Dienstag, 11. November 2025

Bonetti in Bornheim


Es muss etliche Jahre her sein, dass Andy Bonetti in Bornheim gelesen hat. Auf Einladung des Bürgermeisters hat er im Gemeindesaal einige Kapitel aus seiner erfolgreichen Pralinski-Biographie vorgetragen, nun spaziert er frohen Mutes durch die Straßen. Er trägt seinen schneeweißen Reiseanzug, eine karmesinrote Krawatte und einen Panamahut, der sein gesalbtes Haupt gegen die Sonne schützt. Die Passanten grüßen ihn artig und ältere Herren lüpfen sogar lächelnd ihre Hüte.

Bonetti betritt ein Kaffeehaus und setzt sich an einen freien Tisch am Fenster. Sogleich fliegt eine Kellnerin heran und fragt nach seinen Wünschen. Er bestellt eine große Tasse Milchkaffee und fragt nach der Speisekarte. Während die Kellnerin davon eilt, um seinen Wunsch zu erfüllen, tritt der Kaffeehausbesitzer an seinen Tisch und überreicht ihm die Speisekarte. Er empfiehlt die belgischen Waffeln mit Vanilleeis. Bonetti nickt zufrieden, möchte aber zu den Waffeln und dem Eis noch ein Schälchen Erdbeeren. Der Besitzer lächelt erfreut und geht persönlich in die Küche.

Während Bonetti auf den Kaffee wartet, kommt ein kleines Mädchen mit Zöpfen an seinen Tisch und schaut ihn an.

„Na, Kleine, wer bist du denn?“

Sie sagt nichts und schaut ihn weiter an.

Eine junge Frau kommt zögernd näher.

„Das ist Susi“, sagt sie. „Sie ist jetzt sieben Jahre alt.“

„Und?“

„Sie haben sie nach Ihrer letzten Lesung gezeugt, Mister Bonetti. Ich bin so stolz auf das Kind.“

„Oh. Wirklich?“

Ein Mann mit einer grünen Schürze kommt näher, während die Kellnerin den Kaffee serviert.

„Mister Bonetti“, sagt er, „ich habe Ihren Rat befolgt. Das ist die Rosa foetida bonetti.“ Er hält ihm einen Strauß gelber Rosen vor die Nase, die einen unangenehmen Geruch verströmen.

„Großartig“, sagt Bonetti und riecht an seinem parfümierten Seidentuch, das er hastig aus der Brusttasche gezogen hat.

Alle Gespräche im Kaffeehaus sind längst verstummt, die Blicke der Gäste sind auf Andy Bonetti gerichtet.

Endlich kommen die belgischen Waffeln mit Eis und Erdbeeren.

„Voilá, Mister Bonetti. Wir haben uns erlaubt, ihre Kreation als ‚Surprise à la Bonetti‘ auf die Speisekarte zu nehmen.“

Bonetti beginnt zu essen. Alle schauen ihm gespannt zu. Vor dem großen Fenster des Kaffeehauses hat sich inzwischen eine riesige Menschenmenge versammelt. Stumm zeigen sich die Leute den großen Dichter gegenseitig mit dem Zeigefinger. Hunderte Smartphones werden in die Höhe gehalten, um die Szene für die Ewigkeit festzuhalten. Die Polizei versucht, den Stau aufzulösen, der sich durch die Gaffer vor dem Kaffeehaus gebildet hat.

Aus dem Hintergrund hört Bonetti ein Hämmern. Es ist ein Handwerker, der gerade ein Messingschild mit der Aufschrift „Hier hat der Schriftsteller Andy Bonetti am 3. November 2025 gespeist“ an der Wand des Kaffeehauses befestigt.

Es ist nicht leicht, ein berühmter Künstler zu sein. Die Menschen machen sich keine Vorstellung von diesem Leben.

Nachtrag: Die Kellnerin des Kaffeehauses war übrigens eine Studentin an der Universität der Künste in Berlin und verdiente sich zu diesem Zeitpunkt in ihrer alten Heimat gerade ein wenig Geld zur Fortsetzung ihres Studiums. Jahre später hielt sie die geschilderte Szene in einem großflächigen Gemälde fest. „Bonetti in Bornheim“ hängt heute im Pariser Louvre und gilt als eines der großen Meisterwerke der zeitgenössischen Kunst. Es soll den berühmten amerikanischen Regisseur David Lynch zu seinem Opus magnum „The Bonetti Mysteries“ inspiriert haben. In diesem Film hat Andy Bonetti zwei Cameo-Auftritte: Wir sehen ihn zunächst auf einer Flugreise als Sitznachbarn des Hauptdarstellers, in seiner Hand ein Glas Bourbon mit Eis (nach 7 Minuten), später sehen wir seine markante Silhouette hinter der Milchglasscheibe einer Tür mit der Aufschrift „Registratur für Geburten und Sterbefälle“ (nach 144 Minuten).

