Montag, 31. August 2020

Leergut und Liedgut

 

Blogstuff 483

„Deutsche nerven. Selbst, wenn’s gut gemanagt wurde, das System sich bewährt hat und die Welt mit Neid drauf guckt, jammern die Leute. Die Nazis und Bekloppten von gestern hätten März und April bei uns in New York verbringen sollen.“ (Frauke Steffens, 30.8.2020)

Wenn die Autos mit Wein statt mit Benzin fahren würden, wären wir in Rheinland-Pfalz scheichreich und hätten ein Leben in opulentestem Luxus. Außerdem wäre der FCK gerade Champions League-Sieger geworden.

An Corona finde ich die Obergrenze bei Privatfeiern am besten. Ich verschicke derzeit Mails an alle Freunde und Verwandten: Sorry, aber ich darf nur 75 Leute einladen und du bist nicht dabei. Ein Riesenspaß! Obwohl ich gar keine Party mache.

In Rheinland-Pfalz sind es 75, in Hessen 50 und in Schleswig-Holstein 250 Leute. Viel Spaß bei der Kontrolle, Papa Staat, und viel Spaß beim Zählen, liebe Polizei. Auch in den Schränken und im Keller nachsehen!

Bevor die Amerikaner mit den Deutschen verbündet waren, haben sie jeden Krieg gewonnen.

3. Oktober 1990: Die Produktionsmittel der DDR-Bevölkerung werden enteignet und den BRD-Konzernen übertragen oder vernichtet.

Hand-Teller, Ohr-Muschel, Aug-Apfel, Nasen-Bein.

Ich muss nicht jede Sau reiten, die durchs Dorf getrieben wird.

2019 sind wir wegen Greta nicht geflogen, 2020 wegen Corona – was kommt 2021? Vulkanausbrüche?

Hätten Sie’s gewusst? In Großbritannien konnte einem Adligen bis 1948 nur im Oberhaus der Prozess gemacht werden, nicht vor Gericht. Den Prozess leitete der Lord High Steward.

Interessiert sich jemand für meine Telefonkartensammlung aus den neunziger Jahren?

Untergegangene Berufe, Teil 184: Knecht Ruprecht. – Unsere Kinder haben es zu leicht!

Die Agentur für ambulante Poesieberatung in Wichtelbach bleibt coronabedingt bis auf Weiteres geschlossen.

1985 (1. Opfer) bis 1992 starben in Deutschland weniger Menschen an AIDS als von März (1. Opfer) bis August 2020 an Corona (9037 zu 9298).

Kalauer der Woche: Man soll Enten nicht füttern, sondern futtern.

The Icicle Works - Hollow Horse. https://www.youtube.com/watch?v=NHGKFbJbhIg

 

Samstag, 29. August 2020

Bonetti-Kritiker im Koma


Blogstuff 482

„Sie stimmten darin überein, dass es weder möglich noch notwendig sei, Menschen aufzuklären, die nie etwas in Frage stellten.“ (Joseph Heller)

Ich winke einem Freund auf der anderen Straßenseite zu. Ein Taxi hält direkt vor mir. Na gut, denke ich, das ist Karma. Und weil mir nach dem Einsteigen nichts Besseres einfällt, sage ich: „Folgen Sie dem Leberwurst-Metallic-farbenen Opel.“ Zehn Minuten später ändere ich mein Ziel: „Bringen Sie mich zum Hauptbahnhof.“ Der enttäuschte Blick des Fahrers im Rückspiegel. Als hätte ich ihm ein schreiendes Unrecht angetan. Es regnet in Strömen, als ich aussteige. Das Taxi fährt weiter, es hört sich in den tiefen Pfützen an wie Meeresbrandung.

Wer in diesem Sommer Mallorca oder Kroatien gebucht hat, hätte auch gleich in Fukushima Urlaub machen können.

Wer kennt noch Hop Sing?

Hoch oben ein Flugzeug. Ich sehe den Chemtrail und nach einer Weile spüre ich das Prickeln der Nanopartikel auf meiner Haut. Ich möchte jetzt gerne die CDU wählen.

In Bingen hat ein türkischer Gastronom ein Restaurant übernommen. Ich freue mich, dass ich endlich auch hier in der Provinz gehobene türkische Küche genießen kann. Was lese ich auf der Speisekarte, die er ins Netz gestellt hat? Handkäse mit Musik, Schweineschnitzel und Rumpsteak. Damit kann man in dieser Gegend nichts falsch machen. Aber auch nichts richtig.

Ich habe lange nicht mehr das I Ging befragt. Das Ergebnis: Fu – die Wendezeit. „Das Bild: Der Donner inmitten der Erde: das Bild der Wendezeit. So schlossen die alten Könige zur Sonnwendzeit die Pässe. Händler und Fremdlinge wanderten nicht, und der Herrscher bereiste nicht die Gegenden.“ Passt ins Corona-Jahr. Bleiben Sie zuhause!

Und dann habe ich auch noch einen Persönlichkeitstest gemacht. Ich bin der Typ Architekt. Ich hätte also doch den Beruf meines Vaters ergreifen sollen. Als Kind habe ich gerne Häuser entworfen und Grundrisse gezeichnet, die ich mit den Schablonen meines Vaters möbliert habe. Als Teenager wollte ich dann aber Journalist werden. Das Ergebnis: 71 Prozent introvertiert – 29 Prozent extrovertiert, 69 Prozent intuitiv – 31 Prozent realistisch. Eher logik-fokussiert als prinzipien-fokussiert. „Es ist einsam an der Spitze. Menschen vom Persönlichkeitstyp des Architekten wissen dies allzu gut. Sie sind vergleichsweise selten und haben die ausgeprägtesten strategischen Fähigkeiten. (…) Menschen mit dem Persönlichkeitstyp des Architekten sind gleichzeitig phantasievoll und entscheidungsfreudig, (…) erstaunlich neugierig, aber sie verschwenden nie ihre Energie.“ Pimp my ego! „Architekten besitzen einen natürlichen Wissensdurst und werden schon in ihrer Kindheit oft als ‚Bücherwürmer‘ angesehen.“ Der Test ist gut. „Ironischerweise ist es für sie am besten, dort zu bleiben, wo sie sich am wohlsten fühlen – außerhalb des Rampenlichts.“ Da liege ich mit meinem Blog ja goldrichtig. Berühmte „Architekten“ sind Putin, Nietzsche, Musk und Schwarzenegger. 

Can - Mother Sky. https://www.youtube.com/watch?v=EVi-UTF9PL4

 

Mittwoch, 26. August 2020

Liebes Wutbürgertum!

 Der Berliner Senat hat sich, in Abwägung der Grundrechte der Versammlungsfreiheit und des Gesundheitsschutzes, für die Gesundheit entschieden und eure Demo am Samstag in Berlin abgesagt. Da ihr gegen Hygienemaßnahmen wie Schutzmaske und Mindestabstand demonstrieren wolltet, musste man davon ausgehen, dass es an diesem Tag zu massiven Regelverstößen gekommen wäre. Die Demo am 1. August war ein gutes Beispiel für dieses unsolidarische Verhalten. Wie man in Corona-Zeiten demonstriert, hättet ihr vor einigen Tagen von Greta, Luisa und anderen jungen Leuten lernen können.

