Donnerstag, 30. Juni 2022

Fresh Handmade Blogstuff


Blogstuff 711

„Generalmobilmachung der Vierten Gewalt, die immer schon zu sehr Gewerbe war, um Instrument der Aufklärung zu sein, wie es sich einst Jean-Jacques Rousseau gewünscht hatte.“ (Susann Witt-Stahl in Junge Welt am 13.6.22 zur deutschen Presse) 

Als ich diesen Text gelesen habe, musste ich doch sehr lachen. Journalismus ist also ein Gewerbe, es geht um Geld? Die Medien sind kein Instrument der Aufklärung im Rousseau’schen Sinne? Wer hätte das gedacht. Aber der Susi macht so leicht keiner was vor. Wie lange muss man eine Waldorf-Schule besucht haben, um so naiv zu sein? Oder hat sie ein Seminar mit dem Titel „Ethische Grundsätze in der Publizistik“ besucht? Was hast du noch rausgefunden, Susi? Politiker sagen nicht immer die Wahrheit? Es gibt da draußen in der Welt Korruption, Gier und Verbrechen? Dazu dieser Duktus kindlicher Empörung, als hätte sie das alles tatsächlich erst heute erfahren. Mach weiter, Susi. Jana aus Kassel und du werden es schaffen.

„Menschen sind die einzigen Säugetiere, die als Erwachsene noch Milch trinken.“ – „Menschen sind auch die einzigen Säugetiere, die Auto fahren.“

Die teuersten Turnschuhe der Welt sind ein Paar Adidas Samba, die Andy Bonetti persönlich getragen hat. Sie haben bei einer Auktion 600.000 Euro gebracht und wurden in einer Glasbox übergeben, die den Geruch konserviert.

Merkel ist das beste Argument gegen die Frauenquote. Sechzehn Jahre Kanzlerin, nix für den Feminismus gemacht, gegen die „Ehe für alle“ gestimmt und noch nicht mal gegendert. Nur Möse statt Pimmel reicht eben nicht, da müssen auch Inhalte kommen.

1569: Fernando Villariba de Sale y Tobacco macht Urlaub in Peru und erfindet die Kartoffel.

Wie lange gibt es schon Fridays for Future? Drei Jahre? Die Jugend hat nichts erreicht, die Euphorie ist verflogen und der Idealismus zu den Akten gelegt. 2035 fahren sie ihre Kinder mit dem E-SUV in den Waldkindergarten.

Seit über zehn Jahren bin ich Single und außerdem kein Angestellter mehr. Inzwischen habe ich das Schlafverhalten von Haustieren angenommen. Es gibt mehrere Schlafphasen am Tag, dazu kommen die Zeiten, in denen ich einfach vor mich hindöse. Kernschlafphase ist von ein bis sechs Uhr nachts, dazu kommt ein Nickerchen am Vormittag, eins am frühen Nachmittag und eins am späten Nachmittag. Wie ein Hund oder eine Katze.

„Warum bestellst du nichts bei Amazon?“ – „Weil der Eigentümer des Unternehmens sehr reich ist.“

Auch gut: „Weil der Internethandel die Innenstädte kaputt macht.“ Diese Ansammlung von Konzernfilialen wie Deichmann, Aldi und McDoof, die auch nur die Milliardäre reich machen.

Men Without Hats - I Got The Message - YouTube

Mittwoch, 29. Juni 2022

Neulich beim BKA

 

„Chef, es gibt eine Geiselnahme in einer Bank.“

„Aktivieren Sie Bonetti.“

„Wir haben ihn aus gutem Grund außer Dienst gestellt.“

„Ist mir egal. Rufen Sie ihn an.“

„Er ist Alkoholiker.“

„Er ist Trinker. Das ist ein Unterschied.“

„Bonetti hat einen unschuldigen Mann erschossen.“

„Er war wie ein Kosake gekleidet.“

„Es war im Kölner Karneval.“

„Bei einem gefährlichen Undercover-Einsatz kommt es manchmal zu Missverständnissen.“

„Was für eine Rolle soll er bei diesem Einsatz spielen?“

„Er wird sich als Pizzabote verkleiden und in die Bank gehen.“

„Wieso als Pizzabote?“

„Alle Geiselnehmer lassen sich Pizza bringen.“

„Sind Sie da sicher?“

„Sehen Sie nie Krimis im Fernsehen?“

„Und dann?“

„In der Bank muss er improvisieren.“

„Wie sollen wir ihn ausrüsten?“

„Geben Sie ihm eine Pistole und zwei Blendgranaten.“

„Ich mache mir Sorgen um die Geiseln. Es sind vier Bankangestellte.“

„Nur Bankangestellte? Dann geben Sie Bonetti eine Maschinenpistole und einen Granatwerfer.“

 

Dienstag, 28. Juni 2022

Unverdientes Glück

 

Man kann es gar nicht fassen, wie viel Glück die Deutschen nach 1945 hatten. Geradezu unverschämt viel Glück – und unverdient. Zunächst wurde das Land zerstückelt, um es in den Zustand vor 1871 zurückzuversetzen. Dann wurde die BRD als Frontstaat gegen die imperialen Machtgelüste Stalins wieder aufgepäppelt und durfte ihre Industrie zu alter Stärke entwickeln. Die Nazis, die nach dem verlorenen Krieg um ihr Leben gefürchtet haben, konnten ihre Karrieren nahtlos fortsetzen. Deutschland wurde, trotz Angriffskrieg und Holocaust, nicht isoliert und geächtet wie nach dem Ersten Weltkrieg, sondern integriert. Ökonomisch und politisch in der EGKS („Montanunion“) 1951, ab 1957 in der EWG, später dann in der EG und schließlich in der EU; militärisch in der WEU 1954 und der NATO 1955.

Im Kalten Krieg stieg die BRD zur ökonomischen Großmacht auf, versteckte sich aber militärisch hinter den westlichen Atommächten, angeführt von den USA. Die Gräueltaten des Dritten Reichs wurden als Ausrede instrumentalisiert, die „Vergangenheitsbewältigung“ war immer auch ein Mittel der Außenpolitik. An Kriegen durfte man sich „aus Gründen“ nicht beteiligen und nach 1990 wurde eilig abgerüstet, um gar nicht erst in der Lage zu sein, militärische Verpflichtungen zu übernehmen. Scheckbuchdiplomatie war die Lösung.

Diese selbstgewählte Impotenz, dieser bequeme Fatalismus, mit dem sich Deutschland seither kleingemacht und zum machtlosen Nebendarsteller erklärt hat, während es politisch Europa beherrscht und sich als „Exportweltmeister“ in aller Welt die Taschen vollmacht, ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten. Es ist der nackte Egoismus, ein eklatanter Mangel an Empathie und Verantwortung. Aber wir kommen damit durch. Glück gehabt.





Montag, 27. Juni 2022

Alice oder nichts

 

Blogstuff 710

„Er hat jeden Tag was Neues auf der Pfanne. Er lässt keinen Tag aus. Er ist genervt und er sucht immer noch die Wahrheit. Einer der letzten echten Blogger.“ (Andreas Glumm auf Twitter über Bonetti)

Es ist Sommer, Bonetti fährt mit seinem Porsche Cabrio gemächlich den Ocean Drive in Wichtelbach entlang und genießt die bewundernden Blicke schöner Frauen.

Hätten Sie’s gewusst? Krokodile sind an Land bis zu 25 km/h schnell. Mit dem Bus sind sie sogar noch schneller.

Wir reichen Deutschen reden gerne über Selbstverwirklichung, aber neunzig Prozent der Menschen wachsen einfach in Richtung Licht und Wasser.

Ich bin für die Umsetzung des Atlantropa-Projekts. Wir schließen die Meerenge von Gibraltar mit einem Staudamm, so dass das Mittelmeer langsam austrocknet. Wir gewinnen Land und damit Siedlungs- und Ackerflächen, vor allem in der Adria und der Ägäis. Der Anstieg des Meeresspiegels im Mittelmeer wird verhindert, Venedig wäre im Trockenen und könnte neue Viertel anbauen.

