Mittwoch, 11. November 2009

Der Superseifenblasenmann


Hallo Freunde! Der Seifenblasenmann ist wieder in der Stadt und er hat wichtige Neuigkeiten zu berichten. Der Seifenblasenmann hat ein ungeheures Kontaktnetz aufgebaut, es ist sein Lebenswerk, und es kann durchaus passieren, daß er in Oslo eine Bar betritt und jemanden trifft, den er kennt. Wirklich! Überall sitzen die Informanten des Seifenblasenmanns und tuscheln beim Bier über die große Verschwörung. Der Seifenblasenmann ist der Gegenspieler des GROSSEN PLANS, der durch eine Reihe einflußreicher Leute aus Politik und Wirtschaft repräsentiert wird. Niemand kennt die genauen Ziele des GROSSEN PLANS, doch aus den tausenden von Mosaiksteinchen, die ihn täglich erreichen, entsteht ein zunächst noch unscharfes Bild auf dem Schreibtisch des Seifenblasenmanns. Es ist das Bild eines Netzes. Nächtelang sitzt der Seifenblasenmann über seinem schwarzen Notizbuch, macht rätselhafte Eintragungen und zeichnet winzige Diagramme. Ein Haufen Maschinen sind nötig, um dem GROSSEN PLAN entgegenzutreten, und sie stehen alle im Zimmer des Seifenblasenmanns, machen komische Geräusche und spucken bunte Zettel aus. Heiliger Scheißdreck von Antiochia! Unser tapferer Held ist in argen Schwierigkeiten, er macht sich Sorgen. Da hilft nur eins: Wirf dein dunkelblaues Cape über, Seifenblasenmann! Es ist soweit.

Der Seifenblasenmann, Folge 17: "Der böse Dr. Zodiac"

Dr. Zodiac ist das fiese Produkt einer gescheiterten Spekulantenlaufbahn, er hat ein Herz aus allerfeinstem Marmor und nur ein einziges Ziel: alle armen alten Omas in der Stadt kräftig übers Ohr zu hauen, um Geld für den GROSSEN PLAN zu bekommen. Gerade hat er, während er des Abends so über die Stadt fliegt, ein hilfloses Großmütterchen ausfindig gemacht. Erbarmungslos stößt er hinab und hat sein wehrloses Opfer innerhalb weniger Augenblicke in ein hypnotisierendes Gespräch über Auslandsaktien und ihre Renditemöglichkeiten verwickelt. Schon zückt Dr. Zodiac einen fertigen Sklavenvertrag nebst Federhalter, da kommt der Seifenblasenmann des Wegs.
"Ha!", schreit er, "Dr. Zodiac, der rücksichtslose Lakai des GROSSEN PLANS. Du übler Bursche, warte, Dir werde ich das Handwerk legen!" Der Seifenblasenmann holt ein geheimnisvoll aussehendes Röhrchen hervor, Dr. Zodiac wird kreidebleich.
"Liebe und Gerechtigkeit", murmelt der Seifenblasenmann beschwörend, "Liebe und Gerechtigkeit."
Da fällt die starre Maske des Bösen von Dr. Zodiac und er blickt in buntes Gefunkel, alles scheint zu schweben und zu tanzen. Er weint das erste Mal, seit er vor fünfzig Jahren als kleiner Junge beim Monopoly verloren hat. Er ist echt gerührt und wirft seine Aktentasche fort. Der Seifenblasenmann wird ihm helfen, der Seifenblasenmann hilft seinen unterlegenen Gegnern immer.
"Du kommst bei guter Führung nach zehn Jahren Greenpeace wieder raus, Alter."
Abends sitzt der unbesiegbare Seifenblasenmann wieder an seinem Schreibtisch und streicht fein säuberlich den Namen "Dr. Zodiac" von seiner Liste. Er beginnt glucksend zu lachen und tatsächlich perlen nun ein paar Seifenblasen aus seinen Mundwinkeln.
Der phantastische Seifenblasenmann! Als Comic, Schallplatte, T-Shirt, Zahnbürste, Bettwäsche, Klopapier und Waffe. Kauft Euch den Seifenblasenmann! Als Gummipuppe, Stofftier oder Poster. Überall im Handel. Jetzt zugreifen!