Die Reaktion auf den Senatsbeschluss kann man gerade im Netz verfolgen. Nazis rufen dazu auf, am Samstag bewaffnet nach Berlin zu kommen. Sie drohen, die Volksvertreter aufzuhängen. Die AfD hat zu einer Demo gegen das Demoverbot aufgerufen. Offensichtlich akzeptiert ihr weder den demokratischen Staat noch den Willen der Bevölkerung, die zu achtzig Prozent hinter den Schutzmaßnahmen stehen und damit Verhältnisse wie in den USA oder Brasilien verhindert haben. Dieser Mehrheit werdet ihr euren Willen nicht aufzwingen können – wir leben ja nicht in einer Diktatur. Vielleicht könnt ihr euren Protest ja virtuell im Netz organisieren, falls ihr technisch und intellektuell dazu in der Lage seid? Diese Mischung aus Reiki-Meistern mit Regenbogenfahne und Milzriss-Schlägern aus der Nazi-Szene wäre doch auf Dauer sowieso nicht gut gegangen.

Zum Abschluss noch ein kurzer Hinweis für die AfD-nahen Blogger Epikur und Wellbrock: Entweder ihr marschiert mit den Nazis oder gegen sie. Dazwischen gibt es keine dritte Position. Fridays for Future hat im vergangenen Herbst 1,4 Millionen Menschen auf die Straße gebracht – ohne Nazis, ohne Gewalt. Es ist also möglich, politisch zu arbeiten, ohne sich von Rechtsradikalen infiltrieren zu lassen.

 


Dienstag, 25. August 2020

Der ultimative Witz

Als weltweiter anerkannter Humorexperte werde ich oft gefragt: Herr Bonetti, was ist eigentlich Ihr Lieblingswitz? Dann antworte ich ohne Umschweife: Den über die zwei Saarländer, die nach Paris fahren. Im Grunde genommen ist er, wie alle guten Witze, natürlich saublöd. Aber eben auch raffiniert. Es kommt bei einem Spitzenwitz nämlich darauf an, dass die Zuhörer am Ende von der Pointe verblüfft sind. Der Witz mit den zwei Saarländern ist deswegen so urkomisch, weil er zeitlos ist. Man kann ihn immer erzählen, er ist nicht von bestimmten technischen oder historischen Bedingungen abhängig wie der Witz mit der Telefonschnur oder der Witz über die Olympischen Spiele in Barcelona. Ich erzähle ihn immer wieder gerne und mein Publikum ist regelmäßig aufs Äußerste erheitert. Selbst Menschen, die den Witz schon mehrmals gehört haben, müssen immer wieder lachen. Sie werden es selbst zugeben müssen: „Nein, aber im Schrank“ ist einfach eine unsterblich gute Pointe. Da muss man erstmal drauf kommen.

Frank Zappa - Willie The Pimp. https://www.youtube.com/watch?v=HwakfxJV8bQ


Montag, 24. August 2020

Neueste Erkenntnisse zur Epigenese der gewöhnlichen Steinlaus

 

Blogstuff 480

„Unter seinem viel zu kurzen T-Shirt quoll der Bauch großflächig über den Gürtel. Er sah aus wie eine aufgeplatzte Wurst mit Haaren.“ (Heinz Pralinski: Bonetti im Spiegel der Weltliteratur)

Die Bonetti-Konstante: Jeden Tag passiert gleich viel Scheiße auf der Welt, aber es ist nie die gleiche Scheiße.

Wenn es um das Thema Sodomie geht, werden Tiere immer als Opfer dargestellt. Aber ich erinnere mich noch sehr genau an den Pudel meines Onkels, der ständig mein Bein gerammelt hat. Da war ich noch ein Kind! Einmal hat sogar das Zwergkaninchen eines Studienfreundes meine Hand vergewaltigt.  

Zwanghaftes Misstrauen macht nicht nur aggressiv, es ist auch unglaublich anstrengend. Wer hinter allem böse Absicht, Verschwörung und Apokalypse sieht, ist im permanenten Stress. Das macht die Wutbürger auf lange Sicht fertig. Sie haben sich eine Hölle geschaffen, in der sie ständig verfolgt werden, in der sie immer wachsam sein müssen. Wem kann ich unter all den Fremden, die mich in der Stadt, im Straßenverkehr, im Restaurant oder im Supermarkt umgeben, noch trauen? Der Staat und die Unternehmen sind mächtige Feinde, die Medien sind nur zu ihrer Manipulation geschaffen worden. Wer sein Vertrauen in die Gesellschaft verloren hat, ist in seiner Angst und in seinem Hass lebendig begraben. Wenn die Corona-Leugner nicht so unsympathisch wären, hätte ich Mitleid mit ihnen.

Profiteure von Corona: Hersteller von Wohnmobilen und Swimming-Pools sowie Hundezüchter. Mit einem Wurf kann man das Jahresnettogehalt eines ungelernten Arbeiters erzielen, wenn ich mir die Preise anschaue (2000 € pro Welpe war der Top-Preis in dieser Gegend).

Kennen Sie den Film „Das Schweigen der Lämmer“? Das können Sie auch jedes Jahr in Deutschland erleben. Die meisten Lämmer werden wenige Wochen nach der Geburt geschlachtet. Die Muttertiere geben weiterhin Milch, sodass Vegetarier unbeschwert ihren Schafskäse genießen können.

Wir haben in der Theorie das Prinzip der Gleichheit und in der Praxis das Prinzip der Arbeitsteilung. So läuft das auch in der Politik: alle haben eine Stimme und den Job machen dann die Profis. Was die Urväter und -mütter des Grundgesetzes nicht gesehen haben: Die Profis haben mit den Wählern immer weniger zu tun. 

P.S.: Das war gestern ein schöner Fußballabend. Ich habe schon lange nicht mehr zehn Pizzakartons vom Lieferservice auf einem Stapel gesehen. Ein erhabener Anblick. Ältere Leser werden sich noch an LAN-Partys erinnern. Im Winter hatte ich noch gedacht, ich sehe drei Spiele der Nationalmannschaft bei der EM – und dann ist nach der Vorrunde Schluss. Jetzt habe ich fünf Spiele mit deutscher Beteiligung beim Europapokal der Landesmeister gesehen und am Ende gab es sogar den ersten internationalen Titel seit 2014.