Montag, 10. November 2025

Die Topographie der Ignoranz


Blogstuff 1227

„Bonetti? Dieser arrivierte Bourgeois mit Villa in St. Tropez? Der gerne den Gesellschaftskritiker spielt und Verständnis für die Sorgen der kleinen Leute heuchelt, während er kubanische Zigarren raucht und Champagner trinkt? Der mit Rheinmetall-Aktien und MAGA-Mützen ein Vermögen verdient hat und den Kindern an Halloween Steine in den Beutel wirft? Der eiskalte Faschist, der vorgibt, ein sensibler Künstler zu sein? Ich mag ihn.“ (Lars Klingbeil)

Viele Superstars werden mit ihrem Ruhm nicht fertig. Das Problem hatte ich nie. Aber jede Lobeshymne in den Medien lähmt mich für einen Tag und ich frage mich, wie ich diesen hohen und immer höher werdenden Ansprüchen des Publikums auch weiterhin gerecht werden kann.

Im Café. Ein Opa bestellt bei der jungen Kellnerin nicht nur eine Tasse Kaffee, sondern erzählt ihr auch in breitem Dialekt, dass er früher Kadetten bei der Marine ausgebildet hat. Ich sehe förmlich das Fragezeichen über ihrem Kopf. Dann packt er eine B.Z. aus und sagt laut „Dann wolln wa ma“. Er sitzt am Nachbartisch und ich fürchte, dass er mich anspricht und mich buchstäblich zu Tode langweilt. Also vertiefe ich mich in meinen Tagesspiegel. Auch gebürtige Berliner können Nervensägen sein.

Ich werde diesen Augenblick nie vergessen. Es war in meinem ersten Jahr bei der Kripo. Der Sanitäter schloss gerade den Leichensack über dem Gesicht eines jungen Mannes, als dessen Handy losging. Die Melodie: „Who wants to live forever“ von Queen.

Sergeant Klepper war verheiratet, hatte aber keinen Sex mehr, seit der Gerichtsvollzieher den Pelzmantel seiner Frau und den Fernseher gepfändet hatte.

Humoristen, egal ob sie sich Comedians oder Kabarettisten nennen, sind auch nur Dienstleister und sollten sich nicht allzu wichtig nehmen. Ihr seid Pointenkellner, dafür werdet ihr bezahlt, also kommt mir nicht mit Bühnenjubiläum und sentimentalen Anwandlungen. Mein Dönermann macht seinen Job jetzt auch schon seit 25 Jahren und macht kein großes Ding draus.

Julia Klöckner hat Deutschland als den Puff Europas bezeichnet. Ist die CDU schon im Wahlkampfmodus – und auf dem Weg zu 15 Prozent? Als ich diese Frau zuletzt im Fernsehen gesehen habe, hatte sie fingerdick weiße Schminke im Gesicht und absurd rote Lippen. Solche Frauen stehen meistens vor dem Hauptbahnhof, man nennt es auch moderne Bauernmalerei.

Aus meinem Tagebuch: „1. Mai 1985. Ich beschließe, meinen revolutionären Pflichten nachzukommen und das System zu infiltrieren. Ich nehme einen Job in einer Chemiefabrik an, die aus geschredderten Küken Glyphosat herstellt. An meinem ersten Arbeitstag bekomme ich einen grauen Kittel und einen Besen ausgehändigt. Der Marsch durch die Institutionen beginnt.“

Sonntag, 9. November 2025

Ein junges Paar


Er: Hast du gelesen? Die Erderwärmung steigt bis 2100 auf 2,8 Grad.

Sie: Ja, das ist das Ende.

Er: Die Menschheit schaufelt sich ihr eigenes Grab.

Sie: Schrecklich. Deswegen will ich keine Kinder.

Er: Was machen wir dagegen?

Sie: Ich verzichte auf Nutella. Wegen dem Palmöl.

Er: So ein Quatsch. Genau wie deine Jazztanzgruppe.

Sie: Und du verdammter Klugscheißer?

Er: Ich war neulich auf der Demo in Berlin. Mit Zugfahrt hat mich das einen ganzen Tag gekostet.

Sie: Auf was verzichtest du? Es ist kurz nach zwölf und du hast mal wieder das erste Bier offen.

Er: Ich verzichte aufs Auto und auf Flugreisen.

Sie: Das machen wir beide, weil wir keine Kohle haben.

