Freitag, 30. September 2022

Bonetti Media – Jetzt mit noch mehr Rätselspaß!


Das große Rätselspiel in dieser Woche: Wer hat die Erdgaspipelines in der Ostsee sabotiert? Der digitale Stammtisch glüht vor Eifer. Für alle selbsternannten Experten ist der Fall bereits gelöst. Den Unterschied zwischen Wissen und Spekulation ist ihnen unbekannt. Sie müssen nur eine Überschrift lesen, schon liegt alles auf der Hand. Während selbst die Geheimdienste noch keinerlei Erkenntnisse haben, wissen sie natürlich, wer die Täter waren. Fakten sind was für Meinungsschwache. Niemand hat noch die Geduld, auf die Ermittlungsergebnisse zu warten. Sollte es welche geben, sind sie doch sowieso erstunken und erlogen. Kennt man ja.

Es waren die Amerikaner. Das ist doch logisch. Schließlich wollen sie uns ihr teures Flüssiggas verkaufen. Aber warum erst jetzt? Durch Nord Stream 1 wird längst kein Gas mehr geliefert und Nord Stream 2 ist nie in Betrieb gegangen. Wäre ein Sabotageakt im vergangenen Jahr nicht sinnvoller gewesen? Aber „irgendwas mit CIA“ klingt immer gut. Man raunt es gerne im Verschwörertonfall.

Es waren die Russen. Das ist doch sonnenklar. Erstens ist Putin ein Erzschurke, dem alles zuzutrauen ist. Außerdem machen die Russen doch immer alles kaputt, siehe Ukraine. Manche behaupten, die Russen hätten es getan, um die Vertragsstrafen für den Lieferausfall nicht zahlen zu müssen. Als ob die Russen uns noch Geld überweisen würden, wo deutsche Raubtiere wie der Gepard an der Front eingesetzt werden.




Es waren die Deutschen. Das ist besonders lustig. Unsere gefürchtete Bundesmarine. Schon klar.

Im Gespräch sind auch die Polen, weil sie die Russen besonders hassen und an den Gaslieferungen durch die Ostsee keine Transitgebühren verdienen.

Oder waren es die Araber? Die Taliban? Al-Qaida? Der Mossad? Die katholische Bischofskonferenz?

Wenigstens wissen wir, dass nicht Fridays for Future dahintersteckt. Die hätten sich an der Pipeline festgeklebt.

Bevor die Spekulationen jetzt weiter ins Kraut schießen, verkündet Bonetti Media heute exklusiv, wer der Täter war. Trommelwirbel. Werbepause. Noch ein Trommelwirbel.

+++ breaking news +++

Es waren die Norweger. Sie verkaufen in Europa das meiste Gas und machen gerade das Geschäft ihres Lebens. Das Land liegt in der Nähe des Tatorts und es leben dort auch Taucher. Motiv, Gelegenheit, Tatwerkzeug. Dr. Watson, bringen sie mir einen Brandy. Der Fall ist gelöst.

Fun Facts For Fans: Nord Stream 1 hat 7,4 Milliarden Euro gekostet, Nord Stream 2 9,5 Milliarden. Die Sprengung der Pipelines war also ein teurer Spaß, vor allem für Haupteigentümer Gazprom und die westlichen Kreditgeber (u.a. Uniper), die mehrere Milliarden Euro abschreiben mussten.

Donnerstag, 29. September 2022

Bonetti’s lustige kleine Restaurantkritik

 

Hier noch ein Nachtrag zum Hochzeitsessen, über das ich neulich berichtet habe. Sie erinnern sich: 16.000 Euro für siebzig Gäste, das sind knapp 230 Euro pro Gast.

Ich habe mit einem Freund telefoniert, der bei einem Zwei-Sterne-Koch ausgebildet wurde und in Berlin ein ausgezeichnetes Restaurant betreibt, in dem er selbst gelegentlich geschlossene Gesellschaften bewirtet. Er hat Tränen gelacht, als ich ihm vom Menü berichtet habe. Für das Geld kann man auch in ein Berliner Sterne-Restaurant gehen. Im Golvet an der Potsdamer Straße (ein Michelin-Stern) kostet das Sieben-Gänge-Menü 150 Euro, dazu könnte man also theoretisch noch für achtzig Euro Getränke bestellen, bis man auf die 230 Euro kommt.

Aber wir sind ja in einem ambitionierten Landgasthof. Da muss man natürlich Abstriche machen. Fangen wir mit dem Ende an: Ein absolutes No-Go war der Nachtisch. Selbstbedienung am Buffet! Da hätten wir uns ja auch gleich bei McDonald’s treffen können. Selbst in der billigsten Pizzeria bekommt man die Nachtspeise selbstverständlich am Tisch serviert. Für so einen Fauxpas kann man bei diesen Preisen keine Entschuldigung akzeptieren.

Auch die Dauer des Vier-Gänge-Menüs war sehr ärgerlich: über vier Stunden. In keinem respektablen Restaurant muss man über eine Stunde auf den nächsten Gang warten. Angekündigt war das Essen für 18 Uhr, um 19 Uhr ging es los. Der Hauptgang kam um 22 Uhr, der Nachtisch wurde nach 23 Uhr bereitgestellt. Und die Küche war über die Menüfolge, Datum und Uhrzeit sowie die Anzahl der Gäste seit Wochen informiert. Aber immerhin gab es einzelnes Körbchen mit trockenem Brot auf unserem Tisch, an dem neun Personen Platz genommen hatten.

Der Umgang mit Vegetariern war ebenfalls unverschämt. An meinem Tisch saß eine Teenagerin, der man zuerst ein Einmachglas (!) mit Gemüsebrühe und dann einen Teller mit zerkochtem Dosengemüse und Kartoffeln gebracht hat. Das ist nicht nur einfallslos, sondern auch frech. Warenwert: zwei Euro. Abgerechnet wurden 230 Euro. Für diese Summe erwarte ich zumindest einen Suppenteller und ein Hauptgericht auf angemessenem Niveau. Schon mal was von Seitan, Räuchertofu oder veganem Fleischersatz gehört?

Das Menü war eine Enttäuschung. Erster Gang: eine Handvoll Grünzeug mit Ei. Zweiter Gang: Pilzsuppe mit Sahneklecks (natürlich weder Pfifferlinge noch Steinpilze). Dritter Gang: geschmacksneutrales Hähnchenfleisch mit ungenießbaren Kräutergnocchi. Eine ältere Dame an meinem Tisch hat zwei Bissen vom Hauptgang probiert, dann den Teller weggeschoben und Brot gegessen. Andere haben nur einen Teil aufgegessen, ich habe es bei den hundert Gramm Fleisch belassen. Wie viele Gäste haben in diesem Augenblick von einem saftigen Rumpsteak mit Pommes frites geträumt? Vermutlich auch das Brautpaar, dessen kulinarische Präferenzen mir natürlich von etlichen Restaurantbesuchen bestens bekannt sind. Schließlich hatte keiner von uns zu Mittag gegessen.

Mein Freund, seit über dreißig Jahren in der Top-Gastronomie in Deutschland, Italien und der Schweiz tätig, hatte für dieses Essen nur ein Wort übrig: Abzocke. Auch wenn sämtliche Getränke und die Häppchen am Anfang der Feier im Preis enthalten waren. Er taxierte den Reingewinn auf mindestens fünfzig Prozent der gezahlten Summe. Den reinen Warenwert der Zutaten für das viergängige „Gourmet“-Menü schätzte er auf zehn Euro. Beispiel 1: Ein Eifeler „Prachthahn“, so der Name des Hauptgangs dieses Hochzeitsessens, kostet beim Bauern fünfzehn Euro und hat ein Schlachtgewicht von zwei Kilogramm. Beispiel 2: Die Zutaten für den ersten Gang kann man in jedem Supermarkt für siebzig Cent kaufen. In der Sterne-Gastronomie bekommt man für sein Geld wenigstens Trüffel, Kaviar und Fasan serviert. Für 16.000 Euro kann man einen Neuwagen kaufen – oder sich von einem gerissenen Gastwirt ganz gepflegt über den Tisch ziehen lassen.