Musik aus meiner Jugend. Ich erwarte nicht nur Toleranz und Verständnis, sondern auch mitfühlende Anteilnahme und Sympathie. Santana - Incident at Neshabur. https://www.youtube.com/watch?v=Sr7z-ikOSR4

 

Sonntag, 23. August 2020

Gastautor's Greatest Moments

 „Warum in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah“. Das wusste schon Goethe. Eine Internetperle finde ich bei Google Mops. Er ist dem Altglascontainer in der Königsberger Straße (die btw eigentlich längst Ulitza Kaliningrad heißen müsste) im nahen Stromberg gewidmet, dem ich wöchentlich meine leeren Weinflaschen als Opfergabe darbringe. Der Dank geht an Aaarggh Argh, einen Seelenverwandten. Diesen Text hätte selbst Meister Bonetti nicht schöner schreiben können. Bilden Sie sich selbst ein Urteil, liebe Lesende:

„Jeden Montag, wenn ich vor den Waschbütten mit den ausgetrunkenen Schnapsflaschen stehe, überkommt mich eine schier unbändige Freude, weil ich endlich wieder zu meinem liebsten Ort gehen kann - dem Altglascontainer in der Königsberger Straße.

Schon von weitem ragen die Metallcontainer wohlgeformten Brüsten gleich stolz vom Parkplatz empor und funkeln braun-weiß-grün in der Sonne. Noch zwanzig Schritte - mein Herz pocht - noch zehn. Fünf. Zwei. Ich bin angekommen.
Wie ein alter Freund begrüßt mich das altbekannte Schild "ALTGLAS, Einwurf nur von 7:00 - 20:00 Uhr. Bitte keine Abfälle, Verschlüsse, Keramik etc. einwerfen". Pflichtbewusst nehme ich die erste Flasche - Grünglas - werfe sie zärtlich durch die Öffnung des Containers und lausche, wie sie mit einem satten *Pling* *Plom* *Schepper* in tausend Scherben zerspringt, nur um bald wieder eingeschmolzen und zu neuem Glas gemacht zu werden.

Eine Flasche nach der anderen wandert durch den gierigen Schlund und bald - viel zu schnell - sind meine Waschbütten leer. Zum Abschied streichle ich noch einmal zärtlich über die Glasscheiben und Topfdeckel, die der letzte Besucher offensichtlich nicht durch die Öffnung bekommen und einfach auf und neben dem Container zurückgelassen hat, knirsche noch zwei-dreimal mit meinen Stiefeln durch die Millionen von Scherben, die hier überall verteilt liegen und nur darauf warten, den nächsten unaufmerksamen Autoreifen aufzuschlitzen, und wende mich dann schließlich ab in dem Wissen, für diesen unseren Planeten etwas gutes getan zu haben.

Und jetzt mal im Ernst: ist halt ein Altglascontainer, wa? Kennste einen, kennste alle.“

Danach habe ich seine anderen Rezensionen gelesen. Mein Stammlokal, das Jägerhaus im Binger Wald, bekam fünf Sterne, ebenso mein Stammgrieche, die Taverna Meteora in Dörrebach. Die beliebte Camping-Gaststätte „Bauer Schorsch“ am Rheinufer in Bingen-Kempten wurde mit soliden vier Sternen bewertet, hier bekommt der Gast eine korrekte Currywurst und eiskaltes Bier. Er lobt sogar die öffentliche Bücherei in Stromberg, ist viel in Baumärkten unterwegs, hat Kinder und einen Labrador. Während einer Dienstreise war er in Berlin-Friedrichshain in einem Thai-Restaurant namens Khwan (Revaler Straße 99).

Nur einen Stern bekommt die Geisterheilerin im Nachbardorf Roth. Er hält es für Abzocke: „Wenn man zu viel Geld über hat und an esoterische Quacksalbereien, Rassenlehre und Wunderheilungen glaubt und überdies der Meinung ist, den üppigen Lebensstil einer unangenehmen Person weiter finanzieren zu müssen, der ist hier vermutlich gut aufgehoben.“

Wer es mit der Heilung eilig hat, lässt sich das folgende Produkt schicken: „Die Selbstheilkarte von Anne ist ein Quantensprung in eine neue Heildimension, wie es sie in der gesamten Menschheitsgeschichte nicht gab. (…) Anwendung: Heilkarte vor sich hinhalten und das Bild ca. 1 Minute ansehen. Sich vorstellen, wie die aggressiven Virenarten außerhalb des Ringes von dem energetischen Schwingungsprogramm so geschwächt sind, daß sie den Körper nicht mehr schädigen können.“ 

Ich schlage vor, Frau Merkel bestellt 83 Millionen Heilkarten und wir sind Corona für immer los. Für 120 Euro werden übrigens auch per Fernheilung Häuser von Strahlung und schlechtem Karma befreit. Ein Seminartag „Gedankendiät“ kostet nur 190 Flocken.

„Das Volk hat ein Recht auf uns Heiler!“

Oder Sie kommen gleich zu Meister Bonetti: Wine Healing Days (täglich ab 18 Uhr). Anschließend spirituelle Sitzung vor dem Altglascontainer.

Mittagspause – Innenstadtfront. https://www.youtube.com/watch?v=fZnDbY-Jc6o 


Freitag, 21. August 2020

Metastasen der Vergänglichkeit

Blogstuff 478

„Es gibt unter Menschen die Lebenden und die Erloschenen. Die letzteren tun das Erwartbare, sagen das Erwartbare, überfordern keinen und fühlen sich wohl in Stereotypen. Die Lebenden dagegen sind unvorhersehbar, abrupt, anstrengend.“ (Roger Willemsen)

Wer glaubt, jetzt seine Lieblingsprojekte wie beispielsweise das BGE verwirklichen zu können, da der Staat gerade das Geld mit vollen Händen verteilt, könnte sich täuschen. Wer die Renovierung seines Hauses nach einem schweren Sturm bezahlen muss, plant keine teure Weltreise. Das BGE gibt es längst. Es heißt Hartz IV und hält das Proletariat fügsam, bescheiden und geschmeidig.

512 n.Chr.: Die Isobaren erobern Rom.

Darf ich meinen Sohn noch Adolf nennen? Dürfen Schluchtenscheißer noch Witze über Piefkes machen und umgekehrt? Beginnt mit der Cancel Culture die Zeit ethischer Säuberungen? Diskutieren Sie am Montagabend mit Andy Bonetti. „Hurz aber schnurz“ um 21 Uhr auf ARD.

Wegen meines undeutlichen Genuschels unter der Maske hat mir die Bäckereifachverkäuferin zwei statt einem Stück Streuselkuchen mit Pfirsich eingepackt, wie ich zuhause bemerkte. Corona hat nicht nur Schattenseiten.

Kennen Sie die neue Wirecard-Werbung? „Wer hat uns beraten? Christdemokraten.“ Der Vorstandsvorsitzende Frederick Fersengeld (Name von der Redaktion geändert) ist untergetaucht, vom Geld fehlt jede Spur. Wird Kommissar Zufall den Fall lösen?

„Apocalypse Now“ ist eine Metapher auf unsere Zeit. In der ersten Szene wird ein friedlicher, unschuldiger Wald niedergebrannt. Dann dringt der hochaggressive Mensch immer weiter in die Wildnis vor, bis er selbst vernichtet wird.

Schweppenhausen, das ist posturbanes Wohnen.