Vor ihm liegt ein uraltes Pergament. Jugenderinnerungen und alte, längst vergessene Sorgen quälen ihn. Obwohl es ein ungemütlich kalter Herbsttag ist, wirft sich unser Held das daunengefütterte Cape um und fliegt davon, um die üblichen Verdächtigen zu verhaften. Aber die Verhöre machen ihm auch keinen Spaß mehr. Wird es wieder einer dieser Sonntagnachmittage ohne nennenswerte Ereignisse? Seit er in der Stadt ist, werden höchstens noch ein paar Zeitungen geklaut. Und das wird auch bald aufhören.
Da! Ein Polizist hastet atemlos in sein Büro und schwenkt eine Meldung über dem Kopf. Wambo der Prächtige ist wieder in der Stadt! Er zuckt herum, unter seiner erschlaffenden Hand rutscht Vier-Finger-Nick vom Stuhl. Wambo der Prächtige, ein von der furchtbar mysteriösen Geheimorganisation C.D.U. (Charta diabolischer Unholde, Subunternehmen des verabscheuungswürdigen GROSSEN PLANS) geschaffenes Monstrum, bedroht alles Leben in der Stadt. Er bereitet sich auf einen kurzweiligen medienwirksamen Rettungseinsatz vor und hat bereits die morgigen Schlagzeilen vor Augen:
"Superseifenblasenmann rettet die Stadt."
"Glück und ein langes Leben für Superseifenblasenmann."
"1:0 für Superseifenblasenmann."
"Superseifenblasenmann trägt sich in das goldene Buch der Zeit ein."
Was unser Held zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: An diesem Morgen überqueren bei völliger Dunkelheit gepanzerte Einheiten der Betriebskampfgruppe "Walter Ulbricht" die Elbe bei Schlaf. Der Ort macht an diesem Tag seinem Namen alle Ehre und so bleibt der graue Trabant 500 zunächst unbemerkt. Auf der Rückbank sitzt der HONECKER. Während sich die bleifarbenen Schwaden des Zweitaktgemischs langsam legen, rollen einige Kleintransporter des Stahlkombinats "Roter Oktober" ächzend die Straße zum Marktplatz hinauf. Als gegen fünf Uhr die Zeitungsjungen den Platz passieren, weht bereits eine rote Fahne über dem Ort. Die Leuchtreklame des Supermarkts ist abmontiert, ein Holzschild mit der Aufschrift "Konsum" hängt nun über dem Eingang. Die entschlossen und grimmig dreinblickenden Genossinnen und Genossen der FDJ-Brigade "Josef Stalin" bilden mit Angehörigen anderer Einheiten trotzig eine Schlange vor dem Proviantzelt. Was war geschehen? Von aller Welt unbemerkt hatte der HONECKER alle Kräfte der Deformation um sich versammelt, um in die letzte Schlacht gegen das revanchistische Regime in Bonn zu ziehen. Etwa siebzig zu allem entschlossene Kommunisten sind nun hier versammelt, der Rest soll nach Beschaffung der nötigen Ersatzteile für ihre Transportfahrzeuge in den nächsten Wochen im Kampfgebiet eintreffen. Jetzt durchkämmen bewaffnete Gruppen den Ort und requirieren wahllos Südfrüchte und Damenstrumpfhosen. Der Gemeinderat wird in Ermangelung eines Gefängnisses kurzerhand in die Kirche gesperrt, Telefondrähte und Fernsehkabel werden zerstört. Die Abteilung Agitprop gibt eine provisorische Parteizeitung mit der Schlagzeile "Schlaf erwache!" heraus, in der Turnhalle wird das "ZK der SED" eingerichtet. Oha! Es wird Zeit, daß der Superseifenblasenmann endlich eingreift.

Der Superseifenblasenmann, Folge 32: "Die rote Flut"


Diesmal muß unser Held ein besonders kniffliges und aufregendes Abenteuer bestehen. Seit dem unglaublich lebensgefährlichen Kampf gegen den üblen Schurken DEAD HUNTER (Folge 29) ist die Gefahr für Frieden und Freiheit nicht mehr so groß gewesen. Als der Superseifenblasenmann schließlich seinen Anti-Kommunismus-Radar aktiviert, leuchtet ein kleiner Punkt in Mitteldeutschland auf: Schlaf. ‚Das letzte Aufflackern das Marxismus-Leninismus‘, schießt es ihm durch den Kopf, während er grimmig und entschlossen lächelt. Der HONECKER, diese megafiese Kreatur des GROSSEN PLANS, darf Bonn nicht erreichen. Jesses, ist das spannend! Ruhig nimmt er ein frisches Cape aus dem Schrank und klettert auf die Fensterbank. Der Superseifenblasenmann ist wieder einmal der Retter der Bedrängten, der Triumphator des Gerechten, der Gralshüter verbriefter Verfassungsrechte, der Beschützer der Hilflosen, der Spender von Licht und Wahrheit, der Erleuchter unserer Seelen, der Tröster in der ärgsten Not, der vertrauensvolle Gesprächspartner, das liebenswerte Vorbild – kurz: Ein Mann, dessen Symbol jeder von uns mit Ehre und Hochachtung tragen wird. Auf dem T-Shirt, der Unterwäsche, der Kaffeetasse, dem Auto, dem Hut usw.

