Samstag, 31. Dezember 2022

Jahresrückblick 2023

 

Januar: Das Jahr beginnt mit einem Naturwunder. Kirschblüte schon am Neujahrsmorgen. Am Himmel Schwärme zurückkehrender Zugvögel. Wir grillen im Garten. Danke, Klima!

Februar: Zum Jahrestag des Kriegsbeginns tritt Putin zurück. Er will sich in Zukunft nur noch seinen Hobbys Nacktreiten und Barschangeln widmen. Der Plan der Bundesregierung, Nicole („Ein bisschen Frieden“) in die Ukraine zu schicken, wird fallengelassen.

März: Infantino erklärt im Namen der FIFA, dass der Fußball komplett reamateurisiert wird. Tausende von Profispielern treten zurück. Die Scheichs investieren wieder in Rennkamele.

April: Söder weiht den ersten Fusionsreaktor ein, den er selbst gebaut hat. Im Gegenzug können alle Windräder stillgelegt werden.

Mai: Saarländer werden endlich als diskriminierte Minderheit anerkannt. Es heißt jetzt SLGBT.

Juni: Boris veröffentlich seine Knast-Memoiren „Der Tennisspieler von Monte Christo“. Siebzig Seiten, die die SPIEGEL-Literaturcharts stürmen.

Juli: Das 100-Milliarden-Paket für die Bundeswehr zeigt erste Wirkungen. Eine mobile Frontsauna wurde an die Truppe ausgeliefert. Außerdem wurden Entwürfe für eine spezielle Elternzeit-Uniform präsentiert.

August: Die letzte One-Love-Armbinde wird im Ein-Euro-Shop Bottrop verkauft.

September: AfD-Abgeordnete kleben sich auf Radwegen fest und fordern die totale Automobilmachung Deutschlands.

Oktober: Söder bekennt nach seiner Wiederwahl, dass der Fusionsreaktor nur zur Anreicherung von Uran gebaut wurde. Bayern ist jetzt Atommacht und droht Österreich mit einem Nuklearschlag. Tirol muss wieder bayrisch werden.

November: Putin bekommt den Friedensnobelpreis, wir heizen wieder mit russischem Gas und Lauterbach fordert die Maskenpflicht.

Dezember: Torpedo Wichtelbach wird Herbstmeister in der Fußballbundesliga.

 

Ich wünsche Ihnen, liebe Lesende, einen guten Rutsch ins neue Jahr und viel Glück 2023. Sie werden es brauchen. There is no happy new year. Vielleicht ist unsere Gattung auch einfach nur ein Scheißhaufen auf dem Weg zum Darmausgang?

Freitag, 30. Dezember 2022

Kuck mal wer da klingelt

 

Staatsbesuche sind ein dankbares Feld für jeden Politikinteressierten. Wer besucht wen, wer besucht wen nicht? Wer hat ein Heimspiel, wer ein Auswärtsspiel? Wie lange dauert der Besuch? Was wird konkret vereinbart?

Nehmen wir Chinas Staatschef Xi Jinping als Beispiel. Er besucht nur sehr selten andere Länder. Normalerweise gibt der rote Kaiser Audienzen in seinem Palast. Jetzt war er vier Tage auf Staatsbesuch in Saudi-Arabien. Mehr geht nicht. Das hat es seit Gründung der Volksrepublik China 1949 nicht gegeben. Handelsverträge im Wert von dreißig Milliarden Dollar wurden abgeschlossen. Eine strategische Kooperation zwischen China und dem Golf-Kooperationsrat (Saudi-Arabien, Katar, VAR, Oman, Bahrain, Kuwait) wurde vereinbart.

Natürlich richtet sich diese diplomatische Offensive gegen die USA. US-Präsident Biden war im Sommer nach Riad gereist, um neue Impulse in die angespannten Beziehungen zu Saudi-Arabien zu bringen. Er wurde bei weitem nicht so pompös empfangen wie Xi. Durch den schrittweisen militärischen Rückzug der Amerikaner müssen sich die Araber neue Partner suchen.

Scholz war im November für elf Stunden in China, für mehr als ein Gespräch mit Xi reichte die Zeit nicht. Zuvor war Angela Merkel 2019 in China, Xi war 2014 (der erste Besuch eines chinesischen Staatschefs seit acht Jahren) und 2017 (wegen des G20-Gipfels) auf Staatsbesuch in Deutschland.

Und Putin? Selbst die Araber kaufen sein Öl zu Dumping-Preisen, um ihr eigenes Öl teurer auf dem Weltmarkt verkaufen zu können. China macht das gleiche. Xi empfing Putin kurz vor Kriegsbeginn zum Staatsbesuch. Seither nicht mehr. Auch ein Besuch in Moskau fand nicht statt (zuletzt 2019). China nutzt Russlands Notsituation auf dem Rohstoffmarkt gnadenlos aus, liefert aber im Gegenzug keine Waffen. So spielen die Großen mit den Kleinen.

Ins Weiße Haus oder ins Kanzleramt wird Putin in seinem Leben nie wieder eingeladen werden. Gerade an den kleinen Zeichen sieht man den Schrumpfungsprozess Russlands in der Weltpolitik. Erdogan lässt Putin bei einem Gipfeltreffen vor laufenden Kameras warten. Der kasachische Präsident holt Putin beim Staatsbesuch nicht persönlich am Flughafen ab. Die zentralasiatischen Republiken, die auch einmal zur Sowjetunion gehört haben, orientieren sich zunehmend nach China. Die Ukraine ist Putins Vietnam.

 

Donnerstag, 29. Dezember 2022

Capital fragt – Bonetti antwortet

 

F: Mister Bonetti, Sie haben im Leben alles erreicht.

A: Genau das ist mein Problem.

F: Das ist ein Problem?

A: Ja, ich hatte irgendwann keine Träume und Ziele mehr.

F: Was machten Sie in dieser Situation?

A: Ich suchte nach einer Lösung.

F: Verraten Sie unseren Lesern, was sie gemacht haben?

A: Meine erste Million habe ich mit einem einfachen Online-Spiel gemacht, bei dem man auf Raumschiffe abschießen musste. Dann wurde mir langweilig und ich habe mein Vermögen verschenkt. Ich kaufte mir ein One-Way-Ticket nach Lima und eröffnete einen Hot-Dog-Stand.

F: Dann lebten Sie also in Armut?

A: Schön wär’s. Nach zwei Jahren war ich der Hoflieferant des peruanischen Königshauses. Ich besaß zwanzig Restaurants. Noch heute bestellt man in den Anden einen „Bonetti“, wenn man einen Hot-Dog will.

F: Was passierte dann?

A: Ich habe die Restaurantkette verkauft und mein Geld einer Umweltschutzorganisation gespendet. Anschließend eröffnete ich in Dubai eine Schnitzelkneipe. Schweinefleisch und Araber – das konnte nicht gutgehen.

F: Aber?

A: Ich habe die Touristen vergessen. 

F: Also zogen Sie weiter.

A: Richtig. In der Sahara verkaufte ich Taschentücher mit Monogramm an die Beduinen. Taschentücher, verstehen Sie? Dort hat niemand Schnupfen.

F: Und?

A: Es wurde wieder ein Erfolg. Genauso wie die Videothek auf Grönland und der Hundeverleih in Südkorea.

F: Dann sind Sie also immer noch wunschlos unglücklich?

A: Nein. Endlich habe ich die Lösung gefunden. Ich bin Blogger geworden. Die fünfte Gewalt. Kein Schwein interessiert sich für meine Seite. Endlich verdiene ich kein Geld mehr.  

Mittwoch, 28. Dezember 2022

Deutscher Militarismus

 

Es fällt bei historischen Betrachtungen schwer, einen Anfangspunkt zu finden, denn jede Entwicklung hat wiederum ihre Ursachen. Hätte es ohne das Trauma des Dreißigjährigen Krieges den preußischen Militärstaat gegeben? Wir wissen es nicht und Spekulationen können wir getrost den Stammtischen überlassen.

