag, 7. Juni 2016

Bonetti for President

Die Kampagne nimmt langsam Fahrt auf. Wir brauchen einen neuen Bundespräsidenten. Einen Mann mit Format. Einen der größten lebenden Künstler der Welt. Der hochgeschätzte Kollege Pantoufle von der Schrottpresse hat bereits einen ersten Text über den parteilosen, aber meinungsstarken Literaturtitanen aus Bad Nauheim geschrieben. Aufgepasst, Sozen-Steini und Flinten-Uschi! Hier kommt Andy Bonetti:
„Andy Bonetti, (*12.4 – 14.4. 1941 in Prtcztwchtz, Montenegro) ist ein Dirigent, Journalist, Humanmediziner und amtierender Weltmeister im Mountainrolling (Bergwandern mit Rollschuhen)
Aufzucht und Pflege
Bonetti war der fünfte Sohn des Kabeljauzüchters und Senators Hugo Bonetti. Er wurde am 7.Mai 1945 in Prtcztwchtz griechisch-orthodox getauft und drei Tage später ebenda eingeschult. Seine Mutter Zementa (geborene Álvarez Sánchez) war mütterlicherseits Norwegischer Herkunft. Aus der Ehe gingen außer dem Bruder Karlchen (1942–1949, Suizid) noch die Kinder Schantalle (1943–1950, Suizid), Torben (1944–1951, Suizid) und Kevin (1945–1949, Suizid) hervor. Die Familie zählte zu den ersten Kreisen Prtcztwchtzs. Seine Kindheit hat Andy Bonetti später als »recht anständig« bezeichnet.
Späte Jahre
Beide Elternteile verstarben bereits 1946 an Fischvergiftung und Bonetti wurde meistbietend zur Adoption freigegeben. In den Wirren der Nachkriegszeit und wegen ständig wechselnden Adoptiveltern war an einen geregelten Schulbesuch nicht zu denken. So mußte Bonetti bereits mit 12 Jahren selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen. Ein erster Gedichtband erschien (»Taiga-Melodie«, 1963 erschienen bei Hilflos und Schlampe), dessen Einkünfte ihm ermöglichten, in den damaligen DDR-Unrechtsstaat© überzusiedeln und ein Fernstudium der Medizin zu beginnen.
Durch das Erscheinen seines weltbekannten Romans »Bergab – jetzt aber richtig!« (später verfilmt unter dem Titel »the day after«) wurde der damalige Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht auf Bonetti aufmerksam und machte ihn zu seiner rechten Hand. Diese Position behielt der junge Bonetti bis zur Entmachtung seines Förderers und Gönners bei. Als allein überlebender Restkörper sah Bonetti in der DDR-Unrechtsstaat© keinerlei Zukunft mehr für sich und beschloß, aus der DDR-Unrechtsstaat© zu fliehen.
Durch sein Ansehen und hohe Position gelang es Bonetti, am Gestade der Elbe unter den Augen wachsamer Grenzsoldaten aus Weinkorken, die er unauffällig sammelte und Kokosnüssen ein Boot herzustellen. Fragen nach seinem Tun beantwortete er jedesmal mit »Niemand hat die Absicht einen Schwimmkörper zu bauen!« Am Tag, als ihm postalisch die Approbation als Humanmediziner von der Fernuniversität zugestellt wurde, beschloss Bonetti die Flucht zu wagen. Die einwöchige Übersiedlung auf der Elbe von Dresden nach Hamburg verarbeite Bonetti wenig später in seinem dreiteiligen Roman »Scheiß auf Kap Horn«, was ihm nicht nur den Literatur-Nobelpreis, sondern auch die Mitgliedschaft im PEN-Club einbrachte.
Als langjähriger Chef der Burda-Verlagsgruppe…“
Den Rest der Präsentation hören Sie im kommenden Jahr in der Bundesversammlung.
P.S.: Vor einem Jahr schrieb ich einen ähnlichen Text. Damals eine Verarsche auf die Ankündigung Trumps, US-Präsident werden zu wollen. Zwölf Monate später ist mir das Lachen im Hals stecken geblieben ...
http://kiezschreiber.blogspot.de/2015/06/bonetti-for-president.html

