Montag, 27. November 2017
Warum wir Terroristen brauchen
Jetzt finden „sie“ also raus, dass der Terrorist vom Weihnachtsmarktanschlag vor einem Jahr Bilder mit einer Knarre auf dem Handy hatte, das die Bullen ausgewertet haben. Scheiß doch die Wand an! Haste schnell mal übersehen, aber dafür in Düsseldorf einen Opa abkassieren, der an der Bushaltestelle sitzt, ohne auf den Bus zu warten. Wegen #shitstorm musste er die 35 € nicht zahlen.
Keiner will die Terroristen fangen, jeder will sie einfach nur haben, um sie für seine miesen Zwecke zu benutzen. Ohne eine Mindestanzahl an Terroranschlägen oder verhinderten Aktionen kann der Staat nicht existieren. Ein Lob den Pressekonferenzen, die unsere Angst füttern. „Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern.“ Es leben die V-Männer!
Sonntag, 26. November 2017
Der absolute Geschmack
Es gibt Menschen, die ein absolutes Gehör besitzen. Bonetti hat den absoluten Geschmack.
Um das Essen wirklich genießen zu können, braucht er natürlich auch die entsprechende Atmosphäre. Schmeckt es unter freiem Himmel nicht am besten? Also lässt er den Tisch auf einer Lichtung im Wald decken.
Nach den gebratenen Garnelen an grünem Salat werden Fettuccine al tartufo nero e funghi porcini serviert. Es folgt ein kleines Filetsteak mit einer roten Thai-Currysoße und danach Skrei auf schwarzen Linsen mit einer Salzkartoffel. Zum Nachtisch gibt es Mandeleis und eine kleine Auswahl Käse mit Trauben.
Es kann so einfach sein. Zur Weinbegleitung werde ich mich ein anderes Mal äußern.
Donnerstag, 23. November 2017
$o £äuft‘$ Bu$in€$$
„Warum wurde der Mensch erst am letzten Tag erschaffen? Damit er, wenn er zu eitel wird, ermahnt werden kann: ‚Die Mücke ist älter als du‘.“ (Talmud)
Wichtelbach ist nicht sonderlich groß. Selbst wenn Sie sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung halten, sind Sie in einer Minute durch den kompletten Ort gefahren. Es gibt eine Kirche, eine Kneipe – und am Ortsrand eine verwitterte lehmfarbene Halle, auf deren Dach „Höhle & Sohn“ steht. Der größte Arbeitgeber des Dorfs beschäftigt ein Dutzend Arbeiter, ein halbes Dutzend Näherinnen, einen Vertriebsleiter und einen Buchhalter.
Mit eben jenem Buchhalter, einem dürren windschiefen Greis, an dessen langer roter Nase ein Tropfen Nasenwasser schillert, sitzt Ferdinand Höhle, der Firmenbesitzer, im Besprechungszimmer, als sein Sohn Alexander, den alle immer nur Axel nennen, den Raum betritt. Trotz seiner fünfzig Jahre trägt er Chucks, ein AC/DC-Shirt und eine Jeansjacke. Hingebungsvoll kratzt sich der Chef den Grind vom Kopf, während er seinen Sohn beobachtet, der sich unbeholfen auf einen Stuhl plumpsen lässt, ohne den Blick von seinem Smartphone zu lassen.
„Da wir nun vollständig versammelt sind, können wir ja mit der Sitzung beginnen“, sagt der alte Höhle. Er hat silbergraues Haar, das glatt an seinem Kopf anliegt wie Gusseisen, und die Kerbe in seinem Kinn wirkt, als habe man sie hinein gemeißelt.
Der Greis bleibt regungslos, vor ihm ein weißes Blatt Papier und ein Bleistift.