Lassen wir die Erzählung also 1701 beginnen. Preußen wird Königreich, Friedrich I. der erste preußische König. Sein Sohn Friedrich Wilhelm I. baute das Königreich zu einem Militärstaat um. Daher sein Beiname „Soldatenkönig“. 85 Prozent der Staatsausgaben wurden fürs Militär verwendet, nur ein Prozent für die Hofhaltung – in einer Zeit, in der Sonnenkönige ihr ganzes Vermögen für ihre Vergnügungssucht opferten.

Friedrich II. nutzte diese Militärmacht, um innerhalb des Altreichs Krieg gegen Österreich zu führen. Die Einheit des Reichs interessierte die Preußen nicht, wenn man mit der Provinz Schlesien fette Beute machen konnte. Nach dem Wiener Kongress 1815 dehnte sich Preußen über fast ganz Deutschland nördlich der Mainlinie aus.

Der Rest ist bekannt: Nach einem weiteren Krieg gegen Österreich, dessen Haus Habsburg bis 1806 den deutschen Kaiser gestellt hatte, wurde 1871 das zweite deutsche Reich unter preußischer Herrschaft gegründet. Der preußische König wurde deutscher Kaiser.

Deutschland wurde zu einem Militärstaat nach preußischem Vorbild. Mit der aggressiven Aufrüstung von Heer und Marine verprellte man alte Verbündete. Das Resultat war die Katastrophe des Ersten Weltkriegs. Nach dem Intermezzo der Weimarer Republik war die alte Herrlichkeit unter den Nazis schnell wieder hergestellt. Feldmarschall Hindenburg ernannte Hitler zum Kanzler, es folgte eine massive Aufrüstung. Ergebnis: Weltkrieg Zwo.

Es war eine Glanzleistung der Alliierten, Preußen und das Reich zu zerschlagen. Bundeswehr und NVA, die zehn Jahre nach Kriegsende wieder mit leichtem Gepäck ins Manöver zogen, standen unter strenger Aufsicht der Alliierten, die große Truppenverbände in Deutschland stationiert hatten.

Noch in den achtziger Jahren, am Ende des Kalten Krieges, hieß es, die Bundeswehr sei nur dazu da, den Feind so lange an der Grenze aufzuhalten, bis richtiges Militär käme. So ist es bis heute geblieben. Der Militarismus, den Preußen in die Welt gesetzt hat, wurde uns endgültig ausgetrieben. So betrachtet finde ich es sogar gut, dass unsere Panzer nicht funktionieren und wir nur Munition für zwei Tage haben.

Daran wird auch das Hundert-Milliarden-Paket der Regierung nichts ändern. Wir werden weiterhin militärisch unfähig bleiben. Dafür sorgen schon die Witzblattfiguren im Beschaffungsamt und im Offiziersstab. Und sicherheitshalber wird immer das dümmste Rübenschwein, das wir finden können, Verteidigungsminister: Scharping, Guttenberg, von der Leyen, Kramp-Karrenbauer und jetzt Lambrecht.

 

Dienstag, 27. Dezember 2022

Silvester is coming home

 

Blogstuff 753

„Ich bin Proktologe, ich kenne mich mit Arschlöchern aus.“ (Dr. med. Andy Bonetti)

Ich mag die Komm-ich-heute-nicht-komm ich-morgen-Fraktion der CDU und der FDP. Wir brauchen keine bekannten Lösungen für unsere Probleme, nein, wir setzen auf „zukünftige Innovationen“. Irgendwann wird uns schon was einfallen. Einfach mal locker bleiben. Schon unsere Vorfahren haben auf die „Wunderwaffen“ gehofft.

„Ente gut, alles gut“, sage ich zur chinesischen Kellnerin, aber sie versteht mich nicht.

Einmal im Leben im Engadin Urlaub machen. Natürlich in Sils. Hotel Waldhaus. Sie essen eine Suppe in dem Bewusstsein, dass schon Hermann Hesse oder Thomas Mann diesen Löffel im Mund gehabt haben. Natürlich konnte ich mir das Waldhaus nie leisten. Ich war im Chesa Grischa untergebracht. Das Bett war so kurz und eng, eingefasst in Sperrholzplatten, dass ich nicht einschlafen konnte. Ich drehe mich immer erst eine halbe Stunde wie ein Spanferkel, bevor ich zur Ruhe komme. Also habe ich die Matratze auf den Boden gelegt und habe dort geschlafen. Jeden Morgen habe ich die Matratze wieder zurück ins Bett gelegt, bevor das Zimmermädchen kam. Es war hochgradig absurd. Aber Sils muss sein. Hier ist Nietzsche wahnsinnig geworden.

Exklusiv: Bonetti Media kauft die Fußball-WM 2030. Dazu wird ganz Wichtelbach abgerissen. Gespielt wird mit 64 Mannschaften in 16 Vierergruppen. Es wird ein gigantisches Stadion mit mehreren Plätzen gebaut, so dass viele der 128 Spiele gleichzeitig stattfinden können. Das Turnier wird über Weihnachten und Neujahr ausgetragen, ausschließlich ab zwei Uhr nachts. Der Meister wird die Veranstaltung persönlich in der traditionellen Joppe eines bulgarischen Ziegenfellhändlers eröffnen.

Leute mit E-Books tun mir leid. Ich kann im Winter mit meiner Bibliothek heizen und jede Menge Heizöl sparen.

In meinem Supermarkt kostet eine Dose Ravioli inzwischen 2,39 Euro. Als ich noch studiert habe, hat sie sechzig oder siebzig Pfennig gekostet. Es war das billigste Nahrungsmittel, später kamen die Spaghetti mit Tomatensoße und Texas-Feuerzauber als Varianten für das ewig hungrige Prekariat dazu. Aber fast einen Heiermann für Ravioli? Was stimmt mit diesem Land nicht?

Ich muss unbedingt meine Tinnitus-Impfung auffrischen lassen.

In Deutschland ist Fracking verboten. Der Kauf von Fracking-Gas nicht.

Es klingelt an der Haustür. Ich öffne. Vor mir steht eine junge Frau mit einer Einkaufstüte. Ich sage: „Hallo, mein Name ist Bonetti. Ich bin Ihr Einbrecher.“

Manche Menschen sind im toxischen Tunnel ihres Endzeitnarrativs gefangen. Im hysterischen Jargon der BILD stehen jede Woche der dritte Weltkrieg, der Faschismus oder der Untergang des Kapitalismus bevor. Sie werden uns auch 2023 auf den Nerv gehen.

Booker T. & The MG's - Time Is Tight - YouTube



Montag, 26. Dezember 2022

Drill Sergeant Bonetti

 

Täglich erreichen mich die Bewerbungen junger Leute, die gerne in meiner Redaktion arbeiten möchten. Offensichtlich haben sie keine Vorstellungen von der harten Ausbildung in meinem Unternehmen.

Hier der Erfahrungsbericht eines Nachwuchsreporters:

Die ersten Wochen waren noch einfach. Blumen gießen, Kaffee kochen und dem Chefredakteur die Schuhe putzen. Ab und zu wurde ich zu einem Kiosk geschickt, um Zigaretten zu holen. Dann durfte ich die Namen und Öffnungszeiten der Nachtapotheken recherchieren. Aber dann begann der brutale Teil des Trainings. Zwölf Stunden Internet-Recherchen am Stück. Ohne Pause. Wir wurden in eine Achterbahn gesetzt und mussten während der Fahrt die Buchstaben eines Textes zählen, bis wir gekotzt haben.

Danach bekamen wir den ersten richtigen Auftrag: Wir sollten herausfinden, mit wem ein bekannter CSU-Politiker in Berlin eine Affäre hatte. Wir schlugen uns die Nächte in Brauhäusern und Schnitzelkneipen um die Ohren, saßen stundenlang im Auto vor dem Haus einer Frau und pinkelten in leere Wasserflaschen. Dann kamen plötzlich ein paar übel aussehende Jungs und zerrten uns aus dem Wagen. Uns wurden Säcke über den Kopf gestülpt und wir wurden gefesselt in einen Van geworfen.

