Sonntag, 29. September 2024

Drahtzieher und Strohmann – Wie Bonetti sein Geld verdient

 

Blogstuff 970

„Der Vorteil der Klugheit liegt darin, dass man sich dumm stellen kann. Das Gegenteil ist schon schwieriger.“ (Kurt Tucholsky)

Was macht eigentlich Heinz Pralinski? Der kampferprobte Vietnam-Veteran (zwei Wochen Pauschalurlaub 2015) bereitet sich auf seinen Tandemsprung vom Zehn-Meter-Brett im Hallenbad vor.

Ich bin so reich, dass ich Münzgeld gar nicht mehr vom Fußboden aufhebe, sondern irgendwann mit dem Staubsauger entfernen lasse.  

Nach den USA und Großbritannien liegt Deutschland auf Platz 3 bei der Anzahl der Stand-Up-Comedians. Aber wo ist die Grenze zwischen Comedy und Politik? Würde man bei Reden von Söder oder Höcke Lacher vom Band einspielen wie bei einer Sitcom, würde man den Unterschied kaum merken. Den Erfurter Landtag könnte man auch in Quatsch Comedy Club umbenennen.

Was ist der Unterschied zwischen Berlin und Hamburg? In Hamburg tritt man in Möwenscheiße.

In Berlin wiederum liegen gelassene Tristesse und historische Grandezza oft nebeneinander. An einem Altglascontainer liegen regelmäßig kaputte Stühle, leere Farbeimer und durchgelegene Matratzen. Hundert Meter weiter ist der Viktoria-Luise-Platz, eine Perle mit Springbrunnen und gepflegten Blumenbeeten.

In der vergangenen Woche ist Ray Carbonara gestorben. Der Hollywoodstar hatte seine größte Rolle als Hopeless Harry Howard in Martin Scorseses Film „Goodfellas“. Er spielte einen Auftragsbarista der New Yorker Mafia. Weitere Rollen hatte er in „Jetzt erst recht – Drei Männer und zwei Babys“, „Teenage Terminator – Tag der Zeugnisausgabe“, „King Kong und die wilde 13“ und in der deutschen Produktion „Dieter Unchained“. Carbonara bereute es bis an sein Lebensende, die Rolle als Frodo in „Herr der Ringe“ abgelehnt zu haben. Peter Jackson sagte allerdings, er hätte seine Größe von 1,95 m als unpassend empfunden. Ray Carbonara wurde 69 Jahre alt und hinterlässt drei Siamkatzen und ein dressiertes Wiesel.

Hätten Sie’s gewusst? In der Zeit des Nationalsozialismus lebten deutsche Emigranten wie Thomas Mann, Lion Feuchtwanger, Hanns Eisler und Theodor W. Adorno in Pacific Palisades, einem Nobelstadtteil im Westen von Los Angeles zwischen Malibu und Santa Monica. Ein elegantes Exil am Strand. Damals wurden Flüchtlinge noch besser behandelt als heute.

Es ist typisch für die Gastronomie und es macht mich krank. Ich bestelle Spicy Tuna Maki als Vorspeise. Preis: 5,50 €. Bekommen habe ich normale Tuna Maki für 4,90 €. Auf der Rechnung steht 5,50 €. Ich habe natürlich nichts gesagt, aber der gottverdammte Vietkong hat mich um sechzig Cent betrogen. Möge Ho Chi Minh in der Hölle schmoren. Dafür habe statt zwei nur einen Euro Trinkgeld gegeben.

 

Freitag, 27. September 2024

Berlin-Marathon


Am Sonntag ist mal wieder Berlin-Marathon. Da die Läufer auch an der Villa Bonetti vorbeikommen, wird der Meister bei Kilometer 25 ins Rennen einsteigen. Hier der ultimative Matchplan:

Erstes Mittagessen: Konkret-guter-Preis-Achmed’s Falafelstübchen

Erste Übernachtung: Sheraton Berlin; Roomservice

Zweites Mittagessen: Heavy Kobe Steakhouse by Tim Raue

Zweite Übernachtung: Waldorf Astoria Berlin, hausinternes Diner im Peacock Alley mit Margot Robbie

Drittes Mittagessen: Texas Chainsaw Vegan Slaughterhouse auf dem Tempelhofer Feld

Dritte Übernachtung: Adlon

Viertes Mittagessen: Nutella-All-you-can-eat-Bällebad im IKEA Moabit

Zielankunft (geplant: Rikscha)

Danach werde ich wie John Lennon und Yoko Ono eine Woche für den Weltfrieden im Bett verbringen. Nur bekleidet mit meiner Teilnahmeurkunde.

Donnerstag, 26. September 2024

Vorstand von Bonetti Media tritt geschlossen zurück

 

Es war nicht allein der Verlust der ostdeutschen Leserschaft an populistische Seiten (BILD, Titanic), sondern vor allem die unzureichende Versorgung des Meisters. Nachdem er heute Morgen um sieben Uhr aufgestanden war, musste er mit dem kalten Rest der Lasagne, die er in der Nacht bestellt haben musste, und einer warmen Flasche Bier neben dem Computer vorliebnehmen. So kann ich nicht arbeiten!

Außerdem möchte ich feststellen, dass ich nur bedeutungslosen Sex mit Sahra Wagenknecht hatte und ihre Bewegung (die es nicht gab) in meinem Unternehmen keine Plattform für ihre absurden Ideen finden wird. Der Tausch von Ostpreußen gegen die Ukraine mit Russland wird es nicht geben. Auch die rezeptfreie Vergabe von Hämorrhoiden-Creme wird mit Bonetti nicht zu machen sein.

Hier werden rote Linien überschritten. Ich erwarte ein vernünftiges Frühstück, das mir ans Bett gebracht wird. Zum Beispiel heiße Lasagne und kaltes Bier. Der Vorstand wurde vorläufig durch Meerschweinchen ersetzt, die auch deutlich weniger Gehalt verlangen als ihre Vorgänger. In den leeren Büros der Vorstandsetage und mit den eingesparten Gehältern werde ich einen Protzcast produzieren, in dem es unter anderem um meinen goldenen Rolls Royce geht, den mir meine Sannyasins geschenkt haben. Es ist so schön, allem weltlichem Besitz zu entsagen. Noch schöner ist nur ein goldener Rolls Royce.

 

Dienstag, 24. September 2024

Protokoll einer Entfremdung

 

Die deutsche Einheit hatte einen schlechten Start. Dann ging es im Prinzip nur noch abwärts. Heute ist Deutschland so geteilt, wie es vor dem Mauerfall war. Fehler wurden auf beiden Seiten gemacht.