„Wenn wir weiterhin rote Zahlen schreiben, werde ich die Firma zum Jahresende schließen.“
„Aber, Papa“, der Junior löst zum ersten Mal den Blick vom Display, „das kannst du doch nicht machen. Ich wollte doch das Geschäft übernehmen. Ich habe auch schon Super-Ideen.“
„Ich weiß, aber für Helene Fischer und Justin Bieber haben wir nicht genug Geld. Weißt du, wieviel Geld die Manager dieser Leute für die Lizenzgebühren haben wollen?“
„Wir könnten sie am Gewinn beteiligen, ohne vorher Gebühren zahlen zu müssen. Wir müssen mit der Zeit gehen, Papa. Wer will denn heute noch mit Puppen spielen, die Napoleon oder Goethe heißen?“
Im sanften Licht der Herbstsonne ist der Buchhalter eingeschlafen. Vielleicht ist er auch gerade gestorben, es ist nur schwer zu erkennen. In den fünfziger Jahren hatte Ferdinand Höhle mit der Produktion von Peter Alexander- und Heinz Rühmann-Puppen begonnen, die weniger bei Kindern als bei älteren Damen beliebt waren. Er weigerte sich, Elvis- oder Beatles-Puppen herzustellen. Er setzte auf Heintje und Heino. Damit hielt man sich auch in den siebziger Jahren über Wasser. Er verpasste grundsätzlich jeden Trend. ABBA, Kohl, Obama – nicht zu vergessen: Harald Juhnke, Captain Future und Ronald Pofalla. Später stellte Höhle & Sohn Puppen nach historischen Vorbildern her: Napoleon, Julius Cäsar und Goethe.
„Du weißt, dass mir diese ganzen neumodischen Dinge nicht liegen. Du mit deinen Rappern und Fußballern. Was ist, wenn wir zehntausend Messi-Puppen produzieren und der Typ bricht sich das Bein, weil er zu blöd ist, aus seinem Ferrari auszusteigen, und wir bleiben auf den Puppen sitzen? Historische Puppen ziehen immer.“ Er entblößt eine Reihe stockfleckiger gelber Zähne und mindestens einen Daumen breit entzündetes Zahnfleisch.
„Offenbar inzwischen nicht mehr. Dann lass uns wenigstens Hitler-Puppen machen, Papa. Das wird ein Renner, ich schwör’s dir. Hitler ist die wichtigste historische Figur, die es überhaupt gibt.“
Beim Wort „Hitler“ öffnet der Buchhalter die Augen und sieht sich vorsichtig um.
„Ich hab dir schon hundertmal gesagt, ich mache keine Hitler-Puppen. Ich sitze hier im Gemeinderat. Das kann ich dem Dorf nicht antun.“ Wütend mahlen die Kiefer des Seniors. Eine fingerdicke Vene beginnt, an seiner Schläfe zu pulsieren.
„Aber mir kannst du es antun, die Fabrik zu schließen. Was wird dann aus mir? Was wird aus den ganzen Leuten? Die haben ihr Leben lang nichts anderes gemacht als Puppen.“ Zum ersten Mal kommt auch der Junior in Fahrt.
Der alte Höhle entrunzelt seine Stirn und kommt ins Grübeln. Geschäft ist nun mal Geschäft. Hitler. Das wäre ein Verkaufsschlager wie damals Peter Alexander. ¥ € $ !
Verträumt malt der greise Buchhalter ein Hakenkreuz auf das Blatt Papier, das vor ihm auf dem Tisch liegt.
The Vibrators - Nazi Baby. https://www.youtube.com/watch?v=zlBuSl2eD_g
Dienstag, 21. November 2017
Die pure Boshaftigkeit
Jetzt salbadern die Pfaffen in den Redaktionsstuben wieder von Staatswohl und Bürgerwillen. Als ob es darum je gegangen wäre.
Sehen wir den Politiker als Menschen. Er ist, wenn er lange genug im Geschäft ist und an der Spitze der Nahrungskette, vulgo: ganz vorne am Trog, angekommen ist, nicht nur täglich dem Geschleime seiner Untergebenen und den misstrauischen Blicken seiner Konkurrenten ausgesetzt – häufig in Personalunion als sogenannter Parteifreund -, sondern auch dem Hass und der Häme der Öffentlichkeit und der Medien.
Ist es also verwunderlich, wenn der Politiker selbst Hass verspürt? Auf den Urnenpöbel, auf die Journaille, auf den ganzen politischen Betrieb? Warum sollten Hass oder ganz einfach die pure Boshaftigkeit nicht die wahren Antriebsmomente eines Politikers sein? Nicht immer, aber doch wenigstens gelegentlich?
Nehmen wir die Union als Beispiel, die gerade mit der psychologischen Finesse eines Bulldozers um die Fortsetzung einer GroKo bittet. Wie im Augenblick auf die Sozialdemokraten eingedroschen wird, die an den Gesprächen über Gespräche zu einer möglichen Regierungszusammenarbeit – kurz als „Jamaika“ verniedlicht – gar nicht teilgenommen hatten und jetzt als Feiglinge und Drückeberger verhöhnt werden, die sich „vom Acker gemacht hätten“ (wie die Guldentaler Bauerntochter Klöckner es formuliert hat) und keine Verantwortung für den Staat tragen wollten – ja, so stelle ich mir die Brautwerbung des Tasmanischen Teufels vor.