Macht es euch auch so wütend, dass die Zigeunersoße umbenannt wurde? Wir treffen uns am 29. August am Brandenburger Tor.

Gott ist allmächtig und allwissend, so haben es uns die Pfaffen immer gepredigt. Aber wieso hat Gott nicht gewusst, dass die ersten Menschen im Paradies Scheiße bauen würden? Warum hat er sie nur rausgeschmissen und nicht getötet, um einen neuen Menschen zu schaffen? Allwissend ist er also schon mal nicht. Und was hat er gemacht, als meine Vorfahren seinen Sohn gekreuzigt haben? Nichts. Allmächtig ist er also auch nicht. Wieso hat Jesus Wunder vollbracht, aber im entscheidenden Moment seinen eigenen Arsch nicht gerettet? Wenn Jesus nicht Gottes Sohn war, wieso ist er dann durch ein Wunder Gottes von den Toten auferstanden? Das alles ist völlig unlogisch. Aber Gott muss ja auch die Logik erschaffen haben, oder? Und unsere Fähigkeit, ihn mit logischer Argumentation auseinanderzunehmen. Das ergibt alles keinen Sinn. Dennoch beten immer noch Milliarden Menschen Gott an. Merkwürdiger Haufen, dämlicher Planet. 

Mott the Hoople – All The Young Dudes. https://www.youtube.com/watch?v=IYkRLcCJU_Y

Donnerstag, 20. August 2020

Ode an den Touristen

 Der akkurat gefaltete Plan einer Stadt namens Scheiße.

Du musst frittierte Maulwurfshoden essen, weil sie eine Spezialität dieser Drecksgegend sind.

Da gibt es eine verfickte Kirche im Stadtzentrum, die du unbedingt fotografieren musst, obwohl du nie in die Kirche gehst.

Noch schlimmer sind die sogenannten Sehenswürdigkeiten. Das Brandenburger Tor zum Beispiel ist einfach nur Architekturmüll.

Natürlich ist der Besuch des Szeneviertels Pflicht, wo aber nur andere Touri-Hurensöhne abhängen. Als Einheimische gelten Möchtegern-Hipster, die erst letztes Jahr in diesen Abzocker-Puff gezogen sind.

In der versifften U-Bahn triffst du Musikzerstörer aus Rumänien und Verwaltungsangestellte aus Mannheim.

Begabungslose Hackfressen, die Kulturmanagement studieren, bringen dir in der Kneipe ein völlig überteuertes Craft Beer, das nach Hundepisse schmeckt.

In Fake-Kneipen gibt es Schweinehaxe mit Erbspüree, einen Pennerfraß, den kein Eingeborener in diesem aufgeblasenen Drecksnest jemals gegessen hat.

Ich sollte einen gottverdammten Scheiß-Reiseführer schreiben. Berlin, London, Paris – völlig egal. Diese Städte sind allesamt runtergekommene Nutten, völlig verwahrlost, ein einziges namenloses Elend.

Die Reiseführer sollten eine fette Warnung vor diesen lausigen, nach Hundekacke und Menschenkotze stinkenden Touri-Fallen sein. Kommt bloß nicht her, bleibt zuhause! Holt euch keine Filzläuse, keine Depression, keine Hirnfäule, ihr kleinen Arschmaden.   

Madonna - Live To Tell (At Close Range Extended Version). https://www.youtube.com/watch?v=Qi4Cc_oCEZo

 

 

 

Mittwoch, 19. August 2020

Der Prophet schweigt

 

Blogstuff 477

„Dass sich auch im Jahr 2020 das Kapital noch eine sozialdemokratische Partei hält, nunmehr ohne jedweden Nutzen und Bedarf, ist die Sentimentalität der herrschenden Klasse.“ (@GebUlrike auf Twitter)

Lothar Matthäus hält Toni Kroos für einen der besten Bass-Spieler der Welt.

2020: Die Zahl der ungenutzten Intensivbetten in deutschen Freudenhäusern erreicht ein Rekordhoch.

Meine Heimatstadt Ingelheim am Rhein hat in Sachen Sport nur eine Berühmtheit hervorgebracht: Bärbel Wohlleben. Sie spielte mit Sondergenehmigung als einziges Mädchen in Rheinland-Pfalz in der Fußballmannschaft der Spielvereinigung Ingelheim – zwanzig Jahre, bevor ich selbst für diesen Verein als Linksaußen kickte. 1970 hob der DFB das Verbot des Frauenfußballs auf und Bärbel Wohlleben wurde mit dem TuS Wörrstadt 1974 erste deutsche Fußballmeisterin. Ihr Treffer im Finale wurde damals von der ARD-Sportschau zum Tor des Monats gewählt. Sie lebt noch heute in Ingelheim.

https://www.sportschau.de/sendung/tdm/archiv/chronik70er/september74tdm100.html

Idioten halten sich für Hauptdarsteller, klugen Menschen halten sich für Statisten, aber nur wenige erkennen, dass es keinen Regisseur gibt.

Am 5. Februar ist Kirk Douglas gestorben und hat alles richtig gemacht. Die Corona-Scheiße ist komplett an ihm vorübergegangen.

Integration findet in Deutschland überwiegend im Verdauungssystem statt. #Pizza

Mal lacht man, mal weint man. Das kannst du vorher nicht wissen.

Kennen Sie schon mein neues Eyeliner Tutorial auf YouTube?

Mit 16 fragt man: „Was ist der Sinn?“ Mit 60 fragt man: „Was gibt’s zu essen?“

Wie genieße ich meinen Wohlstand politisch korrekt? Ich bezeichne mich selbst als Linken, finde die Unterdrückung von Schwarzen und Frauen schlecht, beklage den Materialismus und unterstütze verbal Greta und andere moderne Heilige. Zuhause gibt’s ein saftiges Steak und eine Flasche Crémant. Es ist so herrlich einfach.

Kanzel Culture kenne ich noch aus dem Konfirmandenunterricht.

„Du lebst doch wie die Made in Frankreich – oder wie heißt das Sprichwort nochmal?“

Ich habe nichts gegen Maskenmuffel, aber … 

Nochmal Ingelheim: Am Samstag demonstrierten dort 22 Nazis. Sie trafen auf etwa 300 Leute, die was gegen Nazis haben. 500 Polizisten kesselten wiederum genau diese Leute im Bahnhofstunnel ein.

https://taz.de/Polizeigewalt-bei-Demo-in-Ingelheim/!5708401/

Beatles – If I Fell. https://www.youtube.com/watch?v=F_80s6S_7Vw

Dienstag, 18. August 2020

Das erste Interview

Sauberkeit. Das ist wichtig. Diese Fernsehmenschen sind so oberflächlich. Ich habe sogar die Unterseite der Klobrille auf Hochglanz poliert. Die leeren Weinflaschen habe ich zum Altglas-Container gebracht. Oder hätte ich eine leere Flasche in der Küche stehenlassen sollen, um mit meiner Rolle als Künstler zu kokettieren?

