Sonntag, 16. November 2025

Der letzte Coup

 

Crackhead 3000 alias Alois Tiefenbrunner saß, an Händen und Füßen gefesselt, auf einem Holzschemel in einem Verhörraum, der etwa vier Quadratmeter klein war. Auf der anderen Seite einer Panzerglasscheibe saßen, etwa dreißig Zentimeter erhöht, damit sie auf ihn hinabblicken konnten, zwei Männer in dunklen Anzügen auf bequemen Drehstühlen. Die Wände ihres Zimmers lagen in weiter Ferne.

„Sie wissen, warum Sie hier sind?“

„Nein“, antwortete Tiefenbrunner.

„Vom zentralen Wertpapierdepot der Deutschen Bank sind drei Milliarden in US-Staatsanleihen verschoben worden. Erst nach Panama, dann nach Pjöngjang, von da aus auf die Cayman Islands und in Taschkent verliert sich die Spur.“

„Donnerwetter.“

„Es gibt nicht viele Hacker, die das können.“

„Was Sie nicht sagen.“

„Je früher Sie anfangen zu reden, umso früher sind wir hier fertig.“

„Meines Wissens können Sie mich nur 24 Stunden hier festhalten. Die sitze ich auf einer Arschbacke ab.“

„Das ist kein Verhör, Sie sind nicht verhaftet worden. Rein juristisch handelt es sich um eine Entführung und falls tatsächlich eines Tages die Polizei einer Vermisstenanzeige nachgeht, wird sie das Gelände des Bundesnachrichtendienstes sicher nicht betreten und diesen Keller schon mal gar nicht.“

„Dann muss ich mich wohl auf einen längeren Aufenthalt einstellen. Was gibt es zum Abendessen?“

Nach zwei Wochen konnte Tiefenbrunner wieder in seine Wohnung. Sämtliche Computer, externe Festplatten und Sticks waren verschwunden. Die Schubladen waren halb geöffnet und seine Klamotten lagen auf einem Haufen vor dem Kleiderschrank. Er prüfte mit einem speziellen Detektor, ob Wanzen und Kameras installiert waren. Aber das Haus war sauber.

Er ging zum Kaffeevollautomaten und tippte Cappuccino ein, direkt danach Espresso. Die vordere Verkleidung klappte auf und eine Tastatur fuhr heraus. Darüber war ein Monitor. Tiefenbrunner checkte, ob das Geld noch bei seiner Bank in Liechtenstein war. Kein Cent fehlte. Er überwies 2,9 Milliarden für wohltätige Zwecke an verschiedene Organisationen und buchte eine Million Euro auf sein Liechtensteiner Girokonto. Den Rest des Geldes legte er für zwei Prozent als Festgeld an. Dann lud er alle Daten auf einen Stick, löschte alle Dateien und schloss die Kaffeemaschine wieder.

Um vier Uhr nachts ging er zum Hauptbahnhof. Um diese Zeit sind die Straßen menschenleer und eine Observierung schwierig. Er ging durch den Park und kam um 4:45 Uhr am Berliner Hauptbahnhof an. Dort stieg er in ein Taxi und ließ sich zum Potsdamer Bahnhof fahren. Mit verschiedenen Pendlerzügen fuhr er am frühen Morgen nach Leipzig. Dort hatte das Reisecenter schon geöffnet und er bezahlte bar eine Fahrkarte nach Frankfurt. Dort kaufte er sich eine Fahrkarte nach Zürich.

Hier konnte er es wagen, mit Karte zu bezahlen. Er ging in ein für seine Diskretion bekanntes Fünf-Sterne-Hotel, buchte eine Suite, gönnte sich ein fürstliches Mahl und bestellte für den nächsten Morgen den hauseigenen Limo-Service. Er fuhr nach Liechtenstein, holte seine neue Karte ab und ließ sich anschließend zum Flughafen Zürich fahren, wo er mit seiner alten Karte einen Flug nach Miami buchte. Mit der neuen Karte buchte er den Flug, den er tatsächlich nahm. Wo ist Crackhead 3000 heute? Selbst der Nachrichtendienst weiß es nicht.    