Die Ostdeutschen wollten die Wiedervereinigung so schnell wie möglich. Dazu kam die Forderung nach der D-Mark. „Kommt die D-Mark, bleiben wir. Kommt sie nicht, gehen wir zu ihr“, so die unverhohlene Drohung. Als die Westwährung kam, brachen schlagartig die osteuropäischen Absatzmärkte zusammen. Dazu kam, dass man mit der D-Mark nur noch Westprodukte kaufte und die eigene Wirtschaft – und damit die eigenen Arbeitsplätze – im Stich ließ. Auch die Naivität der Ostdeutschen, man denke nur an das unsägliche Narrativ von den „Brüdern und Schwestern“ im Westen, hat in diesem Transformationsprozess nicht geholfen.

Die westdeutsche Politik, namentlich der damalige Bundeskanzler, streute den Ostdeutschen mit den „blühenden Landschaften“ Sand in die Augen, während sich die westdeutschen Konzerne über die neue Kundschaft freute und den Osten mit seinen Waren und Dienstleistungen überflutete. Das Vertrauen der neuen Bundesbürger wurde missbraucht und nachhaltig enttäuscht. Der Kapitalismus hat seine hässliche Fratze gezeigt. Warum hat man die ostdeutschen Fabriken nicht mit modernen Maschinen ausgestattet? Warum hat man für kleines Geld über die Treuhand eine komplette Volkswirtschaft verhökert?

Seit über dreißig Jahren sind wir uns so fremd wie immer. Vielleicht gibt es eines Tages eine neue Generation, die diesen Zustand überwindet. Aber wer die Wende erlebt hat, vergisst nie mehr, was geschehen ist. Also wählt der halbe Osten aus purem Trotz populistische Parteien, ist ausländerfeindlich und verehrt Putin. Hauptsache, man kann das westdeutsche Establishment, das auch im Osten die Schlüsselpositionen besetzt, ein wenig ärgern. Vielleicht wäre eine Zwei-Staaten-Lösung besser gewesen. Dann wären wir jetzt gemeinsam in der EU und hätten mit dem Euro dieselbe Währung. Aber die Fehler sind nicht mehr rückgängig zu machen. Wir bleiben auch weiterhin geteilt.

Montag, 23. September 2024

My Favorite Mashed Potato Wallflower


Blogstuff 969

“Denken ist der Tod des Schreibens.“ (Emanuel Rosenstein)

Aus einer Mail der Deutschen Bank: „Menschen machen Fehler und solch ein menschlicher Fehler ist passiert. Das tut mir natürlich extrem leid, aber ich kann es jetzt nicht mehr ändern - und dies bitte ich vielmals zu entschuldigen.“ Eine Bankmitarbeiterin entschuldigt sich bei mir. Danke, Gott! Zum ersten Mal seit 58 Jahren. Und dann auch noch die berüchtigte Deutsche Bank. Ganz am Ende meines Lebens kehrt der Glaube an die Menschheit zurück, den ich als Kind gehabt habe. Jetzt müssen nur noch Ukrainer und Russen, Juden und Araber Freunde werden. Alles ist möglich.

„Brückenschmerzen“. Bonettis ergreifende Doku über die deutsche Infrastruktur. Höhepunkt ist eine Szene in einer Wiesbadener Hauptschule. Heute ist dort eine Rollstuhldisco, aber das ist nicht lustig. Man darf natürlich Witze über Behinderte machen, aber keiner lacht. Noch nicht mal Lutz Mockritsch.

***

Bei der Landtagswahl hat es weite Teile des Partei-Establishments zerlegt. Grüne, Linke und FDP, die seit Jahrzehnten im Bundestag und in den meisten Landesparlamenten sitzen, wurden mit herben Verlusten abgewählt. Besonders schlimm hat es die FDP erwischt, die nur noch 0,8 Prozent bekamen. 12.462 Zweitstimmen hat Lindners Bonzenvertretung noch bekommen – von über zwei Millionen Wahlberechtigten. Selbst die Tierschutzpartei hat über 30.000 Stimmen bekommen. Die Linke verlieren fast achtzig Prozent ihrer Wähler, die Grünen etwa zwei Drittel. Die CDU verliert mit zwölf Prozent ihren Status als Volkspartei. Jetzt gibt es eine Pattsituation im Brandenburger Landtag: 44 Sitze für das Establishment (SPD, CDU), 44 Sitze für die Populisten (AfD, BSW).

Haben wir bald eine Wirtschaftsministerin Sahra Wagenknecht, die mit Elon Musk über die Erweiterung des Tesla-Werks persönlich verhandeln wird? Wie ernst meint sie es mit Abschiebungen von Flüchtlingen? Wird sie sich überhaupt an Koalitionsverhandlungen beteiligen? Wie viele Profi-Politiker hat das BSW in Brandenburg, um die Posten in der Regierung besetzen zu können? Macht die CDU überhaupt mit? Die SPD könnte auch mit dem BSW allein regieren.

Interessant wird die Situation im Bund. Die FDP, die 2021 noch 11,5 Prozent geholt hat, liegt bei allen Meinungsforschungsinstituten bei unter fünf Prozent. Verlässt Lindner die Regierung? Ist er in vier Wochen überhaupt noch Parteivorsitzender? Wird Scholz die letzten zwölf Monate seiner politischen Karriere noch erleben? Warum äußern sich die Grünen nicht? Bei Meinungsumfragen hatten sie im April 2021 noch 28 Prozent und eine Kanzlerkandidatin. Jetzt dümpeln sie bei zehn Prozent, also bei Werten aus den neunziger Jahren. Das Vertrauen in die Ampelkoalition ist am Gefrierpunkt angekommen. Wer hätte gedacht, dass die Wahlen in den winzigen ostdeutschen Bundesländern die Lage zum Eskalieren gebracht haben.  

Samstag, 21. September 2024

Balrog vs. Rancor

 

Blogstuff 968

7. Oktober 2024: Der israelische Flugzeugträger Emanuel Rosenstein taucht vor der iranischen Küste auf.

Wann wird aus Gelassenheit eigentlich Gleichgültigkeit? Lässig oder lahmarschig? Geduldig oder träge?

Warum gibt es noch keine Robotermutanten und Vampirzombies im Fernsehen? Fällt diesen Leuten denn gar nichts mehr ein?

Glückwunsch, Heinz Pralinski! Grimme-Preis für den miesesten Witz seit der Wiedervereinigung. Wer zu Magenbluten oder Depressionen neigt, sollte an dieser Stelle nicht weiterlesen. Here we go: „Die Frau des Pastors heißt Pasta.“ Auf der After-Show-Party wurde Pralinski von einem halben Dutzend namhafter Comedians füsiliert.

„Bonetti wurde im Alter von elf Jahren als Sohn eines Scampi-Schälers auf Sardinien geboren“ (vom Verlag abgelehnt).

Ein Ghul ernährt sich von Leichen, ein Zombie ist eine zum Leben erweckte Leiche. Warum gibt es keinen Film „Ghul vs. Zombie“? Kann den mal jemand machen?

