Donnerstag, 31. Juli 2014

Sommerloch

Die Fußballweltmeisterschaft ist vorbei, die Politiker verabschieden sich in die Parlamentsferien, die Kinder bekommen ihre Schulzeugnisse und es gibt auch keinen neuen „Tatort“. Es passiert überhaupt nichts in Deutschland. Sämtliche A-Z-Promis sind verreist oder lümmeln sich am Baggersee rum. Trotzdem müssen aber die Zeitungen und Internetseiten irgendwie mit Lesestoff gefüllt werden. In ihrer Verzweiflung besuchen die Reporter dann rituell den Bürgermeister eines Dorfes namens Sommerloch, das nur wenige Kilometer von Schweppenhausen entfernt liegt. Es hat mit gut vierhundert Einwohnern noch nicht mal halb so viele Bewohner wie Schweppenhausen und selbst hier ist nichts los. Was soll der Mann erzählen? Was sollen die Reporter schreiben? Hier ein paar Vorschläge:
Archäologen (oder, wenn man das nicht schreiben kann: Geologen) finden heraus, dass der neue Berliner Flughafen auf einem alten Indianerfriedhof gebaut wird. Darum klappt auch nix. Es liegt ein Fluch auf dem Gelände. Es bieten sich Interviews mit Geisterheilern und Schamanen an. Man findet sie an Volkshochschulen, wo sie Kurse im Handauflegen und zum Gebrauch von Wünschelruten geben. Tipp: Live-Übertragung einer Séance, in der ein Medium mit einem rätselhaften Namen (Leutheusser-Schnarrenberger oder Raben-Freddy) Kontakt mit den toten Indianern aufnimmt.
Ein dänischer Kommunalpolitiker fordert die Rückgabe von Sylt an Dänemark und kann den Gebietsanspruch mit einem alten Autoatlas beweisen. Er wird von dankbaren Fernsehredakteuren in sämtliche deutschen Talkshows eingeladen und trifft überall auf Wolfgang Bosbach. Man könnte zum Boykott von Lego und Tuborg-Bier aufrufen.
In einem Badesee wird ein Krokodil gesichtet. Wahlweise auch ein weißer Hai oder eine Riesenkrake. Jedenfalls muss es ekelhaft sein, wenn man mit dem Fuß dran kommt. Die Hysterie kann man über Wochen in aller Ruhe hochziehen wie eine Backsteinmauer. Möglicherweise kann man die Aktion auch mit einem Sponsoring durch die Betreiber von Hallenbädern querfinanzieren. Das notwendige Reptil im Handtaschenformat gibt es in jeder Zoohandlung zu kaufen.
Ein CSU-Hinterbänkler fordert eine Maut für Fahrradfahrer. Hinterbänkler der Grünen und der Linken sind total sauer und sprechen darüber in den Talkshows. Sie fordern im Gegenzug eine Maut für jeden Bayern, der den Freistaat verlässt, und eine Sondersteuer auf Lodenmäntel.
Auf Mallorca nehmen die Russen angeblich den Deutschen die Handtücher weg, die sie ab fünf Uhr morgens auf den Liegen am Swimmingpool platzieren. Und die Engländer haben natürlich nix gesehen. Ganz Deutschland empört sich. Putin ist der neue Hitler. Ach was! Sowas hätte Hitler nicht gemacht. Putin ist schlimmer als Hitler.
Peter Gabriel – Biko. http://www.youtube.com/watch?v=3ncVyxQRw70

Bonettis Helfer

Heinz Äugelein, Chauffeur, 58, war früher Landarbeiter, Flötist und Trapezkünstler. Er stammt aus Butzbach und hat als junger Mensch mit dem Zirkus Bonetti unter dem Namen „Das fliegende Äugelein“ die Welt gesehen. Er hat Mirabellen geerntet, für einen namhaften Tequilahersteller Agaven gemolken, mit seiner Okarina in Fußgängerzonen auf allen Kontinenten gespielt und auf dem Hochseil die Niagarafälle überquert. Im Winter arbeitete er entweder für einen Räumdienst oder war arbeitslos gemeldet. Neben seiner Tätigkeit als Fahrer erledigt er auch die Einkäufe und kümmert sich um den Garten der Villa Bonetti. Kleinere Reparaturen am Haus und das Wechseln von Glühbirnen fallen ebenfalls in seinen Aufgabenbereich.
Johann Fleckmeier, Kammerdiener, 39. Er hat eine wilde Jugend bei der MMBN (Maoistische Masochisten Bad Nauheim) hinter sich und war früher auf jeder größeren Demonstration in Frankfurt gewesen. Man sieht ihm heute seine Vorstrafen wegen Landfriedensbruch, Sachbeschädigung (er hat Mercedes-Sterne gesammelt) und Drogenhandel nicht mehr an, wenn er mit blasiertem Blick und gestreifter Weste die Haustür öffnet. Neben seiner Ausbildung als Diener hat er nach seinem Realschulabschluss eine Lehre als Koch absolviert (während er als glühender Maoist auf die Revolution gewartet hatte) und bereitet seinem Herrn auf dessen Wunsch besonders gerne indische Currygerichte und diverse Süßspeisen zu. Er ist der einzige Mitarbeiter, der auch in der Villa Bonetti wohnt.
Ilka Schubs, Sekretärin, 45. Sie ist unbestritten ein großes Organisationstalent und führt Bonettis umfangreichen Terminkalender. Sie arbeitet bereits seit zwanzig Jahren für den berühmten Schriftsteller und ist seine älteste Mitarbeiterin. Er diktiert ihr seine Romane, während er auf einem Diwan liegt oder im Arbeitszimmer auf und ab geht. Sie versorgt ihn auch mit dem neuesten Klatsch aus Bad Nauheim, der ihn immer wieder zu heiteren Kurzgeschichten und Figuren für seine Romane anregt. Sie schirmt Bonetti vor den zahlreichen Anfragen aus dem Kultur- und Medienbereich ab und beantwortet auch die Fanpost.
Die Zwillinge Tino und Toni Schwendlinger, 34, von Bonetti auch kurz Schwendlinger Eins und Schwendlinger Zwo genannt, sind für die oft aufwendigen Recherchen zuständig. Umfangreiche Kompendien wie „Das Plastikzeitalter“, eine Familiengeschichte über fünf Generationen, der jährlich erscheinende „Bad Nauheimer Musenalmanach“ oder die dreibändige „Chronik des belgischen Seifenhandels“ wären ohne die beiden studierten Historiker gar nicht möglich gewesen. Für heikle Undercover-Recherchen wird gelegentlich Ronny X hinzugezogen, der nur gegen Bargeld arbeitet und ab 21 Uhr im Golden Gate Tabledance Club im Frankfurter Bahnhofsviertel anzutreffen ist (Sonntag Ruhetag).
Dr. Igor Klotz, seit langen Jahren Lektor Bonettis und für die literarische Betreuung seines Werks im Frankfurter Suhrkampf Verlag zuständig. Von ihm stammt auch die Idee, auf den Buchrücken das Motiv eines Feuersalamanders in Einzelteilen darzustellen, so dass zwanzig Bonetti-Bände nebeneinander das vollständige Bild eines Feuersalamanders zeigen. Bonetti ist das italienische Wort für Feuersalamander, so wie Kafka das tschechische Wort für Dohle ist; gute Freunde dürfen Andy Bonetti daher auch „Lurchi“ nennen. Klotz arbeitet seit Jahren heimlich an einem Mammutwerk mit dem Titel „Gespräche mit Bonetti“, das nach dem Tod des Meisters erscheinen soll (vgl. „Gespräche mit Goethe“ von Johann Peter Eckermann).
Johnny Guitar Watson – I Wanna Thank Ya. http://www.youtube.com/watch?v=HFy__3aYp-M

In eigener Sache

In unserem Redaktionsbüro stapeln sich die Briefe von Lesern, die sich darüber beschweren, dass es nur noch um Andy Bonetti ginge. Zuständig für die Berichterstattung über Andy Bonetti ist Frau Schubs, deren Schwester für den großen Meister arbeitet. Sie ist ein großer Fan von ihm und hat angekündigt, ab nächster Woche einen Bonetti-Starschnitt in 72 Teilen zu veröffentlichen. Als erstes kommt der linke Ellenbogen.
Die Reihenfolge der Körperteile folgt keiner bestimmten Systematik, sondern ist rein willkürlich gewählt. Der Zufall ist aus der Perspektive des Neukantianismus nur eine Möglichkeit, der beim Übergang in die Realität die Notwendigkeit fehlt. Gerade das Fehlen einer Notwendigkeit macht daher den Charakter des Zufälligen aus, wie es der bekannte Philosoph Wilhelm Windelband (1848-1915) in seiner Dissertation „Die Lehren vom Zufall“ 1870 dargelegt hat, die wiederum Andy Bonetti zu seinem Roman „Neulich in der Lottoannahmestelle“ inspirierte.
P.S.: Die Kiezschreiber-Redaktion ist ab 1. August für zwei Wochen in Urlaub. Fanpost bitte an: Monika Schubs, Bonetti Boulevard 1a, 55444 Schweppenhausen.
Manfred Mann’s Earth Band – I’ll Be Gone. https://www.youtube.com/watch?v=A_YU77j6_os

Mittwoch, 30. Juli 2014

Last Exit Kelsterbach

Gerechtigkeit gibt es im Kapitalismus so wenig wie einen Gott im Marxismus. Aber es gibt die ganze schillernde Welt der Hoffnung und der Enttäuschung, von Gelingen und Versagen. Oft sind beide Sphären räumlich sehr eng miteinander verwoben: Vor einem unglaublich noblen Restaurant sitzt vor Kälte und Hunger zitternd der bettelnde Obdachlose. Im Restaurant sitzen der Finanzmogul Jochen Goldschildt und Andy Bonetti.
„Mister Bonetti, was halten Sie von den Demonstrationen gegen Israel wegen des Gaza-Kriegs?“
„Sie sind für mich ein Ausdruck von Narzissmus und westlicher Dekadenz. Niemand kann ernsthaft glauben, mit einer Demonstration, die nicht länger als eine übliche Sportveranstaltung oder ein Popkonzert dauert, einen Krieg, der viele tausend Kilometer entfernt stattfindet, stoppen zu können. Selbst wenn die Demonstrationsteilnehmer einen oder zwei Sprecher auswählen dürften, die mit den verantwortlichen Staatschefs reden – es würde sich nichts ändern. Keine Demonstration kann einen Krieg beenden. Aber es hilft den Demonstrationsteilnehmern, sie fühlen sich besser. Den Kriegsopfern hilft es nicht. Die Demonstranten haben jedoch das Gefühl, etwas getan zu haben. Das nenne ich Narzissmus.“
„Was halten Sie von der ständigen Kritik an den Banken?“
„Das ist eine rein rhetorische Problembearbeitung. Ich sehe nicht, dass die Menschen ihr Geld oder ihre Geschäfte von den Banken abziehen. Alles läuft weiter wie bisher, weil alle Menschen weiter wie bisher laufen. Selbst linksalternative Weltverbesserer haben ein Girokonto und einen Bausparvertrag.“
„Dann müssen wir uns keine Gedanken über die Demonstrationen vor unseren Verwaltungsgebäuden machen?“
„Nein. Das sind nur junge Leute, die ein Zeltlager oder eine andere Aktion veranstalten, um sich vor ihren Freunden und Freundinnen in der sogenannten Szene aufzuplustern. Reine Selbstdarstellung. Und die Zeltlager werden recht schnell von Roma und Sinti, von Asylbewerbern und Obdachlosen übernommen, wenn die wohlhabenden Akademikerkinder übers Wochenende in die heimischen Einfamilienhausviertel verschwinden.“
„Was sollen wir tun, Mister Bonetti?“
„Versuchen Sie, die besten von ihnen als Mitarbeiter zu gewinnen. Und dem Rest drehen Sie einen Investmentfond an oder eine Lebensversicherung.“
„Es tut immer gut, mit Ihnen zu sprechen.“
„Und ich freue mich immer wieder über einen gelungenen Dialog zwischen Wirtschaft und Kultur, Mister Goldschmidt. Wollen wir den Nachtisch bestellen?“
„Gerne. Die Creme brüllé soll hier ja ganz hervorragend sein. Es wird also keine Revolution geben, solange ich im Vorstand sitze?“
„Nö. Vergessen Sie’s. Alte Menschen machen keine Revolution mehr und sie sind langfristig in der Mehrheit. Junge Menschen werden durch neue Computerspiele und Social Media abgelenkt, wo sie sich gegenseitig Katzenvideos und Fotografien ihrer Mahlzeiten zuschicken.“
„Was halten Sie von der heutigen Jugend, Mister Bonetti?“
„Die Jugend ist immer gleich. Ihr Vorteil ist, dass sich das Rouletterad immer noch dreht, während wir Alten die Zahl leben müssen, die wir zufällig zugewiesen bekommen haben. Ihr Nachteil ist, dass sie sich verlieben und blind werden. Und dann gründen sie eine Familie und bereuen es ihr ganzes Leben. Die Natur ist teuflisch. Erst im Alter erkennen wir den Zufall und die Liebe als billige Taschenspielertricks des Schicksals.“
"Was fehlt dieser Welt?"
"Demut und Barmherzigkeit, mein lieber Goldmichel. Demut und Barmherzigkeit."
P.S.: Im nächsten Monat erscheint Andy Bonettis Frauenratgeber „Das war’s, Lars – So beenden Sie eine Beziehung richtig“.
Fischer Z – Luton to Lisbon. http://www.youtube.com/watch?v=g5Cs2VfjG50