 

Samstag, 15. November 2025

Ein Quantum Toast

 

Blogstuff 1229

„Der Weg zur Hölle ist mit schwachen Umsätzen gepflastert.“ (Christian Lindner)

Die Türkin Cansel Kiziltepe ist Senatorin für Arbeit & Gedöns (z.B. „Vielfalt“ – dass ich nicht lache). Berlin steht also kurz vor der Einführung der Scharia.

Kann es sein, dass Trump Krieg gegen Venezuela führt, weil die Venezolanerin María Corina Machado Parisca den Friedensnobelpreis bekommen hat, der seiner Meinung nach nur ihm zustünde?

In Braunschweig wurde heute das erste Enkeltrick-Call-Center von Bonetti Media eröffnet. Anfangs sollen fünfzig Mitarbeitende für Umsatz sorgen.

Christian Lindner verkauft jetzt Autos. Ich bin enttäuscht. Früher hatten abgehalfterte FDP-Politiker ein Dutzend Aufsichtsratsposten und verdienten mehr als in der Politik. Passt aber irgendwie zu einer Drei-Prozent-Partei.

Warum gehen eigentlich jedes Mal die Alarmanlagen der Autos an, wenn ich vorbeigehe. Wiege ich womöglich zu viel? Und wo liege ich auf der Richterskala?

Kohl hat einmal gesagt, ab einer Staatsquote von fünfzig Prozent beginnt der Sozialismus. Demnach sind Frankreich und Finnland (je 57 Prozent 2024) und Österreich (56 Prozent) klar dem sozialistischen Lager zuzuordnen. Auch Italien, Belgien und Schweden gehören dazu. Deutschland tritt dem Club in diesem Jahr bei. Schon während der Pandemie 2020/21 lag die Quote knapp über fünfzig Prozent. Jeder zweite Euro wird in diesem Land also von Politikern und ihren nachgeordneten Behörden ausgegeben. Und jetzt sehen wir uns mal die Leute an, die in der Deutschland AG im Vorstand sitzen …

Sahra Wagenknecht gibt den Parteivorsitz ab (freiwillig?) und ihr Name wird aus dem Parteinamen gestrichen. So erging es mal den Stalin- und später den Lenindenkmälern. Es ist sicher ein harter Schlag für diese Personifizierung von Eitelkeit und Narzissmus. Das BSW wird genauso scheitern wie zuvor ihre „Aufstehen“-Bewegung, für diese Prognose muss man kein Prophet sein. Sie möchte demnächst eine Grundwertekommission leiten. Diese Kommissionen sind unter Politikern aller Parteien gefürchtet, denn sie werden gerne als Abstellgleis genutzt, um „Parteifreunde“ von der Praxis, den Medien und hohen Ämtern fernzuhalten. Jahrelang verfasst man politische Poesie über das Wahre, Gute und Schöne, das aber nie in die Realität umgesetzt wird.

Ein Blick ins Vorwort des CDU-Grundsatzprogramms genügt. „Unsere Politik beruht auf der Verantwortung vor Gott und den Menschen. Für uns ist der Mensch von Gott nach seinem Bilde geschaffen. Unser Kompass ist das christliche Bild vom Menschen. (…) Wir begegnen der Welt in Demut, weil wir wissen, dass wir nicht die letzte Wahrheit kennen.“ Ich brauche ein Taschentuch. Was hat Jesus eigentlich zum Thema Unternehmensbesteuerung gesagt?

Und jetzt werfen Sie bitte einen Blick auf die Grundwertekommission der SPD. Wen kennen Sie? Grundwertekommission der SPD – Wikipedia

Freitag, 14. November 2025

Teufels Werk und Lohmüllers Beitrag


Das erste Band zeigte einen Mann, der die Hintertür eines Lieferwagens mit der Aufschrift „Edeka Lohmüller“ öffnete. Er lud einen Laptop und eine Drohne ein, an der ein Päckchen befestigt war. Uhrzeit: 6:15.

Das zweite Band zeigte Lohmüller in Nahaufnahme. Der Hintergrund sah aus wie das Innere eines Lieferwagens. Lohmüller blickte konzentriert auf etwas knapp unterhalb der Kamera und man hörte gelegentlich das Geräusch der Tastatur. Uhrzeit: 6:45.