Woher hast du diesen frischen Atem? Diese Frage höre ich oft. Ouzo, Leute. Ouzo. Notfalls geht auch Raki, Pernod oder Pastis.

Messerverbot finde ich gut. Endlich ist es vorbei mit den Attentaten. Die RAF ist ja bekanntlich auch am illegalen Waffenbesitz zugrunde gegangen.

Warum hat die Eisdiele bei mir um die Ecke kein Bananeneis? Ausgerechnet meine Lieblingssorte ist nicht im Angebot. Dafür gibt es Elchdung-Minze und Birkenholz-Rhabarber.

Hätten Sie’s gewusst? Bozeman (Montana), die Stadt, in die Sheldon Cooper nach einem Wohnungseinbruch flieht, hat eine Partnerstadt: Mörön in der Mongolei. Viele Leute leben dort noch in Jurten. Bildung, so wertvoll.

Berlin bei Nacht: Hinter einem ausgebrannten Auto fressen ein paar Ratten die Kotze eines englischen Touristen, drei arbeitslose Immobilienmakler haben in einer Blechtonne ihre Papiere verbrannt und wärmen sich am Feuer, neben einem Einkaufswagen voller stinkender Klamotten schläft ein besoffener Obdachloser in seinem Durchfall, zwölfjährige Cracknutten stehen an der Straßenecke und zwei junge Araber fahren mit ihren tiefergelegten BMWs ein Wettrennen in der Spielstraße. Und das ist nur Wilmersdorf. Ich will gar nicht wissen, was in Neukölln los ist.

Ich habe jetzt das neue Männermagazin „Blei & Unglück“ abonniert. Im aktuellen Heft geht es um Haarausfall und Obstallergien.

Die älteste Moschee Deutschlands steht in Wilmersdorf und feiert dieser Tage ihren hundertsten Geburtstag.

 

Freitag, 20. September 2024

Wenn Gott die Hosen runterlässt und auf dein Leben scheißt

 

Blogstuff 967

„Die Menschen werden ihre Unterdrückung lieben und die Technologien verehren, die ihre Fähigkeit zu denken rückgängig machen.“ (Aldous Huxley)

Der Mossad lässt zeitgleich Tausende Pager der Hisbollah explodieren. In einer zweiten Welle fliegen den Terroristen ihre Walkie-Talkies um die Ohren. Warum ist Hollywood noch nicht auf die Idee gekommen? Cooler Move. BND oder MAD wären zu so einer Aktion gar nicht fähig.

Andy Bonetti hat in der Hip-Hop-Szene zwei Spitznamen: A-Bro und B-Diddy.

Es gibt kein Oben und Unten im Weltall. Das Universum ist kommunistisch.

Das Volk soll beim Thema Asyl entscheiden und nicht die Justiz, fordert Söder. Dann brauchen wir wohl wieder einen Volksgerichtshof.

Abschiebung reicht nicht. Wir müssen in die Offensive gehen. Wann sprengen sich christliche Fundamentalisten selbst in einer Moschee in Isfahan in die Luft?

Das letzte Mal, dass ich eine Krawatte getragen habe, war 2019 in der Radiosendung „Influencer fragen – Blogger antworten“.

Hätten Sie’s gewusst? Die Original-Siegessäule wurde 1987 an einen japanischen Milliardär verkauft. Was die Touristen heute besichtigen, ist eine Kopie aus Kunststoff.

Als ich in die Pubertät kam, wollte mich meine Mutter loswerden, aber ich habe nicht in die Babyklappe gepasst.

Künstliche Blumen verblühen nie.

Den Tod erleben wir nicht mehr.

Ich verzichte seit dreißig Jahren auf das Auto, seit vierzig Jahren auf das Fahrrad. Selbst öffentliche Verkehrsmittel benutze ich fast nicht mehr, seit ich wieder in Berlin lebe. Ich habe wieder den Aktionsradius meiner Kindheit. Alles findet im Umkreis von fünfhundert Metern statt. Der einzige Unterschied: Es gibt keine Großeltern mehr, die ich am Wochenende besuche.

Bonetti Plus – Erreicht auch die Zahnzwischenräume.

VW sitzt auf 500.000 unverkauften Autos und will bis zu 30.000 Arbeiter entlassen. Wer ist schuld? Habeck vermutlich. Das Management, das bei der Produktion offenbar Fehlentscheidungen getroffen hat, wird sicher nicht zur Verantwortung gezogen werden. Büßen müssen die Arbeiter, die die Befehle ausgeführt haben und die Autos gebaut haben. Schwamm drüber. So funktioniert Marktwirtschaft. Am Jahresende gibt es Arbeitslosengeld für die einen und Boni für die anderen.

 

Mittwoch, 18. September 2024

Bonetti vs. Monster Maschine

 

Blogstuff 966

"Ich würde ihm nicht mal ins Maul pissen, wenn seine Zähne brennen." (Lemmy Kilmister über Fast Eddie Clark, seinen ehemaligen Bandkollegen bei Motörhead)

Einer dieser Abende, an denen das Verhängnis seinen Lauf nimmt. Zum Glück nur sechs Mal die Woche, weil ich mich im Griff habe. Obwohl ich schon bei der zweiten Flasche Wein bin, die gerade zur Neige geht, bestelle ich Essen und Getränke. In diesem konkreten Fall einen Burger namens Monster Maschine, der mit 340 Gramm Rindfleisch gemacht wird und so groß ist, dass man ihn nur in den Mund bekommt, wenn man wie eine Anakonda den Unterkiefer aushaken kann. Ich bin kein Freund von Burger mit Messer und Gabel, aber ohne Besteck hat man gegen dieses Monster keine Chance. Solche Burger bestellt man nur im Größenwahn oder im Suff. Völlig übertrieben. Wird so ein Teil im Tiefschlaf, der unmittelbar nach dem Verzehr einsetzen wird, einsetzen muss, überhaupt noch verdaut? Als Wingmen bestelle ich drei Augustiner Hell. Ich stürze mich auf den Burger und merke erst später, dass ich das Bier nicht bekommen habe. Also schreibe ich eine Mail an Lieferando. Ohne große Hoffnung. Geld ist eben weg. Sie mailen zurück, dass sie sich um die Sache kümmern werden. Tagelang höre ich nichts. Dann ruft der Burgerladen bei mir an, ich habe einen echten Menschen, der hemmungslos berlinert, an der Strippe und eine Stunde später rinnt das erste Augustiner meine Kehle hinunter. Diesen Service bin ich gar nicht gewöhnt. Geht es mit Deutschland doch wieder aufwärts?

Bin ich der Einzige, der seit 47 Jahren ein Stuhlgangtagebuch führt?