Was wurde eigentlich aus Attila Hildmann? Er ist jetzt Bundesbeauftragter für die Opfer der Merkel-Diktatur. Dazu hat er sich in Antalya selbst ernannt.

Was mich an “Blade Runner“ von Ridley Scott immer fasziniert hat, war nicht das Thema Utopie bzw. Dystopie. Es geht nicht um glänzende Visionen, um Kommunismus oder Faschismus. Das Thema heißt: Melancholie. Die Welt wird durch Fortschritt nicht besser. Elektrizität und Autos haben uns nicht glücklicher gemacht, Computer und Roboter werden uns auch nicht glücklich machen. Es ist dunkel in dieser Welt und in uns, es regnet und die Musik von Vangelis passt perfekt zur Stimmung des Films. Wer alles verstanden hat, kann keine Hoffnung haben. Hoffnung, Glaube, Liebe – die Narrenwörter der Pfaffen und Träumer.

Ich wache auf und möchte über die Treppe in den ersten Stock. Die Treppe fehlt. Ich gehe zurück. Dann wache ich wieder auf. Ich gehe in den ersten Stock. Dort sind Handwerker. Ich setze mich an den Computer und klicke die erste Seite an. Dann wache ich wieder auf. Einige Fliesen auf dem Fußboden sind zerschlagen. In meinem Schlafzimmer gibt es gar keine Fliesen. Ich weiß, dass ich träume. Deswegen macht es mir auch nichts aus, als ich splitternackt mit den Handwerken im ersten Stock rede. Ich tippe auch nicht mein richtiges Passwort ein, sondern drücke nur ein paar Tasten. Als die erste Seite erscheinen soll, ist der Traum zu Ende. Ich wache auf und sehe, dass mein Schlafzimmer an der Wand zum Nachbarraum ein weiteres Fenster hat. Auf dem Flur zur Treppe stehen neue Möbel. So geht es noch ein paar Mal, bis ich wirklich aufwache. Jede Traumsequenz endet am Computer, jedes Mal weiß ich, dass ich träume. Jetzt schreibe ich diese Zeilen und bin gespannt, ob sie morgen noch da sind.  

Wenn der Faschismus kommt, wird er nicht sagen: „Ich bin der Faschismus.“ Er wird sagen: „Ich bin Wladimir Putin und kämpfe gegen den Faschismus.“

Alice Cooper - No More Mr. Nice Guy (from Alice Cooper: Trashes The World) [Official Video] - YouTube

 

Sonntag, 26. Juni 2022

Es lebe die Inflation

  

Wir wissen es alle seit vielen Jahren: Gegen die Klimakatastrophe hilft nur Verzicht. Weniger konsumieren, weniger Fleisch essen, weniger reisen und weniger Energie verbrauchen. Verzicht bedeutet aus ökologischer Sicht Gewinn. Haben wir verzichtet? Nein. Haben wir die theoretisch unbestrittene Erkenntnis in die Praxis umgesetzt. Nein.

Ich erinnere mich an eine Szene aus dem letzten unbeschwerten Sommer. 2019. Acht Menschen sitzen in einem Garten um den Tisch herum. Der Wein fließt in Strömen, auf dem Grill brutzeln mehrere Kilogramm billiges Schweinefleisch, eine Rauchwolke steigt in den Himmel empor. Wir reden über Greta und das Klima. Alle finden Greta gut. Dann geht es um die Reisepläne. Wer fliegt nach Spanien, wer nach Italien? Niemand in der Runde erkennt die Ironie der ganzen Szene.

Jetzt zwingt uns die Inflation zum Verzicht. Für unser Gehalt bekommen wir weniger Waren und Dienstleistungen. Das Fleisch wird endlich teurer. Der Benzinpreis geht durch die Decke. Könnte man nicht auch mal mit dem Fahrrad oder zu Fuß zum Bäcker statt mit dem Auto?

Die Preise für Hotels und Flugreisen sind gestiegen. Außerdem fehlt es an Personal auf den Flughäfen. Die Lufthansa muss in diesem Sommer dreitausend Flüge streichen. Derzeit holen viele Leute die verpassten Reisen der vergangenen beiden Jahre nach. Aber dann?

Die Restaurants haben die Preise erhöht und die Kapazitäten reduziert, weil Personal fehlt. Gut, dann verzichten wir eben. Theater und Kinos klagen über Zuschauermangel. Aus meiner Zeit als Arbeitsloser weiß ich: auf Gastronomie und Kultur verzichtet man zuerst.

Wir haben zu wenig Erdgas. Also werden die Heizungen im Winter endlich runtergedreht. Zumindest bei den Mietern (58 Prozent der Deutschen). Nur 18 Grad im Wohnzimmer? Richtig so. Dann kann man auch endlich mal den schicken Pullover tragen, den man sich mal für den Skiurlaub gekauft hat, den man sich jetzt sowieso nicht mehr leisten kann. Unsere Vorfahren haben sich im Winter noch im Mantel ins Bett gelegt.

Corona und der russische Feldzug haben die globalen Lieferketten gestört. Man muss länger auf ein neues Auto, Baumaterial oder bestimmte Konsumgüter warten. Handwerker sind auf Monate ausgebucht, alles verzögert sich. Gut für die Umwelt. Wir brauchen keinen Staat, der uns Verzicht befiehlt. Die Inflation und andere Krisen kommen dem Klima zu Hilfe. Danke!

 

Samstag, 25. Juni 2022

Post von Wagner

 

Stellen Sie sich vor, die Erde würde stillstehen. Es gäbe keinen Wechsel von Tag und Nacht.

Dann würde es auf der einen Seite der Welt immer finster sein und auf der anderen Seite immer hell. Das würde den Leuten auf der dunklen Seite nicht gefallen, alle Pflanzen würden dort sterben. Aber der anderen Hälfte der Welt würde es auch nicht gefallen, weil sie nicht einschlafen könnten.

Alle wären unzufrieden.

Deswegen finde ich es gut, dass die Erde sich dreht. Gott liebt uns.

Herzlichst

F. J. Wagner

1917/1918


Russland ist im Ersten Weltkrieg am Rand einer Niederlage. Hohe Verluste, die Bevölkerung hungert. Das Deutsche Reich zündet die politische Atombombe und bringt Lenin ins Feindesland, dazu einige Millionen Mark in Gold. Ein simpler Trick, um den Zweifrontenkrieg zu beenden und sich auf den Erzfeind Frankreich konzentrieren zu können. Das ist der Beginn des Kommunismus, des Marxismus in der Praxis. Er endet schnell in einer blutigen Diktatur. Alle Versuche in anderen Ländern sind ebenfalls gescheitert: das kümmerliche karibische Experiment namens Kuba, die bizarre Kim-Dynastie in Nordkorea, der rotlackierte Manchesterkapitalismus in China, die hilflosen Bemühungen in Nicaragua oder Chile, die von Stalin installierten Marionettenregimes in Osteuropa. Es hat nie eine proletarische Revolution gegeben, die Arbeiterklasse hat sich bis heute nicht erhoben und ist immer die willfährige Verfügungsmasse ihrer Brotherren geblieben. Ein kurzes Gespräch mit einem beliebigen Fließbandarbeiter genügt, um diese Erkenntnis zu verifizieren. Dazu die Erinnerungen an den kommunistischen „Widerstand“ in Deutschland nach 1933 und nach 1990. Es gab und gibt ihn nicht.