Ich kam in eine winzige Zelle, die mit Blut und Fäkalien beschmiert war. Ohrenbetäubender Lärm schallte aus den Lautsprechern, an Schlaf war nicht zu denken. In den ersten drei Tagen gab es nichts zu essen. Stundenlange Verhöre. Ich sollte die Namen meiner Informanten preisgeben. Aber ich blieb hart. Sie verprügelten mich, aber ich sagte kein Wort. Aus der Nachbarzelle hörte ich furchtbare Schreie. Das musste mein Kollege sein.

Dann wurde mir wieder ein Sack über den Kopf gestülpt und man brachte mich in einen Hubschrauber. Ich spürte, wie wir abhoben.

„Spuck’s aus. Ich will den Namen hören.“

„Leck mich.“

„Wir werfen dich gefesselt über dem Meer ab. Da fressen dich die Fische bei lebendigem Leib. Für wen arbeitest du?“

„Leck mich.“   

Dann wurde ich aus dem Hubschrauber geworfen. Ich schrie vor Angst, aber nach wenigen Sekunden landete ich in einer Pfütze. Man zog mir den Sack vom Kopf. Um mich herum standen der Chefredakteur und die Kollegen. Sie lachten mich aus.

„Jetzt gehörst du zu Bonetti Media. Halbe Stelle. Auf ein Jahr befristet.“

Ich weinte vor Glück und Erschöpfung. Danke, Greatgrandmaster B!

Freitag, 23. Dezember 2022

Überall Gegend

 

„Der Winter kommt hier oben sehr früh“, sagte der Fahrer. „Ab November schneit es. Bis zu fünf Meter hoch. Dann kommt man hier nicht mehr hin.“

„Was machen die Menschen, die hier leben?“ fragte er.

„Nichts. Sie kommen hier nicht mehr weg. Sie bleiben einfach zuhause.“

„Sie sitzen also monatelang in ihren Häusern und machen gar nichts? Wie hält man das aus?“

„Was die Tiere im Stall auch machen. Sie fressen, scheißen und starren in die Gegend.“

„Und was noch?“

„Früher haben sie Karl May gelesen, jetzt sehen sie Netflix.“

***

Das Treppenhaus war deprimierend. Verbrauchte Luft von verbrauchten Menschen. Der Geruch von Verlierern: Schweiß, Pisse, Armut und Blumenkohl. Aber Detective Osbourne Schlotzky musste an jede Tür klopfen.

Wer würde ein sechszehnjähriges Mädchen aus diesem Haus entführen? Wahrscheinlich lag sie schon als Crack-Nutte im Rinnstein hinter irgendeinem Bahnhof.

Der Mann, der ihm die Tür öffnete, war klein und untersetzt. Auf seinem Feinripp-Unterhemd waren Eigelb, Asche und irgendetwas Grünes. Diese Befragungen in der Nachbarschaft zogen ihn immer runter.

***

Ein paar Tage später meldete sich der Vater des Mädchens, als Schlotzky gerade in der Kantine ein paniertes Seelachsfilet mit Kartoffelsalat aß. Das vermisste Mädchen hatte mit seiner Kreditkarte zwei Flüge nach Spanien gebucht. Gerade hatte er eine Mail bekommen. Sie lebte inzwischen mit ihrem Freund auf einem Campingplatz in Andalusien.

Sie hatte ihr langweiliges Leben, ihr langweiliges Dorf und ihre langweilige Schule hinter sich gelassen. Schlotzky beneidete sie. Eine gute Entscheidung. Sie war aus der Kälte in die Wärme geflohen.

In ein paar Monaten würden die beiden vermutlich zurückkommen und ihr Leben lang an ihre Flucht aus dem Alltag denken. Irgendwann würden ihnen ihre miesen Jobs in Spanien und das Leben im Zelt auf die Nerven gehen. Sie würden ihren Schulabschluss nachholen und später in die Stadt ziehen.

Donnerstag, 22. Dezember 2022

Der Klimawandel


Tagsüber macht die Hitze die Menschen lethargisch, aber nachts macht sie sie aggressiv. Sie können nicht schlafen. Sie versuchen es mit Alkohol, Tabletten und Drogen, aber sie können immer noch nicht schlafen. Sie laufen durch die Straßen und durch die Parkanlagen.

Aus einer Streiterei wird schnell eine Schlägerei. Aus einer Schlägerei eine Messerstecherei. Hätten die Leute Pistolen, gäbe es Schießereien. Hätten sie Panzer, gäbe es Krieg. Es ist nicht leicht in diesen Nächten. Vor allem für die Polizei.

„Was glotzt du mich so blöd an?“

„Das geht dich einen Scheißdreck an!“

Und schon geht es los.

Passanten kommen dazu. Erst glotzen sie. Dann ergreifen sie Partei für eine Seite.

Die beiden Polizisten, die mit dem Streifenwagen vorbeifahren, sind völlig hilflos. Sie wissen genau, dass sich die Menge gegen sie richten wird, wenn sie aussteigen. Also fahren sie weiter. Sollen sich die Leute in der Notaufnahme um die Opfer kümmern.

Natürlich wird auch kein Rettungswagen kommen. Die Sanitäter sind ja nicht lebensmüde. Wer es aus eigener Kraft ins Krankenhaus schafft, überlebt die Nacht. Der Rest wird morgen früh aufgesammelt.

Der Klimawandel wird die Leute in den Armenvierteln fertig machen. Zum Glück haben alle anderen Menschen eine Klimaanlage in ihrer Wohnung.

Auch das soziale Klima wird sich in den nächsten Jahrzehnten ändern, aber es wird sicher nicht wärmer werden.

https://fb.watch/hkN71l7zxT/

Mittwoch, 21. Dezember 2022

Ein Blick auf Morgen – Leben an der Datumsgrenze

 

Blogstuff 752

„Alles, was man im Leben braucht, sind Ignoranz und Überheblichkeit.“ (Mark Twain)

Vor zwanzig Jahren dachte ich noch, ich wäre wahnsinnig. Heute weiß ich: Die Welt ist wahnsinnig.

Wenn die Lage in den Kinderkliniken weiter so dramatisch ist, erledigt sich das Problem des Lehrermangels von allein.

Die Deduktion, der Schluss vom Allgemeinen auf das Besondere, wird der Induktion gerne vorgezogen. Man stellt eine These auf und sucht sich dann die Fakten oder Meinungen, die diese These unterstützen. Der vorurteilsfreie Blick auf die Empirie ist leider aus der Mode gekommen. Die Rechthaberei ist stärker als die Analyse. Und wer ändert schon gerne den Standpunkt, den er am ersten Tag einer Debatte eingenommen hat?

Mozart wurde nur 35 und starb in Armut. Das ist mir nicht passiert.

Das glückliche Gesicht eines Vaters, dessen Kind ihm zum ersten Mal ein Bier aus dem Kühlschrank holt.

Das Gebiet des Wissens besteht aus Parzellen wie eine Stadt. Ein Wissenschaftler kennt sein Fachgebiet. Es gibt keine Universalgenies. Einen Überblick bekommt man nur, wenn man Fachleute zusammenbringt. Journalisten befassen sich jeden Tag mit einem neuen Thema und fallen dann auf angebliche Generalisten wie Precht herein. Precht wusste nie etwas über Politik oder über den Ukrainekrieg, aber seine Meinung wurde millionenfach gehört.

Ich stehe am Fenster und sehe den Schatten, den das Haus auf den Garten wirft. Eigentlich bin ich Teil dieses Schattens, aber man sieht mich nicht. Wie wäre es, wenn alles einen eigenen Schatten hätte, der sich von den anderen Schatten unterscheidet?

Begriffsklärung BRICS: Erfindung eines Goldman Sachs-Bankers. Jährliche „Gipfeltreffen“ mit inhaltsleeren Abschlusserklärungen. Fasst Erzfeinde wie Indien und China oder Unzusammenhängendes wie Brasilien und Südafrika aufgrund der ökonomischen Wachstumsraten zusammen, ferner Wirtschaftsriesen wie China und Zwerge wie Russland (BIP wie Spanien).