Sauberkeit, gut. Aber Ordnung? Wie ordentlich darf das Arbeitszimmer eines Schriftstellers sein? Perfekte Ordnung wirkt steril, sie ist eine Lüge, denn ein Schreibtisch, an dem tatsächlich gearbeitet wird, muss ein notwendiges Maß an Unordnung vorweisen können. Am schwierigsten war der Bücherschrank. Nachdem ich die ganze Schundliteratur in die Abstellkammer geräumt hatte, waren die Regale halb leer. Oder hätte ich die Biographie von Dieter Bohlen stehen lassen sollen? Schließlich kommt ein Kamerateam von RTL, um eine Homestory zu drehen. Ich räume die untere Regalreihe komplett leer, die sieht ohnehin keiner, und stelle Nippes in die verbliebenen Lücken. Sogar eine Motivtasse, in die ich ein paar Buntstifte stecke.

Vielleicht lege ich ein Buch neben den Computer. Goethe? Ich sollte nicht zu dick auftragen. Paul Auster? Das wäre eine gute Mischung aus seriöser Literatur und Verkaufserfolg. Noch eine Stunde. Wo ist meine Hose? Jeder weiß, dass wir Autoren in Unterwäsche schreiben, aber ohne Hose geht es nicht. Soll ich die Hose von meinem dunklen Anzug anziehen? Das wäre übertrieben. Eine Jeans? In meinem Alter? Aber es ist RTL, also entscheide ich mich für die Jeans. Natürlich keine mit industriell zerstörter Kniepartie, das wäre unglaubwürdig. Dazu ein Hemd. Ein weißes Hemd, die oberen zwei Knöpfe lasse ich offen. Herrgott! Ich muss mir noch die Fingernägel schneiden.

In einer halben Stunde steht die Meute vor der Tür. Die Nervensäge Frauke Ludowig, ein Kameramann, ein Tontechniker und die Maskenbildnerin. Ich gehe besser noch mal aufs Klo. Auch ein wenig Rasierwasser kann nicht schaden. Gut, dass ich den Bravo-Starschnitt von den Bay City Rollers von der Wand genommen habe. Van Goghs Sternennacht gibt dem Zimmer einen intellektuellen Touch. Soll ich noch ein japanisches Schriftzeichen ausdrucken? Nein, keine Zeit mehr.

Was wird mich die Fernsehtrulla fragen? Natürlich nach meinem neuen Buch. „Die Farben der Nacht“. Klingt gut, aber welche Bedeutung hat der Titel? Vielleicht hätte ich den Lektor fragen sollen, der die Idee hatte. Ursprünglich lautete der Titel „Emotion als Gravitation im phallisch-vaginalen Raum-Zeit-Kontinuum“. Hoffentlich hat sie es nicht gelesen. Ich muss ein Exemplar in die Kamera halten. Ich lege es am besten neben den Computer, auf Austers „Musik des Zufalls“.

Was gibt es über mein Leben zu sagen? Schüler, Student, Angestellter. Jetzt Frührentner mit Überraschungserfolg. Lobende Rezension im Feuilleton der FAZ, Platz 5 der Spiegel-Bestsellerliste. Vielleicht erzähle ich ein paar Anekdoten von meinen Reisen nach Österreich und Dänemark? Kein Kind, keine Katze, noch nicht einmal ein Kaktus. Hobbys? Ich lese gern und verbringe den Abend vor dem Fernseher. Allerdings sehe ich nie RTL. Muss man da eine Sendung kennen? Ach ja: „Exclusiv – Das Starmagazin“.

Es klingelt.

Foo Fighters – Everlong. https://www.youtube.com/watch?v=eBG7P-K-r1Y

 

Montag, 17. August 2020

Konfusion, Korruption, Kapitulation


Blogstuff 476

„Außerdem fühl ich mich über lange Zeit sowieso allein am wohlsten. Mir genügt, wenn ich ab und zu ins Caféhaus geh und zuschaue, wie die anderen reden.“ (Thomas Bernhard)

Es ist viel zu heiß für die boshafte Freude am Weltuntergang, aber das Wetter passt sehr gut zu Resignation und Nihilismus.

Wenn Gott einen armen Menschen glücklich machen will, so lässt er ihn erst sein Handy verlieren und später wiederfinden.

Als Kind sprach ich noch perfekt indianisch: Tomahawk, Wigwam, Squah, Pemmikan, Skalp, Manitu, Kriegspfad, Bleichgesicht, Marterpfahl und ewige Jagdgründe. Chemtrails nannten wir damals „Spur des Donnervogels“.

Das Frauenbild der ganzen toten Dichter und Denker ist von gestern. Die alten Bücher können weg. Wir brauchen neue Denkanstöße. Von Frauen. Aber nicht von weißen Frauen, denn die sind privilegiert. Sondern von Women of Color (Wok). Natürlich auf farbigem Papier – sonst sehe ich schwarz für unsere Zukunft.

Die Aufklärung forderte mehr Licht und wir bekamen Siemens.

Auf einer Haushaltsleiter sind schon mehr Menschen gestorben als auf dem Mount Everest.

BLACK WIVES SCHNATTER. Bekomme ich jetzt endlich auch mal einen Shitstorm?

Fünfzig Jahre habe ich als Matrose gearbeitet und war jeden Tag seekrank. Ich weiß gar nicht, wie viele Tonnen Reis und Bohnen ich über die Reling gekotzt habe, aber hätte ich den Berufsberater ins Unrecht setzen sollen?

Hätten Sie’s gewusst? 1975 erfindet Elmar Z. (Name von der Redaktion gekürzt) das Abendbrotei. Produzenten von Frühstückseiern geraten in eine Krise, Kurzarbeit in der Branche ist die Folge.

Apropos Mohrenstraße. Was ist mit der Mohrrübe? #gemüserassismus

Sommerphilosophie: liegen und liegen lassen.

Neulich war es endlich so weit: Ein Radfahrer hat innerorts meinen Vater überholt – links! Er fährt inzwischen auf Landstraßen 40 km/h und bremst am Ortseingang ab. Er ist 86 und ich bin gespannt, wann die ersten Jogger an ihm vorbeirennen.

Bescheidenheit ist langweilig, Demut ist würdelos, Genügsamkeit ekelt mich an. Söder war ganz unten, als er für ein Foto einen Baum umarmt hat. Er zeigte Größe, als er sich breitbeinig wie ein Mafiaboss in einer Lagehalle voller Klopapier ablichten ließ, während die Supermarktregale leer waren.   