Das Ergebnis der bolschewistischen Machtübernahme war 1918 der feuchte Traum der deutschen Imperialisten. Der Ausbruch aus der Kessellage in Europas Mitte (Das Deutsche Reich war zuvor in allen vier Himmelsrichtungen von Großmächten umgeben: im Westen von Frankreich, im Norden vom britischen Empire mit seiner mächtigen Flotte, im Osten von Russland und im Süden von Österreich-Ungarn). Lebensraum! Allerdings war es damit am Jahresende wieder schnell vorbei. Aber mit dem Vertrag von Rapallo, in dem sich die beiden international geächteten Schmuddelkinder Deutschland und Sowjetunion 1922 verbündeten, konnte man sich territoriale Kompensationen für die Gebietsverluste durch den Versailler Vertrag erhoffen. Auch der Hass gegen das 1918 entstandene Polen, das im polnisch-russischen Krieg 1920 große Gebiete im Westen der Sowjetunion erobert hatte, einte beide Staaten und eröffnete den Weg nach Osten. 1939 wurde bekanntlich ein zweiter Anlauf unternommen, um diese Ziele zu erreichen (Hitler-Stalin-Pakt). Kiew und die Krim waren also im 20. Jahrhundert zweimal deutsch. Weniger bekannt sind die deutschen Pläne aus der Zeit vor 1914, den ursprünglich zum Osmanischen Reich gehörenden Balkan gemeinsam mit Österreich-Ungarn zu okkupieren. Wachstumsideologie ist kein Privileg der Wirtschaft.

Julee Cruise - Falling (Twin Peaks Soundtrack) - YouTube

Freitag, 24. Juni 2022

Die Klette

 

Der Friedhof von Wichtelbach ist die Hall of Fame der Hunsrücker Mafia. Hier liegen Lucky Luciano, Vito Genovese, John Gotti, Carlo Gambino und Joe Colombo. Es war drei Uhr nachts und Tony Soprano erwartete ihn am Grab seines Großvaters.

Er sah den großen, hageren Mann aus der Dunkelheit auftauchen. Jimmy die Klette. Der korrupteste Bulle südlich von Duisburg. Und er hatte eine Sporttasche dabei. Junkies und Satanisten suchten in hellen Scharen das Weite.

„Hast du es?“ fragte Tony.

„Hast du es?“ fragte Jimmy zurück.  

„Nicht hier. Im Wagen.“

„Dann lass uns gehen.“

Als sie an Tonys Cadillac ankamen, stiegen zwei Männer in schwarzen Anzügen aus dem Wagen.

„Glaubst du, du kannst mich linken, Tony?“

Jimmy zog seine Mossberg 590 aus dem Trenchcoat, die Mobster ihre Berettas.

„Wenn Ihr einen Bullen erschießt, habt Ihr sämtliche Bullen von Rheinland-Pfalz am Arsch. Dann könnt Ihr Eure Geschäfte vergessen.“

„Beruhig Dich, Jimmy. Ich will nur auf Nummer Sicher gehen.“

Tony ging zum Kofferraum und öffnete ihn. Er nahm eine Ledertasche heraus.

 „Das sind hunderttausend. Willst du nachzählen?“

„Nein.“ Jimmy übergab ihm die Tasche mit dem Heroin.

„Die Araber wissen, wie viel Ihr Ihnen abgenommen habt. In der Zeitung stand eine andere Menge. Sie werden zwei und zwei zusammenzählen.“

„Lass das meine Sorge sein, Tony.“

Er hatte bei der Razzia den Sohn das Clan-Chefs erschossen. Natürlich in Notwehr, wie er in seinem Bericht geschrieben hatte. Jimmy hatte ganz andere Sorgen.

Zeit für Plan B. Nicht mehr wie eine Klette an jedem Ganoven hängen und Prozente kassieren. Er würde eine Weile abtauchen. Vielleicht in der Eifel. Da kontrollierten nicht die Araber den Drogenmarkt, sondern die Albaner. Vielleicht einen Psychologen schmieren, der ihm ein Attest über ein Burn-Out-Syndrom ausstellte.

Um Geld musste er sich schon lange keine Sorgen mehr machen. Auch seine Vorgesetzten, die jahrelang dicke Umschläge mit Bargeld eingesteckt hatten, ohne zu fragen, würden sicher keine Probleme machen.

Donnerstag, 23. Juni 2022

Augen auf beim Träumen

 

Blogstuff 709

„Man muss sich den Weltuntergang einfach schön saufen. Dann ist alles halb so wild.“ (Heinz Pralinski)

Streichholzbriefchen sind als Werbemittel ziemlich aus der Mode gekommen.

Für Lenin war der Imperialismus die höchste Form des Kapitalismus. Wir sehen es heute an Russland. Zum Imperialismus gehört die Expansion, die Erweiterung des Territoriums und der Einflusssphäre, und der Krieg gilt als legitimes Mittel, das schon immer zur Expansion eingesetzt wurde. Putin handelt nicht anders als sein erklärtes Vorbild Peter der Große.

1538: Juan Cortez de la Casa y Montezuma bringt die Tomate nach Wuppertal.

„Wie finden Sie Ihre neue Sprachlehrerin?“ – „Eft ftark“.

Amatrichelli al mungo, dazu ein Glas Vaporese Blanco. Das wär’s jetzt.

Sie sind fremd in ihren Villen. Innenarchitekten haben ihr „Zuhause“ eingerichtet. Sie haben keinen Bezug zu den Möbeln, den Bildern, den kleinen Accessoires. Sie können zu keinem Gegenstand, den sie besitzen, eine Geschichte erzählen. Fremde Menschen beziehen ihre Betten und waschen ihre Klamotten. Sie sind heimatlos und ihr oberflächlicher Materialismus wird sie nicht glücklich machen. Auf ihrer Yacht, in ihrem Flugzeug, in ihren anderen Häusern – es ist überall das gleiche. Sie sind Fremde, zu Gast in ihrem eigenen Leben.

Vermieter haben es auch nicht immer leicht. Sagt Rüdiger von Ovia.

Machen wir uns nichts vor: Die hundert Milliarden „Sondervermögen“ hat die Bundeswehr in Windeseile verplant. Da hocken die Generäle einen Abend lang beim Bommerlunder in der Kaserne zusammen und das Geld ist weg. Jeder weiß, wie es danach weitergeht: Sie möchten noch mehr Geld. Diesmal vielleicht 150 Milliarden. Da sind die Jungs von der Hardthöhe nicht anders drauf als die Kinder vom Bahnhof Zoo.

„Kennen Sie Serrano?“

„Natürlich. Jimmy Serrano. Spitzname Ham. Der Chef der New Yorker Mafia.“

„Kennen Sie auch Jamon Iberico?“

„Den spanischen Tennisspieler? Na klar. Hat die French Open gewonnen. Ist Linkshänder, glaube ich.“

P.S.: Dies ist ein Nichtraucher-Blog. Bitte nehmen Sie Rücksicht auf die anderen Leser.

Running To Stand Still (Remastered 2007) - YouTube



 

 

Mittwoch, 22. Juni 2022

Die Bombe und ich

 

Ich bin immer allein mit der Bombe.

In neun von zehn Fällen komme ich umsonst. Es ist nur ein Koffer oder ein Rucksack, den jemand vergessen hat.

Der Anzug ist schwer. 35 Kilo. Ich kann ihn noch nicht mal allein anziehen. Trotzdem wird er mich nicht retten, wenn eine Bombe direkt vor mir explodiert.

Ich öffne den Kofferraum. Jemand hat anonym die Polizei informiert. Der Wagen steht in der Tiefgarage unter dem Rathaus. Im Kofferraum liegt eine Reisetasche. Ich öffne vorsichtig den Reißverschluss.

Ich lebe allein. Ich könnte es nicht ertragen, eine Witwe und Halbwaisen zurückzulassen. Ich bin allein mit der Bombe und allein mit mir. Gelegentlich gehe ich mit Kollegen ein Bier trinken, aber die Unterhaltungen gehen über die handelsüblichen Oberflächlichkeiten nicht hinaus. Ich bin gern allein. Vermutlich ist das eine Voraussetzung für diesen Beruf.