Das dritte Band zeigte einen Wald aus etwa fünfzig Meter Höhe, dann ein paar Straßen mit Einfamilienhäusern. Dann erkannte man, dass sich die Kamera der Innenstadt von L. näherte. Dann flog die Kamera immer tiefer, um schließlich senkrecht auf das Reiterstandbild am Friedrichplatz zu rasen. Plötzlich war das Bild weg. Uhrzeit: 7:00.

Das vierte Band zeigte das Innere eines Parkhauses. Lohmüllers Lieferwagen passierte die Schranke und fuhr davon. Uhrzeit: 7:05.

Das fünfte Band zeigte das Innere eines Supermarkts. Eine Menschenmenge stürmte in den Laden, offenbar in Panik. Bereits im Eingangsbereich standen fünf Europaletten Klopapier, die regelrecht geplündert wurden. Außerdem wurden jede Menge Konserven, Nudeln, Mehl und Hefe gekauft. Uhrzeit: 8:00.

„Reicht das, Lohmüller?“

„Woher haben Sie die Aufnahmen?“

„Ich bin ein guter Hacker.“

„Woher wussten Sie von meinem Plan?“

„Sie haben das Semtex von meinem alten Knastkumpel Uwe gekauft. Er will übrigens auch beteiligt werden.“

„An was?“

„Stellen Sie sich nicht dumm. Wie viel Umsatz haben Sie mit den Hamsterkäufen nach dem Anschlag gemacht?“

„Etwa 10.000 Euro.“

„Sie haben nicht nur kriminelle Energie, sondern auch Humor. Im Lager hatten Sie weitere fünf Paletten Klopapier und zwei Paletten Ravioli. Natürlich habe ich mir auch die Zahlen ihres Kassensystems angesehen. Sie haben exakt 58.641 Euro eingenommen.“

„Wie viel wollen Sie?“

„20.000 für mich, 10.000 für Uwe. Sie wissen, was ansonsten passiert?“

„Gut. Sie bekommen das Geld.“  

 

 

Donnerstag, 13. November 2025

Tag & Macht

 

Blogstuff 1228

11.11. Der Kanzler wird siebzig. Was hat Bonetti Media ihm geschenkt? Drei Jahre auf Bonetti Island in der Karibik. Ein Luxusressort in völliger Abgeschiedenheit, ohne Internetanschluss und Handyempfang. In Berlin übernimmt derweil Wurstkönig Markus I. das närrische Zepter. Baut Bierzelte auf, bringt bajuwarische Bauern mit ihren Traktoren auf den Ku‘damm, kostenlose Brezel für alle!

Das Leben ist eine lange schnurgerade Straße und hinter jeder Kurve wartet ein Abenteuer.

Hätten Sie’s gewusst? Heute vor hundert Jahren starb Remigius von Storch, Erfinder des Turnbeutels, in Bad Kissingen.

Godot war meine einzige Hauptrolle am Theater.

Jede Shopping Mall hat einen zentralen Platz, auf den alle Gänge zulaufen. Dort saß ich unter einer künstlichen Palme, als es losging. Aus vier Richtungen kamen Rentner auf mich zu, mit Rollatoren, humpelnd oder im Rollstuhl. Als sie auf dem Platz waren, stellte einer der Alten einen Ghettoblaster an. Sie bewegten sich synchron zu „Marmor, Stein und Eisen bricht“. Es war der gruseligste Flashmob, den ich je gesehen habe.

Kalauer, der es seit dreißig Jahren nicht in den Blogstuff schafft: „In den Achtzigern hatte ich mal einen Jute-Laune-Beutel.“

Forscher haben jetzt den Algenhai entdeckt, die einzige vegan lebende Haiart.

Endlich beginnt die Zeit der Weihnachtsfilme und Serienspecials wieder. Und wie immer geht es ausschließlich um den Coca-Cola-Weihnachtsmann, wie originell. Und am 1. Weihnachtsfeiertag verkündet uns Charlton Heston die zehn Gebote.

Via Stefan Rose erfahre ich vom Trend des performative reading, „das fadenscheinige Mitführen von erlesenen Büchern“ (David Hugendick, ZEIT 47/2025). Ich kenne es in einer anderen Variante aus meiner Jugend: Einfach den Umschlag von "Dialektik der Aufklärung" um das neue Fix&Foxi-Heft machen, im Café sitzen und den Frauen nachdenkliche Blicke zuwerfen.