Wenigstens hat der Nachtisch geschmeckt, ich hatte eine Vanille Crème brûlée. Wir haben in diesem Jahr dreimal in der Burg Klopp in Bingen gegessen. Jedes Mal deutlich besser und vor allem günstiger. In Berlin habe ich im August jeden Tag besser gegessen als bei dieser Hochzeit. Die teuerste Mahlzeit war ein Drei-Gänge-Menü mit Weinbegleitung (drei Gläser exzellenter französischer Weißwein von unterschiedlichen Weingütern) für sechzig Euro (+ 5 € Trinkgeld). Schweizer Rösti mit Pfifferlingen und Pesto, Ochsenbäckchen mit Semmelknödeln und zum Nachtisch ein heißer Schokoladenkuchen und eine Kugel Eis.

Zubereitet von besagtem Freund. Ein Genuss. Er hat auch pseudo-vornehme Formulierungen wie „Cappuccino vom Waldpilz“ für eine ordinäre Suppe nicht nötig. Bei meinem Lieblingswirt, der sich meistens zu mir an den Tisch setzt und ein Glas mittrinkt, hängt ein signiertes Trikot von Fußballnationalspieler und BVB-Profi Emre Can, der schon einige Male sein Gast war, an der Wand. Er selbst ist Bayern-Fan. Johann Lafer, dessen Haus für das Hochzeitsessen verantwortlich zeichnete, hat er übrigens mal bei einem Benefizspiel persönlich kennengelernt. Lafer war der Einzige, der auf dem Fußballplatz auf die Anrede Sie bestanden hat. Der ehemalige Sterne-Koch gilt inzwischen – vor allem seit seinem Bankrott – in der Gastronomieszene als absolute Witzblattfigur. 

P.S.: Zum Essen gab es drei Weine zur Auswahl. Zwei vom eigenen Weingut Kaiserhof. Laut dem Winzer meines Vertrauens liegen die Produktionskosten in unserer Gegend bei etwa einem Euro pro Liter (Inklusive Flasche, Verschluss, Etikett und Abfüllung). Dazu ein Wein von einem anderen Weingut im Dorf, dessen Weine laut Preisliste alle unter zehn Euro pro Flasche liegen. Der Wirt ist schon ein Schlawiner, das muss man ihm lassen. Er hat nicht nur beim Essen viel Geld gespart, sondern auch bei den Getränken.

P.P.S.: Dies soll kein Vorwurf an das Brautpaar sein. Sie sind jung, naiv und in diesen Dingen einfach unerfahren. Sie werden hoffentlich noch viele Anlässe zum Feiern haben. Vielleicht mietet man beim nächsten Mal ein nettes italienisches Restaurant. Dann kann jeder Gast bestellen, was ihm schmeckt. Schnitzel, Steak oder Pizza. Das kostet auch nur einen Bruchteil der Summe, die für diese Hochzeitsfeier ausgegeben wurde, und man hat anhand der Speisekarte und der Rechnung die volle Kostenkontrolle.

Mittwoch, 28. September 2022

Make America Great Again

 


Der russische Überfall auf die Ukraine ist wie eine Verjüngungskur für die alternde Weltmacht USA.

1.     Russland wird wegen der Sanktionen dauerhaft geschwächt. Es ist wie Long Covid und es wird vielleicht noch Jahre dauern.

2.     Der Krieg bietet Amerika eine gute Begründung, Taiwan auch mit eigenen Truppen verteidigen zu wollen. Damit kann man den Konkurrenten Nr. 1 China unter Druck setzen.

3.     Die USA können mehr Erdgas verkaufen, weil sie einen Teil des russischen Geschäfts übernehmen. Andere Profiteure sind die arabischen Länder, die Niederlande, Norwegen usw.

4.     Das schwächelnde Rüstungsgeschäft läuft wieder glänzend. Amerikas Militärmaschinerie verdient mehr Geld als in den vergangenen Jahren. Die USA verlieren dabei keinen einzigen Soldaten.

5.     Die hohen Energiepreise schwächen die europäische Konkurrenz auf dem Weltmarkt. Die USA sind Selbstversorger.

6.     Da im Augenblick die militärischen Aspekte dominieren, wird die NATO und die Führungsrolle der USA gestärkt. Alle halten sich derzeit an die Befehlskette (USA, dann die Atommächte Großbritannien und Frankreich, dann die anderen NATO-Mitgliedsstaaten). Panzer werden z.B. erst dann an die Ukraine geliefert, wenn Washington es will.

Was Trump versprochen hat, kann Biden endlich liefern: Make America Great Again. Danke, Putin. Du bist Amerikas bester Freund.   

Dienstag, 27. September 2022

Der One-Night-Stand

 

Als ich aufwachte, war ich immer noch besoffen. Ich öffnete die Augen, aber alles war verschwommen. Da war Licht, aber es gab keine Konturen. Ich blinzelte ein paar Mal, aber es wurde nicht viel besser. Nachdem ich mir die Augen gerieben und einige Zeit gewartet hatte, sah ich die ersten Umrisse. Ich blickte auf zwei Fenster, neben mir war ein flacher Tisch mit Gläsern und Flaschen. Mein Kopf war schwer und das Licht tat höllisch weh, also ließ ich ihn zurücksinken. Ich lag auf einem Sofa, ohne Schuhe, aber mit Hose und Hemd. Keine Decke, kein Kopfkissen.

Ich wachte noch einmal auf. Die Morgensonne hatte den ganzen Raum erfüllt. Ich stand auf. Wo war ich? Ich hatte keine Ahnung. Ich ging auf den Flur und roch den Duft von Kaffee. In der Küche stand ein Mann. Ich hatte ihn noch nie zuvor gesehen. Er drehte sich zu mir um. Ein verunglücktes Lächeln, ein schiefer Strich in einem unrasierten Gesicht.

„Ich habe leider nichts zum Frühstück im Haus“, sagte er zu mir.

Ich hatte ohnehin keinen Hunger. „Ist okay“, antwortete ich nur.

Was war letzte Nacht geschehen? Ich hatte keine Ahnung. Ich wusste noch nicht mal, wie dieser Typ hieß, der gerade vor mir in der Küche stand.

„Wie heißt du eigentlich?“, fragte ich ihn.

„Heiko. Und du?“

Ich schüttelte nur den Kopf und ging weg.

Erstmal pissen.

Dann nachdenken.

Meine Klamotten waren komplett vorhanden, auch Brieftasche und Hausschlüssel.

Ich drückte die Spülung und ging zur Haustür. Dort standen meine Schuhe.

Dann verließ ich das Haus. Die Sonne war herrlich. Früher Morgen. Nur wenige Leute auf der Straße. Alle auf dem Weg zur Arbeit.

Wo war ich?

Ich lief durch die Straßen, bis ich zur nächsten Bushaltestelle kam. Der Bus war voller Bürofuzzies mit dunklen Anzügen.

Irgendwo habe ich dann gefrühstückt. Bei einem Käseomelett und einer Tasse Kaffee kamen die Erinnerungen zurück.

Heiko.

Wir hatten uns an einem Tresen in einer Weddinger Kneipe kennengelernt. Offside. Johnny Walker Blue Label. Trinken die wenigsten. Acht Euro für zwei Centiliter. Aber jeden Cent wert. So kamen wir ins Gespräch. Und dann bin ich bei ihm gelandet. Er wollte mir seine Single Malts zeigen. An den Glenmorangie und den Tullamore Dew konnte ich mich noch erinnern. Wir tranken und lachten. Keine Ahnung, wie lange. Das Ende habe ich vergessen. Eigentlich war es ein schöner Abend.

Und ein schöner Morgen.

Klaus Nomi - Samson and Delilah (Aria) - YouTube

 

Montag, 26. September 2022

Bella Italia

 

Jetzt herrscht also Heulen und Zähneklappern. Italien bekommt eine rechte Regierung. Wieder einmal ist das Ende der Welt nahe. Aber was kann die neue Regierung unter Meloni erreichen? Politisch ist man in die EU-Gesetzgebung verstrickt wie Gulliver in Swifts Satire. Zusätzliches Geld kann man nur ausgeben, wenn die EZB die Staatsanleihen geräuschlos entsorgt. Nach dem armseligen Brexit, der den Engländern nur Nachteile gebracht hat, ist bei den Nationalkonservativen der Austrittsimpuls erloschen. Die neue Regierung wird die Wut der Bürger über die gestiegenen Energiekosten kanalisieren müssen. Hat sie die Möglichkeit dazu? Die Leute wählen rechts, weil links scheiße war. Sie gehen zu Da Giovanni, weil Da Luigi scheiße war. Warten wir es einfach mal ab. Die „fünf Sterne“ sind auch schnell erloschen.

Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten

 

Blogstuff 727

„Das Ziel ist weg.“ (Samuel Beckett)

Wissenschaftler haben herausgefunden, dass ein Glas Rotwein so gesund ist wie eine Stunde Sport. Also ersetzt eine Flasche Rotwein einen Marathon.

Es gibt von ukrainischer bzw. westlicher Seite längst ein Angebot, das eine "Brücke" darstellt, um Russland einen gesichtswahrenden Ausstieg aus diesem unseligen Krieg zu ermöglichen. Grundbedingungen für einen Friedensvertrag sind natürlich der vollständige Rückzug der russischen Truppen vom Staatsgebiet der Ukraine und die Anerkennung des Existenzrechts der Ukraine. Statt auf dieses Angebot zu reagieren, eskaliert Putin die Lage mit einer Mobilmachung.

In der Belziger Straße in Berlin-Schöneberg gibt es einen Gerhard-Schröder-Park. Warum wird er nicht umbenannt?

Formel 1: In den acht Jahren der Hybrid-Ära von 2014 bis 2021 hat Mercedes 111 von 160 Rennen gewonnen. Das sind 69 Prozent. In diesem Jahr haben sie bisher noch keinen einzigen Sieg einfahren können. Plötzlich sieht man, dass der angeblich größte Fahrer aller Zeiten, Lewis Hamilton, auch nur mit Wasser kocht. Derzeit ist der siebenfache Weltmeister WM-Sechster.

1912: Die Titanic stößt mit einem Eisbecher zusammen.

Warum kann man aus der Erderwärmung keine Energie gewinnen?

Olaf Scholz ist so deprimierend wie ein Konferenzkeks.

Ich verstehe ja die Putin-Querdenker ohnehin nicht, aber warum in aller Welt sind sie auch noch alle China-Fans? Stichworte: Uiguren, Hongkong, Überwachungsstaat. Wenn man sieht, wie wegen wenigen hundert Corona-Kranken riesige Millionenstädte abgeriegelt werden, hat zum ersten Mal einen Eindruck, wie eine Corona-Diktatur funktioniert. 

Was macht eigentlich Heinz Pralinski? Er hat sich bei der Generalprobe zu seiner neuen Rockoper das Bein beim Stage-Diving gebrochen.

Putins Argument, man schütze nur die russische Minderheit in Luhansk, Donezk und auf der Krim, erinnert an Hitlers Annexion des Sudetenlands.

Erst habe ich noch Witze über das Thema Heizen gemacht, aber jetzt habe ich selbst ein Problem. Nachdem ich die Heizung angeworfen habe, musste ich feststellen, dass zwar Heizkörper und Warmwasser am Start sind, aber nicht die Fußbodenheizung. Ich halte mich also nur in bestimmten Räumen auf und trage tatsächlich Strümpfe! Der Heizungsmensch wollte am Mittwoch kommen, aber er muss sich erst um die Totalausfälle kümmern. Er hat sich für heute angekündigt. Ich fiebere und zittere seiner Ankunft entgegen. Ansonsten muss ich unseren Kamin zum Einsatz bringen.

The Clash - Straight to Hell (Official Audio) - YouTube


Samstag, 24. September 2022

Kopfreisen

 

Ich fotografiere im Urlaub nicht. Stattdessen versuche ich, mir die Momente einzuprägen und mich später zu erinnern. Es gibt Reisen, zu denen kehre ich immer wieder zurück. Im Amazonas-Dschungel 1995. Das überwältigende Gefühl der Hilflosigkeit. Keine Wege, keine Schilder, über dir das geschlossene Blätterdach. Kein Handyempfang. Keine Orientierung. Nur das Halbblut, das uns durch den Urwald führt. Du siehst keine zehn Meter weit. Schlangen, Spinnen, der Blick über die Schulter, weil der Jaguar immer von hinten angreift. Die feuchte Hitze ist mörderisch. Eine Woche schlafen wir auf unserem Boot in Hängematten, angeln Piranhas und hören nachts das überwältigende Konzert der Natur. Du bist ein Nichts. Jeder Käfer weiß mehr über das Leben im Dschungel als du. Geld? Nutzt nichts. Kannst du fressen, wenn du willst. Umso unglaublicher die Rückkehr nach Manaus. Ich kann vor Kraft kaum laufen. Meine Superkräfte kommen zurück. Ich kann meine Kreditkarte einsetzen. Es gibt eine Bar, in der ich ein eiskaltes Bier bestelle. Ich nehme mir einfach ein Hotelzimmer mit Klimaanlage und stelle mich unter die Dusche. Wir sind so abhängig von der Zivilisation. Aber wir merken es nicht.   

 

Freitag, 23. September 2022

Ferien bei Steinbrenners

 

Mein Name ist Falko Böhme, ich bin Einbrecher und habe drei Grundsätze. Erstens: keine Gewalt. Zweitens: nicht länger als fünf Minuten in der Wohnung bleiben. Drittens: nie in der eigenen Nachbarschaft arbeiten. Gegen zwei meiner Grundsätze habe ich verstoßen. Schuld ist der Russe.

Ein Stockwerk über mir lebt ein schwules Paar. Sie fahren jeden Winter für drei Monate nach Goa. Neulich hat mir einer der beiden, Kurt Steinbrenner, erzählt, dass es am 15. Dezember losgeht. Allein die gesparten Heizkosten würden die Flugtickets finanzieren. Da kam ich auf eine Idee.

Am 16. Dezember habe ich bei ihnen geklingelt. Keiner da. Wie zu erwarten. Ich öffnete mit meinem Dietrich vorsichtig ihr Türschloss. Als ich in der Wohnung war, habe ich erstmal alle Heizkörper aufgedreht. Der Kühlschrank war selbstverständlich leer. Aber der PC wird nicht passwortgeschützt. Amazon und Lieferando haben ihre Kreditkartennummer gespeichert. Nach einem opulenten Mahl, das ich bei einem französischen Restaurant bestellt hatte, habe ich ein heißes Bad genommen.

Es war eine herrliche Zeit. Ich habe bestimmt zehn Kilo zugenommen. Von unserem Haus in Berlin kann man unter 672 Lieferdiensten wählen. Indisch, chinesisch, italienisch, thailändisch. Es gibt sogar einen nepalesischen und einen bulgarischen Lieferdienst. Getränke habe ich kistenweise über Amazon bestellt. Wein, Champagner, Whisky, Gin, Wodka. Und warum nicht ein paar neue Klamotten? Schuhe konnte ich auch gut gebrauchen.  

Natürlich habe ich auch gelegentlich bei mir vorbeigeschaut. Die Stadt ist ja voller Ganoven. Mal nach der Post schauen. Einen Spaziergang machen. Freunde besuchen. Kein Problem. Der Ersatzschlüssel hing am Schlüsselbrett. Ich wusste gar nicht, dass die Steinbrenners so teure Uhren haben. Die habe ich meinem Hehler vorbeigebracht. Der Hammer war die Rolex Daytona. Laut Internet sechsstellig. Mein Hehler hat mir fünfzigtausend gezahlt. Ich werde im nächsten Jahr nicht einbrechen müssen. Russen sind gute Menschen. Sie lassen dich nicht hängen.    

 

Donnerstag, 22. September 2022

Ein Warlord hat’s nicht immer leicht

 

Onkel Wladi ruft 300.000 Reservisten zur Mobilmachung auf, weil seine regulären Soldaten davonlaufen. Erinnert mich ein bisschen an Hitlers Volkssturm 1945. Hat ja auch prima geklappt. Die Nachfrage nach One-Way-Flugtickets ins Ausland ist explodiert, die Flugzeuge sind ausgebucht. An den Grenzen Russlands bilden sich lange Schlangen von Flüchtlingen.