Im Film sieht man oft Bomben, die aus einem komplizierten Geflecht mit vielen bunten Drähten und einem Wecker bestehen. In Wirklichkeit muss ich mich nicht zwischen einem blauen und einem roten Draht entscheiden. Heutzutage werden Bomben mit dem Handy ferngezündet.

Alle anderen Menschen haben sich in Sicherheit gebracht und warten. Ich sehe mir die Bombe in Ruhe an. Manchmal steckt jemand ein paar Drähte in Knete, aber heute habe ich es mit Dynamitstangen zu tun. Gepresstes Sägemehl, das mit TNT getränkt ist. Ich entferne die Drähte von den Stangen.

Ich denke daran, dass ich als Kind davon geträumt habe, einmal Polizist zu werden. Was für eine lächerliche Idee. Jetzt sitze ich den ganzen Tag herum und warte auf den nächsten Einsatz. Jedes Mal kann es der letzte sein, aber es ist nie der letzte. Jeder Fernfahrer geht ein größeres Risiko ein als ich. Routine und Konzentration, keine Zeit für Angst.

Es sind alles Amateure. Die Profis schicken Selbstmordattentäter. Gegen die habe ich keine Chance. Aber ihre Zeit ist vorbei. Es gibt keine Terroranschläge mehr. Nur noch Amateure und Fehlalarm. Ich bin allein. Das ist gut.

Freddie Mercury - Living On My Own (1993 Remix Remastered) - YouTube

Dienstag, 21. Juni 2022

Spektakulär! Turbine Wichtelbach holt Tschechen-Juwel

 

Blogstuff 708

„Es hat so gut wie nichts gepasst! Zur Krönung setzt sich die Bedienung an den Nebentisch während wir speisten, zog ihren Schuh aus und popelte sich an und zwischen den Zehen...Nein Danke...Thema ist durch.“ (Restaurantkritik, Google)

Ich dachte immer, ich baue körperlich ab und werde im Alter klüger. Jetzt habe ich meine alten Tagebücher aus den neunziger Jahren gelesen. Wir bauen einfach nur körperlich ab.

Es klingelt an der Tür. „Guten Tag, ich bin Gott und möchte mit Ihnen über Bonetti sprechen.“

Was Linke und Rechte eint: die Fokussierung auf Oberflächlichkeiten wie Herkunft, Hautfarbe oder sexuelle Orientierung.

Heutzutage überfällt man keine Banken, sondern Tankstellen.  

Deutschland: Rustikales Ambiente in hysterischem Rahmen.

Alter Finne, jetzt hat die Inflation meinen Lieferservice erreicht. Die mittlere Pizza (30 cm) mit Salami, Schinken, Champignons, Zwiebeln und Ei ist von 6,50 auf 8,50 „angepasst“ worden, wie der Fahrer es nannte. Das ist ein Plus von dreißig Prozent. Die große Pizza (50 cm) mit gleichem Belag kostet statt 15 jetzt 22,50 Euro. Das ist eine Preiserhöhung um fünfzig Prozent! Dazu kommen zwei Euro Lieferkosten. Bin ich hier im Hunsrück oder in Dubai? --- Um diese Unverschämtheit auszugleichen, habe ich die Mieten in meinen fünfhundert Wohnungen um zehn Prozent erhöht. 

Alle reden von den Waffenlieferungen in die Ukraine, aber niemand spricht über die russischen Waffenlieferungen in den Hunsrück. Hier gibt es die Rote Hunsrück Fraktion (RHF), die seit Jahren für die Unabhängigkeit von Deutschland kämpft. Tief in den Wäldern versteckt, haben sie Waffenlager aufgebaut und Klopapier- und Mehlvorräte angelegt. Sie verdienen sich ihr Geld mit illegaler Schnapsbrennerei und kauen den ganzen Tag getrockneten Torf, den sie unkontrolliert in die Gegend spucken. Das nimmt kein gutes Ende!

„Ich wünschte, dieser Moment würde nie zu Ende gehen.“ Hätte ich dämliches Arschloch nur nie diesen Satz gesagt. Jetzt hänge ich in einer Zeitschleife fest. Giselas Schlafzimmer, eine Minute nach dem Sex, tiefste Nacht, hungrig und durstig.

Marxisten träumen vom perfekten Markt, wenn sie sagen, die Profite sinken, weil sich die Unternehmen gegenseitig Konkurrenz machen. Aber so läuft der Laden eben nicht, lieber Rüdiger aus Bielefeld. In der Realität gibt es Beschiss, Bestechung, Kartelle, unfähige Kontrollbehörden und Oligopole.

Heute Morgen wieder 3G: geduscht, gekämmt und gefrühstückt.

Alles ist gut, was dich vom Denken befreit: Tanz, Meditation, ARD.

Früher ging ich mit meinem Porsche auf Entenjagd (Insider-Gag für Boomer).

P.S.: Abentheuer ist ein Dorf in Rheinland-Pfalz.

The Politics of Dancing (12" Extended Mix) - YouTube


 

Montag, 20. Juni 2022

Bonetti’s achtziger Jahre

 

“Herr Bonetti. Was war für Sie in den Achtzigern am wichtigsten?“

„Die Musik. Vor allem aus England. Ultravox, Depeche Mode und The Cure. Pink Floyd, Sex Pistols und Queen.”

„Haben Sie auch die Neue Deutsche Welle gehört?“

„Nur Extrabreit und Fehlfarben. Wichtig waren auch technische Innovationen wie CD-Player und Walkman.“

„Hatten Sie auch eine Playstation?“

„Ja, von Atari. Ich war der Erste in meiner Klasse. Endlich hatte man etwas für die Zeit zwischen Schule und Fernsehprogramm.“

„Haben Sie Breakdance gemacht?“

„Breakdance ist Bodenturnen mit Musik. Bodenturnen ist nicht mein Ding. Diese Musik auch nicht.“

„Hatten Sie ein Skateboard?“

„Ich habe es nur einmal versucht. Ich stellte erst einen Fuß auf das Skateboard. Dann zog ich den anderen nach. Alles wirbelte um mich herum. Ich lag eine Sekunde später auf dem Asphalt und hatte ein Loch in der Hose. Meine Mutter hat zur Strafe zwei rote Lederherzen auf die Knie genäht und ich war der Depp an meiner Schule.“

„Wie alt waren Sie da?“

„Siebzehn.“

„Was hat Sie an den Achtzigern gestört?“

„Helmut Kohl, Ozonloch, Vokuhila, Nicole, Tschernobyl. Eine ganze Menge.“

„Würden Sie gerne noch einmal in den Achtzigern leben?“

„Nein, ich bin froh, dass ich erwachsen bin. Es gibt das Internet und ich kann mich selbst interviewen. Ohne diese Erfindung könnte niemand diese Interviews lesen.“ 

„Was ist von den Achtzigern geblieben?“

„Die Musik. Ich höre sie immer noch.“

The Cure - Plainsong (Music Video) - YouTube

 

Sonntag, 19. Juni 2022

Mallorca muss deutsch bleiben

 

Stellen Sie sich vor: Die Bundesmarine taucht vor der Küste Mallorcas auf und Luftlandetruppen der Bundeswehr besetzen die Insel. Es ist Ferienzeit und an den Stränden wird eine Volksbefragung durchgeführt. Die deutschen Urlauber setzen sich knapp durch. Mallorca wird deutsch, an willige Spanier werden deutsche Pässe ausgegeben. Scholz argumentiert, Mallorca gehöre seit Jahrzehnten zum deutschen Kulturraum. Bratwurst statt Chorizo, Weizenbier statt Rioja.

Was würde passieren? Nicht nur Spanien, sondern auch alle anderen europäischen Länder würden die Annexion der Insel nicht anerkennen. Sie würden Sanktionen gegen Deutschland verhängen. In den Folgejahren werden an der Costa del Sol und an der Costa Brava Separatistenrepubliken gegründet. Benidorm wird Regierungssitz. Es gäbe weitere Sanktionen. Nichts anderes ist in der Ukraine passiert. Russland besetzt erst die Krim und dann den Donbass. Selbstverständlich hat diese Aggression politische und ökonomische Konsequenzen.

