Mittwoch, 26. Oktober 2016

Neulich bei meinem Therapeuten

Dann habe ich diese japanische Entspannungsmusik gehört, „Zen Chill Out“, verstehen Sie, diese Musik, die einen runterbringen soll, und im Hintergrund plätschert so ein Bach, verstehen Sie, die ganze Zeit hören Sie diesen gottverdammten Scheißbach im Hintergrund, es hört nicht auf, irgendwann sind Sie total auf diesen Scheißbach getriggert, verstehen Sie, dieser Scheißbach, ich habe gar nichts anderes mehr gehört als diesen bescheuerten Bach, das hat nicht aufgehört, die CD hat zwei Stunden gedauert, wissen Sie, zwei Stunden, ganz verschiedene Stücke, mal mit Gesang, mal ohne Gesang, aber immer dieser Scheißbach im Hintergrund, außerdem Vogelgezwitscher, verstehen Sie, dieses Scheißvogelgezwitscher kommt noch dazu, nicht nur dieser gottverdammte Scheißbach, sondern auch dieses total sinnlose Gezwitscher von irgendwelchen Scheißvögeln, verstehen Sie, da bin ich einfach ausgerastet, ich habe gedacht, wenn dieser Scheißbach nicht aufhört, dann raste ich total aus, verstehen Sie, aber der Scheißbach hört überhaupt nicht auf, zwei Stunden Entspannungsmusik und dieser Scheißbach plätschert ohne Ende im Hintergrund, da bin ich raus auf die Straße, verstehen Sie, ich musste einfach raus, ich habe diesen Scheißbach nicht mehr ausgehalten, diesen gottverdammten Scheißbach und die gottverdammten Scheißvögel, die Scheiße nochmal gezwitschert haben, ich meine, wo ist da der Sinn, verstehen Sie, wo ist der Sinn, warum sollte ich mir zwei Stunden lang diesen Scheißbach im Hintergrund von irgendeiner Scheißmusik anhören, da denkt man die ganze Zeit, ich habe einen Wasserschaden, verstehen Sie, aber ich habe keinen Wasserschaden, ich habe noch nie einen Wasserschaden gehabt.
Fehlfarben - Das war vor Jahren. https://www.youtube.com/watch?v=QhuxZjNBhQM

Was mich am meisten nervt

Was mich an der Politik im Augenblick am meisten nervt, ist diese Heimlichtuerei. Offenbar glaubt man, die Öffentlichkeit und eine öffentliche Debatte würden beim Geschäft nur stören. Nehmen wir die neuen Handelsverträge mit Nordamerika (TTIP, CETA) als Beispiel. Nur eine Handvoll Politiker durfte den Vertragstext in der US-Botschaft am Pariser Platz sehen. Keiner, der ihn gesehen hat, durfte sich Notizen machen oder öffentlich über den Inhalt sprechen.
Selbst der Hitler-Stalin-Pakt war nicht so geheim wie dieser Text. Witzblattfiguren wie „unser“ Wirtschaftsminister Gabriel erzählten uns ernsthaft, wir sollten erst unterschreiben, dann würden wir über den Vertrag sprechen. Wer würde jemals einen Vertrag unterschreiben, den er nicht gelesen hat? Jeder Deal auf dem Flohmarkt ist transparenter als diese Nummer. Sind wir irgendein gottverdammter Scheiß-Indianerstamm in Oklahoma, dem man für ein paar Flaschen Feuerwasser das Land nehmen kann?
Und so lief es ja schon in der Vergangenheit, als beispielsweise über „Griechenland-Rettungspakete“ im Parlament abgestimmt wurde, ohne dass irgendjemand – weder ein Abgeordneter oder ein Journalist, also weder ein Vertreter des Volkes noch der Öffentlichkeit – auch nur einen Blick auf den Text werfen konnte. Wenn ich einen guten Deal anzubieten habe, kann ich ihn auch öffentlich machen. Dann sage ich: „Hier ist der Vertrag. Lesen Sie ihn in Ruhe durch. Ich muss gar nichts dazu sagen. Er ist so gut, dass Sie ihn unterschreiben werden.“
So laufen Verhandlungen in der Demokratie. Offen. Völlige Transparenz bei jedem Schritt. Aber offenbar glaubt man jenseits des Atlantiks, wir wären irgendwelche Hillbillys aus Kentucky, denen man mit dem Finger im Arsch rumbohren kann. Und der Zwingerclub EU, Merkel und Konsorten sind nicht für fünf Pfennig besser. Genau diese Arroganz der Politiker nervt gerade unglaublich.

Vier Fäuste für den Dalai Lama

„Die besten Dinge verdanken wir dem Zufall.” (Giacomo Casanova)
Was bisher geschah: Eike, der kleine Eierbecher, hatte mit seinen Freunden, dem Teeservice, ein Bistro in Wuppertal eröffnet. Doch dann bekam er ein Angebot aus Amerika, dem er nicht widerstehen konnte: First Eierbecher im Porzellanweißen Haus in Washington. Live dabei, wenn sich die Großen der Welt zum Frühstück treffen. Aber er landete, wie so viele gutgläubige Einwanderer, im Lieferwagen des finsteren Mister van Move und machte eine Tournee durch alle zweitrangigen Städte der USA: Cincinnati, Kansas City, Baltimore, Indianapolis, Detroit, Walla Walla. Und eines Tages bekam Mister van Move ein Engagement für das Vorprogramm der Nachmittagsvorstellung eines Casinos in Las Vegas.
***
Etwa hundert Amerikaner, die ausgelassen johlten und schrien, sorgten für Atmosphäre. Aus den Lautsprechern dröhnte der berühmte Säbeltanz.
Sabre Dance - Aram Khachaturian. https://www.youtube.com/watch?v=gqg3l3r_DRI
Auf einem Wald von schmalen Bambusstöcken drehten sich Teller – und ein Eierbecher. Mister van Move jonglierte im Vordergrund mit Kettensägen und brennenden Fackeln. Popcorn und Pappbecher flogen auf die Bühne. Aber die Show musste weitergehen.
Eike war schon ganz schwindelig. Er würde sich nie an diesen Job gewöhnen. Bitte, Mister van Move, hatte er oft gesagt. Ich könnte doch die Buchhaltung machen. Aber er hatte keine Chance. Jeden Tag riskierte er als Teil einer Jonglier-Nummer in Las Vegas drei Mal sein Leben. Wer nicht aus Porzellan ist, weiß nichts von den Gefahren eines Artisten wie Eike, der ohne Netz und doppelten Boden hoch über der Bühne schwebt.
Mister van Move hieß eigentlich Gao Lin und stammte aus Guangzhou. Er hatte als Jugendlicher stark unter Akne gelitten und sein Gesicht sah aus wie ein Minigolfplatz. Aufgrund seines mangelhaften und ockerfarbenen Gebisses lachte er nie – und er mochte es auch nicht, wenn jemand aus seiner Truppe lachte.
Nach dem Auftritt waren sie alle in der winzigen Garderobe und durften sich eine Stunde ausruhen. Dann mussten sie zum nächsten Auftritt zurück auf die Bühne. Schlecht gelaunt zupfte sich Mister van Move vor dem Spiegel, der von einem Kranz Glühbirnen umgeben war, einen Kaugummi aus den Haaren. Dann aß er hastig eine Schüssel Reis mit Gemüse, während ihm Eike und die Teller stumm zusahen.
Johnny Silverflash, der Impresario des Diamond Life Casinos, stürmte wutentbrannt in die Garderobe und füllte sie augenblicklich mit seinen drei Zentnern und seinem Zorn.
„Mister van Move, in den Saal passen vierhundert Leute. Gerade einmal hundert Karten haben wir für die letzte Vorstellung verkauft. So geht es nicht weiter. Ich habe Angebote von anderen Künstlern, die gerne hier auftreten würden. Ein Zwergpony, das rechnen kann. Zwei Schimpansen, die eine Messerwerfernummer eingeübt haben. Wenn es bis nächste Woche nicht besser wird, sind Sie gefeuert!"
Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ er die Garderobe und schmiss die Tür hinter sich zu.
Mister van Move drehte sich zu seinen Artisten um und funkelte sie böse an.
„Nichtsnutziges Polzellanvolk“, schrie er. „Ich welde Euch alle velkaufen an dleckiges koleanisches Lestaulant odel an läudige Clew von Klabbenkuttel in Hafen!“
Dann schleuderte er die kleine unschuldige Reisschüssel gegen die Wand, wo sie in tausend Stücke zersprang.
Betroffen sahen Eike und die Teller auf die Scherben, die leblos auf dem Boden lagen.
So konnte es nicht weitergehen, dachte Eike.
Er hatte sich in den vergangenen Wochen mit Akuma angefreundet. Sie war eine winzige Porzellanfigur, die immer auf dem Garderobentisch von Mister van Move stand. Er hütete sie wie seinen Augapfel, denn sie war seit seiner Kindheit sein Talisman.
Also schmiedeten die beiden einen Plan.
Während der nächsten Vorstellung zog Akuma heimlich ein Kissen auf die Bühne. Während vorne Mister van Move mit brennenden Smartphones und glitschigen Aalen jonglierte, ließ Eike sich von seiner Jonglierstange auf das Kissen fallen und schlich mit seiner Geliebten davon.
Als Mister van Move nach der Vorstellung den Verlust bemerkte, waren sie längst am Hauptbahnhof von Las Vegas angekommen.
Sie sahen die offene Tür eines leeren Güterwaggons und überlegten nicht lange. Akuma und Eike kletterten hinauf. Wenige Augenblicke später setzte sich der Zug in Bewegung.
Sie kannten ihr Ziel nicht, aber endlich fuhren sie neuen Abenteuern entgegen.
Fortsetzung folgt.
Black Eyed Peas - I Gotta Feeling. https://www.youtube.com/watch?v=L446CMoGDCY

Dienstag, 18. Oktober 2016

Die Welt bringt mich zum Lachen

Ich delektiere mich abwechselnd an Mövenpicks „Eiscreation des Jahres – Weiße Vanille und Maracuja“ und einem fruchtigen Müller-Thurgau aus Bingen. Dazu lese ich einen großartigen Artikel der SZ-Online-Ausgabe.
Der Ami ist gar nicht böse. In Wirklichkeit ist er in dieselbe Waldorf-Seitenbacher-Tofu-Falle getappt wie wir. Gut, nebenher werden noch Penner und Neger erschossen, weil es halt zur Tradition gehört. Aber der Ami hat das Totenglöckchen der Macho-Kultur eben auch läuten hören. Da machst du nix.
Zuerst ein befreiendes Lachen. Dann Staunen. „Seit 2003 dürfen in den USA nicht nur Blindenhunde mit in die Flugzeugkabine, sondern auch ‚Emotional Support Animals‘. Sie sollen psychisch instabilen Menschen Trost und Beistand beim Flug liefern.“
Und weil das kostenlos ist, tummeln sich jetzt Affen, Schweine und Minipferde in der Flugkabine. Truthähne bekommen spezielle Windeln für den Flug. Natürlich. Wenn ich mich nicht an meinen Papuawaran oder meine Königskobra kuscheln kann, muss ich ja mit dem Zug fahren.
Ich fordere die gleichen Rechte in Deutschland! Ich möchte mit meinen beiden Tigern Siegfried und Roy auch gerne mal in eine Lufthansa-Maschine. Ohne meinen drogenabhängigen Dodo komme ich niemals von „Frankfurt“-Hahn nach Mailand.
http://www.sueddeutsche.de/reise/emotional-support-animals-flauschige-flugbegleiter-1.3209390