Ich spreche gleich beim ersten Date das Thema gemeinsame Kinder an.

Der Mond ist doch auch nur eine billige Fälschung der Sonne.

Meine Heizung spinnt. Ich habe sie auf 23 Grad gestellt, aber manchmal habe ich 25 Grad im Wohnzimmer. Ich laufe sowieso schon ohne Strümpfe durchs Haus, weil ich Fußbodenheizung habe. Aber manchmal sitze ich wirklich nur in Unterhosen vor dem Computer, weil es so heiß ist wie im Hochsommer. Zum Glück ist es draußen so kalt, dass die Raumtemperatur ein Grad pro Minute sinkt, wenn ich die Balkontür aufmache. In Russland gilt diese Information als wehrkraftzersetzend.

P.S.: Laut Pfarrbrief wird die Nutztemperatur (also nur während eines Gottesdienstes) der hiesigen Kirchen auf elf Grad festgelegt.

Summertime Blues - YouTube



Dienstag, 20. Dezember 2022

Kunst II

 

Ich mag keine schnurgeraden Straßen. Sie erinnern mich immer an totalitäre Staaten. Also betrat ich den nächstbesten Laden. Es war ein Fachgeschäft für Seemöwenbedarf.

Hinter der Ladentheke stand ein alter Mann mit einem Eisenhaken anstelle der rechten Hand.

Ich starrte auf den Haken und er sagte: „Die Hand habe ich bei einem Bergwerksunglück verloren.“

Er kam um die Theke herum. Ich hörte das Tok-Tok eines Holzbeines.

„Das Bein habe ich bei einem Tauchgang verloren. Ein Hai hat es gefressen.“

„Und ihr Ohr?“

„Das waren Raubmilben. Eines Morgens wachte ich auf und hatte nur noch ein Ohr.“

„Das ist ja schrecklich.“

„Ja. Andere verlieren Regenschirme oder Hausschlüssel. Ich verliere Körperteile.“

„Und jetzt verkaufen Sie Seemöwenbedarf.“

„Ja.“

„Und wie laufen die Geschäfte?“

„Könnte besser sein.“

„Verstehe.“

„Seemöwen haben kein Geld. Sie verdienen ja auch nichts. Seemöwe ist schließlich kein Beruf.“

Das ist albern, dachte ich. Aber ich sagte: „Das klingt logisch.“

Ich verließ den Laden wieder und ging bis ans Ende der Straße. Dort stand ein Hochhaus. Rechts vom Hochhaus war ein Anbau. Ein Schloss. Rechts des Schlosses war eine Villa angebaut und dann kam eine winzige Holzhütte.

Ich klopfte an die Tür. Ein kleines Kind öffnete, sah mich kurz an und sagte: „Ich darf keine Fremden reinlassen.“

Dann schloss es die Tür wieder.

Eigentlich geht diese unfassbar bedeutungslose Geschichte noch weiter, aber für mich endet sie hier. 

Montag, 19. Dezember 2022

Habe ich Kunst?

 

Patrick Eisleben ist von beschränktem Verstand, aber Elvira Eisleben ist hartnäckig. Wir sitzen in einem Sushi-Restaurant in der Düsseldorfer Altstadt, im Yen & Yang.

Ich habe gerade an der Volkshochschule Duisburg ein Seminar in Dekonstruktivismus absolviert und habe gelernt, wie man eine Erzählung oder ein Gespräch zerstört.

Ich erzähle, dass ich mir gerne Tiersendungen im Fernsehen anschaue, aber immer abschalte, wenn ich mal wieder einen dieser verdammten Pandabären sehe, die ich nicht ausstehen kann.

Ich habe Elvira unterschätzt. Sie betrachtet mich mit einem maliziösen Lächeln und sagt: „Mein Salamander ist in Wirklichkeit ein Gecko.“

Ich muss kurz überlegen: „Sansibar ist kein Grund.“

Aber die beiden Eisleben-Zwillinge kennen sich auch in der Literatur aus.

„Die Gebrüder Kawasaki“, sagt Patrick und nippt an seinem Sencha-Tee.

Ich gehe in den verschärften Dadaismus über.

„Die Königsberger Klopse heißen Hannah Arendt und Immanuel Kant.“

„Die Steigerung von Satire ist Sartre.“

Zum Glück bringt die Kellnerin das Essen.

Ich bewerfe die Eislebens abwechselnd mit Thunfisch- und Lachs-Maki. Dann befestige ich mich dauerhaft mit Sekundenkleber auf der Klobrille in der Behindertentoilette.

 

Samstag, 17. Dezember 2022

High Fashion Look – Bonetti goes Bling

 

Blogstuff 751

„Der Druck der Medien und der Fans war einfach zu groß für mich. Deswegen bin ich nach Wichtelbach gezogen.“ (Andy Bonetti)

Bonetti hat sich schon so lange keine neuen Klamotten mehr gekauft, dass er inzwischen ständig im Retrostil unterwegs ist. Adidas-Trainingsjacke und graue Jogging-Hose gehen immer. Strümpfe mit Löchern? New Freestyle Hotness.

Wir sind wie Zugvögel: Wir fliegen im Schwarm, aber wir kennen uns eigentlich gar nicht.

Wenn KI bei einem Test alle Bilder mit einem Straßenschild identifizieren kann, sind wir am Arsch, Leute.

Im 19. Jahrhundert haben meine Vorfahren beim Handel mit Melasse ein Vermögen gemacht. Davon zehrt meine Familie noch heute.

Schlucki Luke. Der Mann, der schneller trinkt als sein Schatten.

Ich verließ mein Hotelzimmer und ging zum Aufzug. Ich hatte keine Hose und keine Schuhe an. Wie immer in meinen Träumen. Aber das war kein Traum. Der Aufzug kam und die Tür glitt auf. Im Fahrstuhl stand ein Bär, aufrecht und im dunklen Anzug. „Na, endlich“, sagte er zu mir. Ich verstand gar nichts.

Die Reichen haben ein viel größeres Problem mit der Inflation als die Armen. Wenn bei zehn Prozent Inflation nur tausend Euro auf dem Konto sind, habe ich am Ende neunhundert Euro Kaufkraft. Wenn ich eine Milliarde Euro auf dem Konto habe, verliere ich hundert Millionen Euro. Wir machen uns keine Vorstellung, wie groß die Verzweiflung in den Palästen sein muss. Allein Tesla hat seit Jahresbeginn rund 56 Prozent an Wert verloren, die großen Tech-Werte wie Amazon, Mega, Alphabet und Microsoft haben fünf Billionen Dollar eingebüßt.

Polemik, Populismus und Demagogie sind die schwarze Magie unserer Zeit. Wissenschaftliche Methoden, Recherche und Logik sind die weiße Magie. Womit nicht gesagt ist, dass alle Wissenschaftler vertrauenswürdig sind. Es gibt wesentlich mehr korrupte Wissenschaftler als korrupte Politiker.

Ein Kredithai kann einen Blutstropfen aus fünf Kilometern Entfernung wittern.

Man kann die Lektüre eines Kriminalromans mit dem Umzug in eine neue Stadt vergleichen. Am Anfang kennt man niemanden. Im Laufe der Zeit lernt man immer neue Personen und ihre Beziehungen untereinander kennen. Irgendwann kennt man das Sozialgefüge dieses Personenkreises. Man lernt unterschiedliche Charaktere kennen, ihre Motivationen und Verhaltensweisen. Obwohl man allein ist und ein Buch liest, trainiert man auf diese Weise seine Sozialkompetenz. Außerdem muss man die Puzzlesteine des Falls im Gedächtnis behalten, mit denen man unaufhörlich gefüttert wird. Man muss sie kombinieren, um den Fall lösen zu können. Damit trainiert man auch ganz allgemein seine kognitiven Fähigkeiten.