Er: Sven und Larissa waren neulich in Portugal. Diese Umweltschweine.

Sie: Ich möchte auch mal wieder verreisen.

Er: Willst du als Systemhure enden? Larissa arbeitet bei der Telekom.

Sie: Du arbeitest überhaupt nicht.

Er: Ich studiere Eventmanagement.

Sie: Und was hilft das gegen die Abholzung des Regenwalds?

Er: Soll ich mich deswegen hier in Cottbus an einen Baum ketten?

Sie: Das bringt doch alles nichts. Lass uns was essen.

Er: Was haben wir denn noch?

Sie: Tiefgefrorene Chicken Nuggets. Die könnte ich in der Mikrowelle heiß machen.

Er: Klingt gut. Bringst du mir noch ein Bier mit?

Sie: Mach ich. Es ist so traurig, wie alles den Bach runter geht.

Er: Wenn wir nur was daran ändern könnten.

 

Samstag, 8. November 2025

Mein Traum


Ich wollt, ich wär

Ein Bambusbär

Mit Namen Paulchen Panda



Ein Leben für den Holzverzehr

Gelegentlich Geschlechtsverkehr

Und abends die Veranda






Ein Fall für Ohio Klotzinger


Blogstuff 1226

„Solange es läuft, lässt man es laufen.“ (Bonetti zu seiner überraschenden Berufung in den WM-Kader)

Ich bin so deutsch, ich frage AfD-Mitglieder, wo sie ursprünglich herkommen.

Am Ende bewohnen wir eine winzige Immobilie mit Holzwänden.

Wenn ich noch mal auf Reisen gehe, dann nicht mit Ryanair nach Ibiza, sondern mit einem Tornado nach Oz.

Habe gerade bei Lieferando den ersten Burger mit schwarzen Johannisbeeren und Walnüssen gefunden. Leute, wo soll das noch hinführen?

Schon vor Jahren habe ich mir den Spaß erlaubt, von einer Pizza mit Weißwurstscheiben zu phantasieren. Jetzt gibt es die Pizza Oktoberfest, exakt so, aber zusätzlich mit Sauerkraut und Creme-Fraiche – und natürlich ohne süßen Senf. Söder, übernehmen Sie!

Auch merkwürdig: die Pizza Knusperente mit Rotkohl und Bratensoße. Wie alt sind die Enten, wo wir seit Wochen Vogelgrippe haben?

Nimm das, Kirche: Zehn Gebote der sozialistischen Moral und Ethik – Wikipedia

Aus Bonettis Rede auf dem jährlichen Blogger-Kongress: „Ich bin ein Blogger. Hat nicht ein Blogger Augen? Hat nicht ein Blogger Hände, Gliedmaßen, Werkzeuge, Sinne, Neigungen, Leidenschaften? Mit derselben Speise genährt, mit denselben Waffen verletzt, denselben Krankheiten unterworfen, mit denselben Mitteln geheilt, gewärmt und gekältet von eben dem Winter und Sommer als ein Influencer? Wenn ihr uns stecht, bluten wir nicht? Wenn ihr uns kitzelt, lachen wir nicht? Wenn ihr uns vergiftet, sterben wir nicht? Und wenn ihr uns beleidigt, sollen wir uns nicht rächen?“

Das crazy. Ich bestelle seit zwanzig Jahren bei Amazon. Am Donnerstag sollten zwei Bücher à 500 Seiten kommen (Mick-Herron-Krimis). Meine Nachbarin sieht den Amazon-Fahrer, wie er etwas in meinen Briefkasten steckt, und erzählt es mir, als ich an der Tür auf den Typen warte. Ich erzähle ihr, ich würde zwei Bücher bekommen. Sie: „Der Umschlag sah so dünn aus.“ Ich gehe runter und was habe ich bekommen? Einen leeren Umschlag und die Meldung auf meiner Amazon-Seite „Zustellung erfolgt“. Mit einem Foto von meinem Briefkasten. Ich bin mal gespannt, wie das mit meiner Reklamation ausgeht.

Stellen Sie sich vor, der Abfall, den Sie jeden Tag produzieren, würde in Ihrer Wohnung bleiben. Wann wäre die ganze Bude komplett zugemüllt? Nach einem Jahr? Nach zwei Jahren? 2023 gab es 433 kg Haushaltsabfälle pro Kopf, 2022 waren es 606 kg.

Ein Leben im Elfenbein-Apartment. Irgendwo zwischen vergangener Midlife-Crisis und zukünftiger Demenz.


Bonetti Airlines – Unser Service ist unübertroffen.