Onkel Wladi muss in Nordkorea Munition kaufen. In NORDKOREA! Weil seine angeblichen Verbündeten wie z.B. China nicht liefern wollen.

Onkel Wladi lässt Strafgefangene rekrutieren und Leute auf der Straße anwerben. Schickt er im nächsten Jahr Kindersoldaten in den Krieg?

Onkel Wladis Armee hat 40.000 Mann verloren, dazu kommen die Kriegsgefangenen und Verwundeten.

Onkel Wladi macht ein paar Fake-Referenden, um zu beweisen, wie sehr die Ukrainer ihre Besatzer lieben. Ein Akt der Verzweiflung.

Onkel Wladi hat nach sieben Monaten keines seiner Kriegsziele erreicht. Die von ihm gehaltenen Gebiete schrumpfen täglich.

Onkel Wladi bringt seine U-Boote aus dem Schwarzen Meer in Sicherheit.

Onkel Wladi will eine Atombombe werfen. Aber wohin? Ein Massenmord in einer Großstadt wie Kiew wird seinen Gegner nicht schwächen und Russland international endgültig isolieren.

Als nächstes werden wahrscheinlich die kriegsgeilen Putin-Fanboys und Hobby-Imperialisten aus Kleinbloggersdorf zu den Waffen gerufen. Da dürfen die ganzen Maulhelden, Kläffer und Stammtischgeneräle endlich mal zeigen, was sie können. Ihre Nazi- und Querdenkerfreunde sind natürlich auch herzlich willkommen.

Es wird immer peinlicher um den Giftzwerg, der im Studium den Spitznamen „Motte“ hatte, weil er so extrem unauffällig war. Er wollte im Alter wenigstens noch in die Geschichtsbücher kommen – und erlebt sein persönliches Vietnam. So eine Blamage hat es selbst bei Trump nicht gegeben.


 

Mittwoch, 21. September 2022

Fünf Männer, fünf Fische

 

Blogstuff 726

„Liebe Lesende, Nicht-Lesende, Legastheniker und Blinde, liebe Textgegner, Wortfeinde und Gendermissionare.“ (Heinz Pralinski bei einer Ansprache auf der Frankfurter Buchmesse)

Bonetti hat eine Vorliebe für bizarre Textpraktiken.

Seinen ersten Autounfall hatte ein Freund von mir im Schlaf. Er hatte es sich bei einer Party im Vollsuff auf der Rückbank eines Autos bequem gemacht und war eingepennt. Irgendwann stiegen zwei Leute in den Wagen und fuhren los. M. erwachte erst, als er durch die Windschutzscheibe flog. Wir haben alle seine Narben im Krankenhaus bewundert. Ein Jahr später baute er seinen ersten Totalschaden in tiefster Nacht auf einer Landstraße kurz vor Schweppenhausen. Die Scheinwerfer seines Käfers blickten sich gegenseitig an, nachdem er einen Baum schön mittig getroffen hatte. Die Promille Alkohol in seinem Blut wurden leider nicht überliefert.

„Kopf hoch“ sagt man nur zu Leuten, die ihr Haupt längst gesenkt haben.

Hätten Sie’s gewusst? Es gibt nicht nur Russinnen, sondern auch Russinen. Diese Volksgruppe lebt in den Karpaten und verteilt sich auf Polen, Ukraine und Slowakei.

Laut der neuesten Meinungsumfrage von Allensbach liegt die Union bei 30 Prozent und die Grünen bei 19 Prozent. Das ergäbe im Bundestag eine komfortable Mehrheit für Schwarz-Grün. Merz wäre Bundeskanzler, Baerbock weiterhin Außenministerin und Scheuer käme wieder ins Verkehrsministerium. Glänzende Aussichten.

Seien wir doch mal ehrlich: 2020 und 2021 haben wir wegen Corona nicht geduscht, weil wir sowieso den ganzen Tag in dreckiger Unterwäsche durch die Wohnung geschlurft sind. Diesen Winter lassen wir es eben wegen der Energiekrise.

Kanzler statt Kanzlerin, König statt Königin. Nature ist healing.

Es gibt Leute, die sich immer gleich aufregen, wenn sie irgendwo im Lokal oder im Radio geduzt werden. Leuten, die so intolerant sind, würde ich am liebsten die Fresse polieren.

Laut Verschwörungstheorie war Corona eine geplante Aktion der Weltregierung. Aber was ist mit der kommenden Wirtschaftskrise? Haben die Verschwörer auch die Rezession geplant? Und wenn ja: warum?

Ich habe letzte Woche die Heizung angeworfen. Bei meinen Mietern geht die Heizperiode am 1. Dezember los.

A: „Wie ist die Lage?“

B: „Beschissen.“

A: „Gute Zusammenfassung.“

Yes - Starship Trooper - YouTube


Dienstag, 20. September 2022

Ich sage, was ich denke!

 

1. Frauen sind Menschen zweiter Klasse. Kettet sie an den Herd und gebt ihnen einen Putzlumpen.

2. Salat ist kein Nahrungsmittel.

3. Ich hasse Nigger und Behinderte.

4. Der Mann ist die Krone der Schöpfung. Deswegen dreht sich nicht nur die Sonne, sondern das gesamte Universum um die Erde.

5. Deutschland ist schön.

6. Gendersprache ist Faschismus.

7. Ich mag Fleisch von gequälten Tieren, vor allem Schweinenackensteak vom Grill.

8.  Arbeitslose, Linke und Veganer gehören ins Arbeitslager.

9. Weiber- und Krüppelquoten führen uns in den Abgrund.

10. Fußball ist der einzige Sport, der Rest kann weg.

11. Ich fordere den Bierdeckel. Ein Euro pro Liter. Alkoholfreies Bier wird verboten.

12. Es war nicht alles schlecht unter Hitler. #Autobahnen

13. Zigeunerschnitzel.

 

Montag, 19. September 2022

Hochzeitsnachbereitungen auf dem Lande

 

Alle sprechen über die Krise, über Armut und kalte Wohnungen. Aber nicht an diesem Tag. In Deutschland wird noch gefeiert. Eine katholische Hochzeit auf dem Land. Da lässt man es krachen, das macht man nur einmal im Leben. Ich war bisher nur auf sehr nüchternen protestantischen Hochzeiten. Eine Runde Standesamt und danach wird Party gemacht, bis der Arzt kommt. Diese beiden jungen Menschen, die heute in der Dorfkirche vermählt werden, meinen es ernst. Eine Visagistin bereitet die Braut, die Trauzeugin und die Schwiegermütter seit neun Uhr morgens vor. Das Brautkleid hat über zweitausend Euro gekostet. Im Juni wurden die Maße genommen. Seither hat die korpulente Braut fünf Kilo zugenommen. Es muss wenige Tage vor der Hochzeit noch einmal geändert werden.

Um vierzehn Uhr beginnt der Traugottesdienst. Mein Vater führt die Enkelin seiner Frau an den Altar. Ich nehme sicherheitshalber in der zweiten Reihe Platz, weil die Abläufe bei den Katholiken sehr kompliziert sind. Plötzlich müssen alle aufstehen oder man muss irgendein Worterkennungsspiel mit dem Pastor machen und „Amen“ rufen. Es wird überhaupt viel gestanden. Ist ja nicht so meine Welt. Aber auch viel gesungen. Wann habe ich zuletzt mal „Halleluja“ gesungen – und das mehrfach? Das Ehegelübde ist nicht nur ein einfaches „Ja“, es zieht sich über Minuten hin. Besonders schlimm fand ich die Stelle, wo sich die Brautleute verpflichten, ihre Kinder im christlichen Glauben zu erziehen. Hier versteht die Religion keinen Spaß.

Danach gibt es einen Sektempfang vor der Kirche. Es sind über hundert Leute gekommen. Da die Brautleute im örtlichen Karnevalsverein aktiv sind, wartet ein Spalier von Fassenachtern am Ausgang und es gibt ein „dreifach donnerndes Helau, Helau, Helau“. So geht es bei uns zu, Loriot hätte es nicht schöner inszenieren können. Da der Bräutigam auch in der Freiwilligen Feierwehr und beim Malteser Hilfsdienst ist, warten diverse Feuerwehr- und Rettungsfahrzeuge auf der Straße. Mit einem Rettungskran werden die Brautleute in dreißig Meter Höhe befördert. Dann werden die Sirenen eingeschaltet. Im ganzen Dorf gehen die Leute in ihre Gärten und auf die Straße und winken dem Brautpaar zu.   