Rhapsody In Blue: Gershwin - YouTube


Freitag, 16. Dezember 2022

PETA befreit 1500 Fische in Berlin


Der AquaDom ist das Highlight im DomAquarée gewesen. Auf dem Gelände des Palasthotels, das genauso wie der Palast der Republik abgeräumt wurde, nachdem der lächerliche Spießerkommunismus zu Grabe getragen wurde, entstand vor zwanzig Jahren ein sündhaft teurer Büro- und Hotelkomplex mit einem Riesenaquarium als Blickfang, durch das man mit einem gläsernen Fahrstuhl fahren konnte.

Ich war bei der Einweihungsparty als sogenannter Experte zugegen, saß für ein fettes Honorar auf dem Podium, null vorbereitet, aber gut angezogen, und habe den links-grün-versifften Proleten im Publikum erklärt, das Projekt sei privat finanziert und daher gäbe es keinen Anspruch auf Sozialscheiß wie eine Kita oder eine Wärmestube auf dem Filetgrundstück. Eat this, SED-Opa. Anschließend stand ich mit dem russischen Architekten und dem CEO des Immobilienfonds, der den Bums finanziert hat, am Buffet und wir haben uns über die Leute lustig gemacht, die sich weder das Fünf-Sterne-Hotel noch die Fahrt im Aufzug leisten konnten.

Ein Jahr und eine gescheiterte Unternehmensgründung später war ich auf Hartz IV. Kurz darauf Suhrkamp-Autor und berlinweit bekannter Frauenschwarm. Mann, das Leben war damals voller Überraschungen!

 

Schuhe und Diamanten


Große Schuhe, kleine Füße. Das ist das ganze Geheimnis.

Jens-Uwe Knappsack ist Kurier. Heute muss er drei pinkfarbene Diamanten von Idar-Oberstein nach Mannheim bringen. Mannheim, Hauptstadt des Verbrechens. Der Juwelenhändler hat sein Geschäft in der Innenstadt. Es wird Tag und Nacht von Verbrechern wie der Panzerknackerbande beobachtet. Tarnung ist alles. In Idar-Oberstein laufen die Händler mit Juwelen im Wert von einer halben Million mit einer Aldi-Tüte durch die Gegend. Wer mit dem Bentley vorfährt, eine goldene Rolex und einen Armani-Anzug trägt, wird nicht weit kommen.

Die letzten hundert Meter sind am schwierigsten. Knappsack ist mit der Straßenbahn vom Bahnhof gekommen. Die Straßen der Innenstadt tragen bescheuerte Namen, als seien sie Felder auf einem Schachbrett. Sein schäbiger Kunststoffaktenkoffer ist aus den achtziger Jahren. Er ist nur einssiebzig groß, trägt eine John-Lennon-Brille und Cordhosen. Er könnte Lehrer sein. Dennoch fangen sie ihn ab.

„Hände hoch“.

Er spürt den Lauf einer Pistole in seinem Rücken.

„Gib mir den Aktenkoffer.“

Er reicht ihn nach hinten und hört, wie er geöffnet wird. Es sind nur eine Klappstulle und eine kleine Flasche Wasser drin. Der Räuber lässt sie achtlos fallen.

Drei Hände tasten ihn ab. Den Pistolenlauf spürt er immer noch. Sie finden die Geldkatze, die er sich um den Bauch gebunden hat. Direkt unterhalb des Gürtels.

„Losmachen!“

Knappsack öffnet den Klettverschluss und zieht die Geldkatze aus seiner Hose.

Das leise Geräusch eines Reißverschlusses.

„Bingo!“

Es sind nur Strasssteine. Aber sie sehen sehr echt aus.

„Du bleibst hier stehen und drehst dich nicht um, verstanden?“

„Ja.“

Er hört, wie die beiden Männer weglaufen. Sicherheitshalber wartet er noch eine Minute.

Dann betritt er das Geschäft. Das Safeword ist „Profit“.

Der Händler schließt hinter ihm die Tür und dreht den Schlüssel im Schloss.

Knappsack zieht den linken Schuh aus. Dann holt er den kleinen Lederbeutel mit den Hochkarätern heraus. So verdient man tausend Euro an einem Tag.

 

Donnerstag, 15. Dezember 2022

Ronco Dark

 

Sie kennen meinen Namen, aber Sie wissen nicht, wer ich bin. Es gibt keine Fotographien von mir, ich gebe keine Interviews. Kein Journalist würde über mich schreiben, weil ich die Herausgeber der Zeitungen persönlich kenne. Wichtige Informationen sind grundsätzlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.

Guter Rat ist teuer. Das hat mein Großvater immer gesagt. Also habe ich ein Beratungsunternehmen gegründet. Meine Consultants werden mit zweitausend Euro am Tag abgerechnet. Ich beschäftige ausschließlich Gebrauchtwagenhändler und Germanistik-Studenten, die nach wenigen Semestern die Uni verlassen haben. Ich brauche Schaumschläger, keine Intellektuellen. Der Kunde soll glauben, er sei dem Berater überlegen. Das gibt ihm ein gutes Gefühl. Der Berater soll aussprechen, was der Kunde denkt, nur in anderen Worten. Der Kunde glaubt, in seinem Betrieb beschäftige er zu viel Personal, der Berater spricht von Downsizing und Low Cost oder was auch immer.

Meine Berater sind zugleich auch die besten Informanten. Ich bekomme Informationen über Unternehmen und Märkte. Dieses Wissen setze ich auf dem Aktienmarkt ein. Ich habe schon in IBM investiert, als andere noch Aktien von PanAm oder Coca-Cola gekauft haben. Heute investiere ich in Rohstoffe: Palladium, Öl, Weizen und Baumwolle. Der Tech-Boom ist längst vorbei. Dieses Pferd habe ich lange geritten, aber du gewinnst nur, wenn du schneller bist als der Markt.

Die beste und günstigste Investition: Politiker. Sie glauben gar nicht, wie billig Politiker sind. Oft genügen schon lächerliche 50.000 Euro in einer Plastiktüte. Sie verschaffen mir im Gegenzug Beratungsaufträge und damit komme ich wieder an neue Informationen. LNG-Terminals werden im Rekordtempo genehmigt und gebaut – also investiere ich in die entsprechenden Unternehmen. Inzwischen baue ich selbst Politiker auf. Einige Senior Consultants meiner Firma sind Abgeordnete im Bundestag. Man muss nur genug Geld in die Wahlkampagne stecken. Die Leute wählen jeden Idioten, weil ihnen das Wissen fehlt.

Ich herrsche über die Informationen, Sie wissen nichts. Sie werden dumm geboren und dann einfach benutzt wie ein Papiertaschenbuch. Ich kann Ihnen das so offen sagen, weil sie mich nicht erkennen würden, wenn ich neben Ihnen in der U-Bahn sitzen würde. Was selbstverständlich nie passieren wird.

 

Mittwoch, 14. Dezember 2022

Heinz Pralinski – Stimme für Deutschland

 

Blogstuff 750

„Im Zimmer war es so still wie auf dem Grund eines Ozeans. Nichts bewegte sich, nur die Zeiger der Uhr. Also bewegte sich auch die Welt.“ (Heinz Pralinski: About a boat)

Wieso hat die Bundeswehr nur Munition für zwei Tage? Weil das ganze Zeug in den Kellern der Reichsbürger liegt.

Wer glaubt, alles besser zu wissen, lernt natürlich nichts.

El Barrio Loco ist das mexikanische Viertel in Wichtelbach. Hier gönnt sich Andy Bonetti jeden Sonntagmorgen einen Frühstücksburrito, gefüllt mit knusprigem Speck, Rührei, Salat und Tomatenscheiben. Dazu Sour Creme und einen Cappuccino. Er genießt das Rauschen der Brandung und die salzige Meeresbrise. Nach dem Essen liest er den Hunsrücker Landboten, in dem es ausschließlich regionale Meldungen gibt. Keine Kriege oder Inflation, höchstens mal ein Fahrraddiebstahl.