Ein ganz heißes Eisen

Wie viele Menschen sind in Deutschland eigentlich transsexuell? Ist es angesichts der Fallzahlen nicht eine ähnliche Gespensterdebatte wie um die Burka?
Faktencheck: Es gibt diverse Studien mit unterschiedlichen Ergebnissen. Die Häufigkeit variiert von 0,001 Prozent der Bevölkerung bis 0,25 Prozent. Als verlässlich gilt die Schätzung der Amsterdamer Gender Clinic, die Daten über mehr als vier Jahrzehnte gesammelt hat. Danach sind es 0,005 Prozent der Bevölkerung. Ein Mann von 10.000 Männern, eine Frau von 30.000 Frauen. Das wären in Deutschland etwa 5.500 Menschen, wenn man die komplette Bevölkerung berücksichtigt.
Zur Burka gibt es keine verlässlichen Zahlen, vielleicht sind es hundert Frauen, vielleicht auch mehr. Es lässt sich in Prozentzahlen nicht mehr vernünftig ausdrücken, selbst wenn man andere Formen der Verschleierung addiert.
Wichtig ist, dass wir immer neue Themen zur Diskussion stellen. Über die Diskriminierung rollstuhlfahrender Hindus in McDonald’s-Filialen ohne Barrierefreiheit wird meines Erachtens nicht ausreichend und mit dem nötigen sittlichen Ernst debattiert. Die Medien schweigen das Thema bewusst tot. Typisch.
Aber wenn es um biodeutsche und blütenweiße Hetero-Einzelhandelskaufleute bei Tengelmann geht, da flennen sie alle wieder um die Wette.
Nächste Woche findet übrigens mein veganer Transgender-Antifa-Workshop zum Thema Heteronormativität statt. Anmeldungen bitte an: Rudi Weißmann, Fleischhauergasse 18, 1933 Braunau.

Sonntag, 16. Oktober 2016

Harvey Wallbanger

„Sie sind total übermüdet und können trotzdem nicht einschlafen? Sie sind im Stress und fühlen sich ausgebrannt? Sie machen sich ständig Sorgen und finden keinen Ausweg? Dann sage ich Ihnen nur eins: Gehen Sie anderen Leuten mit ihren Problemen nicht auf den Sack!!!“ (Heinz Pralinski: Was ich dir noch sagen wollte)
Jeder von uns kennt ihn. Aber er hat stets einen anderen Namen. Nennen wir ihn heute mal Harvey Wallbanger.
Er ist Hartz IV-Empfänger und lebt in einem runtergerockten Ein-Zimmer-Appartement in Mainz-Mombach. Am Tag raucht er ein Päckchen Zigaretten, trinkt zwei Liter Wein und natürlich kifft er auch.
Harvey ist bekennender Linker – aber nicht so ein lauwarmer Linker wie die Leute, die man in den Talkshows sieht. Die Welt ist voller Ausbeuterschweine und Kriegstreiber. Die Welt geht gerade unter und keiner macht etwas dagegen. Die Leute scheinen es noch nicht mal zu merken.
Aber unser Freund Harvey hat einen Blog und kotzt jeden Tag seinen Hass und seinen Zynismus kübelweise in diese Welt hinaus, die ohnehin dem Untergang geweiht ist. Es hilft nur die Weltrevolution und die wird nicht kommen, weil das System uns alle im Griff hat und das Leben einfach Scheiße ist.
Geld und Konsum, das ist alles, was die Leute in der Birne haben, denkt er, wenn er im Aldi an der Kasse steht. Der Liter Wein kostet 1,79 und damit vergoldet sich doch wieder so eine Bonzensau die Rosette. Und dieser Drecksstaat zockt mich bei der Tabaksteuer ab und finanziert damit den nächsten Angriffskrieg des Yankee-Imperialismus.
An allen vier Ecken müsste man die Welt anzünden, sagt Harvey, wenn er seine Kontoauszüge sieht. Ich habe noch nicht mal genug Geld, um mir ein Brot kaufen zu können. Noch nicht mal Butter habe ich, schluchzt er am Monatsende, wenn die Kohle mal wieder komplett für Suff, Kippen und Dope draufgegangen ist.
Neulich war der Gerichtsvollzieher da, aber er hat in der Bruchbude nichts gefunden, was man pfänden könnte. Drei Monatsmieten ist er im Rückstand und dieser seidenschlipstragende Miethai mit seinem BMW wird ihm wieder einen Brief schreiben, den er ungelesen in den Müll schmeißt. Genau wie die Stasi-Spitzel von der GEZ. Zahlt er nicht. Dann kommen die Mahnungen und irgendwann zahlt er die Scheiße inklusive Mahngebühren doch, obwohl im Fernsehen nur Schwachsinn und Propagandalügen kommen.
Dann ist noch weniger Geld da und der Hass auf die ganze Welt wird noch größer. Weltuntergang, Weltkrieg, Katastrophen, Seuchen, Gewaltphantasien. Aber die Welt geht nicht unter. Harvey geht unter. Seine Freundin hat ihn vor Jahren verlassen. Sein Kind sieht er alle zwei Wochen und er schämt sich, weil er seinem Kind nichts kaufen kann. Verdammte Ausbeuterschweine und Kriegstreiber!
Er hat Sozialklimbim studiert, wie die Immobilienmakler und Investmentbanker es verächtlich nennen, und ist seit zehn Jahren arbeitslos. Harvey hat keine Chance auf dem Arbeitsmarkt, weil das System gegen ihn ist. Aber wenn ich ehrlich bin: Niemand möchte mit einem Arschloch wie Harvey zusammen arbeiten, ich auch nicht.
Ich habe ihm neulich einen gutgemeinten Rat gegeben. Harvey, habe ich gesagt, fahr zu OBI. Kauf dir einen soliden Strick, geh in den Wald und häng dich einfach auf. Dann hast du das Elend doch wenigstens hinter dir. Aber er hat nur sein bitteres, freudloses Lachen gelacht und geantwortet: Du bist genau wie alle anderen.
Elton John – Rocketman. https://www.youtube.com/watch?v=-LX7WrHCaUA

Samstag, 15. Oktober 2016

Aleppo und so

Im syrischen Bürgerkrieg gibt es nach Auskunft der staatstragenden Medien und Politikern wie Özdemir von den transatlantischen Grünen nur eine Möglichkeit: das Ende der Aktivität der syrischen Regierung. Aber dieser Bürgerkrieg ist nicht alternativlos. Die Bombardierung der belagerten Rebellen (oder, je nach Herkunft: Terroristen – kommt immer auf die Trademark der Kämpfer an) könnte ja auch ein anderes Ende finden. Warum geben die Rebellen nicht auf? Ihre Stadt ist umzingelt und sie nehmen die Zivilbevölkerung als Geisel. Sie könnten einfach aufgeben, einen Abzug verhandeln und die ganzen Frauen und Kinder in Aleppo wären in Sicherheit. Aber diese Möglichkeit wird bei uns ja noch nicht einmal diskutiert. Wir machen da ein neues Stalingrad auf und wundern uns wenig später, warum wir mal wieder verloren haben.

Werbung, die ich mag

A: Wenn du das Meer gemacht hättest, hättest du es zahm gemacht?
B: Nein, ich hätte es alkoholhaltig gemacht.
A: Wenn du den Wind gemacht hättest, hättest Du ihn lau gemacht?
B: Ich sage nur: Passiv rauchen macht Laune.
A: Und wenn du ein Bier gemacht hättest, wie hättest Du das gemacht?
B: Dann hätte ich ihm nicht so einen schwachsinnigen Namen wie „Jever Fun“ gegeben. Schon mal den Ausdruck „bierernst“ gehört? Terminator-Trippelbock – wie klingt das?

The devil needs content

„Wie soll ich Euch je danken?“ – „Helft den Unterdrückten!“ (Die Rebellen vom Liang Shan Po)

Blogstuff 81
„Das ist alles, was Bonetti kann: Er verkauft uns billige Wortspiele aus Plastik wie ‚Staubsaugallergie‘ oder ‚Grübelmonster‘. Buchen Sie auf keinen Fall sein Seminar über die korrekte Verwendung des Semikolons.“ (Lupo Laminetti)
Auch die Toten haben einen Gott, er heißt Pluton und ist der Herrscher der Unterwelt. Von diesem griechischen Wort leitet sich Plutonium ab.
Der Typ war so was von blind, Ray Charles nix dagegen.
Hinter Merkels berühmtem Diktum „Wir schaffen das“ steckt ja eigentlich „Wir machen das!“ Mit Ausrufezeichen, ähnlich wie Schröders „Basta!“
Der Mensch, gefangen in der kleinen Welt seiner emsigen, ameisenhaften Betriebsamkeit … (Textanfang)
Zu ihrem fünfundzwanzigjährigen Dienstjubiläum überreichte Andy Bonetti seiner Haushälterin Bärbel-Paloma, Trägerin des Verdienstordens „Banner der Arbeit“, ein Bild der heiligen Notburga, der Schutzpatronin der Dienstmägde.
Hätten Sie’s gewusst? Johnny Malta kann nicht nur Marimba, sondern auch Vibraphon spielen.
Hätten Sie’s gewusst? 36 Prozent der Leser dieses Blogs benutzen Linux als Betriebssystem.
Über fünf Milliarden Euro hat das Bistum München auf der hohen Kante. Finde ich gut. Ist ja auch nur der Notgroschen der katholischen Kirche. Falls man in der notorisch klammen Hauptstadt Bayerns mal ein bisschen Kohle braucht. Mal im Ernst: Warum sollte man das Geld den Armen geben? Die können doch mit Geld sowieso nicht umgehen. Sonst wären sie ja nicht arm. Die kaufen sich doch gleich wieder Schnaps, Kippen und Dope, wenn man ihnen ein paar Scheinchen in die Hand drückt. Kennt man ja. Gebt mir die Kontonummer vom Papst! Ich muss spenden.
Schlagzeile der Woche: „Bob Marleys Sohn eröffnet eine Cannabis-Farm“. Als ob wir das nicht schon immer gewusst hätten.
Breaking News: Die anarchistischen Gedichte aus der Frühphase von Andy Bonetti sollen demnächst legal erhältlich sein – allerdings nur für den medizinischen Gebrauch.
A: Sie hören von meinem Anwalt!
B: Sie haben einen Anwalt? Ich habe ja noch nicht mal eine Putzfrau.
Auf einem Bein kann man nicht stehen, heißt es im Sprichwortbereich. Doch. Man kann. Das Sprichwort ergibt also keinen Sinn.
Frage: Wie kommen Sie auf die ganzen Ideen für Blogstuff?
Antwort: Ich beschäftige allein zehn Praktikanten für Kalauer. In diesem Augenblick fächern mir zwei Anwälte mit Palmwedeln frische Luft zu. Es ist ja nicht so, dass hier ein arbeitsloser Lkw-Fahrer in Unterhosen an einem Atari 520 sitzt …
Werbespruch für Rharbarbersaft: „Pflaumt Sie wenigstens nicht an.“ (tatsächlich geträumt!)
Der Fußballplatz von Turbine Wichtelbach heißt jetzt nicht mehr Bröselheimer-Dichtungsringe-Stadion, sondern Lidl-Arena.
„Bevor die Zwangsgebühr kam, habe ich in Berlin jahrzehntelang schwarz gesehen und mir selbst auch den Kabelanschluss schwarz gelegt. Ich habe mal ausgerechnet, dass ich die Sendeanstalten und den Kabelbetreiber um ungefähr 10.000 Euro beschissen habe. Ich find's geil.“ (Anonymus)
Ich konzentriere mich wie ein Scharfschütze. Ich atme ganz ruhig, der Kopf wird leer. Die ganze Aufmerksamkeit gilt der Aufgabe. Dann atme ich ganz langsam aus. Ja, es kommt. So läuft das Geschäft auf der Toilette, wenn man alt ist.
Fliehende Stürme - Kleines Herz. https://www.youtube.com/watch?v=4D-NaxvfBLg