2030: Im Saarland nähen deutsche Landfrauen T-Shirts für den chinesischen Markt.

Bevor ich 2013 von Berlin nach Schweppenhausen gezogen bin, hatte ich hier um die Ecke einen Hausarzt. Nach einer Blutuntersuchung und dem Studium meiner Leberwerte am Computer sah er mich nur nachdenklich an und fragte: „Saufen Sie?“ Ich bejahte lächelnd und erklärte ihm, das gehöre zum Berufsbild des Schriftstellers. Damals habe ich ja auch noch von morgens bis abends Dope geraucht. Anfang Oktober habe ich bei diesem Hausarzt meinen nächsten Termin, weil ich ja weiterhin mein Medikament gegen Gicht haben muss. Sicher wird er mein Blut untersuchen lassen. Ich freue mich schon auf das Gespräch über die Ergebnisse. Was ich ihm immer hoch angerechnet habe: Er hat nie versucht, mich zu verändern. Der Arzt von Ozzy Osbourne hat ihn mal gebeten, eine Liste von den Drogen aufzustellen, die er nehmen würde. Ozzy sagte, er mache  ihm eine Liste mit den Drogen, die er sich nicht einpfeifen würde – die wäre deutlich kürzer.

Es gibt Drogen, die vermutlich noch nicht mal der Arzt kennt. Salvia divinorum, Aztekensalbei, mit dem die Schamanen der Azteken früher Kontakt mit den Göttern aufgenommen haben. Ich habe mit den Göttern gesprochen, Herr Doktor.

Im Dezember erfülle ich mir meinen alten Lebenstraum und fahre mit einem roten Mofa zu jedem Weihnachtsmarkt in Brandenburg und trinke einen Glühwein.

 

Dienstag, 17. September 2024

Hamburg

 

Seit ein Schulfreund mit seiner Freundin nach dem Abitur nach St. Pauli gezogen ist, fahre ich jedes Mal mindestens einmal nach Hamburg. Er spielte für den FC St. Pauli Wasserball gespielt. Ich dachte immer, die Fußballer würden am meisten saufen. Aber wir waren Waisenknaben gegen die Jungs, die wir auf den Partys der Wasserballer trafen.

In den Neunzigern wurde es noch besser. Ich lernte über ein Internetforum, das damals legendäre Wallstreet-Sofa, ein paar Leute kennen, die noch schräger drauf waren. Ihr König war ein Münchner, den es von Schwabing nach Kreuzberg und von da nach St. Pauli verschlagen hatte.

Von Montag und Freitag arbeitete er als Investmentbanker in Zürich, am Wochenende machte er Party. Ein Hüne mit einem dröhnenden Lachen, der so viel Koks weghauen konnte wie zehn Kolumbianer. Der Mann war nicht nur schwul, er war homosexuell.

Seine Geburtstagsfeiern waren der Höhepunkt des Partyjahrs. Ich habe keine Ahnung, wie viel Geld ihn diese Feiern gekostet haben. Mal hatte er ein Dominastudio gemietet, mal eine ganze Kiezkneipe. Wir zogen die Reeperbahn rauf und runter. Damals lernte ich die bekanntesten Drag Queens von Hamburg kennen. Gutgebaute Jungs mit nacktem Oberkörper brachten die Drinks an die Tische, auf denen ein Haufen koks zur Selbstbedienung lag.

In Berlin hatte er denselben Dealer wie Blixa Bargeld, hat er mir einmal stolz erzählt. Es ging Freitagnacht los und ging bis Sonntagvormittag. Da ging selbst ihm die Kondition aus. Irgendwelche Szene-Bands sorgten für Musik. Einmal stieg ich Sonntagmorgen in den Zug nach Berlin und schlief ein. Der Zug fuhr über Berlin nach Prag und Wien. Zum Glück wachte ich rechtzeitig auf.

In den letzten Jahren besuchte ich immer einen Freund, der mit Frau und Kind in einer dieser berüchtigten Doppelhaushälften im gutbürgerlichen Poppenbüttel wohnt. Aber ein sentimentaler Spaziergang über die Reeperbahn und an den Landungsbrücken gehört meistens dazu.

Nächsten Monat feiern wir seinen sechzigsten Geburtstag. Vermutlich ohne Dragqueens und Koks. Es wird veganes Essen und Weißwein geben – und wir werden uns am nächsten Morgen an alles erinnern können. Kein Problem. Ich habe alles mitgenommen, alles gesehen und vermisse es nicht.      

 

 

Sonntag, 15. September 2024

Spaghetti

 

Es war ein kühler Herbstabend und ich war an meiner alten Wirkungsstätte in Kreuzberg unterwegs. Ich ging an meinem Haus in der Görlitzer Straße vorbei, fand meine alte Stammkneipe, das „Kloster“ wieder, das mit neuem Pächter und anderem Namen an der Skalitzer Straße liegt, und hing meinen Erinnerungen an die neunziger Jahre nach.

Da sah ich einen Mann, der im Lichtkegel einer Laterne stand und etwas an die Wand schrieb. Er war etwa in meinem Alter, trug einen grauen Anorak und braune Hosen. Nach einer Weile ging er weiter, ich trat aus dem Schatten und sah mir das Graffito an. Er hatte in tomatenroten Buchstaben „Spaghetti Bolognese“ geschrieben.

Ich beschloss, ihm zu folgen. Er schrieb an diesem Abend noch sechs weitere Male die beiden Worte an Wände und Bushaltestellen. Dann verschwand er in einem Haus in der Wiener Straße. War es ein Kunstprojekt? Der Werbeauftrag eines italienischen Restaurants? Oder war er verrückt? Von Spaghetti besessen? Warum nicht auch mal Spaghetti Carbonara oder Pizza Hawaii?

Am nächsten Abend wartete ich nach Einbruch der Dunkelheit auf der anderen Straßenseite seines Hauses. Gegen neun Uhr trat er auf den Bürgersteig und begann seine Tour. Sieben Mal „Spaghetti Bolognese“ in roter Farbe. Ich hätte ihn gerne angesprochen, aber mir fehlte der Mut. Vielleicht war er gewalttätig oder er hielt mich für einen Polizisten in Zivil.

Auch am dritten Abend verließ er um neun Uhr das Haus. Aber diesmal besuchte er ein italienisches Restaurant namens „Rocco und seine Brüder“, benannt nach einem alten Visconti-Film, am Lausitzer Platz. Ich sah durch das Fenster, wie er sich an einen Tisch setzte. Ich wartete ein paar Minuten, dann betrat ich ebenfalls das Restaurant.

Ich setzte mich an den Nachbartisch und wartete auf den Kellner. Als er mir die Karte geben wollte, sagte ich laut und deutlich: „Ich hätte gerne Spaghetti Bolognese und ein Glas von Ihrem roten Hauswein.“ Der Kellner nickte und ging.