Europa hat keinen Wirtschaftskrieg gegen Russland begonnen. Das ist die Sender-Gleiwitz-Lüge der Putinisten. Russland agiert imperialistisch und hat dem „dekadenten“ Westen den Krieg erklärt. Es wäre verrückt, wenn man darauf nicht reagieren würde. Es stimmt auch nicht, dass es keine Verhandlungen gäbe. Es finden permanent Gespräche statt. Putins Telefon steht nicht still. Aber zu einem Gespräch gehören immer zwei.

Samstag, 18. Juni 2022

Sie fragen – Wir fragen zurück


Blogstuff 707

„Die Örtlichkeit erinnert an einen alten Holzverschlag. Im Inneren ist es dunkel und eng. Tische und Stühle haben schon bessere Zeiten gesehen. Wir haben Rostwurst und Pommes gegessen. War ganz gut. Der Eigentümer ist ein netter offener Mann. Ich denke, wir müssen nicht mehr hin.“ (Google-Rezension zu Blackys Imbiss in Türkismühle)

Hätten Sie’s gewusst? Andy Bonetti war die finnische Synchronstimme von Darth Vader. Auf der Wichtelbach-Con gibt er nächste Woche Autogramme.

Warum machen wir mit den Arabern Geschäfte, aber nicht mit den Russen? Weil die Araber nicht drohen, uns zu ermorden.

Es heißt „Teenager“, weil das Alter der Betroffenen zwischen thirteen und nineteen liegt. Danach wird man automatisch zum Twen (20 – 29).

Ich war nie so gut wie Frankenstein, aber ich habe immerhin eine Hand wiederbelebt. Sie wischt bei mir zu Hause Staub und darf das Risotto umrühren.

Es wäre schön, wenn die Medien auch einmal darüber berichten würden, wie die Inflation und der Krieg uns Reiche treffen. Russischer Kaviar ist praktisch nicht mehr zu bekommen. Das Kilo Pandafilet kostet in der Feinschmeckerabteilung des KaDeWe inzwischen über achthundert Euro. Aber weder die Medien noch die Politik interessiert das. Die Regierung beugt sich wie eine Amme über ihr Volk und füttert die Unter- und Mittelschicht mit Tankrabatt, Neun-Euro-Ticket, Zuschüssen für Strom und was weiß ich noch alles. Die FDP war mal unsere Partei. Ich habe sie gewählt. Und jetzt macht Lindner nur noch sozialistische Umverteilungspolitik und neue Schulden.

Kokura ist eine Stadt in Japan, die 1945 für den Abwurf der Atombombe „Fat Man“ vorgesehen war. Als der amerikanische Bomber sein Ziel erreichte, war die Wolkendecke über dem Stadtgebiet so dicht, dass man sich für das Ausweichziel Nagasaki entschied. Kokura gehörte zu den wenigen japanischen Großstädten, die im Zweiten Weltkrieg nicht bombardiert wurden. Der Name der Stadt ist ein Japan ein Synonym für das Glück, von einem drohenden Unheil verschont zu werden. 

„Beim Rudi, do kriesde noch e Cörryworschd wie friä. Des konnsde gar ned vergleische mid dene neumodische Butze, die wo Dönä oder Suschi oder was waas isch ned alles anbiede duun. Brauch isch ned, den gonse neimodische Grom. Des konnsde gar ned vergleische, des is oifach ä subbä Worschd. Unn de Rudi is hald aach guud druff. Immä’n loggere Schpruch uff de Libbe. S‘Biersche is aach immä schee kald, vaschdesde? Preise – da konnsde nix saan. Uff’n Rudi los isch nix komme, heä.“

Ich habe in den Achtzigern „Our Darkness“ von Anne Clark gehört und wusste schon damals, dass es mit dieser Welt kein gutes Ende nehmen würde.

David Bowie - Cactus - YouTube



Freitag, 17. Juni 2022

Lisa

 

Als unsere Tochter im Garten übernachten wollte, haben wir uns keine Sorgen gemacht. Es war Sommer und die Nächte waren warm genug. Wir kauften ein kleines Zelt und schlugen es auf dem Rasen vor der Veranda auf.

Sie nahm ihre Kuscheltiere und ein paar Bilderbücher mit und schlief in ihrem Zelt. Es gefiel ihr so gut, dass sie nicht zurück ins Haus wollte. Sie verbrachte auch die nächsten Tage und Nächte im Zelt. Wir brachten ihr Nutellabrötchen und Pizza, alles was sie wollte.

Eine Woche später überreichte sie uns einen handgeschriebenen Zettel. Eine Unabhängigkeitserklärung, die wir unterzeichnen sollten. Sie wollte alleinige Herrscherin über diesen Teil des Gartens werden. Meine Frau unterschrieb.

Dann baute sie einen Zaun um ihr Zelt. Einmal in der Woche gab sie auf TikTok einen News-Update über ihr Königinnenreich heraus, in der wir über die neuesten Entwicklungen informiert wurden. Freundinnen von ihr schlugen im Garten ihre Zelte auf und langsam begriffen wir, dass uns die Sache über den Kopf wachsen würde.

Kiz - Die Sennerin vom Königssee (1983) HD 0815007 - YouTube

 

Die reiche Frau

 

Wir Schriftsteller reden nicht gerne darüber. Aber es gibt sie. Reiche Frauen. Frauen, die sich einen Künstler suchen. Es sind immer Witwen, die ein Vermögen geerbt haben und nicht schon wieder einen langweiligen Hedgefonds-Manager kennenlernen möchten.

Geld trifft auf Armut, romantische Wunschvorstellungen treffen auf materialistische Träume. Sie hat das Geld, er hat die Gier nach dem Dolce Vita. Künstler sind nicht besser als andere Menschen. Schriftsteller wie ich schon mal gar nicht. Da bin ich ganz ehrlich.

Bei einer Lesung in Berlin habe ich sie getroffen. Sie war zwanzig Jahre älter als ich und sah zehn Jahre jünger aus. Wir kamen ins Gespräch, als ich ein Buch für sie signierte. Der klare Blick in meine Augen, der Chefblick, der Wir-müssen-reden-Blick. Wir verbrachten eine nette Stunde in der Paris-Bar. Sie bezahlte.

Am nächsten Tag wurde ich bei ihrem Schneider neu eingekleidet. Dann ging es mit ihrem Privatjet nach Rom. Nobles Hotel, teure Restaurants. In den Museen protzte ich mit meiner Allgemeinbildung. Als Intellektueller kann man die Laien immer blenden.

Sie hat mir einen Flug in den Weltraum versprochen. Ich schreibe nicht mehr.


Donnerstag, 16. Juni 2022

Auf der anderen Seite der Farben

 

Blogstuff 706

„Erinnert ihr euch an die Zeit vor dem Internet? Damals dachten wir Dummheit hätte als Ursache, dass nicht jeder die Möglichkeit hat an jede Information zu kommen. Das war es ja wohl nicht.“ (Ingmar Stadelmann)

Eine gottverdammte Arschgeburt namens Scholz ist der verfickte Kanzler dieser beschissenen Republik. Warum sollte ich mir Sorgen machen?

Kultur-News: Nach einer Operation seiner Schreibhand kann Andy Bonetti wieder die Arbeit an seinem Blog fortsetzen.

Zum Glück habe ich einen Kamin. Im nächsten Winter werde ich mit Altreifen heizen.

Wenn es ein Neun-Euro-Ticket für die Kneipen gäbe, würde niemand mehr arbeiten.

Kluge Leute fragen und die Vollidioten haben auf alles eine Antwort.

Ein W ist doch auch nur ein umgedrehtes M.