Nehmen wir die FDP, die in diebischer Freude „sondiert“, bis der Arzt kommt, um dann plötzlich den Stecker zu ziehen und „Ätsch, reingelegt“ zu rufen. Das war nicht nur boshaft, das hat sicher auch Spaß gemacht. Schon in den Tagen zuvor saß man mit den Spin Doctors zusammen und heckte eine Social Media-Kampagne aus. Später lachte man sich ins Fäustchen, als man den Werbeslogan zur Gesprächsverweigerung veröffentlicht hat: „Lieber nicht regieren als falsch.“
Nehmen wir Frau Merkel, die aus reiner Boshaftigkeit verkündet, auch zu möglichen Neuwahlen wieder als Kanzlerkandidatin anzutreten. Sie hat die letzte Wahl verloren, sitzt vor einem Scherbenhaufen statt in Koalitionsverhandlungen, sie hat keine Ideen und kein Programm für die Zukunft dieses Landes – und ruft uns hämisch grinsend zu: „Ihr werdet mich nicht los.“
Und aus diesem Friedhof der Kuscheltiere dürfen wir in ein paar Monaten erneut einen Zombie wählen. Nochmal derselbe Wahlkampf, nochmal dieselben Verhandlungen von Leuten, die nur die Boshaftigkeit einigt. Wir werden sie nicht los, sie werden uns nicht los. Spüren Sie auch den Hass in sich aufsteigen? Das Leben ist ein Traum der Hölle.
Meine Vorstellung von Politik: Charles Chaplin: König von New York - Ruperts Rede. https://www.youtube.com/watch?v=PGMsTnqsJNU&feature=share
Sonntag, 19. November 2017
Nein!
Ja und dreimal Ja. Ich werde alt. Mir gehen Sachen auf den Senkel, die mir früher egal waren. Und jetzt möchte ich Ihnen etwas über Gewalt in den Medien erzählen.
Ich sitze bei Freunden im Wohnzimmer. Vater, Mutter, Kind. Das Mädchen ist zwölf Jahre alt. Der Fernseher läuft, ein Info-Kanal. Wir unterhalten uns.
Im Fernsehen laufen alte Dokumentaraufnahmen aus dem vergangenen Jahrhundert, es geht um Russland. Wir sehen ein paar Bauern, deren Hände auf dem Rücken gefesselt sind. Man zwingt sie in die Knie, dann werden sie von Menschen erschossen, die wir nicht sehen können.
Das Mädchen neben mir auf der Couch zuckt kurz, wir andern unterhalten uns routiniert weiter. Ich finde das nicht in Ordnung. Lachen Sie mich ruhig aus. Ich finde die ganze Gewalt in den Medien nicht gut. Ich habe mich daran gewöhnt. Aber was ist mit den Kindern? Werden sie abstumpfen wie Vieh?
Samstag, 18. November 2017
Malcolm Young
Lebende 0Tote 1
https://www.youtube.com/watch?v=qFJFonWfBBM&feature=share
Ich hätte gedacht, ich würde es gefasster aufnehmen. Aber die "Highway To Hell" war - zusammen mit der "Wish You Were Here" von Pink Floyd - nun mal die erste Platte meines Lebens.
Die Erzählmaschine
Er hatte ein faustgroßes, knallrotes Geschwulst auf der Stirn, das permanent pulsierte und von lilafarbenen Adern durchzogen war. Eines Tages begann es zu singen:
Einem Hai namens Kai
Ging das Moped entzwei
So muss er bis Meppen
Auf Flossen sich Schleppen
Was ist schon dabei?
Die Erfinder von „Jamaika“
Die Taino sind längst vergessen. Dieses arme Volk hatte das Pech, als erstes mit Kolumbus und seinen Leuten in Kontakt zu kommen. Es ging den Europäern bekanntlich um neue Handelswege, um Gold und wertvolle Rohstoffe – wie heute. Die Ureinwohner waren ihnen herzlich egal. Nur wenige Jahrzehnte nach ihrer „Entdeckung“ waren die Taino ausgestorben.
Kolumbus schilderte diese Menschen als „unschuldig und von einer solchen Freigiebigkeit mit dem, was sie haben, dass niemand es glauben würde, der es nicht mit eigenen Augen gesehen hat. Was immer man von ihnen erbittet, sie sagen nie nein, sondern fordern einen ausdrücklich auf, es anzunehmen und zeigen dabei so viel Liebenswürdigkeit, als würden sie einem ihr Herz schenken.“ Schön blöd.