Anschließend steht die eigentliche Hochzeitsfeier im Kaiserhof in Guldental auf unserem Programm. Zum ersten Mal im Leben bin ich Teil eines Autokorsos, der hupend über die Dörfer fährt. Hier treffen sich siebzig Gäste: die beiden Familien und die engsten Freunde. Die innere Wagenburg des deutschen Bürgertums. Die Jeunesse dorée: schöne Frauen in teuren Kleidern, selbstbewusste Männer in Maßanzügen. Nachwuchsmanager und Abteilungsleiter, Modedesignerinnen und Studentinnen. Dazu die Phalanx der Alten: Unternehmer und Offiziere, Pensionäre und Berufspolitiker. Ich bin der Einzige, der eine Jeans und ein T-Shirt trägt. Selbst Kinder und Teenager tragen Kleider und Anzüge. Ich bin froh, dass ich mein Fünfzig-Euro-Notfall-Jackett von C&A habe.

Ein weiterer Sektempfang, allerdings kommen jetzt die hochwertigen Materialien zum Einsatz. Crémant statt Rotkäppchen, Hors d’œuvre statt Laugenbrezel. Danach ein Vier-Gänge-Menü von Johann Lafer. Unbekannte Genüsse: Stundenei, Cappuccino von Waldpilzen und ein Prachthahn. Gesamtpreis der Feier: 16.000 Euro. Allein die Hochzeitstorte, von einer Tante spendiert, hat fünfhundert Euro gekostet. Ich zucke kurz zusammen. Ein Monat Bürgergeld. Geschmacklich allerdings eher gehobene Mittelklasse. Das Essen zieht sich von 19 bis 23 Uhr, unterbrochen von launigen Dia-Vorträgen aus dem Freundeskreis. Aber es gibt ausgezeichneten Wein, später steige ich auf Gin Tonic um. Nach dem Brauttanz geht es kurz vor Mitternacht wieder nach Hause. Die Jugend hat bis in den Morgen weitergefeiert. Sie hatten im Kaiserhof genügend Zimmer reserviert.

Das frischgebackene Ehepaar bewohnt einen Neubau am Dorfrand mit Swimmingpool und Whirlpool. Der jüngst erworbene Weber-Grill hat 1800 Euro gekostet. Zu den beiden Mittelklassewagen haben sie sich in diesem Sommer noch ein BMW-Cabrio als Drittwagen gegönnt. Der Bräutigam wurde gerade zum Betriebsleiter eines Medizintechnikunternehmens befördert, er ist für einen Etat von 55 Millionen Euro verantwortlich. Die Braut ist angehende Verwaltungsbeamtin. Die Hochzeitsreise führt nicht, wie ursprünglich geplant, auf die Malediven, sondern in ein Haus am Meer, da "das Kind" aka Hund dabei sein soll. Man muss sich um dieses Land keine Sorgen machen. Mag das einfache Volk auch murren, mag auf den unteren Decks dem einen oder anderen das Wasser bis zum Hals stehen – auf dem Oberdeck ist die Welt noch in Ordnung. Und da rede ich noch nicht mal von den 1,6 Millionen Millionären in Deutschland.

P.S.: Einmal ging es beim Tischgespräch doch um das Thema Energie. Alle Anwesenden hatten ihre Heizung bereits eingeschaltet, 23 Grad gelten als Wohlfühlminimum.



  


Samstag, 17. September 2022

Die verborgene Offenbarung

 

Blogstuff 725

„Der Diener muss meinen Schreibtisch für mich abräumen. Man kann nicht von mir erwarten, dass ich Dinge wegstelle.“ (Charles III.)

Der einzige deutsche Generalstreik nach dem Krieg fand im Herbst 1948 in der amerikanischen und britischen Besatzungszone statt. 79 Prozent der Beschäftigten beteiligten sich, es kam zu großen Demonstrationen. Da die Polizei nicht Herr der Lage wurde, setzte die US-Militärpolizei Panzer und Tränengas ein. Ursache waren die starken Preissteigerungen bei Lebensmitteln nach der Währungsreform.

Ich gehöre nicht zu den Leuten, die ständig rumjammern, obwohl ich nur für einen Hummerlohn arbeite.

Menschen wie Bonetti schreiben keine Bewerbungen, Menschen wie Bonetti werden entdeckt. Sie gehen Samstagabend die Straße lang wie John Travolta und dann unterschreiben sie einen Multi-Millionen-Dollar-Vertrag mit irgendeinem Studio.

Ein interessanter Artikel zu den steigenden Brotpreisen und den Sorgen der Bäcker vom Oktober 2021. Es hat also nicht nur mit dem Krieg zu tun, denn von dem konnte man vor einem Jahr noch nichts wissen: Brötchen-Preise explodieren: Was auf Kunden bald zukommt - CHIP

Da geht Bonetti. Er trägt einen schneeweißen Anzug, ein weißes Hemd und eine weiße Seidenkrawatte. Dazu einen weißen Zylinder, einen weißen Spazierstock und weiße Lackschuhe. Er betritt ein italienisches Lokal und bestellt Spaghetti Bolognese. Dieser Teufelskerl!

Viele Leute wettern gegen das ewige Wirtschaftswachstum und den sinnlosen Konsum, aber wenn es dann mal anders läuft, ist es ihnen auch wieder nicht recht.

„Was hast du heute geschafft?“ – „Ich habe es bis aufs Klo geschafft.“

Putin hat sich in seiner Rede beim Wirtschaftsforum in Wladiwostok über den Westen und "dessen aggressive Versuche, anderen Staaten Verhalten aufzuzwingen, sie ihrer Souveränität zu berauben und seinem Willen zu unterwerfen" beschwert. Genau mein Humor.

Mbappé verdient jetzt 100 Millionen im Jahr bei PSG. Dazu hat er ein Handgeld von 200 Millionen bekommen, weil er nicht den Verein gewechselt hat. In den Stadien werden die Fans nicht mehr „Scheiß-Millionäre“ rufen, sondern „Scheiß-Milliardäre“.

Ich weiß noch, wie ich im Alter von sechs Jahren vor dem Fernseher saß, es lief „Väter der Klamotte“, „Bonanza“ oder was auch immer im Schwarz-Weiß-Vorabendprogramm, als plötzlich der Fernseher verstarb. Das Bild schrumpfte zu einer millimetergroßen Miniatur zusammen. Es war, als hätte jemand verkündet: „Gott ist tot“. So ging es mir letzten Samstag wieder. Mitten in der Sportschau wechselte der Fernseher sämtliche Programme auf andere Kanäle und die Öffis sehe ich jetzt nur noch im Internet.

Ellis Beggs and Howard - Big Bubbles No Troubles - YouTube

 

Freitag, 16. September 2022

Der Anfang von irgendwas


Larry’s Library Lounge ist eine schäbige kleine Bibliothek in der Bowery. Hier treiben sich die gefährlichsten Typen der New Yorker Unterwelt herum, sitzen in abgewetzten Ledersesseln – und lesen.

Ein Yakuza war gerade in ein Manga vertieft und ein Hitman der Mafia las „Der Pate“, als ich die Treppe herunterkam. Larry macht die besten Longdrinks in der ganzen Literaturszene, berühmt ist sein „Hemingway“ auf der Basis von Amontillado, kubanischem Rum und Angostura Bitter. Ich war gekommen, um mir meinen nächsten Schuss Thomas Bernhard abzuholen, als ich sie sah: lange schwarze Haare, hellblaue Huskyaugen und ein rotes Ballkleid. Sie lehnte lässig an einem Bücherregal, warf mir einen langen bedeutungsvollen Blick zu und legte ein Lesezeichen in ein Buch, bevor sie es auf einem Tischchen ablegte. Dann verschwand sie.