Freitag, 14. Oktober 2016

Perlen der Akquise

So sieht das Schriftstellerleben in Wirklichkeit aus:
Exposé Reisekrimi
Die Idee
Reiseführer und Reiselektüre wie etwa einen spannenden Kriminalroman haben fast alle Reisenden im Gepäck. Warum verbindet man nicht einfach Unterhaltung und Information in einer neuen Form? Reiseführer und Kriminalroman werden in einem Format miteinander verknüpft. Buy one, get two. Der Krimi ist die klassische Unterhaltungs- und Reiselektüre, die Verbindung von Action und Location fern des Alltags hat bereits eine lange Tradition – schließlich ist jeder James Bond-Film eine Art „Weltreise-Krimi“. Warum sollte man also nicht in einem Crossover beider Formate eine neue Form der Reiseliteratur erschaffen, die – im Vorfeld und während der Reise – den Leser zugleich unterhält und informiert?
Das Produkt
Eingebettet in die Handlung eines Kriminalromans erhält der Leser Informationen über die Geschichte, die Sehenswürdigkeiten, Gastronomie, Hotellerie, Kultur, Architektur usw. einer Stadt, einer Region oder eines Landes. Der Text soll etwa 160 Seiten umfassen, 140 Seiten Roman und 20 Seiten Informationsteil, in dem noch einmal alle im Text enthaltenen Hinweise in knapper Form zusammen gefasst und um weitere Informationen (Anreise, Klima, Geldumtausch usw.) ergänzt werden. Da in diesem Format nur wenige Abbildungen und keine komplexen Layouts wie Info-Kästchen, wechselnde Schriften usw. vorgesehen sind, ist die Produktion vergleichsweise günstig.
Möglicher Plot für einen Prag-Reisekrimi
Es gibt eine rätselhafte Mordserie in Prag, die Opfer werden an verschiedenen Schauplätzen gefunden und haben immer eine zerknüllte Buchseite im Mund. Opfer Nr. 1 wird im Goldmachergäßchen gefunden (Seite aus Schloßroman => Hradschin), Opfer Nr. 2 vor einem Gerichtsgebäude ("Vor dem Gesetz"-Seite aus dem "Prozeß"), Opfer Nr. 3 vor einem tschechischen Reisebüro (=> "Amerika"), Opfer Nr. 4 am Grab Kafkas (Seite aus "Das Urteil"). Alle Opfer sind Lektoren.
Der Ermittler trifft verdächtige Personen in ausgewählten Gasthäusern (=> Gastronomie-Verweise), einzelne Szenen spielen z.B. an der Hungermauer und in Vysegrad (=> Sehenswürdigkeiten und Geschichte). Zum Zeitpunkt der Mordserie findet ein Schriftstellerkongress in Prag statt (Ermittlungen in Hotels => Hotellerie-Verweise; die Autoren wohnen dort), die Verdächtigen kommen aus diesem Kreis. Am Ende ist der Täter ein erfolgloser Schriftsteller, der sich am Literaturbetrieb rächen will.
2008 wurde diese Idee von diversen Verlagen abgelehnt. Wer möchte es noch einmal versuchen?

Neutronen-Gerd

Am Anfang haben wir noch gelacht. Zigarre im Mund und Haifischlächeln. Genosse der Bosse. Brioni-Kanzler. Aber dann hat er kurz vor seinem spektakulären Abgang noch die sozialdemokratische Neutronenbombe gezündet: die Agenda 2010. Die Gebäude stehen noch, aber Millionen Menschen wurden in Angst und Elend gestürzt. „Hartz“ ist das Ungeheuer, mit dem man heute kleine und große Kinder erschrecken kann. Inzwischen ist er Multimillionär. Wie man ein Staatsamt perfekt vermarktet, hat er von den Clintons gelernt.

Frage der Woche

„Über Tagesfragen sind doch verschiedene Meinungen möglich. Warum sind aber alle unsere Zeitungen immer einer Meinung? Haben denn die Redakteure keine eigenen Gesichtspunkte?“
Das ist eine sehr gute Frage. Wenn in allen Zeitungen ohnehin dasselbe steht, wozu haben wir dann noch die vielen Zeitungen? Dann reicht doch eine einzige Zeitung, oder? Es wäre doch auch im Sinne der Ökologie viel sinnvoller, diese Flut von Papiermüll einzugrenzen. Die Leser folgen diesem Gedanken seit einigen Jahren und kaufen immer weniger Zeitungen und Zeitschriften, die Auflagen sinken. Man könnte die Einheitszeitung „Das neue Reich“ nennen. Kernaussage der „Berichterstattung“: Unsere Regierung ist großartig und wir leben im besten Land der Welt.
Das Zitat ist übrigens nicht aktuell, sondern sechzig Jahre alt. Die Frage wurde auf einer Veranstaltung der Bezirksleitung der „Freien Deutschen Jugend“ (FDJ), der SED-Jugendorganisation, gestellt, als junge Menschen verdienten Partei-Kadern wie Hans Modrow (damals 28 Jahre alt, FDJ-Bezirkssekretär von Ost-Berlin, später der letzte SED-Regierungschef in der DDR vor der Volkskammerwahl 1990), Hermann Axen (damals zweiter Bezirkssekretär der SED in Ost-Berlin, später Mitglied des Politbüros des ZK der SED, am 8.11.1989 ausgeschlossen und nach Moskau geflohen), Joachim Hermann (damals Chefredakteur des FDJ-Organs „Junge Welt“, später Chefredakteur der SED-Parteizeitung „Neues Deutschland“ und Mitglied des Politbüros des ZK der SED, am 10.11.1989 ausgeschlossen) und anderen offen Fragen stellen durften (Josef Stalin war wenige Wochen zuvor verstorben).
Quelle: Der Spiegel 16/1956. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43061976.html
Ach ja, die Antwort lautete: „Die der SED angehörenden Redakteure mögen auf Grund ihrer Weltanschauung dieselbe Meinung haben. In den Zeitungen der anderen Parteien gibt es aber doch auch andere Meinungen.“
Noch ein Schmankerl aus der Fragerunde:
Frage: „Ist es denn wirklich so schlimm, wenn ein französischer Sänger im Varieté 'Friedrichstadt-Palast' vor dem Wolga -Lied den Witz macht, er singe jetzt etwas aus dem Osten und dazu solle rotes Licht gemacht, werden? Können die Arbeiterbewegungen und die Regierung solche Scherze nicht vertragen?“
Antwort: „Selbstverständlich kann die Arbeiterbewegung solche Scherze vertragen. Die Regierung ist viel lustiger, als man glaubt.“
So was haben wir in der BRD, beispielsweise bei der Bundespressekonferenz, schon lange nicht mehr gehört. Auch wenn die DDR in Wahrheit natürlich genauso unkomisch wie die heutige Bundesrepublik gewesen ist.
P.S.: Sehr lustig ist auch der Bericht zum Lehrlingsmangel in derselben Spiegel-Ausgabe von 1956. „Am meisten klagen die Bäcker, Fleischer, Friseure, Schneider und Schuhmacher“, und an anderer Stelle: „Völlig unbeliebt machten sich die Handwerksmeister, die noch vor einiger Zeit die Verlängerung der Lehrzeit auf vier Jahre forderten, weil die Elementar-Kenntnisse der Volksschüler erheblich nachgelassen haben“. Nichts Neues unter der Sonne.
Dave Pike - Jazz for the Jet Set (1966). https://www.youtube.com/watch?v=jvoSSkp2Njc

Donnerstag, 13. Oktober 2016

Bob Wer?

Der Literaturnobelpreis geht in diesem Jahr wieder nicht an Andy Bonetti, sondern an einen gewissen Bob Dylan, der noch nicht mal richtig singen kann. Es ist ein Trauerspiel – nachdem Johnny Malta beim Physiknobelpreis übergangen wurde, Heinz Pralinski bei der Chemie-Trophäe und Lupo Laminetti beim Friedensnobelpreis. Diese Wikinger haben keine Ahnung!
Bob Dylan - Like a Rolling Stone. https://www.youtube.com/watch?v=-sftw5k_JRs

Bonetti – Das Windrad des Bösen

Oder ganz schlicht:


Blogstuff 80
„Du bist für diese einfache, bequeme, mit so wenigem zufriedene Welt von heute viel zu anspruchsvoll und hungrig, sie speit dich aus, du hast eine Dimension zu viel. Wer heute leben und seines Lebens froh werden will, der darf kein Mensch sein wie du und ich. Wer statt Gedudel Musik, statt Vergnügen Freude, statt Geld Seele, statt Betrieb echte Arbeit, statt Spielerei echte Leidenschaft verlangt, für den ist diese hübsche Welt hier keine Heimat.“ (Hermann Hesse: Der Steppenwolf)
Ich habe gar nicht mitbekommen, dass ich getauft wurde. Entweder war ich sehr jung oder sehr betrunken.
Wir leben auf dem Meeresgrund, über uns der hundert Kilometer tief der Luftozean.
Es wird immer über Zeit und Geld gesprochen. Aber Vertrauen ist die wesentliche Ressource jeder Gesellschaft. Ich muss dem Koch vertrauen, dass er mein Essen nicht vergiftet hat. Ich liege im Tiefschlaf schutzlos neben einem anderen Menschen. Ich muss anderen Menschen vertrauen, denen ich in der U-Bahn den Rücken zuwende. Ich muss der Diagnose meines Hausarztes Glauben schenken. Ich kann nicht jedes Mal, wenn ich mit anderen Menschen spreche, danach fragen, woher sie die Informationen haben und um einen Quellennachweis bitten. Ich muss mich langfristig auf die Rahmenbedingungen verlassen können, die der Staat in Person seiner Entscheidungsträger setzt. Aber das Vertrauen nimmt ab, das Misstrauen wächst. Misstrauen kostet Zeit und Nerven. Einer von mehreren Faktoren für die wachsende Aggressivität und den Zorn gegenüber Politikern und Medien.
Hätten Sie’s gewusst? Die Kármán-Linie bezeichnet die Grenze zwischen Atmosphäre und Weltraum. Sie ist einhundert Kilometer über der Erdoberfläche. In der Exosphäre, in 400 bis 1000 Kilometer Höhe herrschen übrigens tausend Grad. Dahinter beginnt die eisige Leere des Weltalls.
Früher ist gelegentlich ein Hubschrauber der Gesinnungspolizei über meinen Blog geflogen und hat Gender-, Links-, Dings- und Bumsgedöns angemahnt. Hey! Ich vermisse Euch!
Für Politiker sind Wähler nur Publikum, nur Verfügungsmasse, die man im Bedarfsfall der Lächerlichkeit preisgeben darf.