„Namaste, liebe Schwestern und Brüder. Ich bin Schamanin von Beruf. Mein Name ist Mondkalb, früher hieß ich Maria Rotzklumpen. Wir wollen heute zusammen unsere Chakren reinigen. Das ist sehr wichtig, weil viele Chakren beim modernen Menschen verstopft sind. Vor allem das Bier-Chakra und das Wurst-Chakra …“

Punks mit dem Neun-Euro-Ticket auf Sylt. Klingt witzig. Aber dann machen sie Bezos noch reicher und lassen sich den Alk an eine Amazon-Packstation schicken. Hängen vor dem Bahnhof und dem Supermarkt ab, wo sich natürlich kein Millionär jemals blicken lässt. Wäre schön, wenn sie vor die fetten Villen am Strand gezogen wären. Aber eigentlich verhalten sie sich wie die Vollidioten am Ballermann.

Die Brandt-Statue in der SPD-Zentrale sieht aus, als hätte sie ein achtjähriges Montessori-Kind getöpfert.

Bonetti ist ein Extremist: extrem begabt, vielseitig und produktiv. Er hat sich bedingungslos der Suche nach der Wahrheit verschrieben. Die Leser schätzen sein Talent, komplexe Sachverhalte nachvollziehbar zusammenzufassen und zu schildern. Er ist es gewohnt, von Linksradikalen für seinen Kampf um die Meinungsfreiheit attackiert zu werden. Er verachtet gekauften Systemjournalismus. Seine intensiv recherchierten Texte haben Hand und Fuß und sind aufgrund umfangreicher Quellenlage für Interessierte perfekt selbst nachvollziehbar. Er bringt mit seinen fundierten Artikeln die Fakten auf den Tisch und lässt dabei keine unbequeme Wahrheit aus. Seine pointierten Kommentare legen den Finger direkt in die Wunde Seine Devise: Journalistische Qualität, die in ihren Inhalten unanfechtbar ist, abzuliefern. Wissen ist Macht: Nach dieser Devise widmet Bonetti sich seinen Recherchen und geht dabei allen Fragen genau auf den Grund. Seine Texte rütteln auf und regen zum Nachdenken an. (Textbausteine aus der Selbstbeschreibung der Redaktion von Report24)

Shaggy - Mr. Bombastic (Original) [HD] - YouTube


 

Mittwoch, 15. Juni 2022

Es fährt ein Zug nach Nirgendwo

 

Es war ein vielversprechender Morgen. Die Himmel war tiefblau und wolkenfrei. Heute würde er das Neun-Euro-Ticket zum ersten Mal einsetzen. Er würde zum Berliner Hauptbahnhof fahren und in den ersten Regionalzug steigen, der von hier abfuhr. Eine Reise nach dem Zufallsprinzip. Über die Länge dieser Reise hatte er sich noch keine Gedanken gemacht. Gepäck hatte er nicht dabei. Falls er ein paar Tage blieb, konnte er sich irgendwo ein neues T-Shirt kaufen und das alte im Mülleimer eines Hotelzimmers lassen.

Um 9 Uhr 30 stieg er im Hauptbahnhof aus der S-Bahn. Er holte sich ein Käsebrötchen und eine kleine Flasche Wasser, dann studierte er den Fahrplan. Um 9 Uhr 43 fuhr der RE 5 auf Gleis 5 los. Der Zug war pünktlich und trotz der preiswerten Monatstickets nicht überfüllt. Immerhin fuhr der Zug nach Norden, Richtung Ostsee. Aber die Schüler und Berufspendler waren längst an ihrem Ziel. Am Wochenende würde der Zug sicher voller sein. Es waren viele Rentner in seinem Großraumwagen, die sich lebhaft unterhielten. Jeder sprach von sich und seiner Familie, keiner stellte Fragen. Er setzte sich auf einen Fensterplatz, aß sein Brötchen und ließ die Landschaft an sich vorüberziehen. Eine endlose Abfolge von Wäldern, Siedlungen und Feldern. Auf beruhigende Weise belanglos.

In Neubrandenburg stieg er aus. Es war halb zwölf und langsam bekam er Hunger und vor allem Bierdurst. Er spazierte in Richtung Innenstadt, es waren nur wenige Leute auf den Straßen. Durch das Neue Tor ging es in den alten Stadtkern. Er durchquerte ihn und schlenderte im Westen die Stadtmauer entlang. Winzige Fachwerkhäuser. Kleine Häuser für kleine Menschen. Irgendwie unwirklich.

Auf dem Weg zurück stieß er auf die „Mudder-Schulten-Stuben“. Er tippte den Namen in sein Handy. Einheimische Küche. Das würde er ausprobieren. Er betrat das Lokal und setzte sich an einen der vielen freien Tische. An den Wänden alte Fotografien, Vorhänge und Boden in und Rot und Rosa. Geschmacklos eingerichtet, aber er wollte ja auch nur etwas essen. Die Kellnerin kam und brachte die Speisekarte. Er bestellte sich ein großes Bier. Grimbergen. Nie gehört. Aber das war der Tag, an dem er einfach Neues erleben wollte.

Er bestellte sich „Kloppschinken“, laut Karte ein altes traditionelles Gericht der Bauern in Mecklenburg. Roher geräucherter Schinken, paniert und zubereitet wie ein Schnitzel. Auf der Karte stand auch die unvermeidliche Soljanka, die sich im Osten hartnäckig bis heute gehalten hat. Nach dem Essen ließ er sich noch ein Bier und einen Schnaps bringen. Dann ging es gut gelaunt zurück zum Bahnhof.

Der nächste Zug, der kam, war der RE 4, um 13:33 direkt auf Gleis 1. Er fuhr bis Grambow. Der Name gefiel ihm. Da steckte Rambo drin. Vor dem Bahnhof wartete schon ein Bus. 15: 27, Bus 702. Er war der einzige Fahrgast. Der Busfahrer wollte noch nicht mal sein Ticket sehen. Inzwischen war der Himmel grau geworden, vielleicht würde es bald ein Gewitter geben. Er war enttäuscht, als er nur wenige Minuten an der Endhaltestelle war und aussteigen musste. Ladenthin hieß der winzige Weiler.

Niemand war zu sehen. Keine Kneipe, keine Geschäfte. Noch nicht einmal Autos fuhren durch den Ort. Nur lähmende Stille. Trostlose kleine Häuser, blinde Fenster. Das Leben in diesem Teil der Welt musste vor langer Zeit erloschen sein. Er ging eine Weile die Hauptstraße entlang und kehrte dann um. Wann würde der nächste Bus fahren? Er schaute sich den Fahrplan an, sah auf seine Patek Philippe Nautilus und war unangenehm überrascht. An diesem Tag würde kein Bus mehr zurückfahren. Vielleicht konnte er ein Taxi aus der nächsten Stadt rufen? Aber sein Handy hatte in diesem Drecksnest natürlich keinen Empfang.

Er verließ den Ort Richtung Osten und kam bald an die polnische Grenze. Erst ein Hinweisschild, dann ein Fluss. Also ging er wieder zurück. Inzwischen hatte er die Orientierung verloren. Der Bus aus Grambow hatte nicht lange gebraucht. Es müsste doch möglich sein, den Weg zurückzufinden. Er hatte die Schnauze voll und wollte nur noch nach Hause. An der Landstraße war ein Wegweiser, der auf einen Wanderweg nach Grambow hinwies. Er nahm den Weg und war kurz darauf in einem dichten Wald. Tapfer ging er immer weiter und weiter.

Niemand hat ihn je wiedergesehen.