Alte Männer, alte Geschichten

„Es läuft nicht immer alles nach Plan, sagte der Frosch und fraß den Storch.“ (Lupo Laminetti)
Anfang der neunziger Jahre kannte ich einen Atomphysiker aus Lichtenberg, der gerade von einem Job in Vancouver kam. Ein knapp zwei Meter großer Fleischberg mit Vollbart. Wir lernten uns auf einer Party kennen, die eine Freundin meiner damaligen Freundin gegeben hatte. Diese Freundin war 1988 von einem Holländer aus Ost-Berlin „ausgeheiratet“ worden, war inzwischen geschieden und lebte wieder in Berlin. Es gab Kaviar, die üblichen Nudel- und Kartoffelsalate, Wodka und Bier - und eine ganze Ochsenzunge. Ein schöner Ost-West-Mix als Buffet. Der Physiker, versoffen und lustig, und ich waren gleich ein Herz und eine Seele.
Über ihn lernte ich einen anderen Ossi kennen, dem ich innerhalb von einem Monat eine BWL-Magisterarbeit geschrieben habe. Für 3.500 DM. Über die Bewertung von Immobilien (Einheits-, Ertrags- und Verkehrswertverfahren). Der Typ war Steuerberater und hatte zu Ostzeiten noch Politische Ökonomie studiert. Die Scheine, die er damals gemacht hatte, waren nach dem Mauerfall natürlich nix wert, weil Marx und Lenin nix mehr wert waren. Also hatte er BWL im Westen angefangen, aber die Magisterarbeit nicht mehr geschrieben, weil er diesen Job als Steuerberater bekam und eine russische Frau und zwei Kinder zu ernähren hatte. Er lebte in einer riesigen Altbauwohnung in der Oranienburgerstraße, später in der Husemannstraße im Prenzlauer Berg. Außerdem hatte er noch eine hübsche Zweitwohnung in der Schlegelstraße (alles billig, da noch zu DDR-Zeiten angemietet) in Mitte, in der ich einen Freund aus Ingelheim als Untermieter unterbringen konnte.
Jedes Mal, wenn wir uns trafen, besoffen wir uns und er lud mich in seinen Stammpuff ein. Ukrainerinnen, vierzig Mark. Aber ich habe immer abgelehnt. Nach dem Job habe ich ihn nur noch ein paar Mal gesehen. Zum Beispiel in einer Kneipe in der Schönhauser Allee, als mich ein Neonazi dumm angeglotzt hat und ich ihn fragte: „Ist was?“ Er blickte mich an wie ein Ork, kam auf mich zu und gab mir eine Ohrfeige. Nur ganz leicht, ein Klaps, eine Provokation. Ich sah aus den Augenwinkeln, wie zwei seiner Kumpel von hinten auf mich zu kamen. Ich rannte raus und traf den Steuerberater in seinem schicken Anzug auf dem Bürgersteig. Die Freundin von dem Neonazi lief uns hinterher und hat sich für den Vollidioten entschuldigt.
Den Atomphysiker habe ich wenige Monate später aus den Augen verloren, als er die Wissenschaft aufgegeben hat. Er hatte bei Boston Consulting angeheuert und war die meiste Zeit in Frankfurt oder bei seinen Kunden. Wenn wir uns trafen, erzählte er mir, wie einfach der Job in der Unternehmensberatung sei. Mathematisch keine Herausforderung und die Bürokratie in den Unternehmen, für die er eingeteilt war, beispielsweise die Daimler AG, erinnerte ihn an die VEB in seiner Jugend. Die Arbeit hat ihn, was sein Verhältnis zum Westen angeht, doch sehr ernüchtert.
Er hat sich später als Unternehmensberater und Vermögensverwalter selbständig gemacht und ist, nach meiner Internetrecherche von neulich, immer noch in diesem Segment aktiv. Die Freundin, auf deren Party in Mitte wir uns kennengelernt hatten, lernte bald darauf einen schwäbischen Ingenieur kennen, dem sie auf seine Baustellen in Indien und Saudi-Arabien folgte. Sie bekam zwei Kinder und schrieb meiner Freundin gelegentlich eine Mail. Mein damaliges Herzblatt ist heute Professorin in Hamburg und ich bin bekanntlich Vorstandsvorsitzender von Bonetti Complete Solutions Inc. geworden.
P.S.: Die BWL-Magisterarbeit wurde von meinem Auftraggeber leider nie eingereicht. Schade, ich wüsste gerne, welche Note ich bekommen hätte.
George Thorogood - Bad to the bone. https://www.youtube.com/watch?v=8i6anTAQqnw
P.P.S.: Noch eine Geschichte, die ich als Geschichtenerzähler erlebt habe. Als Kiezschreiber im Brunnenviertel hat mich einmal ein älterer Herr angesprochen. Werner Papke: Elite-Nazi-Kind, Schwerverbrecher, Boxtrainer, Kinderschänder. Ich sollte seine Biographie schreiben. Nach einem mehrstündigen Gespräch in seiner Wohnung und einer kurzen Recherche habe ich das Projekt abgelehnt. Inzwischen hat er seine Memoiren selbst geschrieben. Ich erinnere mich an Dutzende handgeschriebene Seiten, die vielen Zeitungsausschnitte zum Thema Gladow-Bande, der er angehört hatte, und über die ganzen Weltmeister, die er trainiert hat. Gegen die Verurteilung wegen Missbrauchs kämpft er bis heute und kann mit drei urologischen Gutachten nachweisen, dass sein Penis nur zwei Zentimeter lang ist und er unfähig zur Erektion und zum Samenerguss ist. Musste ich mir alles anhören. Man trifft immer wieder illustre Gestalten in Berlin …
http://www.werner-papke.de/

