Das große Rätselspiel in dieser Woche: Wer hat die Erdgaspipelines in der Ostsee sabotiert? Der digitale Stammtisch glüht vor Eifer. Für alle selbsternannten Experten ist der Fall bereits gelöst. Den Unterschied zwischen Wissen und Spekulation ist ihnen unbekannt. Sie müssen nur eine Überschrift lesen, schon liegt alles auf der Hand. Während selbst die Geheimdienste noch keinerlei Erkenntnisse haben, wissen sie natürlich, wer die Täter waren. Fakten sind was für Meinungsschwache. Niemand hat noch die Geduld, auf die Ermittlungsergebnisse zu warten. Sollte es welche geben, sind sie doch sowieso erstunken und erlogen. Kennt man ja.
Es waren die Amerikaner. Das ist doch logisch. Schließlich wollen sie uns ihr teures Flüssiggas verkaufen. Aber warum erst jetzt? Durch Nord Stream 1 wird längst kein Gas mehr geliefert und Nord Stream 2 ist nie in Betrieb gegangen. Wäre ein Sabotageakt im vergangenen Jahr nicht sinnvoller gewesen? Aber „irgendwas mit CIA“ klingt immer gut. Man raunt es gerne im Verschwörertonfall.
Es waren die Russen. Das ist doch sonnenklar. Erstens ist Putin ein Erzschurke, dem alles zuzutrauen ist. Außerdem machen die Russen doch immer alles kaputt, siehe Ukraine. Manche behaupten, die Russen hätten es getan, um die Vertragsstrafen für den Lieferausfall nicht zahlen zu müssen. Als ob die Russen uns noch Geld überweisen würden, wo deutsche Raubtiere wie der Gepard an der Front eingesetzt werden.
Es waren die Deutschen. Das ist
besonders lustig. Unsere gefürchtete Bundesmarine. Schon klar.
Im Gespräch sind auch die Polen,
weil sie die Russen besonders hassen und an den Gaslieferungen durch die Ostsee
keine Transitgebühren verdienen.
Oder waren es die Araber? Die
Taliban? Al-Qaida? Der Mossad? Die katholische Bischofskonferenz?
Wenigstens wissen wir, dass
nicht Fridays for Future dahintersteckt. Die hätten sich an der Pipeline
festgeklebt.
Bevor die Spekulationen jetzt
weiter ins Kraut schießen, verkündet Bonetti Media heute exklusiv, wer der
Täter war. Trommelwirbel. Werbepause. Noch ein Trommelwirbel.
+++ breaking news +++
Es waren die Norweger. Sie verkaufen in Europa das meiste Gas und machen gerade das Geschäft ihres Lebens. Das Land liegt in der Nähe des Tatorts und es leben dort auch Taucher. Motiv, Gelegenheit, Tatwerkzeug. Dr. Watson, bringen sie mir einen Brandy. Der Fall ist gelöst.
Fun
Facts For Fans: Nord Stream 1 hat 7,4 Milliarden Euro gekostet, Nord Stream 2
9,5 Milliarden. Die Sprengung der Pipelines war also ein teurer Spaß, vor allem
für Haupteigentümer Gazprom und die westlichen Kreditgeber (u.a. Uniper), die
mehrere Milliarden Euro abschreiben mussten.