Prefab Sprout – Bonny. https://www.youtube.com/watch?v=fWRgHVamt7g

 

Sonntag, 16. August 2020

Bonetti’s Evolutionstheorie

„Wenn sich in der Sahara vierzig Sandkörnchen befinden, von deren Auffindung die Rettung der Welt abhängt, werden sie genauso wenig gefunden wie die vierzig erlösenden Werke, die schon geschrieben wurden.“ (Stanislaw Lem: Die vollkommene Leere)

Es heißt, der Mensch habe sich in der Savanne aufgerichtet, um den Löwen früher zu sehen. Vielleicht auch, um besser an die Früchte zu kommen, die an den Bäumen wuchsen. Aber das Erdmännchen richtet sich auch auf, um den Löwen früher zu sehen. Danach läuft es aber auf vier Pfoten. Um an die Früchte zu kommen, kann man sich einen langen Hals wachsen lassen wie die Giraffen, man kann sein Sprungtalent entwickeln oder einfach auf den Baum klettern wie unsere Verwandten, die Affen. Haben Sie sich Affen mal genau angesehen? Die haben nicht vier Füße wie alle anderen Tiere, sondern vier Hände. Das ist ziemlich clever. Dagegen ist der Homo sapiens ein klarer Rückschritt. Mit unseren Füßen können wir gar nichts anfangen. Sie sind nur zum Rumstehen da.

Jetzt kommt meine Theorie, Freunde der Sonne und der Berge: Der erste Mensch war eine Mutation. Er war ein Rückschritt, kein Fortschritt. Er hatte nicht vier Hände wie die anderen Primaten, sondern zwei verkrüppelte Extremitäten. Deswegen wollte sich auch niemand mit ihm paaren. Irgendwann hat es in der Savanne mal zwei Krüppel zur gleichen Zeit gegeben. Ein Männchen und ein Weibchen. Nennen wir sie Adam und Eva. Sie haben sich fortgepflanzt. Der Rest dieser schrecklichen Geschichte der Mutanten ist bekannt: Faustkeil, Rad, Verbrennungsmotor und Burger King. Mich überzeugt die sogenannte „Menschheit“ bis heute nicht. Das Konzept Homo sapiens hat keine Zukunft.

P.S.: Stanislaw Lem entwickelt in seinem Werk „Die vollkommene Leere“ eine Theorie der Genialität in drei Klassen. Die drittklassigen Genies ragen nicht allzu weit über den geistigen Horizont ihrer Zeit heraus. Sie werden häufig erkannt und kommen bereits zu Lebzeiten zu Ruhm und Geld. Die Genies zweiter Klasse sind ihrer Zeit weit voraus. Sie werden, wenn überhaupt, erst nach ihrem Tod entdeckt und ihm Rahmen einer intellektuellen Wiedergutmachung mit Denkmälern und opulenten Biographien gewürdigt. Die größten Genies, die Genies erster Klasse, werden jedoch nie erkannt. Ihre Ideen sind so unerhört, dass sie auch von den kommenden Generationen nicht begriffen werden. Von ihnen wissen wir nichts. Es bleibt dem geneigten Leser überlassen, zu welcher Kategorie er Andy Bonetti und seine bahnbrechende Evolutionstheorie rechnen möchte.

New Model Army - White Coats. https://www.youtube.com/watch?v=zK6NtwHIjjg

Samstag, 15. August 2020

Neue Formen der Kultur

Ein älterer Mann steigt in Frankfurt in den ICE. Ihm gegenüber sitzt eine Frau um die fünfzig. Nach einer Weile kommen sie ins Gespräch.

Sie: Sie fahren auch nach Hamburg?

Er: Ja, ich besuche Freunde.

Sie: Was halten Sie von der Absage an Lisa Eckart bei Harbour Front?

Er: Was ist Harbour Front?

Sie: Ein Literaturfestival. Das gibt es seit zwölf Jahren in Hamburg.

Er: Nie gehört. Muss man das kennen?

Sie: Sie interessieren sich offenbar nicht für Literatur?

Er: Doch, ich lese gerne. Aber meistens Autoren, die nicht aktuell sind. Gerade lese ich Stanislaw Lem.

Sie: Kennen Sie denn Lisa Eckhart?

Er: Ich habe sie ein paar Mal im Fernsehen gesehen. Der Wiener Schmäh. Sehr boshaft. Aber ich fand ihre Auftritte nicht schlecht.

Sie: Sie macht rassistische und antisemitische Witze. Das finden Sie gut?

Er: Sie hat Harvey Weinstein und Woody Allen durch den Kakao gezogen. Aber alle Männer bekommen bei Lisa Eckhart ihr Fett weg. Ist das dann sexistisch?

Sie: Es gibt keinen Sexismus gegen Männer.

Er: Ach so.

Sie: Jedenfalls hat man sie wegen ihrer Äußerungen wieder ausgeladen.

Er: Aber da hätte man doch mit ihr diskutieren können. Muss man immer gleich etwas verbieten, dass man selbst nicht gut findet?

Sie: Über Antisemitismus kann man nicht diskutieren. Da muss man Grenzen setzen. Das nennt man Cancel Culture.

Er: Cancer Culture? Handelt es sich um ein medizinisches Thema?

Sie: Sie begreifen aber auch gar nichts. Vermutlich haben Sie aber in Sachen Fußball den großen Durchblick?

Er: Können Sie mich nicht einfach in Frieden lassen?

Sie: Sehr schön. Zehntausend Jahre Patriarchat und dann das Opfer spielen. Sie haben ja einen goldigen Humor.

Er (denkt): Fahr mit dem Zug, haben sie gesagt. Das ist besser für deine Nerven, haben sie gesagt. Vielen Dank! Fußball macht die Menschen wenigstens nicht so aggressiv wie Kultur. Und beim Kabarett hört bekanntlich der Spaß auf.

The Smiths – How Soon Is Now? https://www.youtube.com/watch?v=OztC_7nkAd8

P:S.: Lesenswerter Artikel zur Causa Eckhart: https://www.heise.de/tp/features/Lisa-Eckhart-Die-Hetzjagd-geht-weiter-4871014.html 

Dienstag, 11. August 2020

Der Psycho-Test

Psychologe: Sie haben in einer Knabberbox die Auswahl zwischen Salzstangen, Fischli, Erdnussflips, Käsebrezeln und Kartoffelchips. Was nehmen Sie zuerst?

Versuchsperson: Das ist schwer. Ich mag Flips und Salzstangen. Zu den Chips bräuchte ich mehr Informationen. Sind es Stapelchips oder nicht? Welche Geschmacksrichtung? Aber ich sehe schon, Sie wollen eine schnelle Antwort. Na, gut … die Flips. Nein! Die Salzstangen. Verdammt. Deswegen gehe ich nicht zu Starbucks oder Subway. Die Entscheidungen im Sekundentakt überfordern mich. Ich kaufe auch nie eine Knabberbox. Die vielen Optionen machen mich nervös.

P: Die Salzstangen? Was ist denn los mit Ihnen? So kenne ich Sie gar nicht. Ich habe Sie in der Vorbesprechung ganz anders kennengelernt. Sie sind doch gar nicht der Typ für Salzstangen. Sie haben mir über Ihr Verhältnis zu Käse berichtet. Seit Ihrer Kindheit lieben Sie alles, was mit Käse überbacken ist oder einen Käsegeschmack hat. Und jetzt kommen Sie mir mit Salzstangen?