„Kuh flieht vor Schlachter und schließt sich Schafherde an“. Danke, BILD, …äh SPIEGEL.

Dobrindt macht die Einbürgerungstests schwieriger. Erst wenn der Syrer weiß, wo Bartel den Most holt, bekommt er den deutschen Pass.

Als Kinder haben wir uns mit dem Strohhalm aus der Capri-Sonne eine Line Ahoi-Brause in die Nase gezogen. Und? Hat es uns geschadet?

Na, endlich! Das BSW wird in Bündnis Schlechter Witz umbenannt. Sahra darf aber weiterhin Drohnen über Kasernen und Fabriken steuern und nach Moskau berichten.

Mittwoch, 12. November 2025

Die Bücherfalle

 

99 Prozent aller Bewohner dieses Landes sind harmlos oder wenigstens unauffällig. Sie lesen Bücher wie „Sieben Stunden im Café Tibet“ oder „Wenn die Fingernägel Trauer tragen“. Aber es gibt auch toxische Literatur. Dann kommen die Book Hunters ins Spiel. Auch wenn ich dieses Projekt vorläufig allein durchziehe und es keine offizielle Bezeichnung für meine Tätigkeit ist. Aber es klingt gut.

Dienstagmorgen. Es liegt ein Grauschleier über der Stadt. Plötzlich geht das rote Warnlicht an und die kleine Sirene auf meinem Schreibtisch beginnt zu heulen. Jemand hat gerade „19 Tipps für Dschihadisten – Wie der Islam in Deutschland siegt“ in einer Wilmersdorfer Bibliothek ausgeliehen. Die 19 gehört zu den heiligen Zahlen im Islam, wie die 7 und die 99. Ich stürze aus dem Haus und halte ein Taxi an.

„Fahren Sie mich zur Dietrich-Bonhoeffer-Bibliothek“, rufe ich dem Fahrer zu.

Der Mann mit Turban und Rauschebart sieht mich verständnislos an.

„Brandenburgische Straße 2“.

Als ich ankomme, sehe ich gerade noch, wie ein Mann in Kaftan und Sandalen die Bibliothek verlässt. Er hat das Buch in seiner rechten Hand und geht eilig davon.

Die ganze Sache war meine Idee und ich konnte den Chef des Berliner Staatsschutzes davon überzeugen, dieses preiswerte Projekt zur Identifizierung von islamistischen Terroristen zu unterstützen. Zunächst musste ich natürlich den Ratgeber schreiben. Das war gar nicht so einfach. Tipps wie „Sprich mit den Ungläubigen über Allah und den Propheten“, gefolgt von mehrseitigen Koranzitaten, oder „Frag in der nächsten Moschee nach Schusswaffen“ waren ja noch einfach. Unauffälliges Verhalten – nur bei Grün die Straße überqueren, Metallica-Shirts tragen, gelegentlich einen Doppel Whopper essen – konnte ich aufgrund meines kulturellen Hintergrunds auch sehr gut beschreiben. Aber beim Thema Bombenbau musste ich die Leser natürlich in die Irre führen. Andererseits: Plastiksprengstoff aus Lego, Multifunktionsjacken als Sprengstoffgürtel – warum nicht?

Wir verbreiteten die Kunde von diesem Buch über V-Leute in Kreuzberg und Neukölln. Sie hatten es in Shisha-Bars und Dönerbuden dabei und blätterten auffällig darin herum. Wir hatten es in allen öffentlichen Bibliotheken Berlins platziert. Sobald die Signatur bei der Ausleihe eingescannt wurde, ging in meinem Büro der Alarm los. Sicherheitshalber war im Einband noch ein GPS-Tracker, damit ich es orten konnte, wenn ich die Spur verlieren sollte. Ein bundesweit einmaliges Projekt. Der Staatsschutz war sehr stolz darauf.

Ich folge den Mann mit dem Buch unauffällig bis zu seiner Wohnung und schreibe mir die Adresse auf. Er wohnt im Erdgeschoss. Ich sehe, wie er den Kaftan auszieht. Darunter hat er ein weißes Baumwollhemd und eine Jeans an. Dann nimmt er die schwarze Perücke und den falschen Bart ab. Irgendetwas scheint hier nicht zu stimmen. Der Mann ist blond.