Dienstag, 29. Juli 2014

Netzfundstücke

Mein Lieblingswissenschaftler ist Professor Hörmann aus Österreich. Wenn wir nicht sofort das ganze Geld abschaffen, kommen die Außerirdischen (von denen seiner Meinung nach einige bereits unter uns weilen – schauen Sie sich nur mal um!) und räumen den Laden hier mal so richtig auf.
http://www.youtube.com/watch?v=iwNNJniSYyI
Schön ist auch die “Bürgerstimme” mit Sitz in Spanien, die uns ein wohltuend anderes Bild von Wladimir Putin vermittelt. Er ist uns allen ein Vorbild und bewahrt mit seinem „Chi“ die Menschheit vor dem dritten Weltkrieg.
http://www.buergerstimme.com/Design2/2014-07/wladimir-putin-vorbild-mensch-und-stratege/
Wir lachen über die Chinesen, die glauben, mit Nashornpräparaten ihrer Libido neuen Schwung verleihen zu können. Die Österreicher verarbeiten ihre Murmeltiere zu Salbe. Was für eine Welt … - ich hoffe, die Aliens kommen bald.
http://www.murmeltier.at/salben/original-murmeltier-salbe-13/?gclid=CPC87tjP6r8CFerpwgodc3wALg

Down and out in Bauernheim

Bauernheim ist ein Bilderbuchdorf in Hessen mit gepflegten Straßen, Blumenkästen an den Fenstern, einem Maibaum und sogar etwas Kunst neben der Bushaltestelle. Die Menschen hier sind freundlich und rechtschaffen. Sie gehen anständigen Berufen nach, zahlen brav ihre Steuern, genießen ihren gediegenen Wohlstand und halten sich treu an die Gesetze. In Bauernheim habe ich noch nie einen Falschparker gesehen. Hier, unweit von Bad Nauheim, ist die Welt noch in Ordnung. Wenn ich dort zu Besuch bin, fühle ich mich immer an das Auenland erinnert. Friedliche Hobbits, die des Abends beim Schoppen in ihren zahlreichen Gasthäusern sitzen und deren Gespräche um die nächste Ernte, das Wetter, die Kinder, den Beruf und das Vereinsleben kreisen. Diese ehrbaren Bürger sind das Salz der Erde. Wenn nicht neunzig Prozent aller Deutschen genauso leben würden, wie sie es tun, wäre diese Republik längst am Ende. Ich bin dankbar, dass es Orte wie Bauernheim gibt. Wenn alle Menschen Tagträumer und Taugenichtse wie die Berliner wären – nicht auszudenken.
In dieser vorbildlichen Gemeinde gibt es einen berühmten Bürger, auf den alle stolz sind: Thomas Geyer, Bundestagsabgeordneter im Berliner Reichstag. Er hat sich jahrelang um die Belange des Dorfes gekümmert, hatte stets ein offenes Ohr für die kleinen Sorgen der Bewohner, war ein gern gesehener Gast auf Dorffesten und Familienfeiern, ein freundlicher und hilfsbereiter Nachbar, zu dem Jung und Alt aufgeschaut haben. Auf Bundesebene hat er sich als unerschrockener Verfechter unserer Grundrechte und tapferer Kämpfer gegen die amerikanische Spionage einen guten Ruf erarbeitet. Er ist permanent in den Medien präsent und gelegentlich habe ich sein Gesicht sogar in der Tagesschau gesehen. Und plötzlich schlägt die Meldung wie ein Blitz ein: Thomas Geyer gesteht öffentlich, dass er Crystal Meth, also harte Drogen, genommen hat – nachdem ihn seine Berliner Dealerin verpfiffen hat und die Ermittlungsbehörden SMS-Nachrichten mit Drogenbestellungen von seinem Diensthandy sichergestellt haben (die er mit der Fahrbereitschaft des Bundestags in einer Schöneberger Gartenlaube abgeholt haben soll …). Ein Skandal, der es auf die Titelseiten der Presse schafft und der landesweit diskutiert wird. Die glänzende Karriere dieses Mannes scheint unwiderruflich zerstört.
Für die braven Bauernheimer ist die Geschichte ein Schock. Es ist, als sei die Sonne vom Himmel gefallen. Plötzlich bekommt die heile Welt im Auenland hässliche Risse und Reporter von der BILD-Zeitung schleichen durch die sauberen Gassen des Dorfes. Die Bürger wollen es einfach nicht glauben, dass „ihr Thomas“ so etwas getan haben soll, und halten bis zu seinem öffentlichen Geständnis, das sein Rechtsanwalt in den Medien verbreiten lässt, mit eherner Nibelungentreue an ihm fest. Das kann nicht sein! Das darf nicht wahr sein! Und auf Diskussionsbeiträge oder gar Kritik in Internetforen reagieren sie humorlos bis hysterisch. Sie sind es einfach nicht gewohnt, dass das grelle Scheinwerferlicht des öffentlichen Interesses ausnahmsweise auf ihren Ort fällt. Als die Regionalzeitung einen Tag vor dem Geständnis berichtet, aus seinem „Umfeld“ habe man die Information, dass er Crystal Meth nähme, und ich bei Facebook die Vermutung äußere, ein „Wichtigtuer aus der Nachbarschaft“ habe es der Zeitung gesteckt (übrigens ein insgesamt harmloses Pro Geyer-Statement, das vom amtierenden Bürgermeister und Parteifreunden Geyers geliket wurde), kommen wütende Kommentare – selbst der Pressesprecher des örtlichen Sportvereins entblödet sich nicht – und ich erhalte sogar einen unverschämten, oberlehrerhaften Brief von einem Bauernheimer CDU-Mitglied. Am selben Tag werde ich in Bauernheim von einem adipösen Nachbarn von Thomas Geyer persönlich auf meine „Verleumdung“ angesprochen. Innerhalb weniger Tage hat sich das nette hessische Dörfchen in ein sizilianisches Wespennest verwandelt.
Mir tut vor allem Thomas Geyer leid. Es ist traurig, dass er wegen einer Sache, mit der er nur sich selbst, aber keinem anderen geschadet hat, jetzt öffentlich an den Pranger gestellt wird. Aber es ist ebenso traurig, dass er als lebendes Vorbild in einem Bilderbuchdorf leben muss, in dem die Menschen allen Ernstes glauben, er habe fünfzig Jahre keine Drogen genommen, dann einen Monat eine der härtesten Drogen der Welt und danach wieder gar nichts. Ich finde diese Naivität, die sich in diesem Fleckchen deutscher Provinz bewahrt hat, geradezu rührend. Harte Drogen? Vielleicht in Frankfurt oder Berlin, aber nicht bei uns! Ich habe selbst lange in Berlin gelebt (die Erlebnisse habe ich in meinem Roman „Bonettis Metropolis“ verarbeitet) und in dieser Stadt – sowie in etlichen Redaktionen – hat man ein ganz anderes Bild von Thomas Geyer. In Berlin, genauer gesagt im Prenzlauer Berg, wo er neben seinem Bauernheimer Domizil noch eine weitere Wohnung unterhält, konnte er richtig aufleben. Dort konnte er so sein, wie er im Auenland nie sein durfte. In Berlin kennt man ihn als liebenswerten und witzigen Homosexuellen, der gerne feiert, Alkohol in rauen Mengen verträgt und gelegentlich auch mal andere Sachen ausprobiert. Und jetzt eben Crystal Meth. Na und?
In Berlin ist die halbe Stadt auf Koks und die andere Hälfte ist gerade besoffen. Mein Nachbar in Berlin hat jahrelang gekokst und Crystal Meth eingepfiffen. Der Mann ist um die Fünfzig und ist jeden Morgen mit Schlips und Aktentasche ins Büro gegangen, ohne dass es jemals aufgefallen wäre. Ich kenne Leute, die waren zwanzig Jahre heroinabhängig und haben in dieser Zeit geheiratet, eine Familie gegründet, ein Haus gebaut und sind selbstverständlich durchgehend berufstätig gewesen. Und in meinem Berliner Kiez habe ich auf der Motzstraße (wo jedes Jahr das größte „lesbisch-schwule Stadtfest“ Europas stattfindet) schon Schwule im Ledermini und Strapsen und mit Zehn-Tage-Bart gesehen, da war Conchita Wurst noch gar nicht auf der Welt. Das ist die Wirklichkeit im Jahre 2014: Es gibt Schwule und es gibt Drogen – und es gibt Schwule, die Drogen nehmen. Jetzt ist auch Bauernheim endlich in der Wirklichkeit angekommen. Und die sieht ganz anders aus als im Fernsehen.
P.S.: Zuletzt habe ich Thomas Geyer beim Public Viewing des Spiels Deutschland-Portugal am 16. Juni vor dem evangelischen Gemeindehaus in Bauernheim gesehen. Das Endspiel hat er sich vermutlich alleine in seinem Wohnzimmer angeschaut, weil die elende Journaille sein Haus belagert. Ich hoffe, dass seine Partei zu ihm hält und er weiter in der Politik arbeiten kann. Und so manchem Bauernheimer wünsche ich die gleiche Gelassenheit im Umgang mit Kritik, die man von Berlinern gewohnt ist, die 365 Tage im Jahr Häme und Lästereien ertragen müssen und in deren Stadt selbst die Skandale noch ein größeres Format haben als anderswo.
House of Pain – Jump Around. http://www.youtube.com/watch?v=KZaz7OqyTHQ

Montag, 28. Juli 2014

Moon over Schwalmstadt

Es ist ein Riesenzufall. Wir haben uns mindestens zehn Jahre nicht mehr gesehen. Ich trinke gerade einen Bourbon, als er an die Theke tritt, um sich ein Bier zu bestellen.
„Andy? Bist du’s? Andy Bonetti?” fragt er mich ungläubig.
Ich habe ihn schon lange erkannt und nicke nur lässig. „Sven Wegener, wenn ich mich recht entsinne.“
Er lacht und schüttelt den Kopf. „Das ‚Kloster‘ in Kreuzberg. Die guten alten neunziger Jahre.“
Ich lache auch. „Du mit den Jungs von der Band auf der rechten Seite vom Tresen. Ich mit meinen Jungs von der Buchhandlung auf der linken Seite. Und immer Whisky aus Wassergläsern.“ Das „Kloster“ in der Skalitzer Straße am Schlesischen Tor ist damals meine Stammkneipe gewesen.
„Randvoll eingeschenkt. Wie es Elke wohl geht?”
Elke war die Wirtin und eine Punkerin wie aus dem Bilderbuch. Frisur, Make-up, Ledermini, Strapse - Kreuzberg hat nie wieder so eine großartige Punkerin gesehen wie sie. „Keine Ahnung“, antworte ich, „ich wohne nicht mehr in Berlin. Aber das ‚Kloster‘ hat schon lange geschlossen. Da ist jetzt so ein Touri-Schuppen drin.”
Wir stoßen auf die alten Zeiten an. Ich spendiere eine Runde Bourbon. Dann spendiert er eine Runde Bier. Wir stellen fest, dass wir beide Geschichten schreiben.
„Ich wohne nicht weit von hier“, sagt er.
„Gibt’s eine Tanke auf dem Weg?“ frage ich.
„Ich habe einen Kühlschrank voller Bier und eine gut sortierte Bar.“
Eine Viertelstunde später sitzen wir zusammen vor seinem Computer. Wir müssen nicht lange überlegen, welche Geschichte wir erzählen wollen. Es geht um die beste Kneipe des Universums und was wir alles dort erlebt haben. Wir lachen die halbe Nacht und vom abwechselnden Trinken und Reden bekomme ich Schluckauf.
Ich penne auf seinem Sofa im Wohnzimmer. Am nächsten Morgen erwache ich ohne Kater – ich bin immer noch betrunken.
„Kannst du mir Klamotten zum Wechseln geben? Ich brauche unbedingt eine Dusche.“
Er gibt mir ein T-Shirt, Shorts und Socken. Meine Sachen schmeiße ich in seinen Wäschekorb. Ich komme frisch geduscht und mit einem Handtuch auf den Schultern aus dem Bad und gehe in sein Arbeitszimmer.
Ich grinse ihn an. “Mir ist da gerade noch was eingefallen.“
„Ich mach uns mal ein kräftiges Frühstück“, sagt er und steht vom Schreibtisch auf.
Ich setze mich und beginne zu schreiben.
„Rühreier mit Speck und Zwiebeln?”
“Danke! Und schön scharf.”
“Wie scharf?”
“So scharf, wie du es gerade noch vertreten kannst. Und dann noch ein bisschen Chili dazu.“
Als er das Frühstück auf einem Tablett ins Arbeitszimmer bringt, stehe ich auf und bitte ihn, am Schreibtisch Platz zu nehmen. Während wir essen, liest er die neuen Textteile. Er macht mit vollem Mund ein paar Ergänzungen und Korrekturen, aus dem Dachsgepäckträger wird ein Dachgepäckträger.
Nach dem Essen trinken wir ein Bier und arbeiten zusammen weiter.
So entstand die Novelle „Moon over Schwalmstadt“.
The Communards – Never Can Say Goodbye. http://www.youtube.com/watch?v=DxsLoxbxeug