Montag, 6. Juni 2016

Grundeinkommen - mit Bedingungen

„Ignoramus et ignorabimus“ (lat. „Wir wissen es nicht und wir werden es niemals wissen“, Emil Heinrich Du Bois-Reymond)
Ich fände es großartig, wenn ein Land den Mut aufbringen könnte, ein Grundeinkommen einzuführen. Bisher gibt es keinerlei empirische Erfahrungen mit dem Grundeinkommen auf nationaler Ebene, nur in der kanadischen Stadt Dauphin hat man von 1974 bis 1979 dieses Experiment durchgeführt.
Das Hauptargument der Gegner ist: das Grundeinkommen ist nicht finanzierbar. Das wäre zu prüfen. Folgende Modellrechnung:
Das Grundeinkommen beträgt tausend Euro im Monat. Geht man bei einem Durchschnittsbürger von fünfhundert Euro Warmmiete im Monat aus, dazu GEZ, Steuer und Versicherung fürs Auto plus eine Tankfüllung (wahlweise eine Monatskarte für den öffentlichen Nahverkehr), bleiben etwa vierhundert Euro in der Brieftasche für Essen und Trinken, Klamotten usw. Das ist auch das offizielle Existenzminimum („Hartz IV“).
Wir legen fest, dass das Erwerbseinkommen und die Kapitalerträge auf das Grundeinkommen angerechnet werden. Wer also mehr als tausend Euro im Monat verdient und nicht kündigen möchte, ist raus aus dem Spiel. Nur Erwachsene dürfen einen Antrag stellen. Vermögen wird angerechnet. Wer mehr als zehntausend Euro auf der Bank hat, ist auch raus. Einkommen des Ehegatten wird ebenfalls angerechnet.
Wer würde unter diesen Bedingungen einen Antrag stellen? Erst mal alle fünf Millionen Hartz IV-Empfänger. Klar. Dann Rentner, die weniger als tausend Euro im Monat bekommen. Viele Freiberufler und alle Obdachlosen kämen dazu. Ich werfe jetzt einmal eine Zahl in die Debatte, damit wir etwas Spielmaterial für die Modellrechnung haben: Zehn Millionen Bürger werden in Deutschland einen Antrag stellen.
Was heißt das konkret? Das Grundeinkommen würde im Monat also zehn Milliarden kosten, im Jahr hundertzwanzig Milliarden. Die Hälfte davon ist durch die heutigen Ausgaben für die fünf Millionen Hartz IV-Empfänger gedeckt. Hinzu kommen die Einnahmen der Freiberufler, die einen Antrag stellen, und die Renten der Senioren mit weniger als tausend Euro Rente im Monat. Das Grundeinkommen würde den Staat also ungefähr dreißig Milliarden Euro im Jahr kosten. Davon wären die Kosten für die Sozialverwaltung abzuziehen, denn fast die ganze Bürokratie des Sozialstaats wäre überflüssig geworden.
Und das, was an Kosten für das Grundeinkommen bleibt, könnte man lässig durch die Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 53 Prozent – so wie zu den Zeiten von Adenauer und Erhard bzw. zu den Zeiten von Helmut Kohl (nur bei Brandt und Schmidt lag er bei 56 Prozent) – und weitere Steuererhöhungen (Erbschaftssteuer, Transaktionssteuer, höhere Besteuerung von Boni, Besteuerung von Gewinnen bei Unternehmensverkäufen) bei den Wirtschaftseliten aufbringen. Die Fürsten müssen ihre Schatullen öffnen.
Fazit: das Grundeinkommen ist machbar und es ist finanzierbar.
Wissen Sie, was passieren wird, wenn wir den Armen Geld geben? Sie sagen: „Diese Leute werden es sinnlos ausgeben.“ Ich sage: „Da haben Sie ganz recht.“ Die Leute werden ein Konsumfeuerwerk abbrennen, sie werden in die Geschäfte stürmen. Es wird Sekt zum Frühstück geben, die Lokale werden überrannt, weil die Leute sich endlich mal wieder etwas gönnen werden. Zumindest am Anfang. Den tausend Euro im Monat sind ja nicht viel. Aber ich bin mir ganz sicher, dass dieses Geld den Wirtschaftskreislauf befeuern wird. Dieses Geld wird Arbeitsplätze schaffen und damit weniger Gründe, das Grundeinkommen zu beantragen. Wir müssen nur den Mut aufbringen, es zu versuchen.
Klaus Nomi - After The Fall. https://www.youtube.com/watch?v=sTLzQP9J-n8&spfreload=5