V: Ich weiß auch nicht. In letzter Zeit bin ich so impulsiv. Unter Druck treffe ich meistens die falsche Entscheidung. Was wäre, wenn ich gar nichts auswählen würde?

P: Dann müsste ich mit Ihrem Hausarzt sprechen. Haben Sie Erfahrung mit Psychopharmaka? Wir würden gerne das Fernandolin 3000 an Ihnen testen.

V: Wenn Sie mich nicht so unter Druck gesetzt hätten …

P: Werden Sie nicht unverschämt!

V: Aber ich darf doch auswählen, was ich will.

P: Ich glaube, wir behalten Sie heute Nacht hier.

V: Das ist doch Wahnsinn!

P: Beruhigen Sie sich bitte. Ihre merkwürdige Vorliebe zu Salzstangen werden wir später besprechen. Kommen wir zur nächsten Frage. Denken Sie an die Städte Madrid, Mailand, Manila, München und Melbourne. In welcher Reihenfolge würden Sie diese Städte besuchen und warum?

Linkin Park – Numb. https://www.youtube.com/watch?v=kXYiU_JCYtU

Samstag, 8. August 2020

V wie Vendetta, B wie Bonetti

 

Blogstuff 473

„Sozialismus konnte in Amerika nie Fuß fassen, weil die Armen sich selbst nicht als ausgebeutetes Proletariat sehen, sondern als vorübergehend verhinderte Millionäre.“ (John Steinbeck)

Ich bin im Nebenberuf Film-Coach. Wenn ich im Fernsehen einen Krimi sehe, rufe ich „Schieß doch endlich, du Vollidiot!“ Wenn ich einen Liebesfilm sehe, rufe ich „Küss ihn, verdammt nochmal!“ Wenn die Schauspieler mich hören könnten, wäre das Programm wesentlich besser.

Hätten Sie’s gewusst? Wichtelbach war schon zur Zeit der Pharaonen besiedelt. Erstmals wurde es 999 als „Witzbagl“ erwähnt – und zwar von einem gewissen Karl-Heinz. Bis ins 15. Jahrhundert gehörte das Dorf zur Grafschaft Hundebuckel, aus der später der Hunsrück hervorging. Bedeutend war ab ca. 1700 die Briefbeschwererindustrie. Berühmtester Sohn der Gemeinde ist Engelbert Buxbaum (1812 – 1889), der 1834 in die weite Welt hinauszog und später unter dem Titel „Vom Bauschlosser zum Schlossbrauer“ seine Memoiren veröffentlichte, die seinerzeit einigermaßen bekannt waren.

30.8.2020: "Aus dem Führerhauptquartier wird gemeldet, dass unser Führer Attila Hildmann heute Nachmittag in seinem Befehlsstand in der Reichskanzlei, bis zum letzten Atemzug gegen den Bolschewismus kämpfend, für Deutschland gefallen ist.“

Ich arbeite gerade an einem längeren Text, der die amerikanische Gang-Problematik in den Wald verlegt. Die Weasels kämpfen gegen die Badgers. Der Wald ist in zwei verfeindete Gebiete aufgeteilt: Oakside und Pineside. Es soll eine Mischung aus sanftem Surrealismus und fiktivem Realismus werden. Wenn die Story fertig ist, werde ich sie Disney anbieten.

Das Coronavirus wurde von der Bäckerinnung in die Welt gesetzt, um von der Bonpflicht abzulenken. Oder bekommen Sie noch einen Bon beim Bäcker?

Hätten Sie’s gewusst? Der Lieferdienst Delivery Hero (Lieferheld u.a.) ist an der Börse derzeit etwa so viel wert wie die einstmals mächtige Deutsche Bank.

Dem Lärm und der Aggression der digitalen Stammtische gehe ich ja gerne aus dem Weg. Ich sitze auf dem Balkon, höre Kinderlachen und Singvögel und blicke mit der gebührenden Altersmilde auf die erste Jahreshälfte zurück. Ich bin gesund und musste zu keiner Beerdigung. Corona führte dazu, dass wir Gesundheit vor Profit gesetzt haben. Wir haben auf den Schock einer Pandemie mit Solidarität reagiert, selbst unsere Fürsten haben sich von der „schwarzen Null“ verabschiedet und ihre Schatullen zum Wohle der Menschen geöffnet. Im Augenblick ist alles ruhig, nur in der Ferne kläfft ein Wutbürger, aber die Menschen in meiner Umgebung sind entspannt.

Blade Runner 2049 - Tears In Rain Slowed Extended. https://www.youtube.com/watch?v=X0Hyxq7iOwI

Donnerstag, 6. August 2020

Historische Chaostheorie: Die Geburt einer Weltmacht


Einige Wörter haben sich in Nachnamen erhalten. Kretschmer heißt auf hochdeutsch Gastwirt. Böhm ist ein Zehnpfennigstück. Manche Wörter benutzen wir noch heute: labern zum Beispiel. Ich spreche vom Dialekt, der in der einstigen Provinz Schlesien gesprochen wurde. Wo im Sommer die Bliemla bliehn.

Schlesien wurde im 18. Jahrhundert zum Zankapfel zwischen den Hohenzollern und den Habsburgern. Es wurden drei Kriege um diese Provinz mit etwa einer Million Einwohnern geführt. Der dritte Krieg, der siebenjährige Krieg von 1756 bis 1763, wurde zum ersten Weltkrieg, der den Namen verdiente. Die Kontrahenten hatten alles um sich versammelt, was in Europa Rang und Namen hatte:

·       Team Österreich: Frankreich, Russland, Schweden, Spanien, Heiliges Römisches Reich, diverse deutsche Fürstentümer.

·       Team Preußen: Großbritannien, Portugal, diverse deutsche Fürstentümer.

·       Neutral: Polen, Dänemark, Norwegen, Schweiz, Vereinigte Niederlande, das Osmanische Reich u.v.m.

Den Auftakt des epischen Ringens um Schlesien machte ein französischer Angriff auf die Balearen-Insel Menorca, die zu diesem Zeitpunkt unter britischer Herrschaft stand. Die Franzosen eroberten die Insel und Großbritannien erklärte Frankreich den Krieg. Es folgte die Eroberung Sachsens durch die Preußen, um die strategische Ausgangslage im Kampf gegen die Habsburgermonarchie und deren Provinzen Böhmen und Mähren zu verbessern. Im gleichen Jahr begann auch der Krieg zwischen der französischen und der britischen Kolonie in Nordamerika. Auf beiden Seiten kämpften Indianerstämme für die Europäer.

1757 scheiterte Preußen bei der Eroberung Böhmens und der Belagerung von Prag und zog seine Truppen nach Sachsen zurück. Der deutsche Kaiser, ein Habsburger, griff die Preußen in Thüringen an, während die Österreicher Schlesien eroberten und für einen Tag sogar Berlin besetzen konnten. Die französische Armee griff von Westen an und besetzte preußische Länder am Rhein und einige mit Preußen verbündete Fürstentümer.