Sonntag, 27. Juli 2014

The Butzbach Files

Bonetti steigt aus dem Wagen und betrachtet eine Weile die Fachwerkfassade des Hotels „Kaiserhof“. Er ist zum “Butzbacher Literaturherbst” eingeladen und wird heute Abend aus seinen „Bad Nauheimer Elegien“ vortragen. In diesem Werk geht es um die Endlichkeit des Daseins im Allgemeinen und um seine chronischen Verdauungsbeschwerden im Besonderen. Er ist wie immer auf den Punkt vorbereitet. Er kennt nicht nur den Namen des Oberbürgermeisters, der im übrigen Erwin Schlonz heißt und die Veranstaltung mit einer kurzen Laudatio einleiten wird, sondern hat sich auch über die Geschichte und die aktuellen Probleme der entzückenden Kleinstadt kundig gemacht.
In Butzbach wurde 1957 „Frauenarzt Dr. Kober“ mit Liselotte Pulver und Günter Pfitzmann gedreht. Im Gasthaus „Alte Post“ hat Goethe 1805 eine Mahlzeit eingenommen und – wie es auf einer Messingtafel heißt – „ausgiebig dem Wein zugesprochen“. Das kubistische Gemälde „Butzbach und Klarinette“ von Pablo Picasso hängt in der Neuen Pinakothek in München. Eigentlich ist der ganze Ort eine soziale Plastik im Sinne von Joseph Beuys.
Bis zum Ende des ersten Weltkriegs waren hier die hessischen Garde-Dragoner stationiert, die im Sieben-Tage-Krieg gegen Preußen von 1799 den Rückzug der kurfürstlichen Truppen gesichert haben. Noch heute erinnert ein Brunnen mit Pferdemotiven an diesen Teil der lebhaften Butzbacher Geschichte. Napoleon hat im Dezember 1812 bei seiner Rückkehr vom Russlandfeldzug beim Schneidermeister Bläulich einen Wintermantel bestellt und nie abgeholt. Er ist im historischen Museum der Stadt ausgestellt.
Berühmte Söhne und Töchter der Stadt sind Arnold Germesheimer (1857-1921), Erfinder der gestreiften Zahnpasta, Luise Waffelmacher (1904-1989), Professorin für Chemie an der Fernuniversität Goslar und Begründerin der asymmetrischen Synthese von gechlortem Bromaxin, und Ronny Müller (1948-2011), Linksaußen von Eintracht Frankfurt. Die Ehrenbürgerwürde erhielten Otto von Bismarck (1877), Paul von Hindenburg (1917) und Adolf Hitler (1933, 2007 aberkannt).
Das größte Problem der Stadt und des gesamten Wetterau-Kreises ist der Nachwuchs. Er leidet unter Kurzatmigkeit und Fettleibigkeit, nach dem zwanzigsten Geburtstag geht er auch gerne nach Köln oder Berlin. Oft bekommt der 1. FC Butzbach keine elf Spieler für eine Partie gegen den Erzrivalen Kesselheim zusammen (Butzbach war dem heimtückischen Landgrafen Giselbert von Kesselheim bis 1638 tributpflichtig).
Bevor Bonetti sich auf den Weg in die Stadthalle macht, verspeist er im Restaurant „Ratskelleria“ mit gutem Appetit eine „hessische Schnitzeltasche“, ein paniertes Schweineschnitzel, das mit Handkäse und Speck gefüllt ist, und mit grüner Soße, Bratkartoffeln und tomatisiertem Champagnerkraut serviert wird. Dazu trinkt er ein Glas Butzbacher Pils aus der örtlichen Brauerei, die seit 1466 besteht.
P.S.: Wenn man Wikipedia glauben möchte, bezeichnet „Butzbach“ auch das Kniegelenk des tasmanischen Geckos, einen Berg in Thüringen und eine Bucht auf der Taka-Tuka-Insel. Henry Butzbach (1868-1937) saß als Senator für Wisconsin acht Jahre im amerikanischen Parlament.
Dean Martin – Volare. http://www.youtube.com/watch?v=ejzDJkUXgdw

Samstag, 26. Juli 2014

Im Restaurant mit Andy Bonetti

Frage: Woran erkennt man ein gutes Restaurant, Mister Bonetti?
Antwort: Es gibt drei Merkmale, an denen man ein gutes Restaurant erkennen kann. Die Art der Bestellung, die Art der Bezahlung und die Gäste.
F: Können Sie unseren Lesern erklären, was Sie damit meinen? Ich dachte, man erkennt ein gutes Restaurant am Essen.
A: In einem guten Restaurant ist höchste Qualität sowohl der Speisen als auch des Personals eine Selbstverständlichkeit. Das setze ich voraus. Aber kommen wir zunächst einmal zur Art der Bestellung. Ein gutes Restaurant hat keine Speisenkarte. Sie sagen dem Kellner einfach, was Sie essen möchten. Oder der Kellner spricht eine Empfehlung zur Speisenfolge aus. Es geht aber auch anders. Ich kenne es von einem gemeinsamen Abendessen mit einem griechischen Industriellen in Athen, der sich von seinem Chauffeur vor ein Restaurant fahren ließ, den Oberkellner herbei winkte und ihm das Menü in Auftrag gab, das er eine Stunde später mit mir und anderen Freunden einzunehmen gedachte. Es hat den Vorteil, dass man sich einfach nur zu Tisch setzt und den lästigen Bestellvorgang komplett umgeht.
F: Sehr interessant. Kommen wir zur Art der Bezahlung. Ich nehme an, eine Berühmtheit wie Sie, Mister Bonetti, muss überhaupt nichts bezahlen.
A: Ja, das kommt vor. Oft werde ich auch von anderen Leuten eingeladen. Aber das ist völlig bedeutungslos. Geld wird in unserer Gesellschaft völlig überschätzt. Wichtig ist, dass der Vorgang der Bezahlung nicht störend auf das gemeinsame Mahl wirken kann. Geld oder Kreditkarten sind einfach vulgär, niemand von Bedeutung gibt sich mit solchen Dingen ab. Ein kurzes Nicken genügt und ein Mitarbeiter erledigt diesen Vorgang unauffällig, ohne dass bei Tisch überhaupt darüber gesprochen wird. Ein Restaurant, in dem eine Rechnung an den Tisch gebracht wird, ist per se kein gutes Restaurant. Keine Speisenkarte, keine Rechnung. Eigentlich ganz einfach.
F: Es ist sicher sehr schwierig, in einem solchen Lokal einen Tisch zu bekommen, oder?
A: Gewöhnliche Menschen bekommen überhaupt keinen Tisch. Sie können in einem wirklich guten Restaurant auch keinen Tisch reservieren, selbst wenn sie erst in drei Monaten dort speisen möchten. Ein gutes Restaurant erkennen Sie daran, dass nur bedeutende Menschen an den Tischen sitzen. Links von Ihnen sitzt ein Minister mit seiner Geliebten, rechts von Ihnen ein Hollywood-Star. Die wirklich wichtigen Leute aus Politik, Wirtschaft und Kultur kommen immer rein und für sie gibt es auch immer einen Platz. Die Atmosphäre ist ganz entspannt. Wir sind gewissermaßen unter uns und wenn wir Lust auf einen Teller Spaghetti mit Tomatensoße und ein Bier haben, bekommen wir auch das.
F: Was hält ein Gourmet wie Sie von der Stromburg des Fernsehkochs Johann Lafer unweit von Schweppenhausen?
A: Lafer ist ein Koch für Neureiche und das gewöhnliche Volk. Ich würde nie einen Fuß in dieses Lokal setzen. Ich habe gehört, an der Eingangstür hinge eine Speisenkarte in einem Glaskasten. Wie vulgär! Lafer wird völlig überschätzt, weil ihn die Leute aus dem Fernsehen kennen. Er ist nur gelernter Süßspeisenkoch und hat dann in eine ganz gewöhnliche Gastwirtschaft in Guldental eingeheiratet. Das Essen ist unzumutbar prätentiös und an den Tischen lümmeln sich Bauunternehmer oder Bankangestellte, einfach grauenhaft.
F: Welches Restaurant können Sie empfehlen, Mister Bonetti?
A: Ich kann Ihnen zu dieser Frage weder einen Namen noch eine Adresse nennen. Meine Freunde würden mich umbringen. Ein gutes Restaurant erkennen Sie auch daran, dass es nur Eingeweihten bekannt ist. Wir möchten nicht gestört werden.
Und dann schob sich Andy Bonetti das letzte Stückchen seines lauwarmen Big Mac in den Mund und spülte mit einem Schluck Cola nach. Haltung bewahren, Würde zeigen – so kennen wir den großen Künstler aus Bad Nauheim.
P.S.: Das Interview führte Heribert Nesselwang, der Feuilleton-Chef vom „Bad Nauheimer Morgen“, in einem Restaurant, das für seine internationale Küche weltbekannt ist (Hanauer Straße 44 in Friedberg, wir bitten alle Leserinnen und Leser um absolute Diskretion, Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 7 bis 23 Uhr, am Wochenende von 9 bis 23 Uhr, Achtung: ab nächsten Monat wieder mit Gutscheinaktion!).
The Smashing Pumpkins – 1979. http://www.youtube.com/watch?v=4aeETEoNfOg

Freitag, 25. Juli 2014

Filmprojekte

1. Der autobiographische Film „Bonetti über Bonetti über Bonetti“. Ein dreistündiges Interview mit dem Meister auf dem Rücksitz seines Maybachs während einer Fahrt an der kalifornischen Küste.
Textbeispiel:
Interviewerin: „Mister Bonetti, was sagen Sie zum Thema ‚Leben und Tod‘?“
Bonetti: „Die Lebenden leben das Leben. Der Tod ist ein Mysterium. Aber er gehört zu den wenigen Dingen, die man im Liegen erledigen kann.“
Bonetti, mit Sonnenbrille und rubinrotem Halstuch, nimmt einen tiefen Schluck von seinem Rhabarber-Limette-Gin-Smoothie. „Ich liebe Dinge, die man im Liegen erledigen kann.“
Interviewerin: „Mister Bonetti, was sagen Sie zum Thema ‚Schönheit und Hässlichkeit‘?“
Bonetti: "Nur die Schönsten sind wirklich schön. Alle primären Geschlechtsorgane sind hässlich, auch die von schönen Menschen. Sämtliche Ausscheidungsprozesse sind hässlich, auch die von schönen Menschen."
Interviewerin: „Mister Bonetti, gibt es einen Gott?“
Bonetti: „Ja. Er lebt in Nepal und wird oft mit dem Yeti verwechselt.“
Übrigens: Das berühmte Triangel-Solo am Ende des Films wurde von Bonetti höchstselbst gespielt.
2. Der ultrabrutale Killerporno „Bulletproof Monsterdildos from Outer Space“.
Textbeispiel:
“Du ziehst jetzt die Latexmaske auf!”
„Nein! Nein! Nein!”
"Du legst dich jetzt auf die Folterbank!”
„Nein! Nein! Nein!”
“Du liest jetzt die Nachrichten!”
„Nein! Nein! Nein!”
Übrigens: Das erste Todesopfer dieses Films wird von Gundula Gause gespielt. Bonetti hat mit ihr zusammen in Mainz Politikwissenschaft studiert und musste bereits 1991 ihre Stimme bei endlosen Referaten ertragen (Und das ist eine wahre Geschichte, Freunde der Sonne und der Berge …). Weitere grausam verstümmelte Opfer: Andrea Nahles, Veronica Ferres, Helene Fischer.
3. Der existentialistische Trickfilm „Eine Insel mit zwei Bergen“.
Textbeispiel:
Jim: "Ich bin in einem Paket angeliefert worden und kenne meine Eltern nicht."
Lukas: "Ich bin für den Nahverkehr in Lummerland zuständig, wo außer mir nur drei Leute wohnen."
Jim: "Was können wir über unsere Existenz erfahren?"
Lukas: "Wir können den Scheinriesen oder den Halbdrachen fragen."
Jim: "Wir sind alle nur Marionetten."
Lukas: "Aber es gibt Nutella für alle."
Übrigens: Die Hauptrollen spielen Jimmy Silverfrog und Robert de Niro.
Christian Anders - Es fährt ein Zug nach Nirgendwo. http://www.youtube.com/watch?v=NFNtPyvvXBI

Am Set mit Andy Bonetti

Wir sehen Andy Bonetti am Bug eines großen Schiffes. Er trägt einen dunkelblaue Admiralsuniform mit goldenen Knöpfen und eine weiße Kapitänsmütze – Käpt’n Iglo nix dagegen. In seinen Armen hält er Kate Winslet. Er lächelt sie an und sagt: „Ich find dich echt total klasse, Kate.“
„Aus! Cut!“ ruft der Regisseur. Die Windmaschine wird angehalten. Kate Winslets Haare hängen augenblicklich träge herunter. „Im Film heißt sie Rose. Rose! Verstanden? Das war jetzt schon Take 17!“
„Äh … ich hab da mal ‘ne Frage, Herr Cameron.“
„WAS !?!”
“Halten Sie das Ganze denn überhaupt in dramaturgischer Hinsicht für sinnvoll? Ich meine, die Leute wissen doch, dass die Titanic untergeht. Das stand doch schließlich in allen Zeitungen.“
Der Regisseur schmeißt das Drehbuch nach Bonetti und springt herum wie Rumpelstilzchen. „Was für Vollidioten schickt mir die Agentur eigentlich noch?“
„Herr Cameron“, beginnt Bonetti vorsichtig. „Ich hätte da noch einen Verbesserungsvorschlag. Diese Szene am Bug, in der sich Kate … ich meine Rose so weit nach vorne beugt, das ist doch irgendwie gefährlich, und deswegen auch ein bisschen unglaubwürdig. Jeder, der schon mal mit der Fähre über den Rhein gefahren ist, weiß doch, dass sowas gar nicht erlaubt ist. Da kriegt man doch gleich Ärger mit dem Personal. Finden Sie nicht?“
„Sie machen genau das, was ich Ihnen sage und was in diesem beschissenen Drehbuch steht, ist das klar?!“
„Nicht in diesem Ton. So kann ich nicht arbeiten. Ich bin schließlich ein Künstler.“
Und so bekam Leonardo di Cabrio die Rolle des Jack Dawson.
A Flock of Seagulls – I Ran. http://www.youtube.com/watch?v=BJ7NVjZ-Eyg