Der Mann sah verwundert zu mir herüber und sagte: „Das habe ich auch gerade bestellt.“

„Wirklich?“ antwortete ich ihm. „Ist das Ihr Lieblingsessen?“

„Ja. Einmal die Woche komme ich hierher.“

„Ich habe in den letzten Tagen so oft ‚Spaghetti Bolognese‘ an den Hauswänden im Kiez gelesen, dass ich mir dachte, jetzt musst du es mal wieder essen. Als Kind habe ich es geliebt.“

Er lächelte mich an. „Wollen Sie sich nicht zu mir an den Tisch setzen?“

„Gerne.“ Ich stand auf und ging zu ihm hinüber.

„Wussten Sie, dass dieses Gericht überall auf der Welt Spaghetti Bolognese genannt wird, nur nicht in Bologna? Dort kennt man es als Penne al Ragù.“ Jetzt war er in seinem Element.

„Spaghetti sind ja auch aus Süditalien, nicht aus der Emilia-Romagna.“

Er strahlte glücklich. Es wurde noch ein schöner Abend. Wir treffen uns einmal pro Woche und ich zeige ihm Bilder von meinen Spaghetti-Graffiti in Wilmersdorf.

Freitag, 13. September 2024

Die gute alte Zeit

 


Früher gab es Begriffe wie Umwelt und Klima nicht.

Früher hat es im Winter geschneit und im Sommer brauchte man keine Sonnencreme.

Früher hat ein Tasse Kaffee fünfzig Pfennig gekostet und man bekam noch eine Mark raus.

Früher gab es Willy Brandt und keinen Lars Klingbeil.

Früher gab es keine Arbeitslosen.

Früher gab es weder RTL noch Talkshows.

Früher wurde in Fernsehserien und im „Frühschoppen“ geraucht und getrunken.

Früher war der Fußball besser und alle Bundesligaspiele am Samstag um 15:30 Uhr.

Früher gab es im Fußball echte Pokalwettbewerbe und keine Champions League bzw. Europa League.

Früher wusste man genau, ob es einen Elfmeter geben würde oder nicht.

Früher war die Musik besser.

Früher hat man Kartoffeln gegessen und keine Pommes.

Früher wurde richtig gekocht, TK-Pizza und Mikrowelle gab es nicht.

Früher hat nach acht Uhr abends niemand mehr angerufen.

Früher musste man nicht sofort auf WhatsApp-Nachrichten reagieren.

Früher ist man mit dem Auto in den Urlaub gefahren und hat Ansichtskarten geschrieben.

 

 

Donnerstag, 12. September 2024

Ist Bonetti der letzte Yedi?

 

Blogstuff 965

Du kommst nach Berlin, willst Künstler werden und kackst ab. Manche werden tatsächlich Künstler und kacken eben später ab. So läuft das hier, Freunde der Sonne und der Berge.

Es gibt Lieferjungen (Sushi, Pizza usw.), die älter sind als ich. Ich würde gerne mit ihnen über ihre Jugendträume reden.

An einer Ladesäule auf einer Autobahnraststätte irgendwo an der A 5 steht ein trauriger Luke Skywalker und wartet, bis sich sein Laserschwert wieder aufgeladen hat. Die Sith-Lords von der AfD sind harte Gegner. Ihre Kampfschiffe zerstören Hoffnungen, Solidarität und Träume. Werden sie die letzte Ordnung errichten? Oder setzt sich die alte Parole „Keine Böcke auf Höcke“ doch noch durch?

Imperator Palpatine erzählt derweil im amerikanischen Fernsehen, dass Einwanderer aus Haiti in Springfield (Ohio), Heimat der Simpsons, sämtliche Hunde und Katzen aufgefressen hätten. Bis dahin ist es für deutsche Radikalinskis noch ein weiter Weg.

Es gibt nichts Schlimmeres als den Sommer in Berlin. Außer dem Winter in Berlin. Über den Rest müssen wir gar nicht reden.

Sie sind alle geschieden, sie zahlen alle Unterhalt. Sie sind unglücklich und pleite. Sie nennen sich: „Die X-Man“.

Erst überbieten sich die Altparteien im Flüchtlingsbashing, jetzt auch noch der Bürgergeld-Spruch, es gäbe kein Recht auf Faulheit. Wenn man böswillig wäre, könnte man glauben, hier werden Brandmauern geschleift und jede Menge Koalitionen mit der AfD vorbereitet. Wer geht als erstes über die Ziellinie? Merz, Söder oder Klingbeil?

In diesem Jahr kam der Herbst überfallartig. Bis Sonntag über dreißig Grad im Schatten, dann nur noch fünfzehn. Letzte Woche lebte ich, als hätte es mich nach Marokko verschlagen. Morgens um acht Uhr einkaufen, den Rest des Tages vor dem Ventilator verbringen und endlos Siesta machen. Plötzlich bin ich in einer Übergangs- oder Untergangsjacke unterwegs.

Dazu kommt, dass seit meinem Umzug nach Berlin am 1. August der Fahrstuhl nicht mehr funktioniert. Dritter Stock Altbau. Das bedeutet: achtzig Stufen. Runter kein Problem. Aber beim Aufstieg muss ich bei Stufe vierzig biwakieren. Man trifft jetzt viele Nachbarn. Endlich hat die Hausgemeinschaft ein Thema, das alle verbindet. Wie lange wird es noch dauern? Optimisten glauben, dass es am Monatsende vorbei sein wird. Andere rechnen mit Weihnachten. Den Vogel schießt ein Handwerker aus Friedrichshain ab, der seit Dezember ohne Fahrstuhl leben muss – im siebten Stock.

Ninja: no income, no job, no asset.

Dienstag, 10. September 2024

Mit dir steht die Zeit still

 

Die Nacht verliert ihre Macht, die Sterne erlöschen. Bonetti, der Lyrik zu massiven Halsketten mit seinem Namenszug schmieden kann, erhebt sein gesalbtes Haupt. Während die ganze Republik die Hoffnung längst aufgegeben hat und sich beim Frühstück zwischen Illusion und Verzweiflung entscheiden muss, macht der Meister seine ersten Atemübungen, um sich der Geister seiner Zeit zu entledigen. 32 Grad im Schatten gemeldet? Jetzt an warme Schuhe für den Winter denken. Kalte Füße sind der Anfang. Dann kommt eine Erkältung und das Unglück nimmt seinen Lauf. Am Ende liegt sein asketischer Leib auf dem Totenbett, die Kerzen brennen und „November Rain“ von Guns N’ Roses läuft vom Band. Auf seinem Grabstein steht „Er hatte immer kalte Füße“.