Allein auf der Insel Hispaniola lebten je nach Schätzung zwischen 300.000 und einer Million Taino. 1517 gab es noch 11.000, 1533 noch fünfhundert von ihnen. Das Land wurde unter den Spaniern aufgeteilt, die Ureinwohner galten als Teil des Grundbesitzes und hatten keine Rechte.
Von den Taino ist aber ein Teil ihres kulturelles Erbe unsterblich geworden: die Hängematte. Wir nutzen sie bis heute. Auch einige Wörter der Taino sind in die europäischen Sprachen eingewandert: huracán (Hurrikan, Wirbelsturm), manatí (Seekuh), tobaco (Tabak), maíz (Mais), papaya (Papaya), caimán (Kaiman, Krokodil), canoa (Kanu).
Sogar einige ihrer geographischen Bezeichnungen haben die Zeit überdauert: Jamaica, Cuba, Aíti (Haiti – ein Staat auf der Insel Hispaniola). Über die deutschen Sondierungsgespräche 2017 unter der Überschrift „Jamaika“ hätten sie vermutlich nur gelacht.
Donnerstag, 16. November 2017
Reichtum für alle!
Nachdem Lambsdorff von der FDP schon im Sommer den alleinerziehenden Müttern nahegelegt hatte, Immobilien zum Zwecke der Vermögensbildung zu erwerben, legt die FAZ jetzt nach. Die Armen sollen ihre Anlagestrategie ändern und ihr Aktienportfolio optimieren.
"Sie müssen Ihr Aktienportfolio optimieren", rufe ich heute der Kassiererin bei Aldi zu.
Dann treffe ich meinen alten Kumpel Jürgen, der gerade seinen Job verloren hat. "Du musst dein Aktienportfolio optimieren, Jürgen. Dein Aktienportfolio, verstanden?"
Am Bahnhof steht ein rumänischer Bettler. Ich gebe ihm kein Geld, aber einen wertvollen Rat: "Du optimiere Aktienportfolio."
Wir werden alle so schweinereich, es wird kaum auszuhalten sein.
http://www.faz.net/aktuell/finanzen/kommentar-reichtum-fuer-alle-15292399.html
"Hier liegt eine Chance für die Jamaika-Koalition. Mit FDP und Grünen sind zwei aktienfreundlichere Parteien beteiligt, als die SPD es ist."
Rätselhafte Performance - Medienberichte überschlagen sich
Die Medien berichten von einem Unbekannten, der mit schöner Regelmäßigkeit Hackfleisch auf die Bahngleise bei Pfinztal legt.
http://www.infranken.de/ueberregional/deutschland/unbekannter-legt-woechentlich-ein-pfund-hackfleisch-auf-bahngleise;art55462,3022651
Bonetti Media gibt dazu folgende Stellungnahme ab. Es handelt sich hierbei um eine Performance von Andy Bonetti, der damit gegen die Aufhebung der Buchpreisbindung protestiert, die von Amazon und anderen Unternehmen gefordert wird. Eine solche Aufhebung würde Hackfleisch aus seinen Einnahmen als Autor machen - und das zu einem Zeitpunkt, da der Bonetti-Zug gerade schulzmäßig Fahrt aufgenommen hätte.
Lesen Sie dazu auch: "Hut in Jauche getaucht und angezündet - Bruderstreit eskaliert".
http://www.infranken.de/regional/lichtenfels/weismain-hut-in-jauche-getaucht-und-angezuendet-bruderstreit-eskaliert;art220,3016257
Mittwoch, 15. November 2017
Berufen & Abberufen
Ich ging im Wald so für mich hin
Weil ich nun mal ein Wand’rer bin
Da sehe ich – so meine Meinung -
Auf einer Lichtung die Erscheinung
Gevatter Tod auf seinem Rappen
Soll’s heute mit dem Jenseits klappen?
(aus „Joe“ Goethes Flagellantenoperette „Billy Master“)
Neulich im Berliner Untergrund
- Wo haben Sie eigentlich Ihre Frau kennengelernt?
- Im Speisewagen der U 7.
- Die U 7 hat einen Speisewagen? Das wusste ich gar nicht.
- Aber ja. Das ist natürlich nicht allen Reisenden bekannt, sonst säßen dort ja Krethi und Plethi.
- Donnerwetter!
- Es gibt auch eine Erste Klasse, einen Rauchsalon, einen Liegewagen und ein kleines Kino. Hat man Sie nie in diese Geheimnisse eingeweiht?
