Mittwoch, 16. Oktober 2019

Mein Mann


"Ich bin ein Schriftsteller, ich komme von Konsalik, ich komme von Pilcher, ich komme von F.J. Wagner. Lasst mich in Frieden und stellt mir nicht solche Fragen." (Vize-Literaturnobelpreisträger Andy Bonetti)
Ich lese gerade „Meine ungeschriebenen Memoiren“ von Katia Mann, der Ehefrau von Thomas Mann. Plötzlich ist man im alltäglichen Leben eines berühmten Schriftstellers. Seine Novelle „Tod in Venedig“ geht auf eine Reise des Ehepaars nach Venedig zurück. Die Figuren der Geschichte gab es tatsächlich, auch den Ausbruch der Cholera während ihres Aufenthalts. Gebucht hatten sie in einem Reisebüro von Thomas Cook, kein Witz. Auf den „Zauberberg“ kam Mann, als er seine Frau in einem Sanatorium in Davos besuchte.
„Statt frei zu erfinden, stützte Thomas Mann sich am liebsten auf die Wirklichkeit. Er fand lieber als dass er erfand, Schauplätze, Grundzüge von Personen und vieles mehr.“
In Amerika wurden sie von Präsident Roosevelt ins Weiße Haus eingeladen und durften volle drei Tage bleiben. Abends habe Roosevelt die Cocktails für seine Gäste immer selbst gemixt. Erfolg als Schriftsteller hat Mann erst, als der „Book-of-the-Month-Club“ einen Roman von ihm angenommen hatte.
„Thomas Mann schrieb sehr langsam. Aber was er schrieb, stand dann auch fest. (…) Sein Tageslauf war sehr diszipliniert, einfach und verlief immer gleich. Von neun bis zwölf Uhr ungefähr schrieb er (…). Er schrieb alles mit der Hand, und wenn er am Tag zwei Seiten schrieb, war das besonders viel.“ Das handschriftliche Manuskript der „Buddenbrooks“, von dem es keine Abschrift gab, schickte er per Post an seinen Verleger.

Samstag, 12. Oktober 2019

Was mich nach Halle total ankotzt


Der Überwachungsstaat nutzt die Gunst der Stunde, um die Bürgerrechte weiter einzuschränken. „Deshalb brauchen wir dringend die Befugnisse, dass wir auch das Internet überwachen“, sagte Bundesinnenminister Seehofer gestern in einer ZDF-Sondersendung zum Terroranschlag. Natürlich braucht man auch nach jedem Anschlag mehr Bullen, mehr Waffen und mehr Geld.
Die Politiker nutzen die Situation aus, um sich mit Betroffenheitsgesülze bei der Bevölkerung einzuschleimen. Dabei tun sie überrascht, als hätten sie erst in dieser Woche erfahren, dass es rechten Terror gibt. Im Frühling waren die sprechenden Sockenpuppen der Industrie erstaunt, dass es einen Klimawandel gibt. Im Sommer staunten sie, dass in Brasilien der Wald brennt. Im Herbst staunen sie, dass es Nazis gibt. Klimawandel gibt es seit 30 Jahren, Brandrodung seit 60 Jahren und Nazis seit 100 Jahren. AKK, die geistige Mangelerscheinung aus dem Saarland, sieht ein „Alarmzeichen“, während schon die ganze Hütte in Flammen steht.
Die Medien kochen ihr eigenes Süppchen, noch bevor die Toten unter der Erde sind. „Die Welt“, das Kampfblatt für militante AfD-Dschihadisten, schwafelt von der Migration als eigentliche Ursache für den Faschismus. Die Hetzer von der BILD fressen ein paar Tage Kreide und lügen sich eine aufrechte Gesinnung zurecht, bevor ab Montag wieder gegen Nicht-Christen und Nicht-Arier gegeifert und gebrüllt wird.
Die Synagoge wurde – am höchsten jüdischen Feiertag! - nicht von der Polizei geschützt. Ich weiß nicht, wie viele Bullen den ganzen Tag im Streifenwagen durch Halle gondeln, aber es hätte für die kurze Zeit des Gottesdienstes ein Wagen vor der Synagoge stehen können. Die Unfähigkeit dieser Arschkrampen hat zwei Menschen das Leben gekostet. Wieso wurde der Polizeichef nicht schon längst gefeuert? Und falls der Innenminister von Sachsen-Anhalt Begriffe wie Verantwortung und Glaubwürdigkeit überhaupt kennt: Warum ist er noch nicht zurückgetreten?
500 gewaltbereite Nazis werden mit Haftbefehl gesucht. Wo sind die Fahndungsplakate, warum gibt es keine Hausdurchsuchungen, wieso schläft der komplette Staat, wenn es eine konkrete terroristische Bedrohung gibt? Was machen wir gegen die 24.000 gewaltbereiten Nazis, davon viele in Polizei, Verfassungsschutz und Bundeswehr? Offenbar gar nichts. Fick dich, Deutschland.

Freitag, 11. Oktober 2019

Wir haben die Macht


Ihr habt Plakate. Wir haben Polizei.
Ihr habt Argumente. Wir haben Geld.
Ihr habt Träume. Wir haben Karrieren.
Ihr habt die Wahrheit. Wir haben die Macht.
Euch gehört die Zukunft. Uns gehört die Gegenwart.

Mittwoch, 9. Oktober 2019

Von Christchurch nach Halle


"Was den Täter von einem Massaker abgehalten hat, war eine Tür, nicht mehr: Keine Polizei, keine Gesellschaft, niemand vorher." (Marina Weisband)
Sie erinnern sich an das Massaker in einer neuseeländischen Moschee im März? Der Täter filmte mit seiner Helmkamera das Blutbad. 51 Tote. Ein deutscher Neonazi versuchte an Jom Kippur, dieses Verbrechen in einer Synagoge in Halle zu wiederholen.
Er war bestens ausgerüstet und ich frage mich, wie Nazis in Deutschland an Maschinenpistolen, Handgranaten und andere Ausrüstung rankommen. Ja, richtig! Über Gesinnungsgenossen in der Bundeswehr und bei der Polizei. Der rechtsradikale Terrorist versucht also, eine Synagoge zu stürmen, in der sich gerade etwa achtzig Leute aufhalten. Er will ein Massaker anrichten. Die Kamera läuft.
Die Tür hat er mit Schüssen und Sprengkörpern nicht aufbekommen. Zwei Menschen hat der Nazi außerhalb der Synagoge ermordet. Dann flüchtet er in seinem Wagen. Es gibt nur eine Frage, die ich mir seit Jahrzehnten immer wieder stelle: Nimmt Deutschland den rechten Terror ab heute ernst?

Sonntag, 6. Oktober 2019

Heimweg


Wir gehen im Nieselregen auf dem Bürgersteig. Ich nehme ihre Hand, als sie zu weinen beginnt.
„Wenn wir zu Hause sind, machen wir einfach die Tür hinter uns zu.“
Sie nickt kurz.
„Sobald wir zu Hause sind, können wir schreien, lachen oder einfach wütend sein. Dann haben wir es geschafft.“
Ein Lächeln, dann weint sie wieder.
„Wir bestellen uns die größte Pizza, die es gibt. So groß, dass wir sie unmöglich schaffen können.“
Der Regen wird stärker, aber wir sind bald am Ziel.