Freitag, 7. November 2025

Bonetti macht Kohle aus Diamanten

 

Blogstuff 1225

Sonntagmorgen, ich sitze am Schreibtisch. Das Fenster ist offen, um frische Luft reinzulassen. Aber drei Stockwerke unter mir sitzt der elende Kiffer schon wieder auf seinem Balkon und bald riecht es in meiner Bude wie vor zwanzig Jahren.

„Was ist denn hier los?“ fragte Gott, als er mal wieder im Sonnensystem war.

Die „Gesellschaft“ ist eine amorphe Masse ohne eigenen Willen und ohne eigene Kraft, die durch den Wellengang der Zeit und in seltenen Fällen durch die Politik bewegt wird. Sie ist keine verlässliche Größe und scheint auch kein Gedächtnis zu haben. Ein gleichgültiger Zellhaufen ohne Einfluss auf das eigene Schicksal. Schließlich haben auch Quallen kein Gehirn. Werden sie an den Strand gespült, kann man zusehen, wie sie langsam verdunsten. Es bleibt nichts übrig.

Parkbank-Content. Seit Tagen liegt eine Kindersteppjacke neben einem Mülleimer. Dann kommt eine junge Frau, hebt sie auf, sieht sie sich prüfend an und nimmt sie mit. Armut = Recycling.

Wegen Personalmangels bei der BSR werden jetzt Mitarbeiter der Berliner Senatsverwaltungen beim Reinigen der Stadt von Herbstlaub eingesetzt. Leider heften die Beamten die Blätter in Aktenordnern ab.

Das Parteiensystem, dass sich nach dem Krieg in den vier größten europäischen Ländern gebildet hat, löst sich gerade auf (Deutschland, Großbritannien) oder hat sich bereits aufgelöst (Italien, Frankreich).

Die Chinesen stecken hinter dem Klimawandel. Denn in China scheint es keinen Klimawandel zu geben. Alle Katastrophen finden in Europa statt. Oder waren es die Russen?

Merz hat im ersten halben Jahr seiner Kanzlerschaft mehr Schulden gemacht als Kohl für die komplette Deutsche Einheit. Damals hat man wenigstens an Straßen, Brücken und Gebäuden gesehen, was mit dem Geld gemacht wurde. 2024 wurden z.B. etwa 450 Milliarden Euro für Renten und Pensionen ausgegeben, die nur zu zwei Dritteln durch die Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gedeckt waren. Da versickert das Geld in der heutigen Zeit.

Hat schon mal jemand einen Jugendlichen gesehen, der mit seinem Handy telefoniert? Wieso sprechen diese Menschen so wenig? Verantwortlich für die Vereinsamung der Jugend sind angeblich die Schulschließungen vor fünf Jahren. Vom 13. März bis Mitte Mai 2020, je nach Bundesland. Treffen konnten sich die Kids privat natürlich immer noch. Aber Corona ist eine bequeme Ausrede für ein viel tiefer gehendes gesellschaftliches Problem. Fünf Jahre sind für junge Menschen eine Ewigkeit. Freundschaften sind entweder fortgesetzt worden oder neue sind entstanden. Möglicherweise richten TikTok und Influencer einen wesentlich größeren Schaden an, aber darüber spricht niemand.  

Donnerstag, 6. November 2025

Zehn kleine Stadtbildstörer

 

Zehn kleine Stadtbildstörer standen mal am Rhein

Einer fiel hinein und da waren‘s nur noch neun

Neun kleine Stadtbildstörer haben nur gelacht

Einer hat sich totgelacht, da waren’s nur noch acht

Acht kleine Stadtbildstörer haben’s übertrieben

Einer mit gestrecktem Crack, da waren‘s nur noch sieben

Sieben kleine Stadtbildstörer folgten blind ihrem Reflex

Und tranken selbstgebrannten Schnaps, da waren’s nur noch sechs

Sechs kleine Stadtbildstörer gingen ohne Schuh und Strümpf

Einen schlug ein Nazi tot, da waren’s nur noch fünf

Fünf kleine Stadtbildstörer wollten nur ein Bier

Der Wirt holte den Knüppel raus, da waren’s nur noch vier

Vier kleine Stadtbildstörer gingen am AfD-Büro vorbei

Es kamen ein paar Männer raus, da waren’s nur noch drei

Drei kleine Stadtbildstörer fühlten sich nicht frei

Es kam die Polizei vorbei, da waren es nur zwei

Zwei kleine Stadtbildstörer wollte wirklich keiner

Einer hat den Strick genommen, da war es nur noch einer

Ein kleiner Stadtbildstörer fühlte sich allein

So lief er einfach schnell zurück ins Asylantenheim