Am
Sonntag habe ich mit einer Freundin in Hamburg telefoniert. Nach unserem
Gespräch habe ich noch ein paar Takte mit ihrer Tochter geredet, die gerade ihr
Abitur bestanden hat, und habe ihr gratuliert. Am 27. September wird sie
volljährig und damit wahlberechtigt. Am 26. September sind bekanntlich
Bundestagswahlen. Um 18 Uhr schließen die Wahllokale, sechs Stunden später
hätte sie wählen dürfen. Also biete ich ihr an, ihr meine Briefwahlunterlagen
zu schicken, damit sie trotzdem ihre Stimme abgeben kann. Ich selbst habe
sowieso keine Lust auf die Wahl. Und was antwortet sie mir? Anfangs hätte sie
sich schon geärgert, dass sie nicht mitmachen könne. Aber sie wüsste auch gar
nicht, was sie wählen sollte. Keine Partei gefällt ihr, bei keinem Politiker
würde sie ihr Kreuz machen. Sie hat sich für mein Angebot bedankt und abgelehnt.
Für diese Erkenntnis habe ich Jahrzehnte gebraucht. Sie ist mit 17 schon so
weit wie der Politikwissenschaftler mit 45 (letzte ernsthafte Wahl: 2011 die Piraten
ins Berliner Abgeordnetenhaus). Sie ist die klügste Frau, die ich je getroffen
habe. Das Abi hat sie übrigens mit 1,4 bestanden, alle schriftlichen Prüfungen,
darunter Mathe, mit Top-Noten (14, 14, 13 Punkte; die mündliche Prüfung in
Philosophie mit 12 Punkten). Es gibt noch Hoffnung für die Menschheit.