Am nächsten Morgen klingelt der Verfassungsschutz an meiner Tür. Man hat mich ab der Bibliothek observiert und findet das Manuskript auf meinem Rechner. Mein Chef muss einiges erklären und ist über den Verlauf der Operation Bücherfalle alles andere als begeistert. Mein neuer Job im Archiv ist nicht ganz so aufregend.

 

Dienstag, 11. November 2025

Bonetti in Bornheim


Es muss etliche Jahre her sein, dass Andy Bonetti in Bornheim gelesen hat. Auf Einladung des Bürgermeisters hat er im Gemeindesaal einige Kapitel aus seiner erfolgreichen Pralinski-Biographie vorgetragen, nun spaziert er frohen Mutes durch die Straßen. Er trägt seinen schneeweißen Reiseanzug, eine karmesinrote Krawatte und einen Panamahut, der sein gesalbtes Haupt gegen die Sonne schützt. Die Passanten grüßen ihn artig und ältere Herren lüpfen sogar lächelnd ihre Hüte.

Bonetti betritt ein Kaffeehaus und setzt sich an einen freien Tisch am Fenster. Sogleich fliegt eine Kellnerin heran und fragt nach seinen Wünschen. Er bestellt eine große Tasse Milchkaffee und fragt nach der Speisekarte. Während die Kellnerin davon eilt, um seinen Wunsch zu erfüllen, tritt der Kaffeehausbesitzer an seinen Tisch und überreicht ihm die Speisekarte. Er empfiehlt die belgischen Waffeln mit Vanilleeis. Bonetti nickt zufrieden, möchte aber zu den Waffeln und dem Eis noch ein Schälchen Erdbeeren. Der Besitzer lächelt erfreut und geht persönlich in die Küche.

Während Bonetti auf den Kaffee wartet, kommt ein kleines Mädchen mit Zöpfen an seinen Tisch und schaut ihn an.

„Na, Kleine, wer bist du denn?“

Sie sagt nichts und schaut ihn weiter an.

Eine junge Frau kommt zögernd näher.

„Das ist Susi“, sagt sie. „Sie ist jetzt sieben Jahre alt.“

„Und?“

„Sie haben sie nach Ihrer letzten Lesung gezeugt, Mister Bonetti. Ich bin so stolz auf das Kind.“

„Oh. Wirklich?“

Ein Mann mit einer grünen Schürze kommt näher, während die Kellnerin den Kaffee serviert.

„Mister Bonetti“, sagt er, „ich habe Ihren Rat befolgt. Das ist die Rosa foetida bonetti.“ Er hält ihm einen Strauß gelber Rosen vor die Nase, die einen unangenehmen Geruch verströmen.

„Großartig“, sagt Bonetti und riecht an seinem parfümierten Seidentuch, das er hastig aus der Brusttasche gezogen hat.

Alle Gespräche im Kaffeehaus sind längst verstummt, die Blicke der Gäste sind auf Andy Bonetti gerichtet.

Endlich kommen die belgischen Waffeln mit Eis und Erdbeeren.

„Voilá, Mister Bonetti. Wir haben uns erlaubt, ihre Kreation als ‚Surprise à la Bonetti‘ auf die Speisekarte zu nehmen.“

Bonetti beginnt zu essen. Alle schauen ihm gespannt zu. Vor dem großen Fenster des Kaffeehauses hat sich inzwischen eine riesige Menschenmenge versammelt. Stumm zeigen sich die Leute den großen Dichter gegenseitig mit dem Zeigefinger. Hunderte Smartphones werden in die Höhe gehalten, um die Szene für die Ewigkeit festzuhalten. Die Polizei versucht, den Stau aufzulösen, der sich durch die Gaffer vor dem Kaffeehaus gebildet hat.

Aus dem Hintergrund hört Bonetti ein Hämmern. Es ist ein Handwerker, der gerade ein Messingschild mit der Aufschrift „Hier hat der Schriftsteller Andy Bonetti am 3. November 2025 gespeist“ an der Wand des Kaffeehauses befestigt.

Es ist nicht leicht, ein berühmter Künstler zu sein. Die Menschen machen sich keine Vorstellung von diesem Leben.