Donnerstag, 24. Juli 2014

Fernsehinterview mit Andy Bonetti

In der vergangenen Woche war Andy Bonetti in der Sendung „Literatur aktuell“ bei Arte zu Gast. Falls Sie die Sendung verpasst haben, können Sie nun das Interview nachlesen.
Moderatorin: Guten Abend, Herr Bonetti. Herzlich willkommen bei uns im Studio. Schön, dass Sie für uns Zeit gefunden haben.
Bonetti: Guten Abend, Frau Amselmann-Heyerfeld.
Moderatorin: Amselfeld-Heyermann.
Bonetti: … äh … Hampelstamm-Eierfeld …
Moderatorin: Herr Bonetti, Ihr neuer Roman „Jenseits von Fulda“ spielt während des Dreißigjährigen Krieges. Sie haben aus Wallenstein einen Transsexuellen in Strumpfhosen gemacht, der eigentlich lieber Ukulele spielen möchte, aber aufgrund der permanenten Kriegshandlungen nicht dazu kommt. Was möchten Sie uns damit sagen?
Bonetti: Ich habe hier ein ganz aktuelles Thema bewusst in einen historischen Kontext gesetzt, um dem Leser zu zeigen, dass die Frage der Geschlechtsidentität im Grund so alt wie die Menschheit ist. „Wer bin ich?“ ist eine der großen Fragen, mit der sich die Philosophie seit Anbeginn befasst. Genauso wie mit der Frage „Wo komme ich her?“
Moderatorin: Damit geben Sie mir schon das nächste Stichwort. Sie kommen aus Bad Nauheim. Welchen Einfluss hat die Stadt auf Ihre Arbeit als Schriftsteller?
Bonetti: Bad Nauheim ist mir ein steter Quell der Inspiration, denn hier kreuzen sich die Schicksalslinien menschlicher Kultur seit über tausend Jahren. Wallenstein war in Bad Nauheim. Goethe war in Bad Nauheim. Elvis Presley war in Bad Nauheim. Das ist kein Zufall, Frau … äh …
Moderatorin: Gerade zu tagesaktuellen Themen äußern Sie sich ja nur sehr selten. In Ihren Tagebüchern findet sich am Tag nach dem Mauerfall in Berlin nur der rätselhafte Eintrag: „Wette gewonnen. Der Kasten Radeberger ist mir!“ Und nach den Anschlägen auf New York und Washington haben Sie im September 2001 geschrieben: „Al Qaida hat Amerika den Krieg erklärt. - Nachmittag Schwimmschule.“ Zu beiden Ereignissen finden wir keine weitere Zeile von Ihnen.
Bonetti: Es gehört nicht zu meiner Aufgabe als Künstler, zu aktuellen Ereignissen Stellung zu beziehen, wie ich bereits in meinem Aufsatz „Die paradoxe Zärtlichkeit der Brüllorgie“ geschrieben habe. Gerade um in diesen aufgewühlten Zeiten nach den Terroranschlägen in den USA einen Kontrapunkt zu setzen, habe ich damals den Roman „Gespräche über das Wetter“ veröffentlicht, der ausschließlich in einem Regionalzug zwischen Lüneburg und Buxtehude spielt.
Moderatorin: Der bekannte Literaturkritiker Holger Ochsenstirn hat dieses Werk als bedeutungslos und als bedauernswerte Verschwendung von Papier bezeichnet.
Bonetti: Ach, dieser Ochsenstirn! Wissen Sie, ich kannte Ochsenstirn schon, als er noch ein Praktikant im Verlag Rote Tuba gewesen ist. Damals ist er schon durch Zwischenrufe und hämisches Gelächter bei meiner Lesung in Bad Schwalbach unangenehm aufgefallen. Seine Schmähungen verfolgen mich seit vielen Jahren. Aber Heribert Nesselwang vom „Bad Nauheimer Morgen“ …
Moderatorin: Kommen wir zu einem anderen Thema. Die Frankfurter Buchmesse widmet sich in diesem Jahr dem Gastland Nepal. Was können Sie uns über die nepalesische Literatur sagen?
Bonetti: Ja … äh … die nepalesische Literatur hat eine uralte Tradition. Sie geht … äh … zurück bis auf die alten indischen Schriften aus der Zeit der … äh … und auch die junge Generation, also der Nachwuchs in Nepal lässt auf Großes … äh … hoffen.
Moderatorin: Herr Bonetti, Sie werden in Frankfurt auch Ihr neuestes Werk vorstellen. Können Sie unseren Zuschauern noch kurz etwas dazu sagen?
Bonetti: Sehr gerne! In meinem neuen Roman „Fragen Sie Moretti“ geht es um einen altersweisen Schriftsteller, dem junge Menschen wichtige Fragen stellen und darauf richtig gute Antworten bekommen, die sie im Leben weiterbringen werden. Zum Beispiel die Frage: „Ich habe einen Eiswürfel verschluckt, der bisher noch nicht wieder rausgekommen ist. Was soll ich tun?“
Moderatorin: Was haben Sie als nächstes vor?
Bonetti: Ich werde in den nächsten drei Monaten auf einer Lesereise durch alle großen Buchhandlungen des Saarlandes unterwegs sein. Dort lese ich aus meinem neuen Roman.
Moderatorin: Vielen Dank für dieses Gespräch, Herr Bonetti. Wir schalten jetzt zu unserem Mitarbeiter Holger Ochsenstirn, der live von den diesjährigen „Klagenfurter Monologen“ berichtet.
Beastie Boys – Sabotage. https://www.youtube.com/watch?v=H4PN7Xbexq4

Mittwoch, 23. Juli 2014

Hätten Sie es gewusst?

Bonetti gibt es auch als argentinischen Boxer, als Schweizer Skispringer, als australische Fotografin, als italienischen Bischof, als amerikanischen Pokerspieler, als österreichische Lebensberaterin mit dem Schwerpunkt Ritualgestaltung (www.rituale-gestalten.at) und als englischen Fußballprofi (er war der Ersatztorhüter der englischen Weltmeistermannschaft von 1966 und trug die Nummer 13) – sowie als Kleinlaster, als Umstandsbrautkleid (IME GmbH), als amerikanische Fernsehserie („Tequila und Bonetti“), als kanadische Metzgerei in der Nähe von Vancouver (www.bonettimeats.com), als polnische Knopffabrik (www.bonetti.pl), als Regenschutz für Schulranzen und selbstverständlich auch als Friseursalon im Allgäu. Nicht zu vergessen, dass Ihnen der Londoner Hypnotiseur Benjamin Bonetti beim Abnehmen helfen kann. Bestellen Sie noch heute sein Opus Magnum “How to Change Your Life: Who am I and what should I do with my life“. Oder fahren Sie nach Rom und essen Sie in der Gelateria Bonetti ein Eis … Aber vergessen Sie „Bonetti of America“ – die arbeiten für das US-Militär.

Andy Bonetti – Die frühen Jahre

Andy Bonetti stammte aus einfachen Verhältnissen. Er lebte mit seinen Eltern und sieben Geschwistern in einem ehemaligen Gewächshaus und hatte vor allem im Sommer großen Schwierigkeiten beim Einschlafen. Er besaß zum Spielen nur einen einzigen Teddybären, dem auch noch die Augen fehlten. Auf dem Nachbargrundstück war eine große und herrlich duftende Spielzeugfabrik, was ihn besonders deprimierte. Bonettis Vater arbeitete als Vogelstimmenimitator in den Gaststätten Bad Nauheims, seine Mutter baute in Heimarbeit Kugelschreiber zusammen. Er besuchte das Elvis-Presley-Gymnasium in Bad Nauheim. Zu seinen Klassenkameraden zählte auch Günther Hau, der später als Erfinder der Escape-Taste zu großem Ruhm gelangen sollte. Bonetti war bereits 27 Jahre alt, als er endlich das Abitur hatte. Er litt im Unterricht an starker Narkolepsie, was vor allem in Sport von großem Nachteil war.
Er arbeitete anschließend als Kegelaufsteller in der Kegelbahn des Ausflugslokals „Zum flotten Lottchen“ und schaffte in den folgenden Jahren den Aufstieg über die Leihschuhvergabe zum Hilfskellner. Als Servierkraft hatte er die Möglichkeit, zahlreiche Geschichten an den Wirtshaustischen zu hören, die später den Grundstock seines dichterischen Schaffens bilden sollten. Er begann zu schreiben, was nicht einfach war, denn er lebte zusammen mit zwei Schlagzeugern in einer WG, die zudem noch am Tourette-Syndrom litten. Zum ersten Mal hatte er das Gefühl, mehr zu sein als bloß ein winziges Sandkorn in der großen Maschinerie des Lebens. Seine allererste Erzählung „Neulich in der Bäckerei“ wirkte noch etwas unbeholfen, vor allem, da weder Brot noch Menschen in ihr vorkommen. Aber schon in „Ein Mittwoch in Kassel“ gewann er an erzählerischer Stringenz. Seine erste Auftragsarbeit war ein Werbespruch für das Schaufenster der Metzgerei Schmirgelberger: „Wurst und Schmalz, Gott erhalt’s“. Dafür bekam Bonetti drei Ringe Fleischwurst und eine Dose Schwartenmagen. Die Konserve besitzt er heute noch, sie soll als Exponat im geplanten Bonetti-Museum ausgestellt werden.
Auf der Herrentoilette des Kaufhauses in der Bad Nauheimer Innenstadt lernte er seine spätere Frau kennen, Ilse Hurtig. Sie hatte sich in der Tür geirrt. Zu dieser Zeit studierte sie Spätbyzantinistik auf Lehramt und redete gerne mit dem Fernseher. Bonetti begann, Texte für das Radio zu schreiben, anfangs war er für die Staumeldungen zuständig. Als der Kollege von den Nachrichten eines Tages, es war ein Aschermittwoch, nicht zur Arbeit erschien, kam Bonettis große Stunde. Er schrieb die Nachrichten und wurde mit dem irrtümlich vermeldeten Tod des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl rasch bundesweit bekannt. Seine Erlebnisse beim Radio hat er später in der Anthologie „Ich höre Stimmen“ zu Papier gebracht. Es folgten Arbeiten für den Pantomime-Kabarettisten Walter Schlund und den auf Altersheime spezialisierten Alleinunterhalter und Elvis-Imitator Oliver Wuppke. 1996 erschien dann sein Debütroman „Andy Bonetti und die Todesmonster vom Mars“, der rasch die Hitlisten des Bahnhofsbuchhandels stürmte. Der Rest ist bekannt. Selbst in Nepal hat man eine Straße nach ihm benannt.
Daft Punk – Voyager. http://www.youtube.com/watch?v=tEJpLDEOivA

Dienstag, 22. Juli 2014

Drei Wege zur ersten Million – The Bonetti Way

Sehr geehrte Damen und Herren! Treten Sie etwas näher, haben Sie keine Angst. Andy Bonetti zeigt Ihnen heute, wie Sie bequem und von zu Hause aus Ihre erste Million machen. Sie glauben, dass schaffen Sie nicht? Sie denken, dazu braucht man Abitur? Sie befürchten, Sie sind der einzige, der es nicht schaffen wird, weil Sie der größte Trottel der Welt sind? Andy Bonetti sagt Ihnen: Sie schaffen das und dazu brauchen Sie auch kein Abitur, denn diese drei Tricks, die Ihnen die fiesen Schweine von der Wall Street nicht verraten, sind idiotensicher. Und das Beste ist: Für Sie sind diese Tricks völlig kostenfrei! Sind Sie bereit für die große Bonetti-Experience? Ballen Sie die Fäuste und schreien Sie „JA“! Ich möchte, dass Ihre Nachbarn Sie hören. Ja, ich bin bereit, den Bonetti-Weg zum Erfolg zu gehen!! Und es kostet mich keinen Cent!!!
Nr. 1: Schreiben Sie das Buch, das jeder braucht. Kennen Sie Kathleen Meyer? Diese Frau führte ein bedeutungsloses Leben am Rande der australischen Wüste und war völlig pleite, als sie den Bonetti-Weg zum Erfolg kennenlernte. In nur fünf Tagen schrieb sie „How to shit in the woods“. Von diesem Buch wurden bisher 2,5 Millionen Exemplare verkauft. Warum? Weil jeder von uns mal in den Wald scheißt – und dann braucht er dieses Buch. In einer Online-Rezension heißt es: „Nach dem Kauf dieses Buches fühle ich mich erleuchtet und auf eine neue Ebene der Existenz gehoben. Wenn ich nur ein Buch allen meinen Mitmenschen empfehlen dürfte, dann wäre dies sicher >How to s*** in the woods< (aber es muss die verbesserte 3rd Edition sein!!).“ Machen Sie es wie Kathleen Meyer: Schreiben Sie das Buch, das jeder braucht.
http://www.amazon.de/How-Shit-Woods-3rd-Environmentally/dp/1580083633/ref=sr_1_293?m=A3JWKAKR8XB7XF&s=books-intl-de&ie=UTF8&qid=1405970113&sr=1-293
Nr. 2: Verkaufen Sie ein Alltagsprodukt, das jeder mag und zocken Sie dabei Ihren gesamten Freundeskreis, die Nachbarn, die Kollegen und die Verwandtschaft ab. Ein Beispiel: Sie trinken gerne Kaffee und wollen ganz leicht reich werden? Dann schließen Sie sich einfach der Gemeinde der „Organo Gold“-Verkäufer an. Dieser „Wellness-Kaffee“ enthält den chinesischen Pilz Ganoderma lucidum, der in Ostasien als „König der Kräuter“ verehrt wird und in der Kaiserzeit laut Prospekt wertvoller als Gold war. Es gibt mehr als drei Millionen Internet-Seiten zu diesem Thema – ein todsicheres Geschäft. Wählen Sie zwischen 500 und 100.000 Euro pro Monat an garantiertem Einkommen. Das Zeug schmeckt Scheiße, okay, aber auch Kathleen Meyer hat mit Scheiße Geld gemacht.
http://www.youtube.com/watch?v=1a9a7HFQ4UA
Nr. 3: Der Short-Cut zur ersten Million. Der Autor hat Weg Nr. 1 gewählt, um Ihnen Weg Nr. 3 zu eröffnen. Bauen Sie sich nach dieser frei erhältlichen Bauanleitung in Heimarbeit Ihre eigene Maschinenpistole und überfallen Sie eine Bank! Überfallen Sie zwei Banken! Haben Sie das Prinzip verstanden? Das ist der Bonetti-Weg zum Erfolg. Und wie immer: Für Sie völlig kostenlos!!
http://www.amazon.de/Machine-Pistol-Workshop-Defense-Resistance/dp/0873648234/ref=sr_1_416?m=A3JWKAKR8XB7XF&s=books-intl-de&ie=UTF8&qid=1405970533&sr=1-416
Und jetzt – WELTEXKLUSIV !!! – die neue DVD „Bonetti – The Road to Success“. Am nächsten Montag im Handel. Erfahren Sie alles über die sieben Wege zum Erfolg. Sie möchten reich werden? Kein Problem. Sie möchten die Frau oder den Mann Ihrer Träume kennenlernen? Nichts leichter als das. Sie möchten als bedeutender Künstler oder Philosoph in die Weltgeschichte eingehen? Warum haben Sie das nicht gleich gesagt. Kaufen Sie einfach für sensationelle 9,99 Euro (plus Versand) „Bonetti – The Road to Success“! In nur zwölf Minuten erklärt Ihnen der berühmte Selfmade-Milliardär Andy Bonetti, wie Sie mehr aus Ihrem Leben machen können. Worauf warten Sie? Starten Sie durch! Werden Sie zum Gewinner! Noch heute!
Und nur für Sie ein Musiktipp, den Ihnen die fiesen Schweine von der Wall Street nie gegeben hätten: Thomas Dolby – She Blinded Me With Science. http://www.youtube.com/watch?v=-FIMvSp01C8