Wertgegenstände werden verwahrt, Menschen verwahrlosen.
Hartnäckige Autoreferenzialität: „Die Bankzentralen in Frankfurt zeigen uns, wo der Zaster liegt. Wie Geldfontänen, die zu Glas geronnen sind, wirken diese riesigen Türme. Hier ist das Öl der Finanzmärkte nach oben geschossen, hier stehen die Fördertürme des Kapitalismus. Dagegen wirken die Anlagen auf den Ölfeldern in Texas oder Saudi-Arabien wie Spielzeug aus dem vergangenen Jahrhundert.“ (Kiezschreiber, 14.8.2012)
Jetzt lese ich gerade, dass der Hamburger Senat drei Millionen Euro für den Straßenbau in Wilhelmsburg aus Versehen an den falschen Bezirk überwiesen hat. Das Geld ist weg, kommt auch nicht wieder. Da frage ich mich natürlich gleich: Was ist das denn für eine Meldung? Lumpige drei Millionen? Ist das überhaupt die Druckerschwärze eines lokalen Anzeigenblättchens wert?
Wenn es eine Liga der Unfähigkeit in Deutschland gibt, dann konkurrieren Hertha BSC Berlin (Flughafen) und VfB Stuttgart (Bahnhof) um die Meisterschaft – und ich möchte nicht wissen, wo wir Deutschen in der Champions League stehen.
Seit den Tagen, als sich das erste Lebewesen aus den Wassern des Devon-Zeitalters auf trockenes Land gewagt hat, … (Textanfang).
Hätten Sie’s gewusst? Der Nachname des bayrischen Ministerpräsidenten, Seehofer, ist aus dem altgriechischen Wort Sehoforos abgeleitet, und bedeutet so viel wie mit heißer Luft gefüllter Hohlraum.
Wer hier im Hunsrück alleine spazieren geht, also ohne Hund, macht sich sofort verdächtig. Der Hund ist ja nicht nur deswegen fester Bestandteil jeder Familie, damit der Ehemann nicht das letzte Glied der Befehlskette sein muss („Aus! Sitz!“), sondern damit er auch einen Grund hat, das Haus zu verlassen, ohne sich verdächtig zu machen („Ich glaube, der Hund muss raus“).
Auto-News: Den Porsche Calimero gibt es jetzt auch als Leichenwagen – in den Farben Schwarz, Silber und Rot.
Julia Klöckner: die große süße Mauss der CDU.
Queen – It’s A Hard Life. https://www.youtube.com/watch?v=XgNzxqrngU8

Mittwoch, 12. Oktober 2016

Zehn gute Gründe, Wein zu trinken

1. Wein verlängert das Leben: Michael Thun von der American Cancer Society fand 1997 heraus: Ein oder zwei Glas Wein am Tag können das Sterberisiko in einem Zeitraum von neun Jahren um 20 Prozent verringern, eine Folge des verminderten Risikos von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Eine französische Langzeitstudie an mehr als 4.000 Männern mittleren Alters kam 1998 zu dem Ergebnis, dass 10 und 15 Jahre nach der ersten Untersuchung die Sterberate der Männer, die zwei bis fünf Glas Wein am Tag tranken, zwischen 24 bis 31 Prozent unter dem Durchschnitt lag.
2. Wein verringert das Risiko einer Herzkrankheit: Mehr als ein Dutzend Untersuchungen haben bewiesen, dass täglich ein Glas bei Frauen und zwei Glas bei Männern das Risiko einer Herz-Kreislauf-Erkrankung um 50 Prozent verringern kann. Alkohol löst Blutklumpen und verhindert Fettablagerungen an den Arterienwänden.
3. Wein reguliert den Cholesterinspiegel: In Finnland fanden Forscher 1998 heraus, dass „soziales Trinken“ (ein bis vier Glas Wein pro Woche) die Konzentration der Lipoproteine im Blut reduziert. Lipoproteine spielen eine ähnliche Rolle wie das „böse“ Cholesterin LDL und fördern Ablagerungen in den Blutbahnen.
4. Wein verringert das Risiko der Arteriosklerose: Eine laufende Studie am Brigham and Women‘s Hospital and Harvard Medical School kam zu dem Resultat: Männer die ein oder zwei Glas Alkohol am Tag trinken, haben ein 32 Prozent geringeres Risiko, an der Arteriosklerose zu erkranken, als Abstinenzler. Grund: die Reduktion des LDL-Cholesterols.
5. Wein kann das Risiko einer Erblindung mindern: Eine Studie des amerikanischen National and Health Survey an mehr als 3.000 Personen zwischen 45 und 74 Jahren entdeckte 1998 bei Weintrinkern eine deutlich geringere Tendenz zur altersbedingten Macula-Degeneration im Auge. Die Gründe dafür sind allerdings noch nicht erforscht. Man vermutet günstige Einflüsse von Antioxydantien, Tanninen und Havonoiden.
6. Wein verhindert die Bildung von Nierensteinen: Frauen, die jeden Tag ein Glas Wein trinken, verringern das Risiko, ihren ersten Nierenstein zu bekommen um 57 Prozent, fanden Forscher am Brigham and Women‘s Hospital and Harvard Medical School heraus. Wein wirkt besser als Bier, weil der Alkoholgehalt höher ist.
7. Wein verhindert die Bildung von Gallensteinen: Die Gefahr, Gallensteine zu bekommen, ist um 40 Prozent geringer als bei Abstinenzlern, schreibt der britische Arzt Dr. Thomas Struttaford in seinem Buch „To Your Health“.
8. Wein fördert das seelische Wohlbefinden: „The Lancet“ veröffentlichte 1998 eine Untersuchung unter 23- bis 33-jährigen: moderate Weintrinker zeigen eine geringere Anfälligkeit für physische und psychische Störungen als Abstinenzler oder heftige Alkoholkonsumenten.
9. Wein wirkt vorbeugend gegen Vergiftungen durch Lebensmittel: Wissenschaftler am Tripler Army Medical Center in Honolulu wiesen nach: Rotwein und Weißwein töten ganze Kolonien von E-Coli-Bakterien, Salmonellen und Shigella effektiver als das Medikament »Pepto-Bismol«.
10. Weil er schmeckt, wenn er gut ist.
Quelle: Weinhaus & Restaurant Hahnenhof in Mainz
Ich finde es gut, wenn man Alkoholismus wissenschaftlich begründen kann. Neulich hörte ich von der Forderung nach Horrorbildern auf Bier- und Weinflaschen, ähnlich den Bildern auf Zigarettenschachteln. Dabei sollte die Regierung doch froh sein, wenn man sich mit Genussmitteln auf angenehme Weise das Leben verkürzt, damit Rente spart und den Staatssäckel mit diversen Steuern füllt. Saufen ist gelebter Patriotismus. Prost!

Dienstag, 11. Oktober 2016

Herzensergießungen eines kunstliebenden Zechers

„Frankn lichd nedd am Meer.“ (Helmut Haberkamm)
Ich fahre jedes Jahr mehrmals nach Franken in den Urlaub. Dort wird das beste Bier der Welt gebraut, die Städte sind schön und die Leute sind nett. Nach Bayern fahre ich nicht. Die Bayern sind laut, ungehobelt und neureich. Wie die Hessen auf der anderen Rheinseite. Das braucht kein Mensch. Aber Vorurteile – die sind wichtig!
Franken ist ja eigentlich ein eigenes Bundesland. Es hat kulturell mit Bayern nichts zu tun. Das ist doch nur so ein Verwaltungsdingsbums, dass Franken zu Bayern gehört. Letzen Endes müsste es ja auch „Freistaat Franken“ heißen, und Bayern sollte zu Franken gehören. Scherz beiseite.
Ich glaube, wir haben in Deutschland ein massives Problem mit Maulheldengegenden und Duckmäusergegenden. Es ist wie auf dem Schulhof. Der Schwachkopf mit der großen Fresse bekommt die Aufmerksamkeit. Es sind ja nicht nur die Franken und Schwaben, von den Sudetendeutschen, Türken und Italienern nicht zu reden, die völlig untergehen, wenn die Medien wieder von Oktoberfest, München und Trachtenscheißdreck überquillen.
Was ist mit den Thüringern? Jeder redet nur über die Sachsen. Ihren Faschismus, ihre unfähige Polizei, ihren Dresdener Stollen. Die Leute in Thüringen sind viel netter, wenn auch nicht so laut und selbstbewusst wie in Sachsen. Ihr Bier schmeckt besser, ihre Bratwürste und selbst ihr Stollen. Erfurt ist eine großartige Stadt.
Oder Rheinland-Pfalz und Hessen. Jeder redet über die Maulhelden in Frankfurt und Umgebung, aber Rheinland-Pfalz kommt in der Berichterstattung der Medien eigentlich gar nicht vor. In NRW geht es gerne um rheinländische Befindlichkeiten wie der Köln-Düsseldorf-Schwachsinn. Wer redet von den anderen fünfzehn Millionen Menschen, beispielsweise in Ostwestfalen?
Ich mag die Kleinen. Die Saudis haben Erdöl als natürlichen Rohstoff, die Franken haben das Bier. Das sind die natürlichen Quellen menschlichen Reichtums und nach hinten raus gerne auch mal eine Bratwurst oder ein solider Schweinsbraten.

Blogstuff Spezial: Medien

„Es war Herbst in ihren Herzen, jene Zeit, das Erarbeitete zu ernten und als Vorrat zu wahren und sich auf die kommende Kälte vorzubereiten. Keine Zeit, in der man gern das Klopfen eines Fremden an der Tür hört.“ (Thomas Willmann: Das finstere Tal)
In den achtziger und neunziger Jahren war der SPIEGEL der Inbegriff des investigativen Journalismus, der unzählige Skandale in Politik und Wirtschaft ans „Licht der Öffentlichkeit“ brachte. In den letzten zehn Jahren hat der SPIEGEL keinen einzigen Skandal mehr aufgedeckt, an seine Stelle sind Whistleblower, Wikileaks und gelegentlich die Süddeutsche Zeitung (z.B. Panama Papers) getreten. Früher hatte der SPIEGEL eine Geschichte exklusiv, die anderen Medien mussten auf die Enthüllungen des Magazins reagieren. Vorbei. Man sieht in den Kaffeehäusern und den Fernzügen auch keine SPIEGEL-Leser mehr.
Ähnlich erging es der ZEIT. In den achtziger und neunziger Jahren wurden in diesem Blatt Essays von klugen Köpfen wie Jürgen Habermas veröffentlicht, die bundesweite Debatten ausgelöst haben. Damals habe ich manche Artikel noch aufgehoben, weil ich die Zeitung nach der Lektüre nicht einfach wegwerfen wollte. Vorbei. Die ZEIT stößt keine Debatte mehr an, auch der ZEIT-Leser ist von der Bildfläche verschwunden.
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2014 habe ich es zum ersten Mal gemacht: Ich habe eine medial erzeugte Panikwelle nicht mitgemacht, ich habe mich nicht von der allgemeinen Angst anstecken lassen. Sie erinnern sich? Ukraine. Putin ist der neue Hitler. Erst Kiew, dann Warschau und danach rollen die russischen Panzer über den Ku’damm. Das Ende der Welt ist nahe, Freunde von mir waren ehrlich besorgt. Ich bin einfach aus der Berichterstattung ausgestiegen und siehe da: Es war gut für meine Nerven und meinen Blutdruck. Die Katastrophe fand wieder einmal nicht statt.
2015 habe ich es mit Griechenland ebenso gehalten. Ich habe mich ausgeklinkt und Meldungen über Griechenland nicht mehr angeklickt. Um mich herum versank die Welt in Panik und Chaos. Der Euro ist am Ende und damit die EU. Und das ist ja bekanntlich, laut Merkel, eine Frage von Krieg und Frieden. Darunter machen wir es nicht. Bereuet, das Ende der Welt ist nahe! Ich war tiefenentspannt und auch dieses Thema ging an uns vorüber.

