Das Schiff legte kurz nach
Sonnenaufgang im Hafen der Hauptstadt an. Der Bote ging von Bord. Auf der
Kaimauer wartete eine Sänfte mit vier Trägern und eine Eskorte. Kurze Zeit
später stieg er vor dem Palast des Königs aus. Vor dem Tor der Palastmauer
standen Soldaten mit silberglänzenden Helmen, Brustpanzern und Speeren.
„Ich habe eine dringende Botschaft
für den König.“
Das Tor wurde geöffnet und zwei
Palastwächter brachten ihn zum Oberaufseher der königlichen Gemächer. Dort
wurde er von den Wächtern einer gründlichen Leibesvisitation unterzogen.
„Ich muss sofort den König
sprechen. Ich habe gute Nachrichten für ihn.“
„Ihre huld- und gnadenreiche
Majestät ist bereits erwacht und kann Sie empfangen“, sagte der Oberaufseher in
würdevollem Ton.
Der Bote wurde zur goldenen Brücke
gebracht, die über einen Wassergraben führte, die den äußeren vom inneren
Palast trennte. Auf der anderen Seite erwarteten ihn vier Palastwächter, die ihn
durch viele Säle und Gemächer zum Schlafzimmer des Königs eskortierten.
Zwei riesige Flügeltüren wurden
geöffnet und er trat ein. Das Himmelbett war so groß wie ein Tennisplatz und
mit Seidenvorhängen verhüllt. Man erkannte den winzigen König nur als Schatten.
Ein livrierter Diener kündigte den Boten an und der König winkte ihn mit einer
Handbewegung heran.
„Ich habe eine Nachricht für
Eure Majestät.“
„So sprecht, Bote.“
„Wir haben den Gegner besiegt.
Das Schlachtfeld ist voller Leichen unserer Feinde.“
Der König hüpfte in seinem Bett
auf und ab und klatschte dabei lachend in die Hände.
„Schickt meinen Schlachtenmaler zur
Stätte meines Ruhms“, rief er.
„Zu Befehl, Eure Majestät.“
In jedem Zimmer des Palastes hing
ein Gemälde, das einen Sieg in einer Schlacht zeigte. Niemand hätte es gewagt,
dem König die Wahrheit zu sagen. Der Krieg vor schon vor Jahren verloren
worden. Aber er hätte es ohnehin nicht geglaubt. Der Krieg gegen das
Nachbarland war seine große Leidenschaft. Auch über den Tod durfte man in
seiner Gegenwart nicht sprechen. Es gab keinen Spiegel im Palast, so dass der
König nicht sehen konnte, wie alt er schon war.
„Ich möchte meinem Volk an
diesem Tag des Triumphs einen Besuch abstatten.“
Während der König nach dem
Frühstück, das er im Bett einnahm, gebadet und angekleidet wurde, trommelte man hastig ein Haufen Leute zusammen, die ihm am Straßenrand zujubeln
sollten. Ihnen wurden Lebensmittelmarken für Mehl, Zucker und Salz gegeben. Kostbare
Güter, denn fast alle Einwohner des Landes lebten von ihren Gemüsefeldern
draußen vor der Stadt.
Mit einer goldenen Kutsche wurde
der König durch die Straßen gefahren. Vor ihm zwei Fanfarenbläser, hinter ihm
seine Leibwache auf ihren Pferden. Das Volk jubelte pflichtgemäß und der König
war zufrieden. Wie immer wurde ihm auch der einzige Supermarkt der Stadt
präsentiert. Leere Konserven standen in Reih und Glied in den Regalen und die
Wachsfrüchte in der Obstabteilung sahen appetitlich aus. Zum Glück war der
König empfindlich und fasste nie die Waren an.
Auf der Rückfahrt zeigte man ihm
die rauchenden Schornsteine, die eine funktionierende Industrie simulieren
sollten. Es waren Attrappen, in denen alte Autoreifen verheizt wurden. Für den
König war es ein schöner Tag.