Montag, 21. Juli 2014

Welkende Pracht

Über die Erzählung „Welkende Pracht“ von Andy Bonetti ist sicherlich schon vieles geschrieben worden. Sie entstammt dem Band „Bad Nauheimer Novellen“, der 2001 vom Verlag Bunter Vogel in Gütersloh veröffentlicht wurde. Dieser Novellenzyklus begründete den Ruhm Bonettis und hat ihm für alle Zeiten einen Platz in der deutschen Literaturgeschichte gesichert. Die Grundidee, von der die kurze Erzählung von der ersten bis zur letzten Zeile durchwoben ist, findet sich bereits in „Mein schönstes Ferienerlebnis“ (siehe: Bonetti, Andy: Frühe Werke – mein Leben in Geschichten, Mannheim 2012, S. 23-25).
Es ist immer wieder erstaunlich, über welche scharfe Beobachtungsgabe und intellektuelle Brillanz, über welche sprachliche und kompositorische Sicherheit der junge Bonetti bereits verfügt. Die berühmte Eröffnungsszene sei von Hitchcocks „Fenster zum Hof“ inspiriert gewesen, schreibt Bonetti in seiner Autobiographie „Viva Bad Nauheim“, aber es ist in dieser Szene auch der Einfluss Strindbergs und Puschkins spürbar. Scheinbar zufällig blickt der Protagonist, dessen Namen wir nicht erfahren, zum Fenster hinaus und entwickelt beim Anblick einer verwelkenden Rose eine gedankliche Assoziationskette, deren zarte Poesie und inhaltliche Klarheit den hellen Einsichten eines Schopenhauer oder Sokrates in nichts nachstehen. Die Vergänglichkeit des Lebens zieht sich als thematischer Generalbass durch die ganze Erzählung und findet in der leeren Pralinenschachtel am Ende ihren allegorischen Kontrapunkt.
Ursprünglich als Tierfabel angelegt, gilt „Welkende Pracht“ als Kronjuwel der „Bad Nauheimer Novellen“. Zum Zeitpunkt der Niederschrift arbeitete Bonetti an einem Kiosk im Bahnhof von Bad Nauheim, wo er Mettbrötchen und Flaschenbier an Reisende verkaufte. Nachts widmete er sich in einer kleinen Mansardenwohnung seinem dichterischen Werk. Bereits in seiner ersten Novelle „Alle Neune“, die das Leben eines einsamen Kegelspielers zum Gegenstand hat, der von Durchfall und seelischer Erschöpfung geplagt wird, begegnen wir der Vergänglichkeitsthematik, die den ganzen Novellenzyklus durchzieht. Das wird vor allem in den beiden Erzählungen „Bunte Bohnen“ und „Keller ohne Ausgang“ geradezu schmerzhaft deutlich. Damals konnte Bonetti noch nicht wissen, dass er einmal in einem Atemzug mit Goethe und Schiller genannt werden würde, und oft wurde er von Zweifeln geplagt. In seinen Tagebüchern findet sich unter dem Datum des 12. März 1998 der Eintrag: „Das hat doch alles keinen Sinn! Ich sollte Johnny Malta bitten, den ganzen Scheiß hier zu verbrennen“ (Bonetti, Andy: Tagebücher 1978-2014, Band 7, S. 548). Und am 28. August desselben Jahres schreibt er: „Wer liest denn heute noch Novellen? Die Leute gucken doch sowieso nur Fernsehen.“
Umso bemerkenswerter ist es, dass er nie den Mut verlor, sondern den Novellenzyklus dennoch zum Abschluss gebracht hat. Der große ukrainische Erzähler Nikolai Gogol, den Bonetti zeitlebens zutiefst bewundert hat, schreibt in seinen „Aufzeichnungen eines Verrückten“: „Und deshalb sind wir selber nicht in der Lage, unsere eigenen Nasen sehen zu können, da sie sich alle auf dem Monde befinden“. Ebenso konnte der junge Bonetti, als er „Welkende Pracht“ schrieb, noch nicht erkennen, dass er mit seinen „Bad Nauheimer Novellen“ die moderne Dichtkunst auf eine neue Stufe heben würde. Kommende Generationen werden es nicht für möglich halten, dass dieser geniale und zugleich äußerst bescheidene Mensch einmal unter uns in Bad Nauheim gelebt hat.
(aus: Bad Nauheimer Morgen, Feuilleton, S. 23)
Cypress Hill – Insane in the Brain. http://www.youtube.com/watch?v=Okb_8XKK0d0

Sonntag, 20. Juli 2014

Ein literarischer Briefwechsel

Der nachfolgend wiedergegebene Briefwechsel zwischen den beiden Schriftstellern und Büchnerpreisträgern Andy Bonetti und Johnny Malta stammt aus dem Jahre 2011 und soll im kommenden Herbst bei Suhrkamp in der Reihe „Dialoge der Weltgeschichte“ erscheinen.
„Lieber Andy, herzlichen Glückwunsch zu deinem neuen Roman ‚Die Pilger von Hanau‘. Ich habe das Buch gerade aus der Hand gelegt und bin noch ganz erschöpft von den vielen Eindrücken und Assoziationen. Der Text ist mit Anspielungen an die Weltliteratur geradezu gespickt. Die Figur des Pralinski ist der Erzählung ‚Eine dumme Geschichte‘ von Dostojewski entlehnt und der Bergomask ist eine Hommage an Thomas Pynchon und seinen Roman ‚V.‘, wenn ich mich recht entsinne. Die Szene am Schluss erinnert mich ein wenig an ‚Vom Winde verweht‘, aber es ist sehr kreativ, sie in Offenbach am Hauptbahnhof spielen zu lassen. Pralinski trägt seine Angebetete die Treppe zu den Toiletten hinunter und wir können nur ahnen, was als nächstes passiert. Genial! Anbei ein Vorab-Exemplar meines neuen Werks ‚Mein linker Zeigefinger‘. Ich bin gespannt auf dein Urteil. Herzlichst, dein Johnny“
„Lieber Johnny, vielen Dank für dein gütiges Urteil. Im Feuilleton der FAZ heißt es dazu ganz schlicht: ‚Ein großartiges Werk von bleibendem Wert‘. Ich habe schon ein wenig in dein Manuskript hineingelesen. Die Szene, wie dein linker Zeigefinger beim Kartenmischen mit den anderen harmoniert, ist ganz superb. Auch den faszinierenden Kern des Klavierspiels hast du gut herausgearbeitet. Die Hauptfigur in dieser Szene ist eine stumme Pianistin, die von einem Verehrer den rechten Zeigefinger mit einer Axt abgehackt bekommt. Irgendwie erinnert mich das an den Film ‚Das Piano‘. Sicherlich auch nur eine ‚Hommage‘. Kannst du dich noch an den herrlichen Abend erinnern, als wir auf Einladung des Frankfurter Kulturdezernenten die Premiere dieses Films in der Astor Film Lounge auf der Zeil gesehen haben und du am Buffet gestolpert bist? Du bist mit dem Ellbogen im Nudelsalat gelandet und hast dann zur Frau des Oberbürgermeisters gesagt: ‚Guck ned so blöd, du fette Sau!‘ Ein unvergesslicher Moment, den ich eines Tages sicherlich einmal literarisch verarbeiten werde. Ganz liebe Grüße, dein Andy“
„Lieber Andy, eine köstliche Geschichte. Das erinnert mich an den Empfang in der rumänischen Botschaft, als du so betrunken warst, dass du im Pelzmantel der dänischen Kronprinzessin nach Hause gehen wolltest. Ich habe die Szene in meinem Theaterstück ‚Ein Abend bei Mirko‘ verarbeitet und sie verleitet das Publikum bei jeder Aufführung zu wahren Lachstürmen. Ich kann dir die Arbeit am Theater nur wärmstens ans Herz legen. Man ist einfach näher dran am Publikum und kann aus den unmittelbaren Reaktionen der Zuschauer viel für das weitere künstlerische Schaffen lernen. Viele Grüße, dein Johnny“
„Lieber Johnny, das war mein Pelzmantel. Und wie kannst du dich überhaupt an die Szene erinnern, wenn du bereits lange vor Ende der Veranstaltung mit dem Krankenwagen in die Klinik gefahren wurdest, wo man dir den Magen ausgepumpt hat? Du hast damals im Vollrausch die minderjährige Tochter des Botschafters angebaggert. Erinnerst du dich wenigstens daran? Ich wusste gar nicht, dass deine Stücke noch aufgeführt werden. Ich hörte zuletzt, einzig und allein ‚Die Zwerge Roms‘ würde noch vom Schülertheater des Marburger John-Lennon-Gymnasiums gespielt. Aber ich kann mich auch täuschen. Schließlich beschäftige ich mich nicht mit dem Theater, sondern schreibe seit einem halben Jahr an meinen Memoiren, die ich unter dem Titel ‚Viva Bad Nauheim‘ zu veröffentlichen gedenke. Das Werk ist auf drei Bände im Schuber angelegt, die in Schweinsleder gebunden sein sollen. MfG, Andy“
„Lieber Andy, du willst mit deinen Lebenserinnerungen drei Bände füllen? Das ist mutig. Aber es gibt natürlich viele Anekdoten, die es verdienen, von dir erzählt zu werden. Da denke ich zum Beispiel an die Verleihung des Literaturpreises von Bad Nauheim, als dir bei der Verbeugung vor der Bürgermeisterin auf offener Bühne die Hose geplatzt ist. Und ich lache immer noch Tränen, wenn ich an deinen Talkshowauftritt bei Günther Jauch denke, als du ernsthaft behauptet hast, die Bücher von Boris Becker würden von der Literaturkritik systematisch unterschätzt. Aber da wäre natürlich noch die wunderbare Geschichte, wie du deine Frau beim Speed-Dating in Darmstadt kennengelernt hast. Wie romantisch! Johnny“
„Mein lieber Johnny, jetzt will ich dir mal eins sagen: Wer eine Frau hat, die er in einem drittklassigen Puff auf der Kaiserstraße kennengelernt hat, und wer einen Sohn hat, der gerade wegen Drogenhandels eine mehrjährige Haftstrafe absitzt, sollte die Klappe nicht allzu weit aufreißen. Ich bin dieses Jahr für den Grimme-Preis nominiert, weil ich mit dem Fernsehspiel ‚Dunkle Tage im Nichts‘ ganz neue Wege beschritten habe. Und du? Wenn ich nur an deine albernen Gedichte denke! ‚Schnee, Schnee, du bist so schee‘. Kein Wunder, dass unser Verleger immer nur den Kopf schüttelt, wenn jemand deinen Namen erwähnt.“
„Du weißt doch noch nicht mal, was ein Puff ist. Jeder in der Literaturszene weiß, dass du impotent bist. Wir fragen uns alle, wer die Väter deiner beiden hässlichen Töchter sein mögen. Und mein Gedichtband ‚Sonette für eine bessere Welt‘ ist gerade ins Koreanische übersetzt worden. Ich kann mich nicht erinnern, dass man von einem gewissen Herrn Bonetti irgendwas auf Koreanisch lesen kann. Und nur zu deiner Information: Ich habe gerade das Amt des Stadtschreibers von Fritzlar abgelehnt, das man an mich herangetragen hat. Und hör endlich auf, mich mit deinen Briefen zu belästigen! Ich bin Schriftsteller und habe zu arbeiten.“
Grace Jones – Slave To The Rhythm. https://www.youtube.com/watch?v=crsb7fdWflU

Samstag, 19. Juli 2014

Zehn Fakten zu Andy Bonetti

Haben Sie gewusst, …
dass sein erster Roman „Mein wunderbares Jahr in Ulan-Bator“ von 17 Verlagen abgelehnt wurde, bevor er 1988 von einem saarländischen Kleinverlag veröffentlicht wurde?
dass seine Tante Gisela mit einem Cousin von Franz Beckenbauer verheiratet ist?
dass auf seinem Schreibtisch ein gerahmtes Selfie steht, das ihn mit dem Dalai Lama vor einer Metzgerei zeigt?
dass er als Jugendlicher in einem Minigolfverein aktiv war, den „Bad Nauheim Tigers“?
dass er versucht hat, auf einer Luftmatratze den Ärmelkanal zu überqueren, aber von seiner Mutter im letzten Moment zurückgehalten wurde?
dass er nach dem Tod von Bon Scott im Februar 1980 zum Vorsingen bei AC/DC eingeladen war, aber den Termin nicht wahrnehmen konnte, weil er den Bus verpasst hat?
dass er bei einem Wohltätigkeitsbankett im April 1985 Boris Becker überreden wollte, das Tennisspielen aufzugeben und Schriftsteller zu werden?
dass die legendäre Pressekonferenz am 9. November 1989, in der Günter Schabowski die Öffnung der Grenzübergänge an der Berliner Mauer bekannt gab, auf eine verlorene Wette zwischen Schabowski und Bonetti zurückgeht?
dass es Bonetti war, der bei einer Chinareise zufällig auf eine halbvergrabene Tonfigur stieß und damit einen den spektakulärsten Funde in der Geschichte der Archäologie machte, die Terrakottaarmee von Xi‘an?
dass es ein seltenes Metall namens Bonettinum gibt, das nach ihm benannt ist und heute für die Herstellung von Smartphones unentbehrlich ist?
Ian Dury – Wake up and make love with me. https://www.youtube.com/watch?v=c-VeOakGGPQ