Electric Light Orchestra - Last Train to London (Official Video) - YouTube

Dienstag, 14. Juni 2022

You Can't Do That on Stage Anymore

 

Derzeit hat die Bundesrepublik 2390 Milliarden Euro Schulden. Keine Ahnung, ob das „Sondervermögen“ für die Aufrüstung der Bundeswehr schon eingerechnet ist. Egal. Diese Schuldenlast ist ohnehin nur zu tragen, wenn es keine Kreditzinsen gibt. Augenblicklich zahlt Vati Staat keine Zinsen und die Inflation frisst sogar einen Teil der Schulden auf, weil der Euro bei der Rückzahlung einer Staatsanleihe weniger wert ist als bei ihrem Verkauf an die Gläubiger. Wenn jetzt die Zinsen wieder auf das Niveau vor der Finanzkrise 2008/2009 steigen würden, nämlich auf fünf Prozent, dann müssten die Bundesregierung sowie die Länder und Gemeinden jedes Jahr knapp 120 Milliarden für Zinszahlungen aufbringen. Es wäre der größte Haushaltsposten. Wie Junkies sind die Politiker längst in Abhängigkeit von der Nullzinspolitik der Notenbanken geraten. Der Entzug wird brutal. Wenn man noch mehr Schulden macht, muss man noch mehr Zinsen zahlen. Wenn man die Steuern erhöht, um genug Geld für die anderen Haushaltsposten zu haben, verliert man die nächste Wahl. Zum Glück haben wir einen äußerst cleveren Bundeskanzler und einen hochbegabten Finanzminister. Wir schaffen das.

Bonetti gibt mal wieder ein Interview

 

„Herr Bonetti, Sie sind eine Medienlegende. Haben Sie keine Angst, hier in diesem Biergarten von Ihren Fans erkannt zu werden?“

„Nein, um diese Uhrzeit sind hier nur junge Leute und Alkoholiker. Meine Zielgruppe sind Angestellte um die fünfzig und Frauen in den Wechseljahren.“

„In meiner Blase spielen Internet-Blogs keine Rolle mehr. Warum schreiben Sie eigentlich immer noch? Warum sind Sie nicht bei TikTok?“

„Das tue ich mir in meinem Alter nicht mehr an. Ich arbeite seit den späten Siebzigern für die Medien. Schülerzeitung, Regionalzeitung, Verlage, Zeitschriften. Schon der Blog war 2009 ein unglaublicher Sprung ins Ungewisse. Ich kenne TikTok überhaupt nicht.“

„Warum machen Sie keine Lesungen mehr? Interessiert Sie der Live-Auftritt auf der Bühne nicht?“

„Ich gebe Interviews. Dann erscheinen Artikel über meine Interviews und auf Twitter werden diese Artikel dann diskutiert. Damit erreichen Sie ein viel größeres Publikum.“

„Viele vergleichen Sie mit Oliver Welke oder Jan Böhmermann. Was sagen Sie dazu?“

„Ich sehe diese Sendungen nicht. Sie sind weit unter meiner Wahrnehmungsschwelle.“

„Günter Jauch sagt, man wüsste nie, auf welcher Metaebene Sie sich gerade bewegen, wenn man mit Ihnen spricht.“

„Günter Jauch wird überschätzt. Er ist ein Moderationsroboter, der bald durch KI ersetzt werden wird.“

„Es heißt, Sie hielten Olaf Scholz für einen Glücksfall der Politik.“

„Absolut. Er bringt Ruhe in diese aufgeregten Zeiten. Er würde in einer brennenden Jacke immer noch über kalte Progression im Steuerrecht dozieren. Er ist genau der richtige Mann zur rechten Zeit. Merkel + Pimmel. Was will man mehr.“

„Herr Bonetti, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.“

P.S.: Bis zum Ende des Gesprächs hat noch nicht einmal die Kellnerin Bonetti erkannt, obwohl er ein Dutzend Autogrammkarten auf dem Tisch aufgefächert hatte.

Die Fragen stellte Heribert Schirmmacher von der Frankfurter Neuen Presse.

 

Montag, 13. Juni 2022

Sein & Durst

 

Blogstuff 705

„Strukturelle Gleichgültigkeit.“ (Habeck zur deutschen Öffentlichkeit)

In meinen besten Zeiten hatte ich einen Humidor für meine Joints. #Edelkiffer

Aggro-Amerikaner brauchen auch eine Schusswaffe. Oder auch zwei.

Extraordinär ist nicht die Steigerung von ordinär.

Ich weiß das aktuelle Datum nur aus der TV-Zeitschrift. Wenn ich wissen will, was ich gestern oder vorgestern gemacht habe, muss ich nur ins Programmheft schauen. Ich mag die „Nachtgedanken“ von Friedrich Merz, aber der Tag beginnt für mich mit dem Frühstücksfernsehen. Oft mache ich den Ton leiser und drehe mich noch mal um. Ich frühstücke nicht, wenn die Sendung läuft. Ich liege noch im Bett und manchmal schlafe ich bei der fünften Wiederholung einer Reportage aus einer Behindertenwerkstatt in Templin wieder ein. Mittags arbeite ich verpasste Sendungen in der Mediathek nach. Nach der Tagesschau sehe ich gerne Actionfilme und Komödien, gerne auch Actionkomödien. Ich finde Bruce Willis toll und vermisse Harald Juhnke.

Ich mache jetzt ein Restaurant mit Fusionsküche auf. Mit leicht deutschem Einschlag. Es gibt Kartoffelpizza, Kartoffel-Sushi, Kartoffeln mit Tsatsiki, Tandoori-Kartoffeln und Kartoffeln Carbonara.  

1975 unternahmen Jacques Chirac, der spätere Präsident und damals Premierminister Frankreichs, und Saddam Hussein, der spätere Diktator und damals Vizepräsident des Irak, eine Reise durch Frankreich. Im Anschluss verkaufte Frankreich dem Irak ein Atomkraftwerk. Es wurde aber nie Strom produziert, sondern der Bau der ersten arabischen Atombombe geplant, wie Hussein freimütig in einem Zeitungsinterview berichtete. 1981 zerstörten israelische Bomber den Reaktor, bevor er in Betrieb gehen konnte. Von 1985 bis 1990 lieferten die Amerikaner Hussein Anthrax. Für Verbündete kann man alle möglich machen.

Saddams Rüstungslieferanten | deutschlandfunk.de

Die Lottozahlen: 4 – 11 – 34 – 35 – 42 – 48. Zusatzzahl: 1. Hätte ich alle nicht angekreuzt.

Stell dir vor, du kommst an den Strand und das Meer ist weg.

Hätten Sie’s gewusst? Die Ukraine ist seit 1945 Mitglied der UNO. Stalin hatte bei den Verhandlungen zur UNO-Gründung tatsächlich drei Sitze für die Sowjetunion rausgeholt: UdSSR, ukrainische und weißrussische Sowjetrepublik.

1998: Wir campieren zwei Tage für ein Upgrade von Windows 95 vor einer Microsoft-Filiale.

Running To Stand Still (Remastered 2007) - YouTube


Sonntag, 12. Juni 2022

CBD im Tee


Irgendwann ist mir die Sache über den Kopf gewachsen. Der Bubble-Tea-Laden direkt gegenüber dem Gymnasium lief gut, aber ich wollte noch mehr Geld machen. Also mischte ich CBD in die Getränke, die ich in Pappbechern über die Theke reichte. In der großen Pause standen die Kids in einer endlosen Schlange vor meinem Geschäft. Ich hatte vorher immer zweihundert Becher in Kühlschränken auf Vorrat gelagert. Tausende von Euro jeden Tag – Reingewinn. Das CBD wurde im Lastwagen angeliefert, ebenso die anderen Zutaten für den Tee. Dann kamen die Tschetschenen. Sie wollten zehn Prozent vom Umsatz. Dann kam das Gesundheitsamt. Jetzt lebe ich auf einem Campingplatz in Südfrankreich.

Samstag, 11. Juni 2022

Doppelte Heimat

 

Als ich im Herbst 2020 von Berlin nach Schweppenhausen zurückkehrte, hätte ich nicht gedacht, dass es ein volles Jahr dauern würde, bis ich im Herbst 2021 wieder in meiner Wohnung sein würde. Zum ersten Mal seit meinem Einzug im August 1992 hatte ich damals nicht mehr das Gefühl, nach Hause zu kommen. Aus meiner Heimat war eine Ferienwohnung geworden.