***
Die vier Sargträger steigen im angemessen langsamen Gleichschritt die Treppe hinunter. Am Bahnsteig setzten sie den Eichensarg kurz ab. Zum Glück ist die U9 nicht voll. Fünf Stationen bis St. Mathilde. Die Fahrgäste zeigen keine Reaktion, Berlin eben. Pietät-Malotzke geht neue Wege.
Dienstag, 14. November 2017
Wenn ich einmal reich wär
„Ewiger Sonnenschein schafft eine Wüste.“ (Arabisches Sprichwort)
Was macht man mit einhundert Millionen Euro? Ich hatte vor etlichen Jahren einmal tausend Euro in Bitcoins investiert und hatte nun ein Vermögen auf dem Konto. Ich fasste also, gestärkt durch einige Flaschen Riesling, den Beschluss, das Depot aufzulösen und mich daran zu machen, das Geld auszugeben. Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwer werden würde.
Es begann mit der Überweisung dieser riesigen Summe Geld auf mein Girokonto der hiesigen Sparkasse. Es folgte der Anruf eines aufgeregten Sparkassendirektors. Ich müsse sofort vorbeikommen und alles mit ihm besprechen. Ob es sich denn um einen Bankirrtum zu meinen Gunsten handele, fragte er mich ernsthaft, als würden wir hier Monopoly spielen.
Eine Stunde später betrat ich die Bank, wie immer in löchrigen Jeans und mit einem alten Supertramp-Shirt. Alle Angestellten staunten mich schweigend an, während ich zum Büro ihres Chefs ging. Er erzählte mir etwas von aufgeblähten Bankbilanzen und Einlagensicherung. Also verteilte ich das Geld auf neu eingerichtete Konten bei zwei Banken in Zürich und zwei Banken in New York. Auf der Sparkasse beließ ich zwanzig Millionen auf einem Tagesgeldkonto. Das heißt: fünf Banken mit jeweils einem Fünftel meines Vermögens.
Was macht man mit dem ganzen Geld? Ich kaufte mir eine Villa im Grunewald für fünf Millionen Euro. Ich rechnete mir aus, dass ich für meinen gewünschten Lebensstandard – jeden Tag gut essen gehen, gelegentliche Reisen, eine Haushälterin – nicht mehr als zweihunderttausend Euro im Jahr ausgeben würde. Ich bin jetzt fünfzig Jahre alt. Das wären bis zu meinem hundertsten Geburtstag also weitere fünf Millionen Euro. Macht zusammen zehn Millionen Euro.
Was macht man mit neunzig Millionen Euro? Ich beschloss, das Geld zu verschenken. Vielleicht nicht die ganzen neunzig Millionen. Ein bisschen Reserve für verrückte Ideen würde ich womöglich noch brauchen. Aber auf achtzig Millionen konnte ich locker verzichten und mein Karma auf Hochglanz polieren. Das heißt konkret: Ich würde nach meinem Tod als Reicher wiedergeboren werden. Aber wem schenkt man so viel Geld?
Ich habe keine Kinder, nur eine Nichte und einen Neffen. Soll ich sie mit meinen Millionen zu Faulpelzen machen? Mein Bruder ist Unternehmer, die Kinder müssen sich keine Sorgen machen. Da beide gerade volljährig geworden waren, schenkte ich ihnen ein Auto ihrer Wahl. Sophie bekam einen schneeweißen Audi mit allen Schikanen und Max einen knallroten Alfa Romeo mit dreihundert PS. Damit waren hunderttausend Euro weg. Peanuts.
Welche Sache sollte ich mit meinem Geld unterstützen? Tiere und Kinder, Gerechtigkeit und Frieden. Es gibt zahllose Möglichkeiten. Da ich in den letzten Jahren immer die Linken gewählt hatte, überwies ich der Partei 1,848 Million Euro. 1848 – das Jahr des kommunistischen Manifests und der Revolutionen in Frankreich und Deutschland.
Damit ging der Ärger los. Parteispenden über zwanzigtausend Euro müssen veröffentlicht werden. So kam mein Name in die Zeitungen. Es war die höchste Parteispende aller Zeiten. Und so wurde aus einem anonymen Reichen ein landesweit bekannter Mogul.
Seit einigen Jahren betrieb ich unter meinem echten Namen ein Blog. Wer im Internet meinen Namen in eine Suchmaschine eingab, wurde sofort auf meine Seite verwiesen. Dort stand auch meine E-Mail-Adresse und im Impressum meine Anschrift. Noch war meine neue Villa nicht renoviert und eingerichtet, ich lebte in meiner alten Wohnung. Ich wurde mit E-Mails bombardiert, es klingelte an meiner Wohnungstür, der Kommentarbereich meines Blogs explodierte.