Freitag, 18. Juli 2014

Don Vito Bonetti

Im Garten der Villa Bonetti tummeln sich mehrere Hundert Gäste. Eine Band spielt und es gibt ein opulentes Buffet. Bonettis Tochter Dörte soll heute den Sohn des Bürgermeisters von Bad Nauheim heiraten. In einem dunklen Hinterzimmer der Villa sitzt Bonetti in einem Smoking hinter seinem Schreibtisch und empfängt nacheinander die Gäste. Es ist ein alter Brauch in Bad Nauheim, dass jeder Hochzeitsgast an diesem Tag eine Bitte äußern kann. Ehrfürchtig küssen die Bittsteller Bonettis Siegelring und äußern ihren Wunsch. Einer möchte gerne ein Sonett geschrieben haben, der nächste braucht einen Werbespruch für seinen Friseursalon, andere hätten gerne einen schöneren Nachnamen. Bonetti hört mit halbgeschlossenen Augen zu, nickt gelegentlich und murmelt etwas von Gegenleistungen. Am nächsten Morgen findet jeder Bittsteller den abgetrennten Kopf eines Pferdes in seinem Bett.
Der Handel mit Drehbüchern für billige Vorabendserien hat sich zu einem lukrativen Markt entwickelt, aber Bonetti weigert sich, in dieses schmutzige Geschäft einzusteigen. Als er in einer Konditorei in Downtown Bad Nauheim ein paar Quarkbällchen kaufen will, wird ihm auf offener Straße eine Käse-Sahne-Torte ins Gesicht geworfen. Schwer traumatisiert zieht sich Bonetti in seine Villa zurück. Er ist unfähig, auch nur eine Zeile zu schreiben, und sein ältester Sohn, Sonny Bonetti, übernimmt die Geschäfte. Zum Schein bietet er den Tätern, einer Gruppe von RTL-Redakteuren, die Versöhnung und den Einstieg ins Geschäft mit Billig-Drehbüchern an. Sie treffen sich in einem italienischen Restaurant, wo Sonny eine Spitzhacke in der Toilette versteckt hat. Während des Essens tut er so, als müsste er mal dringend aufs Klo, und holt die Spitzhacke aus dem Spülkasten der Toilette. Dann tötet er sämtliche RTL-Redakteure und flieht nach Helgoland.
Bonetti macht eine Reise, um sich von den Strapazen der ganzen Geschichte zu erholen. Er fährt eine einsame Landstraße entlang, an der ein Motel steht. Obwohl es noch heller Tag ist, hält er an und nimmt sich ein Zimmer. Der Typ an der Rezeption ist ein schlaksiger Kerl mit schwarzen Haaren, der irre kichert. Als Bonetti unter der Dusche steht, hört er plötzlich ein nervtötendes Geigensolo und der Duschvorhang wird zur Seite gerissen. Der Chef des Motels versucht, ihn zu erstechen, rutscht aber auf der Seife aus und bricht sich beim Sturz das Genick. Ich bin ja wohl im falschen Film, denkt Bonetti, und wäscht sich das Shampoo aus den Haaren.
P.S.: Heute ist Nicos Todestag (bürgerlicher Name: Christa Päffgen). Bringen Sie ihr doch eine Blume ans Grab auf dem Berliner Friedhof Grunewald-Forst und trinken Sie dort ein Glas Wein auf ihr Wohl, wenn Sie Lust haben. Nico – All Tomorrow’s Parties. http://www.youtube.com/watch?v=qB1yUXBzUjA

Donnerstag, 17. Juli 2014

Thor! Thor! Thor!

Gender Mainstreaming und Multikulti sind die großen Trends der modernen Gesellschaft. Wir haben eine Frau an der Spitze der Regierung und eine Frau als Oberbefehlshaberin der Bundeswehr. Einer Frau haben Millionen Menschen mit dem Mindestlohn eine Gehaltserhöhung zu verdanken. Bei der Fußballweltmeisterschaft in Brasilien hat gerade eine deutsche Mannschaft den Titel geholt, in der praktisch alle Spieler einen türkischen, polnischen, tunesischen, ghanaischen, mazedonischen oder zumindest einen bayrischen Migrationshintergrund haben. Diese Trends sind jetzt endlich auch in der Welt der Superheldencomics angekommen. 2011 hat es den ersten farbigen Spider-Man gegeben und Ms Marvel ist seit Kurzem eine Muslima. Aber jetzt kommt der Hammer: Thor, der Gott des Donners, soll eine Geschlechtsumwandlung machen! Aus dem männlichen Superhelden Thor von Marvel wird eine Frau. Gott wird zu einer Göttin. Wir dürfen gespannt sein, was noch folgt. Ist Superman ein Bisexueller? Ist Batman in Wirklichkeit ein Transsexueller, der sich von seiner Rolle als Mann befreien möchte, die ihm die Gesellschaft aufzwingt? Werden sich Superwoman und Thora ineinander verlieben, falls sie sich in einem Comicheft begegnen?
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/comic-held-thor-wird-zur-frau-13049080.html

Für einen Teller Minestrone

Die Sonne brennt erbarmungslos auf einen schäbigen kleinen Bahnhof mitten in der Prärie. Drei Cowboys mit langen Staubmänteln warten auf den nächsten Zug. Als der Zug endlich kommt, steigt nur ein einziger Mann aus. Der geheimnisvolle Fremde spielt ein melancholisches Solo auf seiner Mundharmonika, macht einen coolen Spruch und erschießt dann die drei Cowboys. Ein Dornbusch rollt vorüber.
Die Sonne brennt erbarmungslos auf einen schäbigen kleinen Bauernhof mitten in der Prärie. Drei Cowboys mit langen Staubmänteln reiten herbei und erschießen die ganze Bauernfamilie, weil an dieser Stelle ein McDonald’s Drive-Thru entstehen soll. Wir erfahren im Laufe des Films, dass an dieser Stelle die einzige Ketchup-Quelle im Umkreis von fünfzig Meilen ist. Ein Dornbusch rollt vorüber.
Der geheimnisvolle Fremde steht am Tresen eines Saloons in einer schäbigen kleinen Stadt und trinkt Whisky. Der Chef der bösen Cowboys, ein Kerl namens „Tumbleweed“, kommt herein und spricht ihn an. Es geht um den Bauernhof, den der geheimnisvolle Fremde inzwischen bei Ebay ersteigert hat. Als er Tumbleweed erklärt, dass er auf dem Grundstück einen Burgerking Drive-Thru bauen will, fordert ihn der Bösewicht zum Duell heraus. Sie gehen auf die staubige Straße hinaus, auf die erbarmungslos die Sonne brennt. Der geheimnisvolle Fremde zieht seinen Revolver schneller und erschießt Tumbleweed. Im Sterben will der Bösewicht noch wissen, wer der geheimnisvolle Fremde ist. Er erfährt, dass es Heinz „Der Duke“ Pralinski ist und dass sie sich vor vielen Jahren im Volkshochschulkurs „Ikebana für Gehörlose" kennengelernt haben, wo sie einander auffielen, weil sie beide nicht die Gebärdensprache beherrschten. Dann spielt Pralinski ein melancholisches Solo auf seiner Mundharmonika und wartet auf den nächsten rollenden Dornbusch.
Gorillaz – Dare. https://www.youtube.com/watch?v=Aym9-pzfvbA

Mittwoch, 16. Juli 2014

Ein Tag im Leben von Andy Bonetti

9:00: Der Schriftsteller wird von seinem Kammerdiener durch sanfte Harfenklänge geweckt. Der Meister diktiert ihm sogleich die Träume, an die er sich noch erinnern kann.
9:15: Bonetti wird angekleidet und bekommt die Zähne geputzt.
9:30: Erstes Frühstück auf der Ostterrasse seines Anwesens. Tee, Orangensaft, Crepes, Melonenschiffchen und ein Kinder-Überraschungsei.
10:00: Anruf des Verlegers, um das Herbstprogramm des Verlags durchzusprechen.
10:30: Zweites Frühstück auf der Südterrasse. Milchkaffee, Smoothie, Rühreier mit Käse und Tomaten, überbackene Auberginenscheiben, ausgewählte spanische und italienische Schinken, Sesambrötchen.
11:00: Arbeit am Schreibtisch. Absolute Stille im Haus. Der Meister grübelt und entwirft den Plan für einen fünfbändigen Epos mit dem Titel „Eine kurze Geschichte des Löffels“. Telefonisch erteilt er seinen Mitarbeitern die notwendigen Rechercheaufträge.
12:00: Die täglich stattfindende Pressekonferenz im großen Ballsaal der Villa Bonetti.
12:30: Exklusiv-Interview mit CNN zur Zukunft der Literatur im Internetzeitalter.
13:00: Mittagessen mit dem französischen Präsidenten. Erörterung der deutsch-französischen Beziehungen. Der Präsident schreibt eifrig mit. Menüfolge: Lachspraline in Blätterteig, Soupe Gratinée à L’Oignon, gegrillte Gambas, geschmorte Ochsenbäckchen an Rosmarinpolenta, diverse Käsesorten und ein Kinder-Überraschungsei. Ausgewählte Rot- und Weißweine aus der Region.
14:00: Nickerchen.
14:30: Günter Grass ruft an, um sich von Bonetti ein paar Tipps und Anregungen für sein neues Buch geben zu lassen.
15:00: Autogrammstunde im Lion’s Club Bad Nauheim.
16:00: Flug mit dem Privatjet nach Berlin.
17:00: Rede vor dem Bundestag zur Lage der Nation.
18:30: Zwangloser Staatsempfang im Bundeskanzleramt und Verleihung des großen Bundesverdienstkreuzes mit Stern und Schulterband.
20:00: Lesung in der Volksbühne. ARD und ZDF übertragen live.
22:00: Essen mit dem Regierenden Bürgermeister und ausgewählten Honoratioren der Hauptstadt im Borchardt. Menüfolge: Schnitzel mit Kartoffelsalat, dazu abwechselnd Bier und Schnaps.
23:30: Absacker in der Royal Suite des Hotels Adlon. Anruf des US-Präsidenten, der sich für den NSA-Zugriff auf Bonettis Computer entschuldigt, aber er habe nicht warten können, bis das neue Buch („Nelken der Macht“) im Herbst erscheint. Cocktails: Zombie, Long Island Iced Tea.
0:30: Bonetti sieht noch ein wenig SpongeBob im Fernsehen und schläft ein. Morgen ist ein wieder ein wichtiger Tag mit vielen Terminen.
Run DMC vs. Jason Nevins – It’s Like That. http://www.youtube.com/watch?v=l5qfSUaQPIA

Dienstag, 15. Juli 2014

Neulich im Supermarkt

A: Also ich hab ja von jemandem gehört, der jemand kennt, der mit einem Fußballprofi befreundet ist, dass der Löw, der Lahm, der Neuer und der Khedira schwul sein sollen. Mich würde das ja nicht wundern.
B: Und mir hat ein Arbeitskollege erzählt, dessen Bruder beim Fernsehen ist, der Löw und der Lahm wären garantiert sowas von schwul - mehr geht gar nicht. Also richtig homosexuell. Aber das muss unter uns bleiben.
A: In unserer Jugend hat es doch nicht so viele Schwule gegeben. Wo kommen die denn plötzlich alle her? In den siebziger Jahren war doch eigentlich niemand schwul. Und schon gar keine Fußballspieler.
B: Genau. Und damals hatte doch auch niemand eine Allergie. Heute hat doch jeder Allergien, bis der Arzt kommt. Praktisch jeder, den man kennt, ist gegen irgendwas allergisch.
A: Das hat es früher nicht gegeben. Da gab es auch keine Laktoseintoleranz. Da hat ja noch kein Mensch gewusst, was Laktoseintoleranz überhaupt ist. Das Wort war ja noch gar nicht erfunden, schau mal in einem Lexikon von 1975 nach. Da steht zwischen Lakritze und Lama nichts. Früher war doch niemand laktoseintolerant, da hat man einfach seine Milch getrunken.
B: Und dann erst die Veganer. Die trinken ja noch nicht mal Milch und essen sonntags auch kein gekochtes Ei zum Frühstück. In unserer Jugend gab es noch nicht mal Vegetarier. Da hast du bei einer Geburtstagsfeier im Gasthaus für alle Schweinebraten mit Knödeln bestellt und fertig war die Laube. Heute will jeder was anderes. Der eine isst kein Fleisch, aber dafür Fisch, der nächste auch keinen Fisch, aber dafür Rührei. Von was ernähren sich diese Veganer eigentlich?
A: Furchtbar. Vielleicht gibt es ja deswegen so viele Allergiker und Schwule. Man weiß ja heute gar nicht mehr, was man kochen soll, wenn man Gäste hat.
B: Vielleicht ist die Merkel ja lesbisch. Die hatte doch früher immer so eine komische Frisur und Kinder hat sie auch keine.
A: Nicht so laut! Wer weiß das schon? Schreckliche Zeiten sind das heutzutage. Nichts ist mehr sicher.
B: Ja, ganz schreckliche Zeiten. Schlimm, schlimm, schlimm …
P.S.: Alle zwei Jahre, pünktlich zu WM und EM, werden von verklemmten und homophoben Spießern die gleichen Gerüchte an den Stammtischen und in den Redaktionen verbreitet. Und natürlich werden sie auch mir hinter vorgehaltener Hand zugeflüstert. Mal ist es eine Hausfrau, mal ist es der Mitarbeiter eines Fernsehsenders. „Aber es muss unter uns bleiben“. Chinese whispers nennt man dieses Phänomen in der englischen Sprache. Mich kotzt es einfach nur noch an. Den nächsten „Informanten“ werde ich mit Namen und Adresse outen …
The Human League – Don’t You Want Me. http://www.youtube.com/watch?v=tA1V3zP7uh4