Ich ging zu dem Platz, an dem sie gerade gestanden hatte. Ihr Duft lag noch in der Luft. Die beiden Männer waren in ihre Lektüre vertieft und Larry war nicht zu sehen. Ich schlug das Buch auf und sah das Lesezeichen. Sie hatte nur wenige Worte darauf geschrieben: „Heute Abend um zehn Uhr bei der alten Blutbuche.“   

Schönheit

 

Ich kann nichts dafür, dass ich so schön bin. Ich bin als Schönheit auf die Welt gekommen. Ich sehe einfach immer gut aus. Selbst wenn ich die ganze Nacht durchgesoffen habe, brauche ich am nächsten Morgen kein Make-up wegen irgendwelcher Augenringe. Ich kann essen, was ich will, ohne auch nur ein Gramm zuzunehmen.

Mit meiner Schönheit verdiene ich mein Geld. Wenn ich auf einem Ledersofa sitze, wirkt es elegant, wenn ich mit einem Cocktail an der Bar stehe, ist der Ort wie verwandelt. In meiner Gegenwart ist alles kostbar, die Werbeagenturen und Fotografen lieben mich. Mein Gesicht ist in allen Illustrierten, im Fernsehen und im Internet zu sehen.

Dennoch erkennt mich niemand, wenn ich die Straße entlang gehe. In Supermärkten und Geschäften werde ich nicht angesprochen. Wenn ich allein in einem Restaurant zu Mittag esse, kommt niemand an meinen Tisch und möchte ein Autogramm. Die Frauen beachten mich gar nicht, ich hatte noch nie eine Freundin. Außerhalb der Studios scheine ich unsichtbar zu sein.  

  

Donnerstag, 15. September 2022

Eine Führung durchs Lachkabinett


Ich dachte erst, ich höre nicht recht. Da redet die Bundesverteidigungsministerin, eine Rohrkrepiererin von scheuerschem Ausmaß, von einer deutschen Führungsrolle in Europa, auch in militärischen Fragen. Echt jetzt? Führung? Wohin eigentlich? Und wen will sie führen? In London und Paris wird man herzlich gelacht haben. Sie haben Atomwaffen, wir haben die Bundeswehr. Immerhin in der Corona-Krise im Bürodienst verwendbar. In Washington und Peking wird man dieses alberne und aufgeblasene Gekläffe gar nicht wahrgenommen haben.

Es ist nicht die Zeit der Höhenflüge, es ist die Zeit des Niedergangs. Nach dem Wirtschaftswunder kommt die Wirtschaftskatastrophe, die Rezession und der ökonomische Abstieg breiter Bevölkerungsschichten. Erst Nullzinspolitik, jetzt hohe Inflation und Bankrott. Vom vielgerühmten Exportweltmeister zum Energiebettler. Scholz ist nicht der neue Führer, er geht von Haustür zu Haustür und hält seinen Hut hin. Adios, Wohlstand.

Der deutsche Prahlhans ist in den letzten Jahren behäbig und hochnäsig geworden. Ein Volk von Klugscheißern und Besserwissern, die anderen gerne ungefragt gute Ratschläge geben und sich alle für Experten halten. Plötzlich sind sie auf ihre eigene kleine Welt zurückgeworfen, auf einen Alltag, der immer schwieriger zu bewältigen ist. Stromrechnungen und Heizkosten fressen ihre Guthaben auf. Sie können sich nicht mehr alles leisten, was sie sich wünschen. Noch nicht einmal alle Lebensmittel, die sie gerne essen. Nach dem Kaufrausch kommt der Konsumkater. Kaufe ich eine Handvoll Avocados oder ein paar neue Schuhe bei Deichmann?

Im Frühling 2020 habe ich mal geschrieben, dass ich diesem arroganten Haufen eine fette Krise an den Hals wünsche. Eine Seuche, einen Krieg oder eine schwere Rezession. Jetzt haben wir sogar alles zusammen bekommen. Das freut mich. Nichts anderes hat den Deutschen im 20. Jahrhundert so gutgetan wie die Niederlagen in den beiden Weltkriegen und dem anschließenden Hungern und Frieren. Verstehen wir es als Purgatorium für unsere Sünden, für unseren Hochmut, unsere Gier und das Leiden, das wir über viele Menschen in anderen Ländern gebracht haben. Möge uns das Schicksal zu mehr Bescheidenheit und einer besseren CO2-Bilanz prügeln, wenn wir es schon durch Einsicht nicht geschafft haben.  

VISAGE - The Damned Don't Cry - YouTube

Mittwoch, 14. September 2022

Nach Lutz und Laune


Blogstuff 724

„Wir Fußballer, Angehörige verschiedener Clubs der Pariser Region, haben beschlossen, heute den Sitz der französischen Fußballföderation zu besetzen. Wie die Arbeiter die Fabriken besetzen. Wie die Studenten ihre Fakultäten besetzen. Warum? Um den 600.000 französischen Fußballern und ihren Millionen Freunden das zurückzugeben, was ihnen gehört: Den Fußball, den die Bonzen ihnen abgenommen haben, um ihren eigennützigen Interessen als Profitschöpfer des Sports zu dienen.“ (Aufruf des Aktionskomitees der Fußballer, Mai 1968)

Der Werteosten liquidiert seine Regimegegner inzwischen genauso geräuschlos wie unter Stalin.

Der Kapitalismus hat den Vorteil, flexibel zu sein. Notfalls schaltet er auf Sozialismus, auf Staatswirtschaft um. 1941 hat das Weiße Haus die Kriegswirtschaft ausgerufen und große Konzerne wie Ford und General Motors gezwungen, Waffen statt Konsumgüter herzustellen. In allen anderen Ländern, die im Krieg waren, geschahen das gleiche.

Lustige Fakes sind besser als deprimierende Fakten.

Wer kein Ziel hat, kann sich den Weg sparen. Ronin heißt wörtlich übersetzt: Mann, der mit den Wellen treibt.

Bonetti gründete mit fünfzehn die Band „King Bonetti & The Whole World“. Das Crossover aus Free Jazz, Impro-Lambada und Death Metal kam für das damalige Publikum im Hunsrück offenbar zu früh. Ein Jahr später löste sich die Band wieder auf, der Bassist spielt heute bei den Scorpions. 

Gut, im Frühstückscafé gab es nur Aufbackbrötchen. Aber sie waren wenigstens frisch aufgebacken, denn sie waren so heiß, dass man sie nicht anfassen konnte. Dafür hatte die Mortadella schon vor langer Zeit ihren Zenit überschritten.

Mit sechzehn habe ich schon eine Erektion bekommen, wenn ich im Physikunterricht nur das Wort Bumsenbrenner gehört habe.

Bei den aktuellen Spritpreisen gibt es wenigstens keine Selbstverbrennungen.

„Er war in seine eigenen Gedanken versunken.“ Schöne Redewendung.

Hätten Sie’s gewusst? Freddie Mercury hieß mit bürgerlichem Namen Manfred Quecksilber.

Seit Jahrzehnten vertraue ich meinen Arsch den Produkten von Hakle an. Jetzt ist das Unternehmen pleite. Erst gab’s nix zu wischen wegen Corona, jetzt bleiben mir noch acht Rollen bis zum Ende einer Ära. Danke, Putin!

Bei der Währungsreform 1948 wurden Bargeld und Sparguthaben zum Kurs von 100 Reichsmark zu 6,50 DM umgestellt, Aktien dagegen 1:1. So funktioniert Kapitalismus.

George Michael, Elton John - Don't Let The Sun Go Down On Me (Live) - YouTube




Dienstag, 13. September 2022

Die Hölle


Ich erwachte und trat ans Fenster. Die Stadt unter mir hatte ich noch nie zuvor gesehen. Ich suchte die Küche und öffnete den Kühlschrank. Nichts darin interessierte mich. Obst, Käse, Mineralwasser. Ich verließ die Wohnung und fuhr mit dem Fahrstuhl nach unten. Als ich die Straße überquerte, sah ich den Lastwagen zu spät. Ich war sofort tot.