Der geheimnisvolle Spender – ausgerechnet bei den Linken und nicht den bürgerlichen Parteien, die sonst immer die fette Marie absahnen. Mein Name in der Tagesschau, im „Spiegel“, in der „Bild“. Zum Glück war auf meiner Seite nur ein uraltes Foto abgebildet, das mich mit fünfzig Kilo weniger zeigte. Ich musste untertauchen, so viel stand fest. In tiefer Nacht verließ ich das Haus und fuhr mit dem Taxi zum Flughafen.
Mit der ersten Maschine flog ich nach London. Ich buchte die Buckingham Suite im The Lanesborough am Hyde Park Corner. Hier wusste man, wie man das Inkognito des Geldadels schützte. Ich beschloss, keine Interviews zu geben. Nur beim „Neuen Deutschland“ wollte ich eine Ausnahme machen, schließlich sollten die Linken auch erfahren, wer ich bin und was meine Beweggründe für die Spende waren. Ich rief den Chefredakteur an und vereinbarte mit ihm einen Gesprächstermin in meiner Londoner Suite.
Inzwischen wurden die Texte in meinem Blog einer intensiven Rezeption seitens der Medien unterzogen. Ich hatte eine Menge politischer Texte geschrieben, die Regierung auf das Übelste beschimpft und eine Umverteilung von Reichtum gefordert. Die Kommentare in den Zeitungen und Fernsehsendungen waren zum Teil voller Häme, andere Journalisten zeigten sich verwirrt, einer verglich mich sogar mit Bruce Wayne alias Batman. Meine Spende war das große Thema bei Maybrit Illner, in ihrer Talkshow bezeichnete Wolfgang Bosbach mich als sozialistischen Scharlatan.
Im Interview mit dem „Neuen Deutschland“ erklärte ich, dass ich mit meiner Spende keinen Einfluss auf das Programm oder die Personen der Linken nehmen wolle. Es sei einfach eine Unterstützung der einzigen Partei im Bundestag, die man halbwegs als Opposition bezeichnen könne. Auch wenn ich in meinem Blog eine Transaktionssteuer auf Bankgeschäfte, eine Erhöhung der Erbschaftssteuer und viele andere konkrete Dinge gefordert habe, wolle ich mich nicht ins Tagesgeschäft der Partei einmischen. Auch wären mir die innerparteilichen Streitigkeiten egal, ich würde keine einzelne Person bevorzugen. Gysi fände ich allerdings sehr nett, seine rhetorischen Qualitäten seien unbestritten. So wurde es am nächsten Tag auch gedruckt. Damit hatte ich mir natürlich bei den anderen Medien keine Freunde gemacht, die sich übergangen fühlten. Vor allem im „Spiegel“ und der „Bild“ wurde ich offen verhöhnt.
Von London reiste ich nach New York. Es folgten Hawaii und Tokio. Als sich der Rummel wieder gelegt hatte, kehrte ich nach Berlin zurück und bezog meine neue Villa. Die alte Wohnung und das Blog gab ich auf. Seitdem lebe ich in Ruhe und mache den ganzen Tag, was mir gefällt. Was macht man mit einem riesigen Haufen Geld? Am besten gar nichts. Zuviel Geld kann einem auch auf die Nerven gehen. Ich habe ein Testament gemacht. Von meinem Vermögen soll ein Wald gekauft werden, der nicht bewirtschaftet werden darf. Soll Mutter Natur mit dem ganzen Zaster machen, was sie will.
Steely Dan – Peg. https://www.youtube.com/watch?v=LI7NDDQLvbo
Montag, 13. November 2017
Was mich ankotzt
Die Autos haben heutzutage keine Trittbretter mehr, auf denen man mitfahren kann. Recht so. Zu gefährlich. Was es leider immer noch gibt, sind die Trittbrettfahrer.
Ein aktuelles Beispiel: Es gibt in den USA eine Debatte über Sexismus in den Medien, in deren Verlauf etliche Straftaten öffentlich bekannt wurden. Sehr gut. Hoffentlich haben noch mehr Menschen den Mut, Vergewaltigung und Kindesmissbrauch zur Anzeige zu bringen. Hoffentlich werden all diese Verbrecher auch bestraft. Hoffentlich lernen möglichst viele Menschen etwas aus dieser Debatte.