Nachtrag: Die Kellnerin des Kaffeehauses war übrigens eine Studentin an der Universität der Künste in Berlin und verdiente sich zu diesem Zeitpunkt in ihrer alten Heimat gerade ein wenig Geld zur Fortsetzung ihres Studiums. Jahre später hielt sie die geschilderte Szene in einem großflächigen Gemälde fest. „Bonetti in Bornheim“ hängt heute im Pariser Louvre und gilt als eines der großen Meisterwerke der zeitgenössischen Kunst. Es soll den berühmten amerikanischen Regisseur David Lynch zu seinem Opus magnum „The Bonetti Mysteries“ inspiriert haben. In diesem Film hat Andy Bonetti zwei Cameo-Auftritte: Wir sehen ihn zunächst auf einer Flugreise als Sitznachbarn des Hauptdarstellers, in seiner Hand ein Glas Bourbon mit Eis (nach 7 Minuten), später sehen wir seine markante Silhouette hinter der Milchglasscheibe einer Tür mit der Aufschrift „Registratur für Geburten und Sterbefälle“ (nach 144 Minuten).

Montag, 10. November 2025

Die Topographie der Ignoranz


Blogstuff 1227

„Bonetti? Dieser arrivierte Bourgeois mit Villa in St. Tropez? Der gerne den Gesellschaftskritiker spielt und Verständnis für die Sorgen der kleinen Leute heuchelt, während er kubanische Zigarren raucht und Champagner trinkt? Der mit Rheinmetall-Aktien und MAGA-Mützen ein Vermögen verdient hat und den Kindern an Halloween Steine in den Beutel wirft? Der eiskalte Faschist, der vorgibt, ein sensibler Künstler zu sein? Ich mag ihn.“ (Lars Klingbeil)

Viele Superstars werden mit ihrem Ruhm nicht fertig. Das Problem hatte ich nie. Aber jede Lobeshymne in den Medien lähmt mich für einen Tag und ich frage mich, wie ich diesen hohen und immer höher werdenden Ansprüchen des Publikums auch weiterhin gerecht werden kann.

Im Café. Ein Opa bestellt bei der jungen Kellnerin nicht nur eine Tasse Kaffee, sondern erzählt ihr auch in breitem Dialekt, dass er früher Kadetten bei der Marine ausgebildet hat. Ich sehe förmlich das Fragezeichen über ihrem Kopf. Dann packt er eine B.Z. aus und sagt laut „Dann wolln wa ma“. Er sitzt am Nachbartisch und ich fürchte, dass er mich anspricht und mich buchstäblich zu Tode langweilt. Also vertiefe ich mich in meinen Tagesspiegel. Auch gebürtige Berliner können Nervensägen sein.

Ich werde diesen Augenblick nie vergessen. Es war in meinem ersten Jahr bei der Kripo. Der Sanitäter schloss gerade den Leichensack über dem Gesicht eines jungen Mannes, als dessen Handy losging. Die Melodie: „Who wants to live forever“ von Queen.

Sergeant Klepper war verheiratet, hatte aber keinen Sex mehr, seit der Gerichtsvollzieher den Pelzmantel seiner Frau und den Fernseher gepfändet hatte.

Humoristen, egal ob sie sich Comedians oder Kabarettisten nennen, sind auch nur Dienstleister und sollten sich nicht allzu wichtig nehmen. Ihr seid Pointenkellner, dafür werdet ihr bezahlt, also kommt mir nicht mit Bühnenjubiläum und sentimentalen Anwandlungen. Mein Dönermann macht seinen Job jetzt auch schon seit 25 Jahren und macht kein großes Ding draus.

Julia Klöckner hat Deutschland als den Puff Europas bezeichnet. Ist die CDU schon im Wahlkampfmodus – und auf dem Weg zu 15 Prozent? Als ich diese Frau zuletzt im Fernsehen gesehen habe, hatte sie fingerdick weiße Schminke im Gesicht und absurd rote Lippen. Solche Frauen stehen meistens vor dem Hauptbahnhof, man nennt es auch moderne Bauernmalerei.

Aus meinem Tagebuch: „1. Mai 1985. Ich beschließe, meinen revolutionären Pflichten nachzukommen und das System zu infiltrieren. Ich nehme einen Job in einer Chemiefabrik an, die aus geschredderten Küken Glyphosat herstellt. An meinem ersten Arbeitstag bekomme ich einen grauen Kittel und einen Besen ausgehändigt. Der Marsch durch die Institutionen beginnt.“