Fußball-WM 2006. Meine damalige Freundin stand auf Rollenspiele. Also bin ich als Goleo, mit deutschem Trikot und ohne Hose, ins Schlafzimmer gekommen. Das Safeword war „Berti“.

Mohr-Rübe. Die deutsche Sprache ist voller Rassismus.

Eigentlich ist es ganz einfach: Ein Land will ein anderes Land erobern und setzt seine Armee in Marsch. Das hat es zu allen Zeiten gegeben, das ist nicht kompliziert. Früher hat Höhle 47 die Höhle 25 überfallen. Es ging um Fleisch und Frauen. Nicht schön, aber sehr menschlich (kein Kompliment für unsere Gattung, ich weiß). Hat es damals Debatten im Tal gegeben, dass sich Höhle 47 umzingelt gefühlt hat? Dass Höhle 25 eine abtrünnige Provinz von Höhle 47 ist? Dass Höhle 25 keine richtige Höhle ist? Dass eigentlich Höhle 7 dahintersteckt?

Ist es Ihnen auch aufgefallen? Obwohl die Fußball-WM im Winter stattfindet, hat es noch bei keinem einzigen Spiel geregnet.

Wieso regen sich die Leute immer über die Verspätungen der Bahn auf? Wenn ich eine halbe Stunde länger unterwegs bin, bekomme ich doch im Grunde genommen mehr für mein Geld. Wir wollen immer einhundert Prozent und sind dann mit 99 Prozent unglücklich. In anderen Ländern ist man froh, wenn alles, was man sich für den Tag vorgenommen hat, zu achtzig Prozent klappt. Einfach mal positiv denken. Du kommst zum Bahnhof und stellst fest, dass er noch existiert. Das ist nicht überall so.

“Wohin würden Sie gehen, wenn Sie ein gesuchter Verbrecher wären? Dahin, wo niemand sie sucht. Also nach Peru. Ich nahm die nächste Maschine nach Lima. Terry war dort und ich wusste es. Terry ist kein Schlaumeier. Und er hat das One-Way-Ticket tatsächlich unter seinem echten Namen gebucht. Wie blöd kann man sein? Der Scheißkerl sitzt in einem Hotel in der Nähe des Flughafens. Ist es zu fassen?“

Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick & Tich - Hold Tight (1966) - YouTube

Solche Textfragmente finde ich morgens auf meinem Schreibtisch. Stammen sie von meinem anderen Ich? Und wenn ja: von welchem? Abtippen und verbessern muss ich den Rotz auch noch.

Dienstag, 13. Dezember 2022

Menschen

 

Ab wann ist man ein Alkoholiker? Wenn man das Bier, den Wein und den Schnaps direkt aus der Flasche trinkt? Das hatte er irgendwann mal gelesen. Er benutzte schon lange keine Gläser mehr. Er lebte allein und hatte keine Arbeit. Also lief er in Unterhosen durch seine Wohnung. Ist man ein Säufer, wenn man morgens anfängt? Früher hatte er das erste Glas am Morgen genossen. Es war inspirierend, es wirkte stärker als das erste Glas am Abend. Aber inzwischen war es einfach egal. Er brauchte Nachschub.

Bis zum nächsten Aldi war es nicht weit. Aber er fror in seiner dünnen Jacke. Die Farben der Stadt wirkten wie ausgewaschen. Zielsicher steuerte er das Weinregal an. Dazu noch ein Toastbrot, für mehr reichte es nicht mehr. Aber das Thema Essen wird ja ohnehin stark überschätzt. Er aß immer weniger. Selbst wenn er sich nachmittags die erste Scheibe Brot mit Marmelade schmierte, hatte er keinen Hunger. Er legte seine Waren auf das Band und murmelte „Hallo“, als die Verkäuferin ihn ansprach.

Sie war gestern im Nagelstudio gewesen und hatte sich neue Fingernägel gegönnt. Weiß, mit Hello-Kitty-Hologrammen. Ziemlich teuer. Aber kein Kunde achtete darauf. Sie waren damit beschäftigt, ihre Einkäufe vor der Kasse aufs Band und hinter dem Band zurück in den Wagen zu legen. Nur beim Bezahlen streiften sie die Kassiererin mit einem kurzen achtlosen Blick. Man hätte ihr Gesicht bei „Aktenzeichen XY … ungelöst“ zeigen können. Niemand hätte sie wiedererkannt.

Da gab es diese neue Aushilfe. Groß, dürr, mit ein paar postpubertären Restpickeln. Sie hatte ihm erklärt, welche Waren aus dem Lager er in welche Regale verteilen soll. Dann hatte sie gesagt, der Chef habe die Heizung runtergedreht. Sonst wäre es hier nicht so kalt. Der Neue hatte nur mit Ja geantwortet. Mehr war ihr nicht eingefallen. Eigentlich gefiel ihr der junge Mann, aber sie wusste nicht, wie sie mit ihm ins Gespräch kommen sollte.

Heute würde ihre Mutter anrufen. Wie jeden Mittwoch. Sie rauchte eine Schachtel Mentholzigaretten am Tag. Sie traf sich mittwochs immer zu dünnem Filterkaffee mit ihren drei Freundinnen. Heute ist sie bei Gisela. Alle Freundinnen haben schon ein Enkelkind, nur sie nicht. Ihre Tochter war Ende zwanzig und hatte immer noch keinen Mann. Was sollte einmal aus ihr werden? Sie war Rentnerin, Witwe und ihr Sohn war mit neunzehn an einer Überdosis Heroin gestorben. Vielleicht hätte er ihr ein Enkelkind geschenkt?

Inzwischen interessiere ich mich nicht mehr für andere Menschen. Es lohnt sich nicht, mit ihnen zu sprechen. Ich habe meine Bücher, meine Filme, meine Träume. Heute Nacht habe ich geträumt, ich würde Geld in einen Süßigkeitenautomat werfen und nichts bekommen. Diesen Traum habe ich sehr oft. Deswegen benutze ich keine Süßigkeitenautomaten mehr. Man bekommt nicht, was man möchte.   

Montag, 12. Dezember 2022

Zwischen Estrich und Estragon – Heimwerker und Hobbyköche am Limit

 

Blogstuff 749

„Ein Leben, von dem du Urlaub nehmen musst, ist gescheitert.“ (Idil Baydar)

Hätten Sie’s gewusst? Die Russen haben russische Eier.

Was Sie an Weihnachten von mir erwarten können: Mürre und Weinhauch.

Wie werden wir in hundert Jahren leben? Wie die Jetsons oder wie Familie Feuerstein?

Was macht eigentlich Heinz Pralinski? Er sitzt in U-Haft. Bei einer Razzia hat man in seiner Wohnung Klebstoff und Kartoffelbrei gefunden.

Im Grunde genommen war mir Jesus schon immer suspekt. Hat er jemals gearbeitet? Was hat der Mann beruflich geleistet? Hätte es im Römischen Reich Hartz IV gegeben, hätte er der Gesellschaft auf der Tasche gelegen. Stattdessen schickt er seine Apostel los. Gingen die anschaffen? Betteln? Und dann die angeblichen Wunderheilungen. Jesus hatte keine medizinische Ausbildung. Er war so eine Art Homöopath oder Heilpraktiker. Ich kann solche Leute nicht ernstnehmen. Und richtig gestorben ist er auch nicht.

Nochmal zu Shia LaBoeuf. Es heißt Le Boeuf.

Immer dieses Gejammer über Bienen. Dann essen wir eben Marmelade zum Frühstück. Warum machen sich die Leute Sorgen? Ein Rumpsteak muss nicht bestäubt werden.

Worauf beruht der Ruhm der russischen Armee? Auf dem Sieg gegen Nazi-Deutschland. Der bekanntlich ohne amerikanische Rüstungslieferungen nicht möglich gewesen wäre. Wann war sie nach 1945 im Einsatz? Ab 1979 in Afghanistan. Dort hat sie bekanntlich verloren. Dann wieder 2022 in der Ukraine. Dort scheitert sie gerade. Vielleicht sollte man von der Vorstellung, dass Russland eine bedeutende Militärmacht sei, einfach Abstand nehmen. China ist längst der neue Gegner Amerikas.