Was ich nicht brauche, sind die Trittbrettfahrer, die im Windschatten dieser Verbrechen auch gerne Opfer wären. Es ist kein mutiges Bekenntnis, wenn Frau Müller aus der Buchhaltung bei Facebook unter Pseudonym erzählt, ihr Chef habe ihr womöglich auf den Arsch gestarrt, als sie sich 1987 nach dem Bleistift gebückt hat. Das interessiert niemanden. Es geht hier um die Opfer von Verbrechen, nicht um private Eitelkeiten.
Dasselbe erlebe ich bei Debatten um Feinstaub, wenn dann der Typ neben mir am Tresen mit einer Kippe im Mundwinkel über die Abgaswerte eines VW-Diesels lamentiert. Danke, Spacko! Es gehört auch niemand zu den Armen und Elenden dieses Planeten, der diesen Winter ausnahmsweise auf den Skiurlaub verzichten muss, weil er sein Dach neu decken lässt. Ein Heer von Selbstdarstellern heuchelt jeden Tag online um unser Mitleid. Das kotzt mich an.
Samstag, 11. November 2017
Warum der neue Kapitalismus so schön ist
1. Die Schafe lackieren sich gegenseitig die Hufe in Nagelstudios und scheren sich gegenseitig die Wolle in Friseursalons.
2. Die Wölfe kommen mit den Schafen gar nicht mehr in Kontakt. Sie leben in Gated Communities, in die sie sich die Profite online schicken lassen.
3. Die Schafe sehen abends im Fernsehen Filme, in denen Wölfe Schafe ermorden aka Krimis. Sie amüsieren sich und finden das gut.
4. Die Wölfe liegen bei den Lämmern. Ganz friedlich. Sie töten die Lämmer nicht. Sie machen Liebe mit ihnen. So wie Gott es gewollt hat.
5. Die Schafe machen Urlaub in bunten Pferchen wie Mallorca, wo sie Schafe von anderen Weiden treffen.
6. Die Wölfe treffen sich zu Gipfeltreffen, Konferenzen und Meetings, wo sie Wölfe aus anderen Revieren treffen.
7. Die Zukunft wird schön, weil sich Wölfe und Schafe so gut verstehen.
Flüstermond
Au revoir, bonjour tristesse –
Man glaubt es kaum.
Und wieder heißt es:
Aus der Traum.
(aus unserer neuen Rubrik „Tante Käthes Lyrikstübchen“)
Donnerstag, 9. November 2017
Neulich im Gin & Yang
„In einer Nation, die von Schweinen regiert wird, sind alle Ferkel auf dem Weg nach oben.“ (Hunter S. Thompson)
Am Tresen einer Bar in Berlin-Mitte.
A: Mensch, Holger. Dich hab ich ja schon ewig nicht mehr gesehen.
B: Norman? Das ist ja ein Ding. Setz dich.
A: Danke. Was trinkst du da?
B: Einen Moon Shadow. Musst du unbedingt probieren. Mit drei Sorten Gin, Rhabarber und Cranberries.
A: Klingt gut. (zum Barkeeper) Einen Moon Shadow, bitte.
B: Was machst du hier?
A: Ich bin jetzt Mitarbeiter bei einem Bundestagsabgeordneten. Im Augenblick lebe ich noch im Hotel, aber ich habe eine Wohnung in Aussicht.
B: Lass mich raten: Du bist bei den Grünen und wohnst demnächst im Prenzlauer Berg.
A (lacht): Du bist immer noch derselbe gerissene Hund wie an der Uni. Stimmt alles. Was machst du denn so?
B: Ich arbeite fürs Bundeskanzleramt.
A: Wow. Dann hast du es echt geschafft. Hast du nicht Marketing studiert? In welcher Abteilung bist du denn?
B: Ich bin in keiner Abteilung. Ich arbeite für eine Agentur. Wir machen Public Relations fürs Kanzleramt. Ich bin so eine Art Berater.
A: Wen berätst du denn? Die Kanzlerin?
B: Nein. Das steht nur auf meiner Visitenkarte. Mit Genehmigung des Kanzleramts bin ich in einem Planungsstab als Berater tätig. Aber in Wirklichkeit war ich noch nie im Kanzleramt.
A: Das verstehe ich nicht.
B: Es ist ganz einfach. Ich stelle Kontakte zur Presse her. Was meinst du, wie oft ich jede Woche in den großen Zeitungen und in den Fernsehnachrichten bin.
A: Echt? Was denn zum Beispiel.