Ich erwachte in einem Krankenhausbett. Um mich herum waren viele Maschinen. Ein durchsichtiger Beutel hing an einem Gestell, durch einen Schlauch lief etwas in eine Spritze, die in meinem Arm steckte. Nach einer Stunde kam eine Krankenschwester zu mir. Ich fragte sie, warum ich hier sei. Sie sah mich überrascht an und antwortete, ich hätte einen Hirntumor und bekäme Morphium. Als ich wenig später starb, war ich ganz allein.

Ich erwachte und war in einem Park. Es musste Nacht sein, denn es war dunkel und menschenleer. Ein Schlag traf mich von hinten, ich verlor das Bewusstsein. Es war vorbei.

Das ständige Sterben ist schlimmer als der Tod.

Der große Vergleich: Hund oder Freundin?

 

·       Mit einem Hund muss man Gassi gehen, eine Freundin geht selbständig aufs Klo und kann alleine das Haus verlassen.

·       Ein Hund muss gefüttert werden, eine Freundin kann einkaufen gehen und kochen.

·       Ein Hund muss zum Tierarzt gebracht werden, eine Frau geht zum Arzt.

·       Ein Hund kostet Geld, eine Freundin verdient Geld.

·       Ein Hund macht nix im Haushalt, eine Freundin hilft im Haushalt.

·       Ein Hund will gestreichelt werden, eine Freundin bietet Sex.

·       Ein Hund hat Zecken, eine Freundin ihre Tage.

Fazit nach sieben Vergleichspunkten:

6:0 für die Freundin.

Montag, 12. September 2022

Das Notizbuch


Ein Ziel, das permanent in Bewegung bleibt, ist schwer zu treffen. Also packte ich an diesem Morgen meine wenigen Habseligkeiten in eine dunkelblaue Sporttasche und verließ die kleine Pension im fränkischen Ort Waischenfeld. Pensionen auf dem Land haben den Vorteil, dass niemand einen Ausweis sehen will. Im Gegenzug verlange ich beim Bezahlen keine Rechnung. Die Betreiber freuen sich, denn für eine Übernachtung, die nicht in ihren Büchern auftaucht, müssen sie keine Steuern zahlen.

Mein wertvollster Besitz war ein Notizbuch, in dem sämtliche illegalen Transaktionen im Zusammenhang mit Deutschlands größtem Bau- und Korruptionsskandal vermerkt waren. Ich besaß diese Informationen nur auf dem Papier, um keine Datenspur zu hinterlassen. Ich spreche natürlich vom BER. Jeder Praktikant einer Provinzzeitung hätte diesen Skandal gewittert. Der Bau verzögert sich um zehn Jahre und kostet mehrere Milliarden mehr, ohne dass sich das Bauvolumen geändert hätte. Es lag nahe, dass Politiker überflüssige Aufträge vergeben und im Gegenzug Schmiergeld und Parteispenden kassiert hatten. Warum hatte die deutsche Presse das Thema nicht aufgegriffen? Ganz einfach: In diese Affäre waren Leute verwickelt, hinter denen mächtige Parteien standen, und Baufirmen und Beratungsgesellschaften, hinter denen mächtige Investoren standen. Jede Zeitung, die in diesem Fall investigativ tätig geworden wäre, wäre unter Druck gesetzt worden. Viele Anzeigen wären nicht mehr aufgegeben worden, die Parteien hätten niemanden mehr für Interviews zur Verfügung gestellt oder Insider-Wissen weitergegeben. Über kurz oder lang wäre eine solche Zeitung in den Bankrott getrieben worden.

Aber ich arbeite nicht für eine gewöhnliche Zeitung. Ich bin bei den BMFS, den Bonetti Media Special Forces. Wir arbeiten undercover, ohne Kontakt zum Mutterschiff, wir werden hinter den feindlichen Linien abgesetzt und operieren allein. Wenn etwas schief geht, hat uns Bonetti nie gekannt. Ein gefährlicher Job, aber gut bezahlt. Natürlich braucht Bonetti Media meine Informationen nicht für eine Veröffentlichung. Die Empörung der Öffentlichkeit wäre nur von kurzer Dauer und den Umsatz würde die Story nicht nennenswert erhöhen. Erpressung ist viel lukrativer. Die Unternehmer zahlen und die Politiker liefern wertvolle Informationen.

Ich setzte mich an die Bushaltestelle und wartete. Der Bus kam und ich blieb sitzen. Wäre mir jemand gefolgt, hätte er das Gleiche tun müssen. Aber ich blieb allein. Es ist praktisch unmöglich, jemanden in einem Dorf zu beschatten, bei jedem Gasthausbesuch, bei jedem Waldspaziergang. Eine halbe Stunde später stieg ich in den nächsten Bus und fuhr nach Forchheim. Dort ging ich in einen Copyshop und machte drei Kopien jeder Seite des Notizbuchs. Dann kaufte ich in einem Schreibwarenladen drei große Umschläge und brachte sie zur Post. Eine Kopie ging an Bonetti Media, eine an ein Postfach in Ludwigshafen, das wir für diese Zwecke benutzten, und eine an meinen Führungsjournalisten. Mein Job war damit erledigt und ich ging in den Hebendanz-Keller, einen Biergarten im Forchheimer Kellerwald.

Ich war gerade bei meinem dritten Kellerbier, als sich zwei Männer in schwarzen Anzügen an meinen Tisch setzten.

„Sie haben Informationen, die wir benötigen“, begann der Ältere.

Ich wollte es ihnen nicht zu leicht machen, das wäre verdächtig gewesen.

„Ich weiß nicht, wovon sie sprechen.“

Ich hörte, wie unter dem Tisch eine Pistole entsichert wurde.

„Verarschen kann ich mich allein.“

„Nein, können Sie nicht.“

Beide schwiegen.

„Sie können mich nicht in aller Öffentlichkeit erschießen“, gab ich zu bedenken.

„Wenn ich es kann, erfährst du als Erster davon.“

„Ich habe alles in meinem Hotelzimmer.“

„Du hast hier kein Hotelzimmer. Sonst wären wir schon dort gewesen.“

Ich zögerte. Dann holte ich das Notizbuch aus meiner Jackentasche und legte es auf den Tisch.

„Gibt es davon Kopien?“

„Nein. Ich bin freier Journalist und wollte es einer Zeitung anbieten.“

„Wenn du eine Kopie hast und Kontakt zu einer Redaktion aufnimmst, werden wir es erfahren.“

Dann nahm der Ältere das Buch und steckte es ein. Sie gingen, ohne sich zu verabschieden. Ich bestellte mir ein Schäufele mit Kloß.

Samstag, 10. September 2022

Brutfürsorge der gestreiften Blattlaus

 

Blogstuff 723

„Freiheit ist nämlich, wenn man sich morgens fragt, was man wohl tun wird. Zwang ist, wenn man es weiß.“ (Harry Rowohlt)

Der Rohölpreis (WTI) liegt aktuell bei 82 Dollar und ist damit wieder auf Vorkriegsniveau. Der Benzinpreis (Super E 10) stieg im selben Zeitraum von 1,67 € auf 1,99 €, also um neunzehn Prozent. So machen die Konzerne Profit, während die Leute gegen die Regierung auf die Straße gehen.

War es wegen des 9€-Tickets? Seit fünfzehn Jahren habe ich mir kein T-Shirt mehr in einem Geschäft gekauft. Ich fuhr mit der U-Bahn zur Schloßstraße in Steglitz. Eineinhalb Stunden lang suchte ich nach einem Shirt in meiner Größe, aber mehr als XL war nicht drin. Ich bin knapp einsneunzig, ich trug schon in den Neunzigern XL, als ich noch schlank war. Zwei Drittel aller erwachsenen Männer in Deutschland haben Übergewicht. Der Einzelhandel interessiert sich nicht für sie, er hat die Männer offenbar aufgegeben. Die Konsequenz: Die Männer interessieren sich nicht mehr für den Einzelhandel. Ich war in vielen Malls und Kaufhäusern. Neunzig Prozent der Kunden waren Frauen, das ganze Angebot ist entweder komplett auf sie zugeschnitten (Modeboutiquen) oder in erster Linie auf sie (alle Eingangsbereiche, kleine Männerabteilungen im hinteren Bereich). Ich bin in den Achtzigern aus der Kirche ausgetreten, hiermit trete ich aus dem deutschen Einzelhandel aus. Ihr könnt mir mal das Rektum küssen. Bei Amazon finde ich alles in meiner Größe. Ich werde es, wie in den Jahren zuvor, einfach anklicken und an der Haustür entgegennehmen.