Montag, 14. Juli 2014

Weltmeister

Heute Morgen bin ich aufgewacht und war Weltmeister. Ein großartiges Gefühl. Ich habe mich von meinem Gastgeber in Wackernheim verabschiedet, wo ich mit einem Dutzend Leuten das Endspiel gegen Argentinien gesehen habe (Danke für Wein und Chips!), und bin in ein Restaurant gegangen, um zu frühstücken. Ist es Ihnen auch aufgefallen? Heute sind die Wolken ganz besonders flauschig und unsere gute alte Freundin, die Sonne, strahlt den ganzen Tag. Ich habe mir Rühreier mit Speck bestellt und dazu einen Cappuccino getrunken. Dann habe ich die BILD-Zeitung gelesen und mir genüsslich den Spielbericht reingezogen. Das habe ich auch 1990 bei unserem letzten Weltmeistertitel gemacht. Danach habe ich mir zur Verblüffung der Kellnerin noch mal Rühreier mit Speck bestellt und eine weitere Tasse Kaffee getrunken. Anschließend bin ich wie ein Weltmeister nach Hause gefahren. Der beste Busfahrer der Welt, der mich beim Einsteigen angelächelt hat, fuhr mich ins beste Dorf der Welt. Und dort schreibe ich in diesem Augenblick den besten Text aller Zeiten.
Kommende Generationen werden natürlich fragen: Wie ist Deutschland Fußballweltmeister geworden? Der Erfolg beruht auf zwei Faktoren: meine Glückssocken und mein Glückskronkorken. Meine Glückssocken habe ich nach der letzten WM im Ein-Euro-Shop gekauft. Zwei Paar Tennissocken mit schwarz-rot-goldenen Streifen für einen Euro. Da konnte ich nicht Nein sagen. Ein Paar dieser Socken ist längst verschlissen, beim zweiten Paar ist mir die rechte Socke beim Anziehen gerissen - am Morgen vor dem Achtelfinalspiel gegen Algerien. Das war ein schlechtes Omen und natürlich eine heikle Situation für die DFB-Auswahl. Und tatsächlich haben wir erst in der Verlängerung gewonnen. Aber mein Glückskronkorken hat mich nie verlassen. Ich habe ihn in meinem ersten Sixpack gefunden, das ich bei dieser WM getrunken habe. Bitburger hat in jeden Kronkorken die Flagge eines teilnehmenden Landes gedruckt. Schon auf der zweiten Flasche hatte ich die deutsche Fahne! Diesen Kronkorken werde ich dermaleinst einem Museum für Sportgeschichte stiften. Ich möchte diesen Kronkorken dem Siegtorschützen Mario Götze widmen.
Kommen wir zu einem weniger angenehmen Thema: mein WM-Tipp. Mein offizieller Tipp, den ich schriftlich beim Notar hinterlegt habe, war: Spanien wird Weltmeister im Endspiel gegen Brasilien. Aber bekanntlich haben die Spanier schon in der ersten Woche 1:5 gegen die Holländer verloren und die Brasilianer sind von den Deutschen mit 1:7 ins Nirwana geschossen worden. In meiner Vorberichterstattung habe ich letzten Monat geschrieben, dass ich unserer Mannschaft nicht viel zutraue. Meine Fehleinschätzungen sind legendär. Mit dem Geld, das ich in den letzten Jahrzehnten bei WM-Tipps verloren habe, hätte ich locker meine Altersvorsorge gesichert. Zwanzig Jahre habe ich auf Deutschland als Weltmeister getippt und immer auf die Mütze bekommen. Jetzt wollte ich mal auf der sicheren Seite sein und habe auf den amtierenden Welt- und Europameister Spanien getippt. Was soll’s? Ich bin Weltmeister.
P.S.: Richtig abgezockt war mein Kumpel H., der das Endspiel genutzt hat, um ins Ingelheimer Schwimmbad zu gehen. Dort hatte er die gesamte Saunalandschaft für sich alleine. Für ihn fällt die gesamte Sportberichterstattung unter die Rubrik „Professionalisierung des Banalen“, wie er mir noch zwei Stunden vor dem Spiel an einer Würstchenbude erklärte. Respekt! Ich war beim Titelgewinn wesentlich aufgeregter.
The Edsels – Rama Lama Ding Dong. http://www.youtube.com/watch?v=KStsPPgeka4

Sonntag, 13. Juli 2014

Der kleine Heinz

Im lieblichen Auenland lebte einst Heinz Pralinski in einem kleinen Haus. Er arbeitete gerade an einer Übersetzung von Goethes Gedichten in feministisches Deutsch, als es an seine Tür klopfte. Er öffnete die Tür und vor ihm stand ein großer Mann mit einem dunklen Umhang und einem spitzen Hut. Das war der im ganzen Auenland bekannte Zauberer Grindor. Von ihm behauptete man, er könne Gegenstände durch bloße Berührung in Gold verwandelt. Tatsächlich konnte er aber nur Flohmarktartikel in Münzgeld verwandeln. Grindor erklärte Pralinski, dass sich in dessen Kronkorkensammlung Der Eine Kronkorken befände, der seinem Besitzer unendliche Macht verleihe. Pralinski holte seine Holzkiste mit der Kronkorkensammlung aus der Abstellkammer und tatsächlich fand der Zauberer einen goldenen Kronkorken der Mordor-Brauerei aus dem dritten Zeitalter. Grindor erklärte dem kleinen Hobbit, er müsse den Kronkorken in der Gelben Tonne auf dem Schicksalsberg entsorgen, bevor der böse Herrscher Bulgur ihn in seine gierigen Griffel bekäme.
Am nächsten Morgen ging Heinz Pralinski los, begleitet von seinen Freunden Johnny Malta und Andy Bonetti. Sie durchquerten das Sowieso-Land, eine riesige Ebene, die hauptsächlich aus Sümpfen und düsteren Wäldern besteht. Hier lebte einst das rätselhafte Volk der Wilkowskis, die es im Schallplattenhandel zu großem Ruhm gebracht hatten, nach der Erfindung der CD jedoch ausgestorben waren. Um auf die andere Seite einer Bergkette zu kommen, standen sie vor der Wahl, entweder mit dem Bus zu fahren oder eine geheimnisvolle Höhle zu durchwandern. Um das Fahrgeld zu sparen, gingen sie in die Höhle. Dort lauerte ein riesiger Drachen mit sieben Köpfen, riesigen Mäulern und dem entsprechenden Mundgeruch. Der Schnörk ist ein Fabelwesen, dessen Gesang den Zuhörer in den Wahnsinn treibt, vor allem, wenn er was von Wolfgang Petry singt. Nur wenigen Lebewesen ist es gelungen, ihn tatsächlich zu sehen. Es heißt in den alten Sagen, man würde in der Lotterie gewinnen oder Besuch von einem Verwandten bekommen, wenn man ihn sieht. Die drei Gefährten hielten sich die Ohren zu und liefen weiter.
Auf der anderen Seite der Berge lag Schlappland. Sie brauchten fast eine ganze Stunde, bis sie in die Hauptstadt des Reiches gelangten und eine annehmbare Kneipe fanden. Sie schmausten und tranken nach Herzenslust, denn bei den Schlappen ist immer Happy Hour. Dabei wurden sie von einem Typen mit einer gigantischen Nase und einem knallroten Hut mit Pfauenfedern beobachtet, der die ganze Zeit unglaublich schlecht Banjo spielte. Er war ungefähr so unauffällig wie ein nackter Mann mit brennenden Haaren, aber die drei Gefährten bemerkten ihn nicht. Als sie die Kneipe verließen, heftete er sich an ihre Fersen. Als der Kronkorkenträger und seine beiden Freunde ganz tief in einem dunklen Wald waren, sprang ihr Verfolger hinter einem Baum hervor und forderte lautstark die Herausgabe des Kronkorkens. Zu ihrer und unser aller Überraschung kamen einen Augenblick später sieben Zwerge aus dem Gebüsch, die tatsächlich noch kleiner als die Hobbits waren. Sie stammten es dem Land Vla und es gab sie in zwei Sorten. In ganz Mittelerde sind sie als Meister in der geheimnisvollen Kunst des gewaltfreien Töpferns bekannt. Sie vertrieben den Angreifer durch lautes Klatschen und Pfeifen. Als Heinz Pralinski die Zwerge fragte, woher sie denn so plötzlich gekommen wären, antwortete ihm Torsten, der Anführer der sieben Zwerge und Sohn des Zwergenkönigs Werner von Ungemach, die ganze Sache sei ihnen von ihrem berühmten Seher Shakin‘ Stevens offenbart worden.
(…) Dann warf der kleine Heinz Den Einen Kronkorken in die Gelbe Tonne. Erfreut über den glücklichen Ausgang ihres unglaublichen Abenteuers ließen die drei Gefährten mal fünfe grade sein und fuhren mit dem Taxi zurück ins Auenland.
Booker T. & The M.G.s – Green Onions. http://www.youtube.com/watch?v=qW6_Zv--5iY

Samstag, 12. Juli 2014

Heinz Pralinski – Im Auge des Tigers

Am Anfang sehen wir Heinz Pralinski, wie er mit Boxhandschuhen auf Schweinehälften einprügelt. Andy Bonetti hat gesagt, das wäre sehr wichtig. Wir sehen also Heinz Pralinski in einem schmutzigen Unterhemd und mit windschiefem Gesicht, während wir „Eye Of The Tiger“ von Survivor hören.
Heinz „Rocky“ Pralinski ist ein ungebildeter mittelloser Amateurboxer, der aus den allereinfachsten Verhältnissen stammt und in den Slums von Bad Nauheim aufgewachsen ist. Der Sohn sächsischer Einwanderer fristet sein Dasein mit Raufereien auf dem Schulhof, Armdrücken am Tresen seiner Stammkneipe und gelegentlichen Hinterhofboxkämpfen gegen japanische Touristen für die albanische Wettmafia. Er bekommt die Chance seines Lebens, als der Boxweltmeister Johnny Malta in der Stadt ist und einen Herausforderer sucht. Johnny Malta glaubt, mit Pralinski leichtes Spiel zu haben, aber in einem dramatischen Kampf vor hunderttausend Zuschauern im Bad Nauheimer Square Garden verliert er seinen Weltmeistertitel an den Nobody aus dem Ghetto.
Pralinski wird daraufhin reich, berühmt und übergewichtig. Er wohnt in einer riesigen Villa auf einem Hügel, von dem aus man einen sensationellen Blick über ganz Bad Nauheim hat. Es wird ein Film über ihn gedreht und eine Biographie geschrieben. Außerdem ist ständig ein Rudel Reporter um ihn herum und RTL II plant eine Reality-Serie mit dem Titel „Die Pralinskis – Eine schrecklich erfolgreiche Familie“. Bei der Enthüllung eines Pralinski-Denkmals auf dem Marktplatz von Bad Nauheim wird der Champion von einem jungen Herausforderer namens Rüdiger Lang, der aus den allereinfachsten Verhältnissen stammt und in den Slums von Bad Nauheim aufgewachsen ist, beleidigt und herausgefordert. Pralinski lacht ihn aus und nimmt die Herausforderung an. Statt zu trainieren, frisst er aber den ganzen Tag nur Chips und Schokolade. Natürlich verliert er den Kampf gegen Lang und geht schon in der zweiten Runde zu Boden. Völlig demoralisiert denkt Pralinski ans Aufhören, aber sein alter Gegner Johnny Malta, der inzwischen sein bester Freund geworden ist, überredet ihn weiterzumachen. Er trainiert ihn, lässt ihn Schweinehälften verprügeln und mit fünfzig Kilo Backsteinen auf dem Rücken einen Marathonlauf machen. Felix Magath nix dagegen! So bekommt Pralinski wieder „das Auge des Tigers“. Beim weltweit übertragenen Rückkampf wird Rüdiger Lang mächtig verprügelt und Pralinski beweist, dass er immer noch der beste Boxer der Welt ist.
P.S.: Das Drehbuch trug ursprünglich den Titel „Das Türschloss der Schlosstür“. Dieser Titel wurde von der Produktionsgesellschaft abgelehnt. Bonetti schlug „Die Domänen der Dämonen“ vor, was ebenfalls auf geringe Begeisterung stieß. Über „Das Hühnerauge der Eidechse“ näherte man sich schließlich dem endgültigen Titel „Im Auge des Tigers“.
P.P.S.: Die weibliche Hauptfigur sollte ursprünglich „Christel Mett“ heißen. Die Produktionsgesellschaft lehnte diesen Namen jedoch ab, da er beim Publikum zu Irritationen führen könne.
Fatboy Slim – Gangster Trippin. https://www.youtube.com/watch?v=g9NwzOPHpE0

Freitag, 11. Juli 2014

Public Viewing

Mein schönstes Fußballerlebnis als Zuschauer war das unglaubliche 3:2 im Halbfinale der Europameisterschaft 2008 zwischen Deutschland und der Türkei. Ich habe das Spiel mit einem halben Dutzend Männern und Frauen in einer Kreuzberger Kneipe gesehen, vor der auf dem Bürgersteig Tische und Bänke sowie ein großer Fernseher aufgestellt waren. Wir haben, zusammen mit einem anderen Tisch, für die DFB-Auswahl gehalten, gejubelt und gejohlt, an den anderen Tischen saßen die Türken und haben für ihre Mannschaft gejubelt. Tore sind ja genug gefallen. Dann gab es aber noch eine dritte Gruppe von Zuschauern: linksalternative, radikalvegane Gender-Hoschis, die zwar alle biodeutsch waren, aber Deutschland gehasst haben. Sie haben demonstrativ für die Türken gejubelt, hatten aber irgendwie auch nicht so richtig Ahnung von Fußball und haben sicherheitshalber alles nachgemacht, was die Türken gemacht haben. Uns Deutschen waren diese Leute schon peinlich, aber den Türken waren sie noch viel peinlicher. Wir sind dann nach dem Spiel zusammen mit den Türken aus SO 36 mit der U-Bahn zum Ku’damm gefahren und haben noch die ganze Nacht gefeiert. Die merkwürdigen Anti-Fans sind zum Glück nicht mitgekommen.