Blogstuff 47

“Gebt starkes Getränk denen, die am Umkommen sind, und den Wein den betrübten Seelen, dass sie trinken und ihres Elends vergessen und ihres Unglücks nicht mehr gedenken.” (Die Sprüche Salomos 31, 6-7)
Ein Ozean aus Geschwätz und jede Welle seiner Brandung trägt einen anderen Namen: EU, Fußball, Einwanderung, Wetter, Steuern …
Ich kratze mir den ganzen Tag den Kopf, weil ich so ratlos bin. Mein Schädel ist ein Grindbergwerk.
Andy Bonetti wird oft von jungen Frauen angesprochen, die gerne ein Kind von ihm möchten. Inzwischen hat der Literaturchampion 87 uneheliche Kinder (Schätzung des Managements). Daher hat Mister Bonetti jetzt seine Taktik geändert. Wenn eine junge Frau auf ihn zukommt und sagt: „Andy, ich will ein Kind von dir“, antwortet er: „Ich habe was viel besseres für dich“. Und dann holt er seine Brieftasche hervor und entnimmt ihr eine Münze. „Das ist mein Glücks-Cent. Den schenke ich dir. Er hat mir 27 Jahre viel Glück gebracht.“ Die Frauen sind dann immer total happy.
Bei Gehaltsverhandlungen legte er stets einen geladenen Revolver auf den Tisch.
Ob in Orwells „1984“, in Samjatins „Wir“ oder in „Blade Runner“ (Original: „Do Androids Dream Of Electric Sheep?”) von Philip K. Dick – in den großen Romanen über unsere Zukunft wird geraucht. Offenbar konnten sich die Autoren die Zukunft nicht ohne Zigaretten vorstellen. Aber in „Star Trek“ wird seit der ersten Staffel 1966 konsequent auf das Rauchen verzichtet, ebenso in „Star Wars“. Nicht einmal die Außerirdischen rauchen.
Er nahm es den Reichen und gab es den armen … Kellnern, Köchen und Kassiererinnen.
Spitzfindige Kommentare, mit Neid gewürzt und in Hohn getaucht.
Schwarz ist die Farbe der Einsamkeit. Speziell bei Stromausfall.
So denkt der Arbeitnehmer 4.0: Ich lasse reden – in den Talkshows, ich lasse Sport machen – in den Fernsehübertragungen, ich lasse denken – in der Ratgeberliteratur, ich lasse kochen – in den Kochsendungen. Man delegiert alles vom eigenen Schreibtisch weg wie der Chef, man externalisiert – bis man leer ist.
Andy Bonetti proudly presents INDUSTRIAL PROVO. Die härteste Speed Polka-Band diesseits des Mississippi. Die neue Platte heißt „Super soft & super sicher – wenn Taschentücher Politik machen“. Englischer Titel: „My ambitions are a waste of time.“
Er hatte vierzig Jahre hart gearbeitet. Gestern haben sie ihn vom Lieferjungen zum Oberlieferjungen befördert. Er wird siebenhundert Euro Rente bekommen.