Kurz nach meinem 56. Geburtstag. Ich überquere die Straße bei Rotlicht. Ein juveniler Rad-Nazi ruft mir zu: „Es ist rot, Opa.“ Opa. Zum ersten Mal. 19.8.2022.

Hätten Sie’s gewusst? Die Bockwurst wird auch als Tankstellenfasan bezeichnet.

Andy Bonetti ist so berühmt, dass seine Visitenkarte komplett leer ist.

August 1976. Der Hitzesommer meiner Kindheit. 36 Grad im Schatten. Ich liege nach einer Blinddarmoperation zwei Wochen in einem Krankenhaus in Katzenelnbogen. Ich darf in den ersten Tagen nichts trinken. Ich leide unter höllischem Durst, gelegentlich wischt mir eine Krankenschwester mit einem feuchten Waschlappen über die ausgetrockneten Lippen. Dann bekomme ich eine Flasche Fachinger Mineralwasser pro Tag. Wurde damals der Durst zu meinem großen Lebensthema?

Die gute alte Zeit. Man muss sich nur mal die Spiegel-Titelbilder 2015 ansehen. Griechen-Bashing, Charlie Hebdo und Banales übers Träumen – und den Ukraine-Krieg.

In den letzten beiden Jahren wurde das Oktoberfest wegen Corona abgesagt, in diesem Jahr sollte es wegen der Energiekrise ausfallen.

Seit Juli ist das Grab meiner Mutter, die 1997 starb, aufgelassen bzw. aufgelöst, wie es in unserer Sprache heißt. Was hat man mit ihren Knochen gemacht? Wurden sie gemahlen und als Dünger verwendet? Liegen ihre sterblichen Überreste jetzt auf irgendeinem Acker?

Boytronic - You (Special `86 Remix) (Vinyl-Copy) - YouTube




 

Freitag, 9. September 2022

Wie man eine Beziehung mit Stil beendet

 

Sie hieß Sonja und ich wollte sie einfach loswerden. Ich bin für feste Beziehungen einfach nicht geschaffen und das Wort Verlobung löst bei mir einen atavistischen Fluchtinstinkt aus. Mein Freund Abdul würde mir bei meinem Plan helfen. Er war zwei Meter groß, hatte eine Glatze und einen Vollbart und machte Bodybuilding.

Ich machte mit Sonja einen Einkaufsbummel auf der Friedrichstraße, als ich vor einem Schaufenster stehenblieb.

„Schau dich mal unauffällig um. Fällt dir jemand auf?“

Sonja sah sich um. „Alles ganz normale Leute. Bis auf diesen riesigen Araber mit Sonnenbrille.“

„Er folgt uns schon seit zehn Minuten.“

Dann gingen wir weiter. Sonja drehte sich immer wieder um. Abdul blieb, wie verabredet, hinter uns.

Wir betraten ein Damenmodegeschäft. Durch das Schaufenster sah Sonja den Araber, der jetzt vor dem Laden wartete und telefonierte.

„Jetzt hör mir genau zu, Sonja“, begann ich. „Ich bin gar kein Wirtschaftsprüfer, ich arbeite für eine Organisation. Wir sind auf die Beschaffung von Informationen spezialisiert. Mehr darf ich dir nicht sagen. Der Mann verfolgt mich, vielleicht hat er den Auftrag, mich auszuschalten.“

Sonja starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an. „Bist du ein Geheimagent?“

Ich ging nicht auf ihre Frage ein und sagte: „Wir müssen uns hier trennen. Ich werde das Geschäft verlassen und er wird mir folgen. Du wartest noch eine Viertelstunde, dann fährst du mit der U5 zum Hauptbahnhof und nimmst den ersten Zug nach Hannover. Dort wohnen deine Eltern und du kannst dich sicher ein paar Tage bei ihnen verstecken.“  

„Aber warum soll ich mich verstecken? Um mich geht es doch gar nicht.“

„Das stimmt, aber sie werden deine Wohnung in Tempelhof überwachen. Sie versuchen bestimmt, über dich an mich ranzukommen.“

„Wer sind ‚sie‘?“ Ihre Stimme klang ängstlich.

„Je weniger du weißt, umso besser ist es.“

„Werden wir uns je wiedersehen?“

„Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Du darfst auf keinen Fall in die Nähe meiner Wohnung kommen. Sie wird ganz sicher überwacht, genau wie mein Telefon und meine Mailbox. Versuch auf keinen Fall, mich zu erreichen. Hast du das verstanden?“

„Ja.“

„Es ist wichtig, dass du alles verstanden hast. Ich hoffe, dass dir nichts passiert.“

Dann verließ ich das Geschäft und Abdul folgte mir bis zu einer Bar in Kreuzberg, wo wir auf die gelungene Aktion anstießen.

ABC - The Night You Murdered Love - YouTube

Donnerstag, 8. September 2022

Wir müssen über das Wetter reden

 

Alles hängt vom Wetter ab. Genauer gesagt: von den Temperaturen im Winter. Das Thermometer entscheidet über die Zukunft dieses Landes. So weit ist es also gekommen. Das hätte es unter Helmut Schmidt nicht gegeben.

Wenn der Klimawandel unser Freund ist – aber daran habe ich nicht erst seit diesem Sommer meine Zweifel –, dann wird es ein milder Winter. Kein Schnee, keine Minustemperaturen. Die Heizkosten werden im Vergleich zum Vorjahr steigen, aber nicht zu einer existenziellen Bedrohung für die Bevölkerung werden. Die Leute werden sparen, aber von außen nach innen. Restaurantbesuche, Rockkonzerte und Skiurlaube werden gestrichen, aber die Speisekammer ist voll. Kartoffeln statt Ananas, Rührei statt Rinderfilet. Seit Jahren predige ich Verzicht als einzige Waffe gegen den metastasierenden Kapitalismus – jetzt werden wir dazu gezwungen. Recht so!

Was passiert aber, wenn der Winter uns sein grimmiges Gesicht zeigt? Wenn Väterchen Frost marodierend durch die Straßen zieht? Wenn Seen und Flüsse zufrieren? Wenn es auch tagsüber Minustemperaturen gibt? Wenn Energie vielleicht sogar rationiert wird? Dann wird es buchstäblich ungemütlich. Holgi ist verwöhnt. Holgi will nicht im Pullover Netflix gucken. Holgi muss erst seinen Schal und die Handschuhe suchen. Holgi muss Schnee schippen. Holgis Lieferpizza kommt nur noch lauwarm an. So einen Winter habe ich zuletzt vor zehn Jahren erlebt. Wir wissen nicht, welchen Winter wir bekommen.

Natürlich wird der deutsche Michel keine Revolution machen. Macht er nie. Er wird nur wütend werden. Er wird meckern und maulen, zetern und jammern. Er wird sich in Umfragen äußern, die nicht gut für die Regierung sein werden. Er wird Plakate malen und auf die Straße gehen. Zusammen mit Sahra Wagenknecht und Alice Weidel. Er wird seine schlechte Laune in Kurzinterviews zum Ausdruck bringen, die von allen Sendern aus den deutschen Fußgängerzonen übertragen werden. BILD-TV wird den Rücktritt des Kanzlers fordern.

Zum Glück ist der Kalender auf der Seite der Ampelmännchen. Wenn im November die kalte Jahreszeit beginnt, sitzt Holgi mit seinen Freunden vor dem Fernseher und guckt Fußball-WM. Dann kommt Weihnachten. Da ist man bei der Familie und es gibt Geschenke. Keine gute Zeit für einen Aufstand. Danach feiern wir Silvester. Der Volkszorn wird also frühestens im Januar einsetzen. Kein Problem für die Politiker. Im ersten Halbjahr 2023 gibt es nur eine Landtagswahl. Im kleinsten Bundesland, in Bremen. Im Mai. Da scheint längst wieder die Sonne und das Thema Energieversorgung ist auf der Medienagenda weit nach hinten gerutscht.

So Schön War Die Zeit - YouTube