2016 mache ich es mit dem angeblichen Untergang des Abendlands wegen der Kriegsflüchtlinge und der Terroranschläge genauso. Probieren Sie es mal aus! Ich bin ein Aussteiger geworden. Ich laufe nicht jeder Sau, dir durchs Dorf getrieben wird, kreischend hinterher. Die Welt geht nicht unter, egal wie vielen Wutbürgern in Dresden noch die Sicherungen durchbrennen.
Miles Davis - Birth Of The Cool. https://www.youtube.com/watch?v=0H8T5epZ6NY

Montag, 10. Oktober 2016

Der wichtigste Tag des Jahres

Aber Sie lesen:

Blogstuff 79
„Wie von einem Stück Spiegelglas ein Lichtstrahl reflektiert und in einen dunkeln Raum geworfen wird, so blitzt oft mitten im Gegenwärtigen, durch eine Nichtigkeit entzündet, ein vergessenes, längst gewesenes Stückchen Leben auf, erschreckend und unheimlich.“ (Hermann Hesse: Eine Fußreise im Herbst)
Heruntergekommene Höfe, die verfallenden Scheunen mit rostigem Schrott eingefasst. Blinde Scheiben, Autowracks. Alles wirkt verbraucht und alt, nicht schön gealtert wie die Höfe der neureichen Hipster, die in dieser Gegend ihre albernen Ideen von selbstangebautem Gemüse verwirklichen wollen. Aber neben einem dieser Höfe, von denen man nicht weiß, ob überhaupt noch menschliches Leben in ihnen verborgen ist, sehe ich eine Wiese, die sanft zu einem Teich hin abfällt. Auf dieser Wiese sehe ich ein Dutzend Gänse und plötzlich mag ich dieses Tal, das ich zuletzt in meiner Kindheit gesehen hatte, als die Höfe noch neu und voller selbstverständlicher Geschäftigkeit und Wärme gewesen waren.
Manche Menschen verspüren das Bedürfnis, eine Hauswand mit ihrem Tag, mit ihrem persönlichen Zeichen, zu verzieren und geben ihm auch regelmäßig nach. Sie markieren damit einen Ort und nehmen ihn symbolisch in Besitz. Sie sind zwar nicht Eigentümer des bemalten Hauses, aber es ist ihre Gegend und sie geben ihrer Heimat ein Brandzeichen. Betrachtet man die Stadt als steinerne Landschaft, so handelt es sich hierbei um Landschaftsmalerei im Wortsinne. Achtung, Gedankensprung! Sind nicht die Kommentare zu politischen Themen, zu Sport, Feminismus oder was auch immer nicht auch Tags? Markiert man nicht auch eine Gegend und versucht ein Zeichen zu hinterlassen? Dabei ist die Grenze zwischen Geltungssucht und Selbstbewusstsein fließend.
Du kannst ja heutzutage jeden Scheiß in einem heiligen globalen Kontext sehen, über den du dir endlos Gedanken machst. Ich habe mal auf einer Party einen Veganer getroffen, der die angebotene Flasche Bier abgelehnt hat, weil der Leim für das Etikett der Brauerei womöglich aus tierischen Fetten hergestellt sein könnte. Er ist auch nicht lange geblieben. Genauer gesagt ging er, als wir das Fleisch auf den Grill gelegt haben.
Ich möchte nicht wissen, wie viele Mitglieder der Veganismus verlieren würde, wenn Alkohol nicht vegan wäre.
Woraus wird eigentlich das Glas der Bierflasche gemacht? Altglas … äh … Quarzsand … und … äh … eine geheime Zutat.
Jetzt ergibt alles einen Sinn: Ich mache nicht gar nix – ich bin im Streik. Unbefristet! Wegen der Ozelotschicht und dem vielen Delphin in Huhnfleischkonserven.
Die Laute der sächsischen Mundart bilden sich, ähnlich wie im Schwäbischen, im Hals – wie bei einem Pelikan.
Bonetti-Trivia, Teil 788: Eine Auktion bei Sotheby’s erbrachte 250.000 Euro für den kalten Zigarrenstumpen, auf dem Andy Bonetti herumkaute, während er sein Meisterwerk „Von Windeln verweht“ schrieb.
Woran erkennt man, dass Kabarettsendungen, Demonstrationen oder Internetdebatten politisch wirkungslos sind? An der Tatsache, dass sie nicht verboten sind.
Der Söder ist ein blödes Schwein / So war’s, so ist’s, so wird es sein.
Franz Beckenbauer tut mir wirklich leid. Er musste in letzter Zeit viel einstecken.
3. Oktober: Der FC Bayern ist der erfolgreichste Fußballverein in Deutschland, die Deutsche Bank ist das größte Geldhaus und Merkel hat die meisten Wähler. Man muss dieses Land mögen.
Grandmaster Flash - The Message. https://www.youtube.com/watch?v=O4o8TeqKhgY

Sonntag, 9. Oktober 2016

Meine Güte, wie grauenhaft

“Man ist nicht betrunken, solange man auf dem Boden liegen kann, ohne sich festzuhalten.” (Finnisches Sprichwort)
Ein Brieföffner in Form eines winzigen Schwerts liegt auf dem Schreibtisch. Über dem Kamin hängt ein Seestück, eine britische Fregatte segelt hart am Wind. Vor dem Kamin stehen zwei schwere Ledersessel, auf einem flachen Tisch zwischen den Sesseln steht ein Glas Whisky. An der Wand hängen eine Landkarte von Schottland und ein Bärenfell.
Offensichtlich befinden wir uns auf einem durch und durch britischen Landsitz, der in wenigen Augenblicken Schauplatz eines fürchterlichen Verbrechens wird. Wir sehen Lord Breadshaw (auf Deutsch: Graf Yoster von Pumpernickel): Seine panzergrauen Augen harmonierten wunderbar mit seinem dreiteiligen Anzug. Er empfängt in der Einsamkeit der lieblichen Grafschaft Kent den sinistren Dauphin Le Marais (auf Deutsch: Kronprinz des Sumpfs), der dem Lord eine veritable Erpressung unterbreitet. Seine pistaziengrünen Augen glühen vor Jähzorn und Geldgier.
Draußen tobt ein Unwetter. Es ist ein Tag, den Bukowski geschrieben haben könnte. Der Butler hat seinen freien Tag, die Haushälterin ist auf der Hochzeit ihrer Cousine und der Gärtner ist im Pub des nächstgelegenen Dorfes, um Crack zu kaufen. Die beiden honorigen Männer sind ganz allein. Es geht um den Filmstar Gloria Del Mar (sie hieß früher Penelope Firemonkey), die es in Hollywood zu Ruhm gebracht hat und inzwischen in Beverly Hills wohnt (früher wohnte sie in Oceanside, Iowa). Ihre hellbraunen Augen erinnern die beiden Männer an Maki-Sushi mit Thunfisch, aber sie reden nicht darüber.
Lord Breadshaw lernte Gloria bei den Dreharbeiten zu „A Stranger in Danger“ kennen, für dessen Außenaufnahmen sein Landsitz benötigt wurde (da der Film im 19. Jahrhundert spielt). Es geht in diesem Film um den fiktiven Fall des Hadrianswalls und der Lord spielt eine Nebenrolle, die den Satz sagen darf: "Das trifft nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich". Weltklasse! Das Thema ist bis heute ein ganz heißes Eisen. Aber nach dem Dreh reichte eine kurze Unterredung zwischen dem Lord und dem Filmstar, um eine stürmische, um nicht zu sagen orkanartige Liebesaffäre in Gang zu setzen.
Das ergibt natürlich Erpressungspotential für Menschen wie Dauphin Le Marais. Der Typus gutmütiges Opfer ist in Lord Breadshaws Familie allerdings etwa so selten wie ein jüdischer Taliban. Und während der verschlagene Franzose eine monatliche Ratenzahlung vorschlägt, hat der nüchtern denkende Brite bereits einen Schürhaken ergriffen, den er hinter seinem Rücken verborgen hält. Blitze zucken, Donner grollt, während sich das Drama dieses Mittwochabends seinem Höhepunkt entgegen … äh … entgegen … dingst … äh … strebt?
P.S.: Britische Serien wie „Das Haus am Eaton Place“, „Mit Schirm, Charme und Melone“ und „Die Profis“ haben mich geprägt – ebenso wie britische Punk- und New Wave-Musik. Ich gebe es offen zu, ich bin ein Fan dieser durchgeknallten Insel. Wussten Sie, dass Gordon Jackson in allen drei Serien mitgespielt hat? 1965 spielt er in „Mit Schirm, Charme und Melone“ (4. Staffel, Folge 5) die Rolle eines Schlossherrn, im „Haus am Eaton Place“ ist er ab 1971 der Butler und bei den „Profis“ ist er ab 1977 der Boss der beiden Draufgänger Bodie und Doyle.
Bay City Rollers – Bye Bye Baby. https://www.youtube.com/watch?v=yUwW108ITzw