Anderes Thema: Er hat mal an einem Samstagabend mit drei Pfeilen das Double Bull in der Dorfkneipe getroffen, als es notwendig war (150 Punkte). „Shanghai“ mit 18, 19, 20 und Bullseye. Er lebt in den Liedern und Dorflegenden weiter, wenn er schon längst gestorben sein wird.

Noch ein anderes Thema: In der Schule hätte ich es „Mein schönstes Weihnachtserlebnis“ genannt. Heute wäre der Titel: „Mit dir steht die Zeit still“. Es war Anfang der neunziger Jahre. Ich war mit einer Frau aus dem Bergischen Land zusammen. Damals gab es noch weiße Weihnachten und das Bergische Land war noch extrem bergig. Ich blieb folgerichtig mit meinem VW Golf an Heiligabend auf einer steilen Seitenstraße in dichtem Schneetreiben stecken. Handy und Navi waren noch nicht erfunden oder nicht bezahlbar. Also hielt ich an, stieg aus und klingelte am nächsten Haus. Ein Mann öffnete und ich fragte ihn, ob ich telefonieren dürfte. Er führte mich ins Wohnzimmer, wo seine Frau, seine halbwüchsige Tochter und eine Oma auf dem Sofa saßen. Weihnachtsbaum, Geschenke und ein Teller mit Plätzchen auf dem Tisch. Es gibt keinen falscheren Zeitpunkt, um als Fremder um Hilfe zu bitten. Das Telefon, ich weiß nicht mehr, ob mit Wählscheibe oder Tastatur, stand natürlich im Wohnzimmer. Ich rief meine Freundin an und schlug vor, draußen zu warten. Wegen des Schneetreibens wurde ich gebeten, zu bleiben. So saß ich mit ihnen im Wohnzimmer. Wir schwiegen verlegen. Der Smalltalk war noch nicht erfunden. Die Einnahme von Plätzchen verweigerte ich tapfer, weil ich der Mutter von D., die sicher auch Plätzchen gebacken hatte und die ich noch nie gesehen hatte, nicht gestehen wollte, dass ich bereits bei fremden Frauen Süßes gegessen hätte. Dann klingelte es endlich. Sie stand vor der Tür. Lange blonde Haare, vom Schnee bestäubt, große blaue Augen, die hohen Wangenknochen rot von der Kälte. Die Umarmung war der schönste Weihnachtsmoment. An den Rest, die Feier, die Geschenke und das Essen, kann ich mich bis heute nicht erinnern.   

Montag, 9. September 2024

Der Heiratsantrag

 

„Ich war durstig nach Leben, der Durst ist geblieben.“

Ich wollte eigentlich nie heiraten, aber neulich habe ich Lisa einen Heiratsantrag gemacht. Weil sie wissen soll, mit wem sie den Bund fürs Leben schließt, habe ich ihr von meiner Vergangenheit erzählt. Militante Antifa (wir haben nie diskutiert, wir waren wie die IRA in der irischen Unabhängigkeitsbewegung), Startbahn West. Für die Polizistenmorde, die dort geschehen sind, wurde ein Freund von mir von Interpol, BKA und XY ungelöst gesucht. Jahre später, der wahre Mörder saß längst im Knast, ist er wieder aufgetaucht. Er hat nie erzählt, wo er war. Er sagte nur, er könne jetzt sehr gut spanisch. Es waren die 80er. War er bei den Sandinistas in Nicaragua? Noch heute benutzt er keine Klarnamen und wir lassen die Handys im Auto, wenn wir spazieren gehen. Damals wurde ich das erste Mal observiert. Beim zweiten Mal ging es um einen Diamantenraub, 1,5 Millionen. Zwei Freunde wurden verdächtigt, ich habe ihnen für diese Nacht ein Alibi gegeben. Ich habe nicht gelogen, aber natürlich wurden wir alle stundenlang vom LKA in Mainz verhört und observiert, was in einer Kleinstadt sehr lustig ist. Zwei schweigende Kurzhaarige am Nachbartisch deiner Stammkneipe und du spendierst lauthals eine Runde Obstler auf die RAF. Ich habe Lisa auch von meiner Zeit als Drogenhändler erzählt. Für 3000 Mark hast du ein Kilo Dope in Maastricht gekauft und Piece für Piece verkauft. Für 10.000 Mark. Von diesem Geld habe ich die Vier-Zimmer-Altbauwohnung in Ku’damm-Nähe gekauft. Bis Maaßen beim Verfassungsschutz gefeuert wurde, hat man mich wegen meiner Vergangenheit und meiner linksradikalen Blogposts noch regelmäßig abgehört. Im Laufe der Jahrzehnte hört man es, wenn jemand anderes in der Leitung ist, obwohl ich das Telefon nur selten benutzt und nie mitgenommen habe, wenn ich das Haus verließ. Meine Waffen und die Munition habe ich der Polizei übergeben und behauptet, sie wären von meinem toten Vater. Ich habe niemanden getötet und niemals harte Drogen verkauft. Nur selbst genommen. Heute bin ich ein harmloser Mann mit einer dunklen Vergangenheit (Irrenhaus, Selbstmordversuch und Gefängnis habe ich bei meinem kurzen Geständnis weggelassen). Lisa hat geweint und mir gesagt, sie wolle sich die Sache mit der Hochzeit noch mal überlegen.   

Thunderstruck by Steve'n'Seagulls (LIVE) (youtube.com)

 

Sonntag, 8. September 2024

Saturday Night Live

 

Was habe ich Samstagabend gemacht? Fußballländerspiel gesehen? Nein. Ich habe Musik gehört. Schönes und Trauriges wie Tracy Chapmans „Baby Can I Hold You” und Adriano Celentano. Ich habe auch nichts bei Lieferando bestellt, sondern eine Riesentafel Milka gegessen, weil ich mich an diesem Abend nicht mit Wein betrunken habe, sondern mit polnischem Wodka von Aldi. Und dann, Bonitschka, werdet ihr jetzt fragen. Was hast du dann getrunken, Andrej Andrejewitsch? Ouzo. Ich habe auf die Demokratie und die Philosophie getrunken. Die alten Griechen wussten, wie man lebt. Endlich habe ich mal wieder eine Nacht durchgeschlafen und bin erst um halbzehn Uhr morgens aufgewacht – bei voller Beleuchtung. Und ich habe ich mich den ganzen Abend mit meiner imaginären Freundin Lisa unterhalten. Sie hat kurze schwarze Haare, grüne Katzenaugen, ist nur einssechzig groß und schlank. Weil sie mich an Holly Golightly in „Frühstück bei Tiffany“ erinnert, nenne ich sie Holly. Sie ist klug wie eine Eule und es macht ihr nichts aus, dass ich ein erfolgloser Schriftsteller namens Paul bin. Sie arbeitet als Kellnerin, ist aber eigentlich Schauspielerin. Eines morgens stand sie im Bademantel vor meiner Tür und klingelte. Ihre Dusche sei kaputt, ob sie bei mir duschen könne. In New York nichts Ungewöhnliches. Sie blieb zum Frühstück. Ich wage es bis heute nicht, nach der Dusche in ihrer Wohnung zu fragen. Sie mag Croissants und Orangensaft. Mehr muss ich nicht wissen. 