Es ist immer wieder lustig, wie krampfhaft die Putinisten einen Völkermord leugnen, den Putin gar nicht begangen hat. Das erinnert mich an die Nazis, die auch 2022 noch den Holocaust leugnen. #Holodomor

„Dies ist ein Krieg der Motoren (…). Ich erhebe mein Glas auf die amerikanische Autoindustrie und die amerikanische Ölindustrie.“ (Stalin 1943 auf der Konferenz in Teheran) Leih- und Pachtgesetz – Wikipedia

„Der Hitler-Überfall vom 27. Juni 1941 traf auf 303 Divisionen der Roten Arbeiter- und Bauernarmee (RKKA) mit zusammen 5.373.000 Mann. Nach einem halben Jahr verblieben noch rund 1.650.000 Mann. Das heißt, der Feind hatte über vier Millionen Mann getötet, verwundet oder gefangen genommen. Im Herbst 1942 waren zwei Millionen km² des europäischen Teils der UdSSR mit einer Bevölkerung von 85 Mio. Menschen okkupiert.“ (Jurij Pivo­va­­rov)

VNV Nation - Beloved - YouTube


Samstag, 10. Dezember 2022

+++ breaking news +++ Geiselnahme +++ breaking news

Ein Terrorkommando der Reichsbürger unter der Führung eines Bundeswehroffiziers hat heute eine Lufthansa-Maschine nach Mogadischu entführt und alle Passagiere als Geiseln genommen. Sie fordern die Freilassung des rechtmäßigen deutschen Staatsoberhaupts Heinrich XIII. und seiner Regierung aus der Haft. Sie erklären in einem Bekennerschreiben, die Bundesregierung sei abgesetzt und die BRD GmbH würde aufgelöst. 

Luisa Neubauer

 

Ein sonniger Morgen Anfang April 2050. Trotz der frühen Stunde zeigt das Thermometer bereits 24 Grad im Schatten. Familie Neubauer sitzt im Garten beim Frühstück. Es gibt frisch gepressten Saft von deutschen Orangen, fair getradetes Mineralwasser aus Somalia und veganes Müsli mit Hafermilch.

Luisas Mann bringt die beiden Kinder nachher mit dem Tesla zur Schule. Dann fährt er zu seiner Arbeit in einer Beratungsagentur. Sie selbst wird um acht Uhr von ihrem Chauffeur abgeholt. Der Audi E 12 bringt sie ins Umweltministerium in Berlin-Mitte. Sie studiert die Presseberichte im Internet. Am Wochenende hatte sie einen medienwirksamen Streit mit Finanzminister Kevin Kühnert. Sie forderte eine Steuer auf Vermögen über eine Milliarde Euro, was etwa zehn Millionen in der heutigen Zeit entspricht. Sie pochte auf soziale Gerechtigkeit. Kühnert verteidigte die Interessen der bürgerlichen Mitte. Heute würde sie das intrigante Schwein in der Kabinettssitzung treffen. Kanzler Amthor war natürlich auf Seiten der SPD. 

Sie hat nicht resigniert, sie hat es akzeptiert. Veränderungen brauchen Zeit. Vom Beginn der Anti-Atomkraft-Bewegung Mitte der 1970er Jahre bis zur Abschaltung der letzten Atomkraftwerke Mitte der 2020er Jahre hatte es schließlich auch ein halbes Jahrhundert gedauert. Geduld ist ein guter Ratgeber. Von Greta Thunberg hat sie schon lange nichts mehr gehört. Sie hatte die Tantiemen ihrer Bücher in eine Fabrik für künstliches Fleisch investiert und ein Vermögen verdient. Angeblich lebt sie mit Leo DiCaprio in Wyoming.     

Freitag, 9. Dezember 2022

Schrödingers Hamster

 

Blogstuff 748

„Sei nicht sanftmütig, wenn jene Nacht anbricht.“ (Dylan Thomas)

Politiker kleben an ihren Sesseln, Klimaschützer kleben an der Straße. Von Siegern lernen.

Hätten Sie’s gewusst? Seit 1946 wird eine Fußball-Militärweltmeisterschaft ausgetragen. Deutschland holte 1975 im Endspiel gegen die Niederlande den Titel. 1987 nahm Oliver Bierhoff am Turnier teil, die BRD wurde Zweiter.

Kandidaten für die Bierhoff-Nachfolge: Kevin Großkreutz (Weltmeister), Yves Eigenrauch (Kultfigur), Lothar Matthäus (Universalgenie). Oder einfach mal einen völlig fachfremden Quereinsteiger wie Marcel Reif?

Ich habe der These, es wäre in Deutschland noch niemals so schlimm gewesen wie heute, noch nie getraut. Es wird nicht immer schlimmer, es war schon immer beschissen. Wir müssen uns mit rhetorischen Steigerungen keinen abbrechen. Nach dem Tiefpunkt kommt ein noch tieferer Tiefpunkt und immer so weiter. Bullshit. Es gab auch vor dreißig oder vierzig Jahren genug Gründe, sich über dieses Land aufzuregen. Nazis, Armut, Korruption, Bonzenherrschaft – es hat sich nichts geändert. Alles schon in unserer Kindheit dagewesen.

Preisfrage: Wer war die erste non-binäre Person auf dem Mount Everest?

Erst hatten die Argentinier Di Maria in der Mannschaft. Das fand ich schon lustig. Als Ergänzung kam dann De Paul dazu. Okay. Aber Dybala? Bei einer Fußballmannschaft? Nicht übertreiben, Leute.

Überall Marmelade.

Was macht eigentlich Heinz Pralinski? Er arbeitet an seinem Gedichtband „Nimm deinen Schatten mit, wenn du gehst“.

Warum kauft sich Elon Musk keine Fußball-WM?

Die Fachkräfte stimmen mit den Füßen über Deutschland als Ziel für Migration ab. Die Expats sehen in einem aktuellen Ranking mit fünfzig Städten Berlin auf Platz 31, Düsseldorf auf 33, München auf 38, Hamburg auf 45 und Frankfurt auf 49.

Machez oder lassez (spanisches Sprichwort).

Julius Cäsar und Jesus von Nazareth geraten zusammen in so ein Science-Fiction-Apparat und werden durcheinandergemischt. Heraus kommen ein pazifistischer Feldherr und ein militanter Friedensprediger. Wie wäre die Weltgeschichte wohl verlaufen?

Früher haben wir im Deutsch-Unterricht Erörterungen geschrieben. Das Pro und Contra einer Fragestellung wurde abgewogen, um zu einer Schlussfolgerung zu kommen. These, Antithese, Synthese. Solche Texte lese ich heute gar nicht mehr. Alle Internet-Texte sind Urteile in letzter Instanz.

Nazareth - Love Hurts (1976) - YouTube


Donnerstag, 8. Dezember 2022

Von einem Prinzen wachgeküsst – Deutschland, ein Wintermärchen


„Staatsstreich, Klingelstreich - immer diese Lausbuben.“ (Andy Bonetti zur aktuellen Lage)

Ich habe es ja immer gewusst: Während linke Spinner sich selbst irgendwo festkleben und mit Suppe oder Kartoffelbrei um sich werfen, machen rechte Spinner Nägel mit Köpfen. Angeführt von einem Prinzen, vermutlich hoch zu Ross und mit güldenem Zepter, sollte Deutschland in eine Monarchie verwandelt werden. Deutschland, erwache! Wir brauchen wieder einen Kaiser.

Selbstverständlich liefern die Hüter des staatlichen Gewaltmonopols, Soldaten und Polizisten, die nötigen Waffen. Die Regierung wird auf einer mittelalterlichen Festung gefangen gehalten, Scholz in Ketten, Lauterbach geknebelt. Es gibt keine Ministerien und Zuständigkeitsbereiche mehr, sondern Fürstentümer. Söder wird König Markus I. von Bayern, Höcke wird König Bernd I. von Thüringen. Lasst Preußens Herrlichkeit wieder auferstehen. Wozu haben wir das Stadtschloss in Berlin denn wieder aufgebaut? Wegen irgendwelcher Negerkunst? Nein, für Heinrich XIII. Prinz Reuß (weder verwandt noch verschwägert mit dem Dortmunder Fußballprofi).