Der Genuss

„So tun und leben und handeln die meisten Menschen Tag für Tag, Stunde um Stunde zwanghaft und ohne es eigentlich zu wollen, machen Besuche, führen Unterhaltungen, sitzen Amts- und Bureaustunden ab, alles zwanghaft, mechanisch, ungewollt, alles könnte ebensogut von Maschinen erledigt werden oder unterbleiben; und diese ewig fortlaufende Mechanik ist es, die sie hindert, gleich mir, Kritik am eigenen Leben zu üben, seine Dummheit und Seichtheit, seine scheußlich grinsende Fragwürdigkeit, seine hoffnungslose Trauer und Öde zu erkennen und zu fühlen.“ (Hermann Hesse: Der Steppenwolf)
Der Genuss ist ein wesentliches Element des Lebens. In Deutschland, im Land der protestantischen Ethik, des fleißigen Schwaben und der Leistungsgesellschaft, ist es schwierig, offen über den Genuss zu sprechen. Als ob guter Wein schon an sich etwas Anrüchiges wäre wie Pornographie.
Für manche Menschen ist Genuss etwas, das mit Reichtum zu tun hat. Er ist obszön, weil es so viele Menschen in anderen Ländern gibt, denen selbst die nötigsten Mittel zur Ernährung fehlen. Genuss ist unmoralisch und daher unbedingt zu verurteilen. Erst, wenn alle Menschen in der Lage sind, das Leben zu genießen, darf ich es auch. Andere Menschen, die ein sorgenfreies Leben führen, fürchten, ihre Genüsse zur Sprache zu bringen, um nicht den Neid oder den moralisch erigierten Zeigefinger ihrer Mitmenschen zu provozieren. Eine dritte Gruppe sieht den Genuss als Gegenwelt der Arbeit. Vereinfacht gesagt: Wer genießt, ist faul.
Aber Genuss hat nicht unbedingt etwas mit Geld, Moral oder Faulheit zu tun. Wir können Musik genießen, Bücher und Kunst. Das kostet im Internetzeitalter kein Geld oder doch nur so wenig, dass sich niemand ausgeschlossen fühlen muss. Wir können die Natur genießen oder ein gutes Gespräch mit netten Leuten. Wein, Käse und Brot kosten nicht die Welt. Die Winzer, Bauern und Bäcker haben uns eine Menge zu bieten, wenn wir die öde Welt der Supermärkte und des industriellen Konzernfutters hinter uns lassen.
Wenigen Menschen gelingt es sogar, ihre Arbeit als Genuss zu empfinden. Das ist das Glück: Einer Tätigkeit nachzugehen, die einen zufriedenstellt, die den Geist sättigt und nicht nur den Kühlschrank füllt. Nach der Arbeit genießt man die Zeit der Muße. Mit einem Bier oder einem Tee, mit einem Gespräch oder der Stille. Man kann sogar die Sonne oder den Regen genießen. Es kostet keinen Cent. Und vereinzelt, aber es sind wirklich nur Einzelfälle, trifft man auf einen Menschen, der sogar sein Leben und seine Gesundheit genießt, weil er gerade nicht krank oder verzweifelt ist. Allerdings trifft man sie nicht in Deutschland.
„Mochte das nun hohe Weisheit sein oder einfachste Naivität: wer so den Augenblick zu leben verstand, wer so gegenwärtig lebte und so freundlich-sorgsam jede kleine Blume am Weg, jeden kleinen spielerischen Augenblickswert zu schätzen wusste, dem konnte das Leben nichts anhaben.“ (Hermann Hesse: Der Steppenwolf)
Manicure - Grow Up. https://www.youtube.com/watch?v=36qFAL9IHEI

Samstag, 8. Oktober 2016

Bruchstücke eines Nachmittags

„Ich schaffte es bis zu einem Spiegel und besah mir das Gesicht. Es kam mir bekannt vor.“ (Raymond Chandler: Playback)
Die Viertelstunde in der Schlange am Kassenhäuschen. Fünf Mark für ein buntes Rechteck aus dickem rauem Papier.
Der riesige Bau. Du gehst über Treppen und Gänge. Und dann zum ersten Mal der überwältigende Anblick des Stadions. Das Spielfeld und fünfunddreißigtausend Menschen. Der Rasen leuchtet unwirklich im grellen Scheinwerferlicht.
Du stehst in der Menge. Leute mit langer Mähne und Schnurrbart, über der Lederjacke ihre Kutte, eine Jeans-Jacke ohne Ärmel, die mit aufgenähten Vereinswappen übersäht ist. Familienväter mit streng zurückgekämmtem Haar und offenem Hemd, die ihren Sohn dabei haben.
Das Spiel. Schreien, Stöhnen oder angespannte Stille der Menge. Aufgeregte Diskussionen mit deinem Nachbarn, den du nie zuvor gesehen hast. Aber euch verbindet das ewige Band unverbrüchlicher Treue zur eigenen Mannschaft.

Zwischendurch eine Lautsprecherdurchsage: Herr Sowieso aus Hastenichgesehen, herzlichen Glückwunsch, Sie sind Vater geworden. Alle klatschen und grinsen dabei.
In der Pause auf der Toilette. Der Gestank, die weißen Kacheln, die verschimmelten Ecken. Schulter an Schulter stehen die Männer und fummeln sich ihren blassen Pimmel aus dem Hosenschlitz. Wir schiffen wie das Vieh in den Ställen. Hier wäscht sich niemand die Hände.
Dann fällt das Tor. Unbeschreiblicher Lärm. Alle schreien und springen hoch, reißen die Arme in den Himmel. Ein unwirklicher Moment. Das Tor fällt und es ist schon vorbei. Keine Wiederholung, keine Zeitlupe.
Du brüllst, aber du hörst es nicht. Du bist aufgesprungen, ohne es zu merken. Wann hast du zuletzt geschrien, so laut du konntest? Du siehst auf die gegenüberliegende Seite des Stadions, wo die Fans der anderen Mannschaft so starr und stumm sind, das es fast unnatürlich wirkt. Keine Fahne bewegt sich dort drüben, die Verlierer halten ihre Totenwache.
Du denkst an damals, als du mit Opa noch in der Küche gesessen hast. Das riesige alte Radio. Samstagnachmittag. Die Konferenz. Die aufgedrehten Reporter, deren Stimme immer schneller und lauter wurde, je näher der Ball dem Tor kam.
Nach dem Abpfiff bist du so müde und ausgepumpt, als hättest du selbst auf dem Platz gestanden. Entweder triumphierende Blicke oder gesenkte Häupter. Einzelne abgeklärte Kommentare zu den Leistungen von Spielern und Schiedsrichtern. Beschwörung der Vergangenheit, Hoffnung und Trotz, bis sich die Menge wieder in der Dunkelheit zerstreut hat.
David Bowie – It’s No Game (Part 1) + (Part 2).
https://www.youtube.com/watch?v=F_XoOe51QpM
https://www.youtube.com/watch?v=GHhwYEV155Y
Oder, passend zum Thema, etwas Männermusik: https://www.youtube.com/watch?v=EcIp-dNLFYM

Freitag, 7. Oktober 2016

Wird es irgendwann aufhören? Blogstuff 78

„Beim Schreiben ist es wie bei der Prostitution. Zuerst macht man es aus Liebe, dann für ein paar Freunde und schließlich für Geld." (Molière)
Manche Leute behaupten ja, Andy Bonetti sei nur eine Laune der Kultur.
Die Welt vor meinem Fenster ändert sich eigentlich nicht, sie wechselt nur ihre Farben, sie schminkt ihr Gesicht. Der Sommer war grün und blau, jetzt kommt der Herbst, gelb und rot, und dann der Winter, schwarz und weiß, bevor es im Frühling mit dem ersten zarten Grün wieder von vorne losgeht.
Was macht eigentlich Johnny Malta? Er schreibt an einer dreibändigen „Geschichte Bad Nauheims in den Punischen Kriegen“.
Der typische Linke ist Internationalist, er träumt von der universellen Verbrüderung. Aber weder im Ausland noch in seiner Nachbarschaft findet er genügend Menschen, die seine Meinung teilen. Die Linke versank nach 1989 in Agonie, jetzt stirbt sie. Als Untoter wird sie uns in Form von Splittergruppen sicher noch lange heimsuchen.
Früher hatten Uhren noch radioaktive, leuchtende Ziffernblätter – und es gab die Radium Girls: https://de.wikipedia.org/wiki/Radium_Girls
Achtung, Kalauer! In China wächst gerade eine Null-Wok-Generation heran.
Andy Bonetti beschäftigt jetzt einen eigenen Biersommelier.
Umfrage der Woche: Sind Pandafellmützen politisch korrekt oder nicht?
Mit 691 Milliarden Euro füllen nach Schätzungen des Finanzministeriums die Bürger dieses Landes 2016 die Schatullen der Fürsten. Und jetzt kündigt der zuständige Minister Schäuble an, im nächsten Jahr das Kindergeld um zwei Euro im Monat zu erhöhen. Welch unerwartete Gnade für die Familien, welche Huld gegenüber dem einfachen Volk. Wo lässt dieser Mann seine Pointen schreiben? Bei Josef Ackermann?
Was haben die Piraten und die AfD gemeinsam? Beide wurden von Extremisten unterwandert und gekapert. Die Piraten von Linken, die AfD von Rechten. Die Gründerfiguren wurden schnell aus dem Spiel gedrängt (Weisband, Lauer, Lucke usw.). Warum sind die Piraten untergegangen und die AfD drittstärkste Partei in Deutschland? Den Rechten geht es erst um die Macht und dann um Inhalte. Sie marschieren gemeinsam, bis sie die Macht erreicht haben. Die Linken sind Idealisten; ihnen geht es erst um die Inhalte und dann um die Macht. Auf dem Weg an die Macht zerfleischen sie sich gegenseitig über die Dinge, die sie umsetzen wollen, wenn sie erst ganz oben sind.
Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Als ich einer Lektorin mal beim Mittagessen von meiner rheinhessischen Heimat, den Weinbergen und Obstplantagen erzählt habe, sagte sie nur ganz nüchtern, sie fände diese endlosen Reihen von Rebstöcken und Bäumen in Reih und Glied langweilig. Ich stutzte für einen Moment ... - aber sie hatte recht.
Das Adjektiv, das in den Rezensionen zu Johnny Maltas Lyrik am häufigsten verwendet wird, ist opak (= so unverständlich und rätselhaft, dass man es nicht deuten kann).
Manchmal ist Facebook ja doch nützlich. Vor zwanzig Jahren starb ein Bekannter von mir, Depression, Klinik, Suizid. Er war Verlagsleiter und Vater einer fünfjährigen Tochter. Sie heißt Milena und als ich mal wieder in der Kafka-Biographie von Stach schmökerte, fiel sie mir plötzlich wieder ein. Ich habe sie gefunden und ihr Bild gesehen. Inzwischen eine junge Frau, einige Informationen. Es hat mich einfach gefreut, dass es sie noch gibt, und ich hoffe, dass es ihr gut geht. Sie wird sich an unsere gemeinsamen Spiele in der WG ihres Vaters nicht mehr erinnern. Ich habe ihr nicht geschrieben und auch keine Freundschaftsanfrage geschickt. Mit genügt ein kurzer Blick durch dieses Fenster im Netz.
Petula Clark – Downtown. http://www.youtube.com/watch?v=abOzcjxNJ30