Samstag, 7. September 2024

Meine zwei Cent zu den Paralympics

 

Warum gilt Adipositas nicht als Behinderung? Ich fühle mich diskriminiert. Ich würde gerne in der Klasse BMI Ü40 die zwanzig Meter laufen. Oder den Adipositas-Triathlon mitmachen: fünf Minuten Duschen, 100 m Laufen, 500 m auf dem E-Roller (abschüssige Strecke).

Freitag, 6. September 2024

Mein Job ist nicht einfach


A.B.: „6. September: James Brown eröffnet die Internationale Funk-Ausstellung. Funk. Verstehen Sie?“

Pastewka (humorlos): „Ja. Und?“

A.B.: „Ich überlasse Ihnen die Pointe für fünfzig Euro.“

Pastewka: „Kein Interesse.“

A.B.: „Na gut, zwanzig Euro.“

Pastewka: „Würden Sie meine Frau und mich jetzt endlich in Ruhe essen lassen. Warum glaubt eigentlich jeder, er könnte mich im Restaurant anquatschen?“

A.B.: „Geben Sie mir wenigstens einen Obstler aus?“

Jetzt hat er eine einstweilige Verfügung und darf sich dem Schauspieler nicht auf weniger als hundert Meter nähern.

 

Donnerstag, 5. September 2024

Kleine Länder, große Sorgen

 

MC Kretschmer hat Kenia und Sachsen in die Scheiße geritten. Seine amtierende Koalitionsregierung kommt im Parlament nur noch auf 58 von 120 Sitzen. Entweder er geht einen diabolischen Bund mit einem populistischen Gemischtwarenladen mit einem breiten Ostalgie-Angebot ein oder er lässt sich tolerieren. So oder so sitzen Leute an seinem Tisch, denen er am liebsten aus dem Weg gehen würde. Aber wären denn Sozis und Gründe wirklich besser? So wie Kretschmer im Wahlkampf geredet hat, unterscheidet er sich höchstens in Nuancen von der AfD.

Noch schlimmer sieht es in Thüringen aus. Die westdeutschen Altparteien CDU und SPD kommen nur auf 29 von 88 Sitzen, Grüne und FDP wurden komplett eliminiert. Die Populisten kommen auf 47 Sitze. Wagenknecht kann sich die Koalition aussuchen und hat derzeit eine größere Schnittmenge mit der AfD als mit den einstmals mächtigen Westparteien. Sie wird in einer Koalition einen möglichen CDU-Ministerpräsidenten vor sich hertreiben können und damit auch die Bundespartei, die im nächsten Jahr viel Angriffsfläche bieten wird, wenn es ums Kanzleramt geht. Werden sich die CDU-Landesverbände an ein Machtwort aus dem Konrad-Adenauer-Haus halten? Schließlich haben sie schon einmal mit der Wahl eines FDP(!)-Ministerpräsidenten den Aufstand geprobt.  

Was hat Frau Wagenknecht eigentlich programmatisch im Gepäck? Ich halte mich an die Kurzfassung:

1.    Kritik an der Umverteilung von unten nach oben und der wachsenden sozialen Ungleichheit

2.    Kritik am autoritären Politikstil, der zu einem Vertrauensverlust in der Bevölkerung führt

3.    Wirtschaftlicher Abstieg

4.    Abrüstung, Antiamerikanismus

5.    Begrenzung der Einwanderung

Drei der fünf Punkte sind mit Unionsregierungen nicht zu machen. Mit der AfD ginge alles. Beide Parteien gehören zur fünften Kolonne Moskaus in der EU. Von Sahra W. habe ich noch nichts von Brandmauern gehört. Wie gelenkig sie auf dem politischen Parkett ist, hat sie bei SED/PDS/Linken bewiesen. Wie man geschmeidig die Fronten wechselt, hat sie von ihrem Mann Oskar Lafontaine gelernt. Wir werden uns über die Kapriolen der nächsten Wochen noch wundern.

(von meinem Nokia 1011 gesendet)

Mittwoch, 4. September 2024

Viva Maduro


Wahlfälschung, Wirtschaftskrise, Massenauswanderung? Socialismo o Muerte. Navidad o Muerte. Maduro hat eine geniale Idee. Weihnachten in Venezuela wird auf den 1. Oktober vorgezogen. Glühwein am Strand, Lebkuchen unter Palmen. 2020 und 2021 gab es dieses Weihnachtswunder schon einmal. Der Mann ist gut. Wäre er nicht 2025 eine gute Alternative zu Merz oder Söder? Ich habe übrigens morgen Geburtstag. Ich erwarte eine Torte mit 29 Kerzen, einen Ring Fleischwurst und eine Unze Kokain.

Dienstag, 3. September 2024

Das darf doch alles nicht wahr sein

 

Blogstuff 964

„I wanna bei an anarchist, get pissed, destroy.“ (Sex Pistols: Anarchy in the UK)

Dönerladen, elf Uhr. Ich bin der erste Kunde. Dönermann: „Hast du heute Nacht von Döner geträumt, weil du so früh kommst?“ Antwort: „Ich träume jede Nacht von Döner.“ Endlich wieder in Berlin.

Ich sehe das Qualifying in Monza und denke mit Wehmut an das vergangene Jahr, als ich selbst noch eine Einsneunzehnfünf in den Asphalt gemeißelt habe. 

Mein Lieferservice Underground Delights liefert jetzt auch polizeilich gesuchten Nudelsalat und extremistische Terror-Falafel. Bitte nur im Darknet bestellen und das täglich wechselnde Safeword beachten.

Ich treffe Axel Prahl vom Münster-Tatort auf der Straße. „Kann ich offen mit Ihnen über Ihre schauspielerische Leistung sprechen oder sind sie sensibel?“ Zwei Minuten später verspricht er mir, er würde sich beim nächsten Job-Center um einen neuen Beruf bemühen.

Bei der Bestellung im Internet lerne ich ein neues Wort: Hack-Salsa. Interkultureller Austausch at its best.

Die Thailänderin im vietnamesischen Sushi-Restaurant erzählt den Deutschen an ihrem Tisch, ihr Bruder hätte einen Wasserbüffel. Das ist Großstadt.

Ich habe in den letzten Monaten zwanzig Kilo abgenommen. Ich bin nur noch ein Balken in der Landschaft.

In den letzten dreißig Tagen haben 17 Leser den Text „Das Sandbuch“ von 2015 gelesen. Merkwürdig, dass es Leute gibt, die noch in den alten Blogposts rumstöbern.