Bonetti beim Film

Andy Bonetti hat auch einige Drehbücher für bekannte Spielfilme geschrieben. Das ist ein Aspekt seiner Arbeit, der in der Öffentlichkeit wenig bekannt sein dürfte, weil er im Abspann nur unter seinem Pseudonym Fausto Bergomask genannt wird. Auch das Drehbuch von „Good Bye, Lenin!“ stammt von ihm, wenn auch einige unwesentliche Änderungen vorgenommen werden mussten.
Hier die Zusammenfassung der ursprünglichen Version von Bonetti:
Heinz Pralinski erwacht eines Morgens, nachdem er acht Monate im Koma gelegen hat. Was er nicht weiß: Er hat sich in dieser Zeit in einen Zwerg verwandelt. Da schon die kleinste Aufregung seine Genesung gefährden kann, beschließt die Familie, es ihm zu verheimlichen. In Pralinskis Zimmer stehen nur Möbel, die maßstabsgerecht verkleinert wurden. Das Pflegepersonal und die behandelnden Ärzte werden von Liliputanern gespielt, die von einem durchreisenden Wanderzirkus abgeworben wurden. Pralinskis Familienangehörige nähern sich dem Krankenbett nur auf Knien, an denen Schuhattrappen befestigt sind. Im Fernsehen laufen permanent Filme mit Dany DeVito und Woody Allen, in den Nachrichten ist ausschließlich Gregor Gysi zu sehen. Das Essen lässt man sich von einem Feinschmeckerrestaurant liefern, das für seine winzigen Portionen bekannt ist. Man serviert ihm alles auf Puppentellern und in Schnapsgläschen. Schwierig wird es, als es Pralinski immer besser geht und er einen Ausflug machen will. Mit verbundenen Augen fährt er mit seiner Frau und seinen Kindern nach Legoland, wo man ihm alle wichtigen Gebäude wie den Eiffelturm oder Schloss Neuschwanstein im Kleinformat vorführt – an einem Tag, an dem Pygmäen freien Eintritt haben (natürlich fährt er nicht selbst, seine Frau sitzt am Steuer des alten Fiat 500).
Als Pralinski eines Abends sein Krankenbett verlässt, um in seinem Schrank nach der Flasche Bourbon zu suchen, die er dort zu nichtmedizinischen Zwecken immer bereit hält, findet er seine alten Lieblingsschuhe. Sie sind so groß, dass er sich bequem hineinsetzen kann. Wütend ruft er seine Familie ins Zimmer. Er brüllt seine Frau an und erklärt ihre Ehe für geschieden, die Kinder werden enterbt. In der folgenden Nacht brennt er mit einer Krankenschwester namens Lula durch und schließt sich einem durchreisenden Wanderzirkus an.
Für Cineasten sei an dieser Stelle noch angemerkt, dass der Film in der ursprünglichen Fassung des Drehbuchs nicht in Berlin, sondern in Bad Harzburg spielt. Der Titel des Drehbuchs lautete: „Wild at Harz – Die Geschichte von Heinz und Lula.“
Faithless – I Can’t Get No Sleep. http://www.youtube.com/watch?v=LnySDsNGD6o

Donnerstag, 10. Juli 2014

Wir sind die Reichen

Was arme Leute nicht wissen:
Wir dürfen unsere Limousinen auf Behindertenparkplätzen abstellen, ohne einen Strafzettel zu bekommen. Unsere Kennzeichen sind in einer speziellen Reichen-Datei bei der Polizei registriert. Für uns gelten auch keine Geschwindigkeitsbegrenzungen oder Halteverbote.
Es gibt einen besonderen Fernsehsender nur für Reiche. Da laufen die besten Filme ohne Werbeunterbrechung. In den Nachrichtensendungen gibt es nur gute Nachrichten. Außerdem ist die Produktion von tollen Serien wie „Raumschiff Enterprise“ und „Mit Schirm, Charme und Melone“ nie eingestellt worden. In Wirklichkeit gibt es hunderte weitere Folgen, die nur wir sehen können.
Es gibt bestimmte Produkte, die nur reiche Leute essen dürfen. Wir haben ganz tolle Schokolade und die beste Pizza der Welt. Das schmeckt alles total lecker und ist in keinem normalen Supermarkt zu haben. Es gibt Wurst- und Käsesorten, Obst- und Gemüsesorten, von denen die armen Menschen noch nie etwas gehört haben.
Es gibt einen sechsten Kontinent, der in keinem Atlas verzeichnet ist. Dort ist es total schön und wir reichen Leute sind unter uns. Dort sind die herrlichsten Strände, die urigsten Wälder und die höchsten Berge der Welt. Alles ist ganz nah beieinander und leicht zu erreichen. Alle Zimmer in den Zehn-Sterne-Hotels haben Meerblick, das Personal ist freundlich und alle Getränke sind gratis.
Die besten Fußballer der Welt spielen nicht für Real Madrid oder Bayern München. Sie kann man auch nicht bei der Fußballweltmeisterschaft sehen. Sie tragen ihre Spiele in privaten Stadien der Reichen aus. Von den Spielern der „Platinum League“ gibt es auch keine Panini-Sammelbilder. In den Stadien der Reichen gibt es nur Logen und das beste Bier der Welt.
Die besten Musiker der Welt spielen nur für reiche Leute bei Privatvorstellungen, Geburtstagen und Hochzeiten. Die schönsten Lieder und coolsten Songs der Welt sind speziell für Reiche geschrieben worden und sind nicht im Radio zu hören. Außerdem arbeiten die genialsten Schriftsteller und Künstler ausschließlich für reiche Menschen.
Schlechtes Wetter gibt es nur für arme Leute. Über den Grundstücken der Reichen regnet es nie. Wir können außerdem die Außentemperatur und die Jahreszeit per Knopfdruck verändern.
Reiche Menschen können nicht sterben. Es gibt längst die Möglichkeit, das Leben endlos zu verlängern. Moderne Medizin macht das möglich. Der Tod hat seinen Schrecken verloren – für die Reichen.
Wir sind seit 1947 in Kontakt mit Außerirdischen und besuchen uns gegenseitig mit Raumschiffen, die nur die Reichen kennen und benutzen dürfen. Die Außerirdischen haben kein Interesse an einem Kontakt mit armen Menschen, denn sie sind selbst sehr reich.
P.S.: Wir haben das iPhone 12.
Blancmange – Blind Vision. http://www.youtube.com/watch?v=0YAvhMTgE8o

Mittwoch, 9. Juli 2014

Die Traumsequenz - Apotheose und Wendepunkt im Werk Bonettis

Aus einer Rezension zu „Andy Bonetti und der Fluch des Jadedrachen“ im „Bad Nauheimer Morgen“:
Die berühmte Traumsequenz sei ihm bei der Niederschrift besonders schwer gefallen, hat Andy Bonetti in einem seiner seltenen Interviews einmal berichtet. Er habe nicht nur die Traumsequenz in der Nacht vor der Niederschrift tatsächlich geträumt, sondern auch die Niederschrift dieser Traumsequenz. Und zwar Zeile für Zeile. Er habe am Morgen nach dem Aufwachen sogar gedacht, die Traumsequenz wäre längst geschrieben, und war sehr erstaunt, sie in der entsprechenden Datei nicht vorzufinden. Unglücklicherweise habe er sich an diesem Morgen aber nicht mehr an den Inhalt der Traumsequenz erinnern können, dafür aber sehr lebhaft an die geträumte Niederschrift der Traumsequenz. Die Niederschrift der Traumsequenz hätte er sogar mehrmals hintereinander geträumt, so Bonetti im Interview. Er wäre im Traum sehr zufrieden mit dem Text gewesen, nach dem Erwachen sei aber alles wie weggewischt gewesen. Aus den wenigen Trümmerteilen seiner Erinnerung habe er dann die berühmte Traumsequenz quasi improvisieren müssen. Was heute Unterrichtsstoff im Deutsch-Leistungskurs an jedem Gymnasium der Bundesrepublik ist, wurde also tatsächlich nie geträumt. Gerade darum ist die berühmte Traumsequenz ein hervorragendes Beispiel für die Ausdruckskraft und Wirkmächtigkeit von Andy Bonetti. Viele halten die Traumsequenz in „Andy Bonetti und der Fluch des Jadedrachen“ für den Höhepunkt seines dichterischen Schaffens, vergleichbar nur mit Franz Kafkas Erzählung „Ein Traum“ und der „Traumnovelle“ von Arthur Schnitzler.
The Jam – Town Called Malice. http://www.youtube.com/watch?v=YfpRm-p7qlY

Dienstag, 8. Juli 2014

Andy Bonetti und der Fluch des Jadedrachen, Teil 3

Furcht ist der Pfad zur dunklen Seite, hatte Bonetti von seinem Meister gelernt. Aber er hatte keine Angst. Bis zu dieser Mole am Hafen von Shanghai hatte er es geschafft, er hatte die beiden Killer abgeschüttelt und wartete nun im Schatten eines rostigen Containers auf seinen Kontaktmann. Er hatte schon ganz andere Situationen gemeistert und der Streifschuss an seinem linken Oberarm war wirklich nur ein Kratzer. Er hörte die Stimme seines Meisters: „Andy, wenn diese Welt ich verlassen habe, der letzte der Jedi wirst Du sein.“
Es dämmerte schon, als ein kleiner schwarzhaariger Chinese die Mole entlang schlich. Er sah sich nervös nach allen Seiten um. Bonetti stieß dreimal den Ruf des Waldkäuzchens aus, das vereinbarte Zeichen. Der Chinese trat näher und übergab Bonetti wortlos eine Metallröhre und ein geheimnisvolles Päckchen. Dann verschwand er zwischen den Containern. Die Metallröhre enthielt einen Zettel mit einer Adresse in der Altstadt von Shanghai. Sie war in einem alten Inka-Dialekt geschrieben. Ohne zu zögern, verschluckte Bonetti den Zettel und machte sich auf den Weg zur angegebenen Adresse. Die Gasse war dunkel und menschenleer. Aber aus dem Chinaladen, in dem er die letzte und entscheidende Metallröhre bekommen sollte, drang noch Licht.
Er betrat den Laden. Ein Glöckchen bimmelte hell. Die Regale enthielten ein unübersichtliches Sammelsurium aus Gläsern mit getrockneten Otternasen, Leopardenohren, Nashornpulver und Krokodilzähnen, Feuerwerkskörpern, Vasen, Schneekugeln mit der Skyline von Shanghai, Gummidinosauriern, Action-Figuren, gruseligen Puppen ohne Augen, Deorollern, Stadtplänen, Glasaugen, Süßigkeiten, Jadedrachen und Ansichtskarten.
Hinter dem Verkaufstresen stand ein Verkäufer in der Tracht eines chinesischen Mandarins aus der Ming-Dynastie, der ihm den Rücken zugewandt hatte.
„Guten Abend“, sagte Bonetti.
Der Verkäufer drehte sich langsam um und grinste höhnisch. „Guten Abend, Bonetti. Ich habe Sie erwartet.“
„Lefuet? Sind Sie es wirklich? Ich dachte, Sie wären in den Höhlen unter dem Vatikan ums Leben gekommen.“
Lefuet lachte diabolisch.
Bonetti dachte wieder an seinen alten Meister. „Schwer zu sehen, in ständiger Bewegung die Zukunft ist“, hatte er ihm eingeschärft. Und: „Vergessen du musst was früher du gelernt.“
Lefuet zog eine doppelläufige Jagdflinte aus den Tiefen seines schwarzen Umhangs. „Sie geben mir jetzt sofort die geheime Formel!“
Bonetti sah ihm fest in die Augen und schüttelte entschlossen den Kopf.
Mit einem maliziösen Lächeln entsicherte Lefuet die Waffe und richtete ihren Lauf auf Bonettis breite Heldenbrust.
„Wenn Sie mich töten, werden Sie die Formel nie bekommen. Ich bin der einzige, der sie kennt. Sie ist nirgendwo aufgeschrieben.“
Lefuets Gesicht verzog sich zu einer Maske des Hasses. „Wenn du dich nicht bekehren lässt, werde ich dich vernichten.“
„Eure Überheblichkeit ist Eure Schwäche.“
„Andy, ich bin dein Vater.“
„Machen Sie sich nicht lächerlich, Sie widerwärtiger Wookietreiber.“
Da schoss explosionsartig ein 1968er Pontiac Firebird durch die berstende Frontscheibe des Chinaladens. Lefuet war für einen Moment verwirrt, ließ die Flinte fallen und wich ein paar Schritte zurück.
Am Steuer des Wagens saß Heinz Pralinski, der Bonetti seine berühmte „Firesnake“ zuwarf.
In einer einzigen flüssigen Bewegung, deren einzelne Elemente erst in der Zeitlupe erkennbar sind, fing Bonetti die Waffe, lud sie mit zwei Silberkugeln aus dem geheimnisvollen Päckchen und ballerte Lefuet das Hirn in Stücke.
Lefuet, der in Wirklichkeit der Teufel war, was dem aufmerksamen Leser vermutlich nicht entgangen ist, verschwand in einer Wolke aus Blitzen und Rauch, während Bonetti seinem Helfer lässig zunickte. Er hatte getan, was zu tun war.
Rita Mitsouku – C’est comme ca. http://www.youtube.com/watch?v=DygHKfVg8hg

Montag, 7. Juli 2014

Musik in den siebziger Jahren

Diese Musik blökte in den siebziger Jahren jeden Tag aus allen Radios, bis dir die Ohren geblutet haben:
George Baker Selection – Paloma Blanca. http://www.youtube.com/watch?v=zl0KCW-l_rI
Nicht zufällig hatte die Rote Armee Fraktion in diesen Jahren ihre Blütezeit:
Dan the Banjo Man. http://www.youtube.com/watch?v=yiTUxqH5BqA
Seit meiner Lobotomie höre ich diese Hits aber ganz gerne.
P.S.: Und in der Schule hat man uns damals auch nur Mist beigebracht. Was nutzt es mir heute, wenn ich weiß, wo die binomischen Inseln liegen, wenn ich nicht den USB-Port finde?