Donnerstag, 6. Oktober 2016

Annus horribilis 1982

1982 berichtet der SPIEGEL über amerikanische Militäroperationen und neue Militäreinrichtungen auf der arabischen Halbinsel, in Ägypten und in der Türkei. „Nach der Ankündigung der sozialistischen Regierung in Athen, die Nutzung griechischer Stützpunkte einzuschränken, sind die USA mit der Türkei handelseinig geworden.“ http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14355266.html
Im selben Jahr wird über Biokost als neuen Trend berichtet: „Aus den benachbarten Bürohäusern eilen sie in Scharen herbei, um für die Mittagspause 'biologische Vollwerternährung' einzukaufen, ein paar Schrotbrötchen etwa oder ein Schüsselchen 'Bio-Quark', den nur Rosinen und kein Gramm Fabrikzucker süßen.“ Da hat sich ja auch nix geändert. Oder? „Längst sind es nicht mehr nur faltige Kneipp-Apostel, Hypochonder oder Invaliden, die sich zu einer nonkonformistischen, naturnahen Ernährungsweise bekennen.“ http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14341163.html
Zu diesem Thema empfehle ich übrigens Andy Bonettis Standardwerk „Die geisteswissenschaftlichen Grundlagen der gesunden Ernährung“ (Dinkelsbühl 1999).
Ganz groß übrigens die Titelgeschichte im SPIEGEL 3/1982: „Die Angst der Deutschen“. Den Text könnte man 2016 ungekürzt neu abdrucken, hier die ersten Sätze: „Das waren Zeiten, als die Bundesrepublik und ihre Bürger noch verdrossen gescholten wurden. Oder lieblos und erschöpft. Unterkühlt, phantasiearm und gereizt. Es ist erst Monate her. Da fielen Rednern und Leitartiklern noch bunte Wörter ein für die triste Gemütsverfassung der Deutschen: Sauertöpfisch seien sie, miesepetrig und übellaunig. Dazu anspruchsvoll, faul und fad. Wie Wunder an Genauigkeit erscheinen solche Beschreibungen, verglichen mit der verbalen Einheitsdüsternis, die jetzt das Land überzieht. Heute haben wir nur noch Angst.“ Großes Tennis, oder? Wenig später: „Da stehen wir nun also. Vor einem ‚säkularen Wandel‘ (FAZ) von spätmittelalterlichen oder spätrömischen Ausmaßen. Vor der ‚Auflösung der Zivilisation‘ (Golo Mann). Bei weiterer wirtschaftlicher Belastung wird ‚das System zusammenbrechen‘, glaubt der Historiker Wolfgang Mommsen. Schon jetzt sieht uns der bayrische Kultusminister Maier als ‚eine Gesellschaft auf dem Wege zurück zum Faustrecht‘.“ Donnerwetter! Wo waren damals eigentlich Pegida und AfD? http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14337017.html

I have become comfortably numb

„Man will mit allem connected sein, nur nicht mit dem Stuhl, auf dem man gerade sitzt. Das ist eine permanente Gegenwartsflucht. Im Dialog mit anderen Menschen zu sein, ist eine Herausforderung. Dem entfliehen die Leute. Diese blöde Maschine Smartphone saugt alles ab.“ (Dieter Meier, Yello)
Ich sitze mit einer Freundin in einem Eiscafé, als eine Lehrerin mit ihrer Klasse hereinkommt. Offensichtlich ist heute Wandertag. Die Kinder dürfen sich ein Eis kaufen. Mancher holt sich eine Kugel Eis, andere zwei. Die einen nehmen eine Waffel, die anderen bevorzugen Becher und Löffel. Aber nicht alle Kinder haben Geld dabei. Einige Kinder können sich kein Eis kaufen. Sie schauen die Kinder, die an ihrem Eis schlecken, mit großen Augen an. Die sehnsüchtigen Blicke dieser Kinder werde ich nie vergessen. Wie gerne hätten sie jetzt auch ein Eis!
Mir hat diese Szene den ganzen Tag versaut. Ich war wütend. Warum ist diese Welt so ungerecht? Alle Kinder dieser Schulklasse sollten eine Kugel Eis bekommen, nicht die einen Kinder zwei Kugeln, die anderen gar keine. Jeder von uns hätte in diesem Augenblick so gedacht. Man schämt sich für diese Gesellschaft, wenn man so etwas sehen muss. Am liebsten hätte ich den armen Kindern ein Eis spendiert, aber ich wollte mich nicht mit der Lehrerin anlegen und mich einmischen. Ich war feige. Vielleicht auch geizig. Jedenfalls fühlte ich mich schlecht.
Ein anderes Beispiel: Meine Nachbarin hier in Schweppenhausen arbeitet als Krankenschwester in der Mainzer Uni-Klinik. Ich bin Schriftsteller. Sie hat einen harten Job, Schichtbetrieb, dazu die nervige Anfahrt von einer Stunde. Sollten wir beide das gleiche verdienen? Ich bleibe morgens im Bett liegen (wo ich natürlich erste Bonmots entwickle), sie muss raus. Wäre ein gleiches Einkommen nicht ungerecht?
Natürlich verdient sie mehr als ich – wir empfinden an diesem Punkt Ungleichheit als gerecht, so wie wir die Ungleichheit der Kinder in der Eisdiele als ungerecht empfinden. Aber ist es andererseits nicht ein schreiendes Unrecht, dass Investmentbanker der Deutschen Bank bis zu achtzig Millionen Euro Jahresbonus zu ihrem üppigen Gehalt bekommen haben? Diese Ungleichheit ist in unseren Augen ungerecht.
Je abstrakter wir über Gleichheit sprechen, desto schwieriger wird das Thema. Nur am konkreten Beispiel können wir erkennen, ob wir uns mehr oder weniger Gleichheit wünschen sollten. Die Debatte ist erst am Anfang, wenn ich mir in den Medien Fragen auf Grundschulniveau anschauen muss: „Brauchen wir mehr oder weniger Gleichheit?“ Oder die These aus dem Elfenbeinturm, wonach Freiheit und Gleichheit nicht kompatibel wären. Ganz so einfach wird es nicht werden.
Nächste Woche: Was ist Freiheit – wenn Sie Angestellter oder alleinerziehende Mutter sind?
Übernächste Woche: Warum finden wir Pinguine sympathisch? Warum helfen wir einer Katze in Not, aber nicht einer Spinne? Was unterscheidet Kraut von Unkraut? Gibt es auch einen Rassismus, der sich auf Flora und Fauna bezieht? Werden wir den Hominismus jemals überwinden?
Yello - Vicious Games. https://www.youtube.com/watch?v=Qis9XC7emHY

Mittwoch, 5. Oktober 2016

Natural Speed

Sitzen Sie gerade? Nein, tun sie nicht. Sie fliegen. Das Sonnensystem dreht sich innerhalb der Milchstraße mit einer Geschwindigkeit von 864.000 Stundenkilometern um die Achse unseres Sternensystems, außerdem bewegt sich die Milchstraße selbst mit einem Affenzahn vom Ort des Urknalls weg (2.160.000 km/h). Die Erde selbst dreht sich auch noch – in 24 Stunden einmal um sich selbst, das macht müde 1666 Stundenkilometer, wenn man am Äquator steht. Die Reisegeschwindigkeit unseres gemütlichen kleinen Heimatplaneten um die Sonne beträgt 108.000 km/h. Und da behauptet mein Hausarzt doch glatt, ich würde mich zu wenig bewegen.

Der Wichtelbacher an sich

„Der Deutsche ist im Durchschnitt 46 Jahre alt. Wer ändert in diesem Alter noch seine Meinung? Und wenn er eine Meinung ändert – wer ändert noch seinen Standpunkt? Und wenn er einen Standpunkt ändert – wer ändert noch seine Weltanschauung?“ (Lupo Laminetti)
Die Wichtelbacher sind ja von Hause aus ein gutherziger Menschenschlag, aber dennoch neigen sie gelegentlich zur Heimtücke. Es gibt keine ehrlicheren Menschen als die Wichtelbacher, aber man sollte ihnen kein Geld oder Schallplatten leihen. Gelegentlich vergessen sie es einfach, es ist keine Boshaftigkeit, sie vergessen einfach, eine Sache zurückzugeben. Sie sind eben nicht die allerhellsten Sterne am Himmel, aber ich würde nie etwas auf meine Wichtelbacher kommen lassen! Es ist im Übrigen völlig übertrieben, die Wäsche von der Leine zu nehmen, wenn Wichtelbacher in unser Dorf kommen. An diesem Punkt muss ich die Wichtelbacher, die anderen Menschen, oft Leuten von weit außerhalb, als hinterlistiges und verschlagenes Bergvolk gelten, in Schutz nehmen. Niemand ist gutmütiger und friedlicher als ein Wichtelbacher, aber es kann natürlich dennoch einmal vorkommen, dass einer der ihren auf einem Volksfest, reizbar gemacht durch das eine oder andere Gläschen Wein, in Zorn gerät, ein unbedachtes Wort spricht oder die geballte Faust über dem rotgeschwollenen Wichtelbacher Kopf schüttelt. Aber im Allgemeinen ist der Wichtelbacher nicht so, er ist ganz im Gegenteil recht umgänglich und beruhigt sich auch schnell wieder. Über die Wichtelbacher kann ich nur Gutes berichten, das immerhin werden Sie mir glauben müssen. Wie die Wichtelbacher über uns reden, weiß ich nicht. Ich bin eigentlich kaum in diesem Ort, nicht, weil ich etwas gegen die Wichtelbacher hätte, sondern weil es sich einfach nur äußerst selten ergibt, dass ich nach Wichtelbach komme. Wozu auch? Schließlich kommen die Wichtelbacher ja auch nicht zu uns.
Metallica - The Unforgiven. https://www.youtube.com/watch?v=Ckom3gf57Yw

Dienstag, 4. Oktober 2016

Blogstuff 77 - Kampftag der Arbeiterklasse

„Immer haben die Menschen und insbesondere die sogenannten, von sich selber so genannten gebildeten Menschen eine genaue Vorstellung davon gehabt, wie die zeitgenössische Literatur auszusehen habe, nämlich wie die alte und teilweise gar veraltete Literatur, was sie zu leisten habe, nämlich die möglichst genaue Imitation der alten und veralteten Bücher (…).“(Jürg Amann: Verirren oder Das plötzliche Schweigen des Robert Walser)
Dieser Typ, der im Kino immer mit einer Tüte raschelt und laute Kommentare abgibt. „Heul doch!“ bei „Titanic“ oder „Den hätte ja meine Oma noch mit dem Tomahawk getroffen“ während eines Westernfilms. Sie kennen das.
Ich bin inzwischen so dick, ich mache jetzt regelmäßig Rückbildungsgymnastik. Läuft.
„Ritardando im Maserati“ klingt besser als Stau, oder? „Porky’s Torpedo an frittierten Erdäpfelstäbchen mit pikantem Gemüsedressing“ klingt ja auch besser als Bottroper Schlachtplatte.
Die stählernen Gerippe der Strommasten.
Der Bach gluckert mit seiner Kinderstimme über die Steine.
Es gibt einen „Europäischen Ausschuss für Systemrisiken“, der sich allerdings bisher nur mit dem Finanzmarkt beschäftigt. Dabei sind doch an diesem Punkt der Phantasie keine Grenzen gesetzt: einzelne Personen, Unternehmen, das Wetter, Armeen und Terrorgruppen usw.
Es gibt auch einen Unsicherheitsrat. Ach nee, das ist der UN-Sicherheitsrat.
Sehen Sie sich um! Der paternalistische Doppelstern aus Wirtschaft und Politik füttert uns nicht nur, er mästet uns. Wir kämpfen gegen die Pfunde an unserem Körper und den Plunder, der unsere Wohnungen füllt. Haben Mastgänse jemals eine Revolution gemacht? Uns fehlen der Hunger und der Durst nach einer anderen Welt.
Jetzt komme ich langsam in das Alter, wo einen die Kräfte verlassen. Thomas Mann hat ja in seinen späten Jahren jede Erektion akribisch notiert. Vielleicht werde ich auch einmal ein Erektionstagebuch führen?
In eigener Sache: Wir feiern „100 Jahre Postfaktizismus in der Kiezschreiber-Redaktion“. Mit Festplatte (Mettigel & More) und Flaschenbier. Nicht verpassen!
Wir sagen „Nachthemd“, aber nicht „Taghemd“. Wann ist es „höchste“ Zeit? Kann Zeit hoch oder tief sein? Hilft es, „die Zähne zusammenzubeißen“?
Warum nennen wir einen Menschen „Migrant“, der schon seit dreißig Jahren hier lebt? Muss es nicht „Migriert-Habender“ heißen? Oder hoffen die Nutzer des Wortes implizit, dass der Migrant irgendwann wieder weitermigriert?
Neulich wurde in einem Risco Tanner-Groschenroman der Satz gefunden: „Hilfe! Ich arbeite in einer Bonetti-Sklavenschreibermine. Sagen Sie der Polizei Bescheid!“
Wann kommt endlich die selbstprophezeite Erfüllung?
Das erste Werkzeug des Menschen war sicher ein Stock, mit dem er sich den Rücken gekratzt hat, damit er nicht diesen unsympathischen Nachbarn fragen muss.
Der Riese, der sich mit beiden Händen an der Querstange in der U-Bahn festhält. Ich sehe den Doppelschweißmond aufgehen.