„Patriotische Union“, so der klingende Name der Reichsbürgerverschwörung gegen die links-grün-versiffte Demokratie. Union – da war doch was? Hätte der Geldadel, angeführt von Friedrich Merz, den Putsch gegen die unfähige Regierung Scholz/Habeck unterstützt? Wäre die Bundeswehr in ihren Kasernen geblieben oder wären Panzer vor dem Bundestag, dem Kanzleramt und den roten und grünen Parteizentralen aufgefahren? Wäre der neue Staat von Prinz Heinrich von einer Strandhaubitze herunter verkündet worden? Geplant war offenbar auch ein Bündnis mit Russland. Die Reichsgrenzen von 1871 sollten wieder gelten, liebe Nachbarn. So viele schöne Bilder, großes Kopfkino …

Der Wolf - Gibts doch gar nicht - YouTube

Mittwoch, 7. Dezember 2022

Ein geopolitisches Gedankenspiel


Antiamerikanismus gehört in linken und rechten Kreisen zum guten Ton. Die USA sind die Weltmacht Nr. 1, sie haben den mit Abstand größten Militärapparat und haben vor allem in Asien (Korea, Vietnam, Irak, Afghanistan) Kriege geführt, die Millionen Menschen das Leben gekostet haben. Es gibt viele Argumente gegen die amerikanische Außenpolitik.

An diesem Punkt beginne ich mein Gedankenspiel und entwerfe einen alternativen Geschichtsverlauf. Es ist reine Spekulation, mehr nicht. Meine Ausgangsfrage lautet: Was wäre passiert, wenn sich die USA nach dem Zweiten Weltkrieg aus Europa zurückgezogen hätten, wie sie es nach dem Ersten Weltkrieg getan haben? Monroe-Doktrin reloaded. Die Vereinigten Staaten beschränken ihre Einflusssphäre auf den amerikanischen Kontinent.

Was wäre in Europa geschehen? Stalin hätte vermutlich seine Chance genutzt und ganz Deutschland besetzt. Die verbliebenen westlichen Alliierten Großbritannien und Frankreich hätten ihm militärisch nichts entgegenzusetzen gehabt. In Frankreich und Italien gab es damals starke kommunistische Bewegungen (Peppone!). Letztlich hätte Stalins Machtbereich ganz Europa, vielleicht mit Ausnahme der Randgebiete Britische Inseln, Skandinavien und Iberische Halbinsel, umfasst. Womöglich wären sie aber auch zu einem späteren Zeitpunkt Teil der sozialistischen Welt geworden.

Die französischen Kolonien in Afrika und Asien wären somit auch ein Teil von Stalins Reich gewesen. Überall auf diesen Kontinenten hätte sich, nach der Befreiung vom britischen, spanischen und portugiesischen Kolonialismus, die kommunistische Idee weiterverbreitet. Es wäre nie zum Kalten Krieg und zum Wettrüsten gekommen. China hätte als verlängerte Werkbank des kapitalistischen Westens seinen Aufstieg zur Wirtschaftsmacht nicht geschafft. Die Sowjetunion gäbe es noch und sie wäre das mächtigste Land auf Erden. Der Konsum der Bevölkerung in ihrer Einflusssphäre wäre von staatlicher Seite auf das Notwendige beschränkt, es gäbe keinen Individualverkehr und keine Fernreisen. Es gäbe daher auch keinen Klimawandel.

Sie merken: Die Spekulation entfernt sich immer weiter von der Realität, die wir kennen. Wie würden wir heute leben? In einem totalitären Staat wie in China oder im Iran? Hätte sich der Sozialismus ohne den permanenten Kampf der Systeme reformiert? Orwell oder soziale Gerechtigkeit? Wäre die Welt ein friedlicher und sicherer Ort? Dürfte ich solche Texte schreiben? Gäbe es in Amerika angesichts einer überwiegend kommunistisch lebenden Weltbevölkerung eine soziale Marktwirtschaft statt Manchester-Kapitalismus oder eine Hardcore-Diktatur des Kapitals, in der die kommunistische Opposition unterdrückt wird? Viele offene Fragen und Raum für Gedankenspiele.

Gilbert Bécaud - Nathalie - YouTube

P.S.: Wer sich für die Folgen eines Rückzugs westlicher Truppen und die Reaktion der Sowjetunion auf diesen Schritt interessiert, sei an die Irankrise nach dem Zweiten Weltkrieg erinnert, die zwei Jahre vor der Berlin-Blockade 1948 den eigentlichen Beginn des Kalten Kriegs markierte.

Irankrise – Wikipedia

 

Dienstag, 6. Dezember 2022

Äppelwoi statt AppleWatch

 

Blogstuff 747

„Dass man in der Wüste umherirrt, bedeutet noch lange nicht, dass irgendwo ein Gelobtes Land existiert.“ (Paul Auster: Die Erfindung der Einsamkeit)

Der Werbeslogan „Brot hat einen neuen Kumpel: Knäcke-Bro“ wurde leider von Wasa abgelehnt. Ebenso ging es mir mit „Winzer is coming“ für den
Deutschen Weinbauverband.

Google schreibt endlich auch mein Tagebuch: „Montag. Ein wunderschöner Morgen. Im Büro treffe ich nur glückliche Menschen, die mir zu meiner hervorragenden Arbeit gratulieren. In der Kantine gibt es zum Mittagessen eine herrliche Erbsensuppe. Beim nachmittäglichen Meeting wird viel gelacht. Handfeste Ergebnisse wecken die Hoffnung auf eine glänzende Zukunft. Am Abend schöne Stunden im Internet.“

Wenn ich früher ins Kreuzberger Prinzenbad gefahren bin, habe ich in Badehosen und mit Badeschlappen und Badekappe das Haus verlassen. Mit dem Handtuch über der Schulter bin ich in die U-Bahn gestiegen, keiner hat etwas gesagt. Heute muss ich die dämlichen Blicke der Spießer zu ertragen.

Neunzig Grand Prix fuhr Vettel nach der Katastrophe von Hockenheim 2018 (Mühle ohne Not in den Acker gesetzt, WM-Führung und Mojo verloren). Nur zwei Rennen konnte er danach noch gewinnen.

Bekanntlich durchlaufen wir als Kind noch einmal die Entwicklungsstufen der Menschheit. Wir lernen den aufrechten Gang, die Sprache und wir durchleben eine Phase des Animismus. Alles ist belebt. Der Wind rauscht in den Baumkronen, also spricht der Baum. Die Heizung gluckert, das Haus knarrt und knackt – es lebt. Wer als Erwachsener noch Stephen King liest, hat sich diesen Kinderglauben erhalten. Ich beneide sie.

Hätten Sie’s gewusst? Ein Grindwal besteht zu weniger als zwanzig Prozent aus Grind.

Können Sie sich noch erinnern? Mit der Währungsunion 2002 entfiel der Währungsumtausch zwischen Deutschland und Bayern.

Aus Goethes Tagebuch, 18. April 1809: „Im Schreibwarengeschäft Hölderlin getroffen. Wo sonst? Er machte einen verwirrten Eindruck.“

Wegen der Energiekrise verzichten die türkischen Restaurants in diesem Jahr auf die Weihnachtsbeleuchtung.

Vergangenes: „verbindlichen Dank“, „geistesgegenwärtig“. In Berliner U-Bahnhöfen gab es in den 1980er Jahren Personenwaagen mit Münzeinwurf. Das Ergebnis wurde auf eine kleine Pappkarte gedruckt und konnte einem Auswurfschacht entnommen werden.

Seit zwanzig Jahren trainiere ich als Trockentaucher, aber jetzt bin ich bereit für den Ozean.

Lotte Kestner - True Faith | The Last of Us Part II - YouTube