Die Wahlergebnisse von Thüringen und Sachsen sind entsetzlich. Auf diesem Niveau waren die Nazis am Ende der Weimarer Republik auch. Sachsen wird wohl nicht mehr mit einer Kenia-Koalition weitermachen können, Sahra ante portas. Thüringen bleibt unregierbar, Ramelow hat fast 18 Prozent verloren. Welchem Ministerpräsidenten ist das jemals bei einer Wahl gelungen?

Ich verachte zutiefst Menschen, die Sand von einem Strandurlaub mitbringen. Aber meine Cola-Flasche mit schneeweißem Sand aus einer amerikanischen Wüste („White Sands National Monument“) ist einfach ein cooles Statement (White Coke, vastehste?). Hier wurde am 16. Juli 1945 die erste Atombombe gezündet.

A: Ich grille inzwischen auch Gemüse.

B: Seit wann?

A: Seit einem halben Jahr.

B: So lange ist deine Vasektomie schon her?

Montag, 2. September 2024

Bonetti findet die Bernsteintoilette

 

Blogstuff 963

Warum bekommt man zu Sushi immer diese Kinder-Drumsticks geliefert? Sushi ist Fingerfood! Komm damit klar, Yu-Gi-Oh.

Ich habe einen Bachelor in Reiki von der Volkshochschule in Bochum und einen Master in Gurkensandwichmachen von Tik-Tok.

In meinem alten Biologiebuch steht noch, dass man die Geschlechter an ihren Pizza-Präferenzen unterscheiden kann. Nur Frauen essen Ananas auf der Pizza, Männer nicht. Heute frage ich mich: Wie ist die Situation bei den Transmenschen?

Wenn man früher aus Westdeutschland nach Berlin kam, war der Bahnhof Zoo die Endhaltestelle. Düster, stinkend und furchteinflößend. Voller Nutten, Penner und Kleinkrimineller. Ein Höllenort. West-Berlin war eine sterbende Stadt. Der erste Eindruck ist immer prägend. Christiane F. Heroin. RAF. Kreuzberg. Langhaarige Bombenleger. Systemfeinde, soweit das Auge reicht. Heute kommt man am Hauptbahnhof an. Eine klinisch saubere Shopping-Mall mit Gleisanschluss. Kein Gesindel, nur Touristen. Keine Gerüche, keine Gefühle. Ein Verkehrsknotenpunkt, ohne Geschichte, so bedeutungslos wie ein Korkenzieher.

Hätten Sie’s gewusst? Wladimir Putin war früher Agent beim KaDeWe.

Gestern Abend Lieferservice. Ich habe unter Anmerkungen geschrieben: „Klingel ist rechts vom Namen – sonst wird die Nachbarin wütend.“ Ich war live dabei, als sie einen indischen Hünen mit Turban zusammengefaltet hat (sie ist Pädagogin). Gestern kam sie mit dem Lieferjungen die Treppe hinauf. Gutgelaunt, sie hatte gerade ihren 63. Geburtstag mit ein paar Freundinnen gefeiert. Wir unterhielten uns lange, schließlich umarmten wir uns zum ersten Mal seit zwanzig Jahren. Währenddessen hielt ich die Rechnung mit der erwähnten Anmerkung in meiner Hand.

Paris, Ende der siebziger Jahre. Bonetti, verletzlich, einsam und deprimiert, stirbt im Alter von 53 Jahren. Nie wieder hat man den faszinierenden Klang dieses stimmgewaltigen Kolosses auf den Opernbühnen dieser Welt gehört. Die Verfilmung seiner letzten Tage mit Reiner Calmund in der Hauptrolle wurde gerade bei den Filmfestspielen von Detmold mit dem goldenen Backstein ausgezeichnet.

Warum bin ich jeden Mittwoch im Casino in Monte Carlo? Weil es dann Gratisbockwurst gibt. GRATISBOCKWURST!

Alt sein heißt Überlebender sein.

Anfang der sechziger Jahre hatte der Berliner Senat die Idee, auf der Pfaueninsel ein Atomkraftwerk zu errichten. Berlin sollte energieautark werden, die Berlin-Blockade lag noch nicht weit zurück – schreibt Tanja Dückers in ihren Erinnerungen über das alte West-Berlin. Sie lebte damals bei mir um die Ecke, in der Schaperstraße, gegenüber der ehemaligen Freien Volksbühne, an der Erwin Piscator nach dem Zweiten Weltkrieg gearbeitet hatte.

Sonntag, 1. September 2024

Fundstücke

 


Ein großes Haus birgt viele Geheimnisse. Es gibt zum Beispiel einen Tresor, aber nur mein Vater wusste, wo der Schlüssel versteckt war. Im Alter war er vergesslich geworden und versuchte, mir Hinweise zu geben. Richtige und falsche Spuren, jedenfalls kam oft ein Aktenkoffer in seinen Erzählungen vor. Eines Tages fand ich ihn – aber keinen Schlüssel. Wochen später öffnete ich ihn noch einmal und bemerkte ein kleines Ledertäschchen, das im Deckel eingenäht war. Der Schlüssel! Es war mein großer Indiana-Jones-Moment. Endlich hatte ich den Schatz gefunden. Gold, Juwelen, ein Hinweis auf das verschollene Bernsteinzimmer. Mit klopfendem Herzen und zitternden Händen öffnete ich den Tresor. Natürlich war er leer.

***

Viele Hausbesitzer sind bewaffnet. Pfefferspray, Baseballschläger, Pistolen. Mein Vater hat den Vogel abgeschlossen. Im Schlafzimmerschrank fand ich eine Maschinenpistole der Marke Heckler & Koch. Zum ersten Mal im Leben rief ich die Polizei an. Kurze Zeit später hielt ein Streifenwagen vor dem Haus. Ich zeigte den beiden Beamten die Waffe. Eine hübsche kleine Polizistin mit türkisfarbenen Augen und einem hinreißenden Lächeln holte sie hervor, zog das volle Magazin heraus und prüfte, ob noch eine Kugel im Lauf ist. Als ich mich von ihr und ihrem hünenhaften Kollegen verabschiedete, machten wir Witze darüber, dass eine nicht registrierte Waffe und nicht registrierte Munition perfekt für einen Mord wären und was eine automatische Waffe im Darknet bringen würde. Das Bürgertum kauft derlei Gerät übrigens nicht bei Kriminellen, sondern bei diskreten Waffenhändlern in der Schweiz, auf deren Schießständen sie in die Handhabung ihrer Neuerwerbung eingewiesen werden und sie zum ersten und letzten Mal abfeuern, bevor die Erben sie schließlich finden. Merke: Feine Pinkel werden nur bei der Einreise in die Schweiz kontrolliert (#Geldköfferli), nicht aber bei der Ausreise.