B: Du hast vielleicht gehört, dass es bei den Sondierungsgesprächen zur neuen Koalition um den Familiennachzug für Flüchtlinge einen Riesenkrach gegeben hat.
A: Ja. Und das war von dir?
B: Genau. Es heißt dann immer: „wie uns ein Gesprächspartner aus dem Bundeskanzleramt berichtet hat, der ungenannt bleiben möchte“ oder „aus gewöhnlich gut informierten Kreisen“. Das bin ich. Ein echter Mitarbeiter des Kanzleramts steckt mir die Infos zu und ich streue sie in der Presse. Ich bin eine sogenannte Quelle. Im Kanzleramt schaut man sich dann genau an, wie die Öffentlichkeit auf mein Material reagiert.
A: Und wie läuft es wirklich? Ich krieg ja als Neuling nichts mit.
B: Alles läuft wie geschmiert. Deine Grünen verstehen sich prächtig mit den bürgerlichen Parteien. Vor allem die Göring-Eckardt ist ganz heiß auf einen Ministerposten. Die Frau hat sich jede Menge neue Klamotten angeschafft und extra einige Kilo abgenommen. Und Özdemir ist für die Rolle als Merkels Haustürke und Alibi-Moslem doch absolut perfekt. Ein Premium-Migrant mit schwäbischem Akzent.
A: Das sagt mein Chef auch immer. Er sagt, ich soll mir mal keine Sorgen machen. Wir gehen nicht in die Opposition. Zwölf Jahre im Schatten wären genug. Aber Özdemir ist doch ein Mann von unten, einhundert Prozent street credibility.
B: Machst du Witze? Der Typ ist besser bewacht als das Restaurant von Mojsche Pupik und Chaim Jankel in Dresden. Ich finde es auch interessant, wie schnell die Grünen noch vor den echten Koalitionsverhandlungen das ganze Lametta wie Vermögenssteuer und Steuererhöhungen für Besserverdienende abgeräumt haben.
A: Das waren ja auch nur Versuchsballons. Die haben wir steigen lassen, damit der Seehofer und der Lindner was zum Abschießen haben. Dafür müssen sie uns bei Energie und Flüchtlingen entgegenkommen.
B: Da muss ich dich enttäuschen. Bei Kohle und Verbrennungsmotoren sehe ich kein Durchkommen. Und die paar Frauen und Kinder, die zu ihren syrischen Männern dürfen, werden doch sowieso nächstes Jahr im Paket wieder abgeschoben, wenn es offiziell wieder Frieden bei Assad gibt. Die werden einfach auf die 200.000 angerechnet.
A: Weiß ich doch. Uns genügt ein Ausstiegsdatum für Kohlekraftwerke und Verbrennungsmotoren irgendwann in den dreißiger Jahren. Bis dahin ist diese Koalition Geschichte und alle Beteiligten genießen ihren Lebensabend in der Industrie. Das ist so, als ob wir beide heute festlegen würden, ab 2030 keinen Alkohol mehr zu trinken. Den Bierdeckel unterschreibe ich doch sofort.
B (grinst): Darf ich das „aus gewöhnlich gut informierten Kreisen“ an SpiegelBILD weitergeben?
A (lacht): Altes Schlitzohr. Die nächste Runde Moon Shadow geht auf dich.
B: Die nächste Runde geht immer auf den Steuerzahler. Das bleibt natürlich alles unter uns.
A: Ich werde dieses Geheimnis mit ins Grab nehmen. Was würde denn passieren, wenn ich es einem Reporter erzähle?
B: Dir ist schon klar, dass alle Redaktionen abgehört werden, oder? Wir wären mit dem Dementi schon an der Öffentlichkeit, bevor du den Hörer aufgelegt hast.
A: War nur ein Spaß. Lass uns auf Jamaika anstoßen.
B: Prost! Auf Jamaika.
Howard Jones – No One Is To Blame. https://www.youtube.com/watch?v=pekhxxngQ3s
P.S.: Hunter S. Thompson definierte seinen Gonzo-Journalismus in einem Vorwort zu „Fear and Loathing in Las Vegas“, aus dem auch das Zitat am Textanfang stammt, wie folgt: „Dabei handelt es sich um einen Reportagestil, der auf William Faulkners Überzeugung basiert, die beste Dichtung sei weitaus wahrer als jede Art von Journalismus – und die besten Journalisten haben das schon immer gewusst.“ Das Gespräch, das ich hier wiedergegeben habe, beruht auf Informationen, die ich aus zuverlässiger Quelle habe. Die Namen wurden natürlich geändert.
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