P.S.: Dieser Text entstand im November 1989

Aus vollen Schubladen frisch gezapft



Einst stapfte der Bauer Hu Hu aus Wu-Wei über seine Reisfelder und kaute lustlos an einer Frühlingsrolle. ‚Widel velflucht slechte Elnte dieses Jahl‘, dachte er, als der Philosoph und Schwerenöter Peng Fei des Weges kam. Dieser fragte ihn: "Was blummmelst du denn da in deinen Balt, du altel Leisflessel?" Dann lachte er freundlich und sah dem schlitzäugigen Bauern tief in die Augen: "Na, Älgel gehabt?" "Ja", antwortete Hu Hu, "mil blummt del ganze Kopf vol lautel Älgel." Der Philosoph begann: "Siehst du die Lilien auf dem Felde? Tu es ihnen gleich und tlinke solglos den göttlichen Nektal del Sonne!" "Da sind doch übelhaupt keine Lilien", sagte da der Bauer und ging nach Hause, um sich ein Chop Suey zu machen.


Bestimmt benehmen sich alle Leute ganz albern, wenn sie allein sind. Dann schneiden sie Grimassen, springen herum, lachen, tanzen, pfeifen und bohren ungeniert in der Nase – kurzum: sie benehmen sich ungezwungen und natürlich. Zivilisation ist daher einfach die Unfähigkeit, gemeinsam normal zu sein. Da muß man sich über die vielen unglücklichen, kranken und aggressiven Menschen nicht wundern.



Geplanter Titel meiner Autobiographie: "Wunderbare Reisen zu Lande, zu Wasser und in der Luft, Raubzüge und lustige Abenteuer des Kiezschreibers Eberling, wie er dieselben bei der Flasche im Kreise seiner Freunde selbst zu erzählen pflegt."


Ohne Zinn ist das Leben zinnlos.

Auf der Oranienstraße sehe ich den ultimativen Punk. Er ist etwa zehn Jahre alt, sitzt auf einem dieser grauen Verteilerkästen am Straßenrand und unterhält sich gerade mit seinem Kumpel. Schwarze Nietenlederjacke, knallrote Irokesenfrisur, das Gesicht zieren eine riesige Sonnenbrille und die obligatorische Sicherheitsnadel. Als ein typischer Berliner Doppeldeckerbus vor ihm hält, spuckt er aus vollem Halse gegen dessen Seitenscheibe (ich sehe das entsetzt zurück zuckende Gesicht einer alten Frau trotz der störenden Spiegelungen), hebt den Mittelfinger und sagt "Scheiß Busse!" Dann unterhält er sich seelenruhig weiter. Das wird mal ein zweiter Sid Vicious!

Direkt vor meinem Fenster im dritten Stock turnt ein Mensch im Baum herum. Es ist früher Morgen, ich setze mich an den Schreibtisch und dort sehe ich ihn, wie er Zweige und Äste abtrennt. Bei jedem möchte ich ihm zurufen: "Halt! Der war doch noch gut." Eben hat er herüber gesehen. Vielleicht fragt er sich, was ich hier schreibe, einen wichtigen Geschäftsbrief oder sonst etwas von Bedeutung. Dabei schreibe ich die ganze Zeit über ihn selbst. Er ist etwa in meinem Alter und muß von der hydraulischen Hebebühne, die unter ihm schwebt, in diesen Wipfel geklettert sein. Die Taube, die mir gegenüber im Geäst wohnt, ist erschrocken davon geflogen. Doch es sieht schon fast majestätisch aus, wie er – nicht mehr in Griffweite des Stammes – breitbeinig wie ein Fischer in seinem Kanu auf einem Ast steht und mit einer Sichel, die an einer langen Stange befestigt ist, nach einem unbekannten und geheimnisvollen Plan Teile des Baums heraus schneidet. Wie die Arbeiter, die neulich auf dem Dach des gegenüberliegenden Hauses zu sehen waren: heimliche Akrobaten, stille Künstler.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, hatten sie mir bereits einen anderen Kopf gegeben. Neugierig lief ich vor den Spiegel und betastete die noch etwas taube Haut, freute mich aber gleich über die großen schönen Augen, die ins Panzerartige übergehende Festigkeit der Wangen und den sehr zweckmäßigen Saugrüssel, der meine Fangzähne allerdings fast völlig verdeckte und sie so ein wenig ihrer schrecklichen Wirkung beraubte.
Achtung! Der chinesische Weise Juch He wurde in der Bahnhofsgegend gesichtet. Bitte halten Sie Türen und Fenster geschlossen und antworten Sie nicht auf philosophische Fragen!