Endlich geklärt! Warum Wahlversprechen nie eingehalten werden: Strafgesetzbuch § 108b Wählerbestechung: (1) Wer einem anderen dafür, dass er nicht oder in einem bestimmten Sinne wähle, Geschenke oder andere Vorteile anbietet, verspricht oder gewährt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer dafür, dass er nicht oder in einem bestimmten Sinne wähle, Geschenke oder andere Vorteile fordert, sich versprechen lässt oder annimmt.
Wer vollführt jedes Mal einen Tanz wie John Travolta in „Pulp Fiction“, wenn er sich eine frische Unterhose angezogen hat? Andy Bonetti. Wer sonst, Leute?!
Natürlich sind die US-Amerikaner am Freihandel interessiert. Der Starke sucht immer den Wettbewerb mit dem Schwachen. Tritt hinaus in die Arena, ruft der Starke dem Schwachen zu. Lass uns kämpfen! Die Frage ist natürlich immer, für wen der Wettkampf von Vorteil ist – selbst wenn die Regeln des Kampfes eingehalten werden, was ja keinesfalls sicher ist, denn einen Schiedsrichter, eine Autorität, der sich auch die USA unterwerfen würden, gibt es auf internationaler Ebene nicht.
Menschen in schreiend bunten Sportklamotten erinnern mich an Kinder auf dem Drei-Meter-Brett im Schwimmbad: „Mama, kuck ma! MAMA !! KUCK MA !! Mama, ich springe jetzt, kuck ma!“ Und ganz entscheidend ist ja beim Sonntagsspaziergang im Wald auch das „Wording“ (neudeutsch für Wortwahl). Habe ich Skistöcke dabei, nennen wir es Nordic Walking, habe ich einen Rucksack auf dem Buckel, nennen wir es Trekking. Wandern dürfen wir es aber auf keinen Fall nennen.
P.S.: Ich habe bei Bergwanderungen in den Alpen, wo man abseits der Wanderwege unterwegs ist, selbst schon Stöcke benutzt. Es kann durchaus sinnvoll sein, wenn es einen Steilhang hinauf oder hinab geht. Aber ich habe mal eine Gruppe älterer Menschen bei einem Kursus auf einer Wiese im sicherlich nicht hochalpinen Grunewald beobachtet und seitdem kann ich diese Stöcke nicht mehr sehen. Da stellen Menschen also fest, dass die alte Leier „linker Fuß, rechter Fuß und immer so weiter“ beim Gehen nix mehr taugt und kaufen sich zwei Stöcke. Und dann buchen sie einen Kurs, um zu lernen, wie man damit läuft. Und dann fahren sie mit ihrem Auto zu diesem Termin und lauschen der Kursleiterin und hinterher gibt es vermutlich auch noch ein Zertifikat. Damit man was Schriftliches für die Unterlagen hat. Und den Kursus setze ich von der Steuer ab und mache mir auch darüber noch Gedanken. Ich verstehe diese Menschen nicht …
Leatherface - I Want The Moon. https://www.youtube.com/watch?v=2FAWGgTfXqs
(Danke an Herrn Ackerbau aus Berlin)
Nachtrag: Die NPD ist gegen Plastiktüten in Supermärkten. Was kommt danach? Machen wir den nächsten Polenfeldzug mit dem Fahrrad? Mülltrennung statt Rassentrennung? (Danke an Herrn C. aus Saarbrücken für den Link)
https://npd.de/das-kommt-mir-nicht-in-die-tuete/