Im Winter dachte ich ernsthaft darüber nach, die Wohnung in Berlin zu verkaufen. Schließlich war sie stark im Wert gestiegen. Ich hätte nicht nur dreißig Jahre umsonst gewohnt, sondern sechsstellig an der Sache verdient. Ich überlegte mir, den Rest meines Lebens am Rhein zu verbringen, vielleicht sogar in Ingelheim, meinem Geburtsort, in dem ich bis 1989 bei meiner Mutter – parallel zum Haus meines Vaters im Hunsrück – gelebt hatte. Dann hätte sich der Kreis geschlossen.

Schon der Wohnungseinbruch 2013 hatten mein Vertrauen und mein Heimatgefühl erschüttert. Ich erinnerte mich auch an eine Panikattacke vor etwa fünfzehn oder sechzehn Jahren, als mir eines Abends schlagartig klar wurde, dass die Wohnungstür, diese schmale Holzplatte, mein einziger Schutz vor der Außenwelt war. Eine zerbrechliche Eierschale, die meine Welt von der Wirklichkeit dort draußen trennte. Der Tritt eines einzigen Polizeistiefels hätte genügt, um meine Illusion von Sicherheit zu vernichten.

Aber bei meiner Reise im vergangenen Monat fühlte ich mich in der Hauptstadt wieder ganz zuhause und freue mich schon auf die nächste Berlinreise im Sommer. Ich habe die Restaurantbesuche, die Spaziergänge, die Zeitungslektüre auf der Parkbank genossen und ich war sogar zum ersten Mal seit über zehn Jahren wieder mal in einer Buchhandlung, die ich zufällig am Fasanenplatz entdeckt hatte. Ich habe einfach ein bisschen gestöbert und mir zwei Bücher gekauft, darunter „Zuhause“ von Daniel Schreiber. Berlin – das geht vielleicht nie wieder weg.

 

Freitag, 10. Juni 2022

2023

 

2023 wird die Bundesrepublik Deutschland 74 Jahre alt. Das ist, historisch betrachtet, ein besonderes Jahr. Denn das Deutsche Reich, auf das die Bundesrepublik folgte, existierte 74 Jahre. Das ist kein hohes Alter für einen Staat, weniger als ein durchschnittliches Menschenleben im heutigen Deutschland. Außerdem gab es drei verschiedene Staatsformen. Das Deutsche Reich war 47 Jahre eine Monarchie, 15 Jahre eine Demokratie und zwölf Jahre eine Diktatur.

Beide Staaten auf deutschem Boden weisen große Unterschiede auf. Das Deutsche Reich ist ein Kind des Krieges, es wurde 1871 in Versailles geboren, womit das gerade besiegte Frankreich gezielt gedemütigt werden sollte (das „Reichsland Elsaß-Lothringen“ wurde ihm auch noch in die Wiege gelegt). Bekanntlich verstarb es 1945 im blutigsten Krieg der Weltgeschichte. Es war eine Geschichte ungeheuerlicher Gewalt, die bis heute unvergessen ist.

Die Bundesrepublik wurde 1949 im Frieden gegründet und hat bis heute, zum großen Glück seiner europäischen Nachbarn und als Ergebnis der politischen Integration des Kontinents, keinen Angriffskrieg geführt.  

 

Genuss ohne Reue

 

Es ist egal, ob du pleite bist. Du musst nur gut aussehen und selbstbewusst sein. Aus meiner früheren Zeit als Büroangestellter hatte ich noch einen dunklen Anzug und schwarze Lederschuhe. In dieser Ausstattung ging ich eines Abends ins Adlon und an der Rezeption vorbei. Ich stieg in den Aufzug und fuhr in den fünften Stock. Dort spazierte ich durch die Gänge, bis ich eine offene Tür sah, vor der ein Schiebewagen voller Handtücher und Putzmittel stand. Ich ging hinein. Das Zimmermädchen hatte gerade das Bett neu bezogen.

„Sie können morgen weitermachen“, sagte ich zu ihr.

Sie antwortete nicht und verschwand. Vermutlich sprach sie kein Deutsch.

Es war achtzehn Uhr und wahrscheinlich würde dieses Zimmer heute nicht mehr vergeben werden. Große Hotels sind nie vollständig ausgebucht, schon gar nicht im Januar. Ich zog meine Schuhe aus und legte mich aufs Bett. Das war genau das Leben, das mir gefehlt hatte. Auch arme Menschen haben einen Anspruch auf Luxus.

Nach einer Stunde rief ich den Zimmerservice an. Shrimps-Cocktail, Filetsteak und New York Cheesecake. Dazu eine Flasche Champagner. Als der Etagenkellner mein Abendessen brachte, unterzeichnete ich den Beleg mit irgendeinem unleserlichen Gekrakel.

Satt und zufrieden, umgeben vom Duft der frischgewaschenen Bettwäsche, schlief ich wie ein Baby.

Am nächsten Morgen nahm ich ein Schaumbad und ging anschließend in den Speisesaal. Das Frühstücksbuffet war unglaublich. Ich gönnte mir knusprige Croissants, frisches Obst, ein Viertelpfund Beluga-Kaviar, eine Käseomelett, Crêpe Suzette und Jamón Ibérico. Ich habe eine Stunde lang gegessen. Dann verließ ich das Adlon, neuen Abenteuern entgegen.  

 

Donnerstag, 9. Juni 2022

Neulich in Afrika

 

Der Maikäferweg in Wichtelbach war schon immer ein gefährlicher Ort, egal, ob bei Tag oder bei Nacht. Aufgegebene Geschäfte, deren Schaufenster mit Brettern vernagelt waren, defekte Straßenlaternen, Baulücken voller Unkraut und Schrott, Nutten, Crack, Geisteskranke und Straßenräuber. Die Scheiße stand knöcheltief und ohne Waffe konnte man hier keine zehn Minuten überleben. Am besten passte man sich diesem Ort an, wusch und rasierte sich eine Woche lang nicht, zog einen Kapuzenpullover und Springerstiefel an und versuchte, unauffällig zu bleiben. Mit dem Ort zu verschmelzen. Das konnte ich schon immer sehr gut.

Deswegen war ich diesem Spezialkommando der Bundeswehr zugeteilt worden. Deswegen landete ich gerade mit dem Fallschirm in der Wüste von Mali. Deswegen war ich von Anfang an in der Scheiße.

Ich war gerade dabei, meine Ausrüstung zu sortieren, als ein kleiner Junge mit einer Herde Ziegen auf einem Hügel erschien. Er sah mich und kam zu mir.

„Molombo“, sagte er und lächelte.

Ich konnte mit dreißig Kilo Marschgepäck einen Marathon unter zwei Stunden laufen und auf eine Entfernung von zweihundert Metern einer Fliege den Arsch wegschießen, aber ich verstand natürlich kein Wort. Welche Sprache wurde überhaupt in Mali gesprochen? Malinesisch?

„Molombo“, sagte er wieder.

Ich hatte keine Ahnung, was er wollte. Also gab ich ihm ein Stück Schokolade und legte meinen Zeigefinger auf die Lippen. Er sollte keinem verraten, dass er mich gesehen hatte. Die Schokolade würde die Belohnung sein. Schließlich war ich in einer strenggeheimen Undercover-Mission unterwegs.

Der Junge nahm die Schokolade und rannte den Hügel hinauf. Dort schwenkte er beide Arme und rief etwas.

Eine Viertelstunde später war sein ganzes Dorf an meinem Landeplatz versammelt. Sie standen um mich herum, deuteten auf Teile meiner Ausrüstung und meines Proviants und diskutierten angeregt. Ein alter Mann erklärte mir gestenreich, dass er gerne meine Stiefel gegen einen Ziegenbock tauschen wollte.

Ich war der einzige Weiße in der ganzen Gegend und langsam dämmerte es mir, dass ich für meine Undercover-Mission wesentlich unauffälliger vorankommen musste. In der Ferne sah ich eine kleine Drohne, die langsam näherkam.