1758 eroberten die Russen Ostpreußen. Schweden versuchte, sein Territorium Schwedisch-Pommern (das heutige Vorpommern inklusive der Odermündung und Stettin) zu erweitern und marschierte in Brandenburg ein. Langsam wurde es unübersichtlich. Die Franzosen gewannen eine Schlacht gegen die Briten in Nordamerika und verloren eine Schlacht gegen die Preußen. Die Österreicher drangen nach Sachsen vor, scheiterten aber. Die Preußen fielen in Mähren ein, konnten sich aber nicht halten.

1759 war Preußen in der Defensive, aber seine Gegner konnten sich nicht zu einem finalen Angriff entschließen. Ostpreußen, Schlesien und das preußische Vorpommern waren vom Feind besetzt. Die britische Unterstützung beschränkte sich auf Finanzhilfen. Die Franzosen verloren vor der portugiesischen Küste eine Seeschlacht gegen die Briten, eine weitere vor der eigenen Küste und anschließend Quebec im heutigen Kanada. Erst 1762 wendete sich das Blatt: die russische Zarin starb, ihr Nachfolger war ein Fan der Preußen. Er wurde zwar kurz darauf ermordet, aber die neue Zarin, Katharina die Große, führte seine Politik fort. Die Russen zogen sich zurück, die Schweden schlossen sich an. Daraufhin gelang es den Preußen, Schlesien von den Österreichern zurückzuerobern.

Was machten eigentlich Spanien und Portugal? Der Einmarsch der Spanier in Portugal scheiterte. Die Briten eroberten mit Havanna und Manila zwei spanische Schlüsselstellungen in Amerika und Asien, außerdem die französische Handelsniederlassung im Senegal. Durch die Vernichtung der französischen Flotte waren die französischen Kolonien vom Mutterland abgeschnitten. Im Friedensvertrag von 1763 traten die Franzosen ihre sämtlichen Besitzungen in Nordamerika an die Briten ab, Spanien übergab seine Kolonie Florida ebenfalls an die Briten.

Auch Preußens König Friedrich der Große schloss einen Friedensvertrag mit Maria Theresia von Österreich. Der Status quo ante bellum war wiederhergestellt. In Europa hatten sich keine Grenzen verschoben, aber allein auf dem europäischen Kriegsschauplatz waren 550.000 Gefallene zu beklagen.

Bedeutender waren die politischen Folgen außerhalb Preußens und Österreichs. Frankreich hatte sich für diesen Krieg erheblich verschuldet, die Staatsfinanzen waren zerrüttet und die Steuern wurden erhöht. Das führte zu wachsender Unzufriedenheit in der Bevölkerung, die 1789 in der Französischen Revolution mündete.

Auch die Briten hatten erhebliche Kriegskosten. Die Regierung beschloss, die amerikanischen Siedler über neue Steuern an diesen Kosten zu beteiligen. Die Folgen sind bekannt und machten, ebenso wie die Erstürmung der Bastille, Weltgeschichte. „No taxation without representation“ war der Wahlspruch der Amerikaner, da sie im Parlament in London keine eigenen Abgeordneten hatten. Es kam zum Aufstand der 13 Kolonien gegen die Kolonialmacht. Der amerikanische Unabhängigkeitskrieg dauerte von 1775 bis 1783 und die USA stiegen in den folgenden zweihundert Jahren zur Weltmacht auf.

Alles begann mit dem banalen Streit zweier reicher und mächtiger Familien um Schlesien. Eine Provinz mit der Einwohnerzahl des heutigen Saarlands. Niemand hätte zum Zeitpunkt des Kriegsausbruchs ahnen können, was dieser Konflikt für weltpolitische Folgen haben könnte. Vielleicht wären aus den spanischen und französischen Kolonien eigene Staaten geworden und es hätte das „amerikanische Jahrhundert“ nie gegeben? Über Schlesien, wo meine Mutter geboren wurde, spricht heute niemand mehr. Es ist sanft entschlummert und wird glücklicherweise nicht mehr politisch missbraucht wie Preußen, das ein Kampfbegriff für Rechtsextremisten geworden ist.


Dienstag, 4. August 2020

Meine extrem schwere Kindheit


Ich war sechzehn, als ich von zuhause abgehauen bin. Ich habe den verdammten Reichtum einfach nicht mehr ausgehalten. In der Schule wurde ich gemobbt, weil ich jeden Morgen mit dem Maybach gebracht wurde. Bei der Klassenfahrt nach Berlin hatte ich eine Suite im Adlon, während alle anderen Schüler in einer heruntergekommenen Jugendherberge in Neukölln gehaust haben. Wie oft habe ich in der großen Pause meinen Kaviar allein gelöffelt, weil keiner mit mir sprechen wollte. Ich weiß bis heute nicht, wie die Salami von Aldi schmeckt.

Also habe ich eines Nachts ein dickes Bündel Bargeld aus dem Tresor genommen und bin ausgerissen. Das Taxi hatte ich sicherheitshalber ein paar Straßen weiter parken lassen. Endlich war ich frei. Nun würde ich das wahre Leben kennenlernen, nicht nur den öden Luxus in unserem Palast. Zunächst bin ich bei meiner Cousine in Monte Carlo untergekommen. Ich konnte mich auf sie verlassen, sie würde mich nicht verpfeifen.

Das neue Leben war nicht einfach. Ich musste lernen, mit dem Nötigsten auszukommen. Jede Woche neue Klamotten – das war vorbei. Damals hatte ich noch nicht mal eine Kreditkarte. Es hat Jahre gedauert, bis die Überweisungen meiner Eltern aufgehört haben, weil sie merkten, dass kein Geld abgehoben wurde. Aber ich habe das Leben auf der Straße geliebt, ohne Limousine, ohne Bodyguard. Es gab Zeiten, die waren so hart, dass ich im Restaurant auf die Vorspeise verzichtet habe. Ich musste mir mein Geld mit Roulette und Baccara im Casino verdienen.

Das alles ist jetzt zwanzig Jahre her. Heute leide ich unter meinem Erbe. Ich kann nicht offen über meinen Reichtum sprechen, denn ich habe Angst vor dem Hass meiner Mitmenschen. Reiche haben kein gutes Image. Wir verstecken uns hinter hohen Mauern. Niemand kennt das Elend eines wohlhabenden Mannes. Habgierige Mieter, niederträchtige Vermögensberater, die mich nicht auf Cum-Ex hingewiesen haben, aufsässiges Dienstpersonal, steigende Champagnerpreise. Viel Geld bedeutet viele Sorgen. Es gibt Tage, da bin ich so niedergeschlagen, dass ich kein einziges Wachtelbrüstchen hinunterbringe. Aber meine wilde Jugend kann mir keiner mehr nehmen.

Peter Gabriel – Dressing the Wound. https://www.youtube.com/watch?v=BKyQ1-z8GOU


Sonntag, 2. August 2020

Gespräch über Literatur

 

- Was lesen Sie gerade?

- „Schulz und Söhne“ von Dostojewski.

- Sie meinen sicher „Schuld und Sühne“.

- Was?

- Was?