Sonntag, 5. Juni 2016

Am See

„Ich schreibe nicht aus Freude am Schreiben; es hat sich eben so für mich ergeben, dass ich schreiben muss, wenn ich nicht den Verstand verlieren will.“ (Marlen Haushofer: Die Wand)
Sie schmiegte sich an ihn, er legte den Arm um ihre Schultern. Eine Weile saßen sie schweigend auf der Parkbank und blickten aufs Wasser.
„Von was lebst du eigentlich?“
„Ich habe kein Einkommen“, sagte er leise. Fünf Sekunden Schweigen. „Ich habe Vermögen.“
„Du musst nicht arbeiten?“ Sie sah ihm in die Augen.
„Nein. Wenn ich etwas brauche, kaufe ich es mir einfach.“
Eine Ente glitt schweigend vorüber.
„Du könntest mir alles kaufen, oder?“
„Natürlich. Was möchtest du haben?“
„Ein Auto.“ Sie lächelte.
„Was für ein Auto?“
„Einen Ferrari.“
„Gut. Dann gehen wir morgen zu einem Ferrari-Händler und kaufen dir einen Ferrari.“ Seine Stimme war ganz ruhig.
Nach einer Weile fragte er: „Wie viele Pfandflaschen braucht man für einen Ferrari?“
„Ich dachte, du hättest Vermögen.“ Ihre Stimme bekam einen vorwurfsvollen Klang.
„Ja, aber mein Vermögen ist da draußen.“ Mit dem rechten Arm machte er eine ausholende Bewegung. „In den Mülleimern der Stadt.“
„Ach so“, sagte sie und seufzte.
Die Ente kam zurück. Oder war es eine andere?
„Kannst du mir Schuhe kaufen?“
„Natürlich.“ Fünf Sekunden Schweigen. Dann fragte er: „Müssen es neue sein?“
„Nicht so wichtig.“
„Aber ich kann dir Pommes kaufen, so viel du willst. Mit Mayo.“
Sie schmiegte sich fester an ihn.
Ein Schmetterling taumelte vorüber, ohne das Liebespaar zu beachten.
So begann es damals am See.
Roger Daltrey - Say It Ain't So Joe. https://www.youtube.com/watch?v=1PH5HNiZduY