Offenbar reicht es den Menschen nicht, als geldgetriebene Egozentriker zu existieren. Sie brauchen immer noch einen Überbau. Früher waren das die Ideologien, heute sind es wieder Nation und Religion. Es ist wie im Fernsehen: lauter Wiederholungen.
Billy Joel – Leningrad. https://www.youtube.com/watch?v=vrWjfik8ZzA

Montag, 3. Oktober 2016

Tag der Einheit – Tag der Integration

„In dieser Stunde hörte Siddhartha auf, mit dem Schicksal zu kämpfen, hörte auf zu leiden. Auf seinem Gesicht blühte die Heiterkeit des Wissens, dem kein Wille mehr entgegensteht, das die Vollendung kennt, das einverstanden ist mit dem Fluss des Geschehens, mit dem Strom des Lebens, voll Mitleid, voll Mitlust, dem Strömen hingegeben, der Einheit zugehörig.“ (Hermann Hesse: Siddhartha)
2.136.954 Menschen sind laut Statistischem Bundesamt 2015 nach Deutschland eingewandert, in zehn Jahren hat sich die Zahl verdreifacht (2005: 707.352). Das ist ein Rekord für die Zeit nach der Wiedervereinigung. Alle reden sich die Köpfe heiß, was das bedeutet: Willkommenskultur vs. Wutbürger, Multikulti vs. Parallelgesellschaft, Integration vs. nationale Wagenburg, Chance vs. Risiko. Der Ausgang der Diskussion und der Entwicklung ist offen. Geduld ist ein knappes Gut, alle Kombattanten der öffentlichen Debatte scheinen die Zukunft zu kennen.
Deutschland ist längst Einwanderungsland. Kanada, ein klassisches Einwanderungsland, nimmt jedes Jahr 285.000 Menschen auf. Letztes Jahr wurde die Quote von ursprünglich 260.000 erhöht. Das Land hat knapp halb so viele Einwohner wie die Bundesrepublik – aber keine Pegida, keine AfD, keine brennenden Flüchtlingsheime. Ein weiterer klassischer Zielstaat für Auswanderer, z.B. aus Deutschland, sind die USA. Jedes Jahr kommen etwa eine Million legale Einwanderer, darüber hinaus leben über zehn Millionen illegale Migranten in den Staaten.
Heute feiern wir den Tag der deutschen Einheit. Vielleicht sollten wir auch einen Tag der Integration einführen, denn inzwischen leben hier genauso viele Menschen mit Migrationshintergrund wie Ostdeutsche. Warum können wir die Einwanderung nicht feiern? Wir könnten nicht nur Fußball- und Exportweltmeister, sondern auch Integrationsweltmeister sein – wenn wir die Aufgabe ernst nehmen. Aber dann denke ich an die bisherigen Bemühungen um die Einheit zwischen Ost und West oder um die Integration der Migranten in den letzten Jahrzehnten. In beiden Feldern sind die Leistungen der Bundesrepublik ausreichend bis mangelhaft. Sehr gut geht es nur den Leuten aus dem Fachbereich „Nepper, Schlepper, Bauernfänger“.
Al Green - Lets Stay Together. https://www.youtube.com/watch?v=vPHGp2DHqSI

Sonntag, 2. Oktober 2016

Die Bank gewinnt immer – oder?

Der lange Abstieg der Deutschen Bank hat viele Stufen, viele Skandale, viele unappetitliche Details, wie sie dem organisierten Verbrechen nun einmal eigen sind. 24,4 Milliarden Euro hat die Bank von 2009 bis 2015 ihren Mitarbeitern an Boni gezahlt, Gehälter nicht mitgerechnet. Inzwischen ist das Unternehmen nur noch 15 Milliarden an der Börse wert.
Ich erinnere mich an ein Interview, das ich kurz nach der Jahrtausendwende mit einem Personalmanager der Deutschen Bank geführt habe. Der glitzernde Wolkenkratzer in der Frankfurter City, Symbol von Macht und Reichtum. Ich habe ihn von innen gesehen. Wir unterhielten uns etwa eine Stunde, erst in seinem Büro, dann in der edlen Kantine. Der Manager war in meinem Alter, mal war er verständnisvoll, mal provozierte er mich mit Gegenfragen. Es war sehr amüsant, ihn zu beobachten. Am Ende, als er mir ein Stellenangebot machte, begriff ich, dass er mich nur testen wollte.
Ich lächelte, bedankte mich für die Offerte und lehnte ab. Ich fragte ihn ganz offen – das Interview war abgeschlossen -, warum ich mir als Wissenschaftler einen Bankjob antun sollte? Außerdem hatte ich mich in Politikwissenschaft promoviert, ich wäre doch wohl kaum geeignet. Er habe auch Politikwissenschaft studiert, antwortete er mir. Ich war überrascht. Solche Leute sind bei der größten deutschen Bank? Später lernte ich sogar mal einen Magister der Philosophie kennen, der für die DWS (Tochter der DB) als Fondsmanager arbeitete.
Obwohl ich einige Jahre später arbeitslos wurde, habe ich die Entscheidung nie bereut. Seit über zehn Jahren lese ich die endlosen Betrugsgeschichten der Deutschen Bank und mich überfällt jedes Mal ein wohliges Schauern. So als hätte man vor langer Zeit direkt neben einem späteren Massenmörder im Aufzug gestanden.

Samstag, 1. Oktober 2016

Delikate Aufschnittplatte - Blogstuff 76

„Ich könnte dich totlachen.“ (Tennessee Siebenpfeiffer von den Militanten Philanthropen)
Ich arbeite gerade an einem Witz, bei dem das Wort „Recklinghausen“ die Pointe ist. Können Sie mir helfen? Notfalls geht auch Gewürzburg.
Schlechte Freunde erkennst du daran, dass sie beim Reinkommen den ganzen Raum mit Folie auslegen, dir dein Handy wegnehmen und laut darüber beratschlagen, was deine Nieren in Saudi-Arabien wert sind.
Hätten Sie’s gewusst? 98 Prozent der Pointen von Bonetti Heavy Industries sind biologisch abbaubar. Zum Beispiel Witze auf dem Niveau von „Kommt ein Pandabär in die Pandabar“.
Laktosemangel kann auch zu einem Problem werden, nicht nur Laktoseintoleranz. Und was, bitte schön, ist an Glutamatsucht auszusetzen?
Bonetti Inside: Der Meister arbeitet gerade an einem Roman mit dem Titel „Dönerstreit“. Eine erste Vorablesung ist für nächsten Monat im Kulturkeller Bad Nauheim geplant.
Hätten Sie’s gewusst? Streng genommen ist das öffentliche Lachen in Deutschland eigentlich nur am Rosenmontag erlaubt (Reichsgesetzblatt XVIII vom 1. April 1935).
Wir sollten AfD-Wähler nicht als Nazis bezeichnen. Damit verharmlost man die Nazi-Verbrechen. Wie wäre es mit „Brownies“?
Auf der Baustelle von Stuttgart 21 werden jetzt die Eidechsen bei der Umsiedlung von einer Musiktherapeutin betreut.
„So leben die Stars: Schweppenhausen – das Malibu des Hunsrücks“. „Wichtelbach – Deutschlands Antwort auf Monte Carlo“. Oder so ähnlich.
Andere Menschen mögen einen Bierbauch haben, Andy Bonetti hat ein Feinkostgewölbe. Ein Delikatessentempel auf zwei Beinen.

Breaking news: Turbine Wichtelbach ist in die Kreisliga C aufgestiegen.
Im Gasthof Kupferschmiede am Chiemsee gibt es jetzt den „Kupfer-Russ’n“, das ist Weißbier mit Rhabarbersaft. Der Prenzlauer Berg ist überall! Wann verschwindet die „Bikers Riesencurrywurst“ von der Karte, weil sich eine transsexuell-vegane Montessori-Lehrerin vom Kollwitzplatz vor Wut in ihr Jausenbrett verbeißt?
Hätten Sie’s gewusst? Die erste Pizzeria Deutschlands hieß „Bier- und Speisewirtschaft Capri“ und wurde am 24. März 1952 in der Elefantengasse 1 in Würzburg von Nicolino Di Camillo eröffnet. Er war als Küchenhelfer der US-Armee 1946 nach Franken gekommen und wurde von einem US-Offizier ermuntert, ein eigenes Lokal zu eröffnen. Kunden waren anfangs fast ausschließlich Amerikaner, aber irgendwann hat sich auch der erste Deutsche an die Pizza herangetraut. 2015 ist Signore Di Camillo mit 93 Jahren in Würzburg gestorben, hochdekoriert mit einem deutschen und einem italienischen Verdienstorden. Er hat auch den Pizzakarton erfunden. Zu seinem hundertsten Geburtstag am 25. November 2021 werde ich ihm einen eigenen Artikel widmen.

Heinz Pralinski ist ein ungeschliffener Plexiglaswürfel.
„Geteiltes Leid – halbes Leid“ (Spruch an der Berliner Mauer 1986)
Debatte in Rheinland-Pfalz: Ex-Weinkönigin Julia Klöckner möchte den Begriff Weinkönigin abschaffen, sondern möchte lieber eine Weinbotschafterin in die Welt hinaus schicken. Warum nicht gleich eine Weinpräsidentin? Das wäre demokratisch. Oder eine Bundesweinvorsitzende? Das würde zur Parteienherrschaft passen. Und was ist mit dem Weinkönig? Dem Koksfürsten? Oder mit der Grasprinzessin?!
„Mongölchen“ haben wir Zivildienstleistende sie früher genannt. Heute heißt es politisch korrekt sicher ganz anders. „Down“ oder so. Aber sie sind die nettesten Menschen unter der Sonne. Wären wir alle so wie sie, würden wir im Paradies leben. Das besondere Kind, das ich kenne, fällt mir immer um den Hals und küsst mich, wenn ich komme. Neulich am Nachbartisch eines Restaurants: Ein besonderes Kind beschwert sich bei seinen Eltern, weil es andere Kinder auf der Straße nicht umarmen durfte. Gott hat die Mongos gemacht – wir sind die Behinderten!
P.S.: Ich kannte mal eine Weinkönigin, die einen Tischtennisball aufheben konnte, ohne die Hände zu benutzen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Led Zeppelin - Whole Lotta Love. https://www.youtube.com/watch?v=Mln0RciE2o0