Donnerstag, 28. Juni 2018

Seehofer verweigert "Mannschaft" die Einreise!

Skandal! Auf Anweisung des Innenheimatbauministers verweigert der Bundesgrenzschutz der DFB-Auswahl am Frankfurter Flughafen die Einreise. Dreht der Alpen-Ayatollah endgültig durch? Tausende Fans, die mit Fackeln und Mistgabeln angereist waren, sind enttäuscht.
Jetzt wird fieberhaft nach einem Drittstaat gesucht, der die Deutschen aufnimmt. Russland wird sie nicht zurücknehmen, dass hat Putin bereits angekündigt. #Katastrophe von Kasan #schssmnnschft #kimchi-tsunami
Christian Anders - Darauf tanzt ganz Deutschland (Fußballsong WM 2018). https://www.youtube.com/watch?v=ouF9HniepO4&feature=youtu.be

Montag, 25. Juni 2018

Sempre Claudia Neumann

Die Frau kommentiert großartig, ich verstehe den Hass der ganzen Chauvis und Nazis überhaut nicht. Wie oft habe ich mich über Arschkrampen wie Marcel Reif aufregen müssen. Wenn es wenigstens um die Qualität ihrer Reportagen gehen würde. Aber bemängelt wird von den Vollidioten immer nur der fehlende Penis - als seien wir nicht im Jahr 2018 und als seien wir gerade in Saudi-Arabien und nicht in Europa.
Mit folgendem Kommentar aus dem Spiel Iran-Portugal ist sie in die Ewigkeit eingegangen, das gehört wirklich zu den ganz großen Zitaten der Fußballgeschichte: "Jetzt nochmal ein strammer, langer Einwurf." Mehr geht nicht.

Samstag, 23. Juni 2018

Nazi-General besucht Nationalmannschaft

„Da kommt Krankl in den Strafraum – Schuss…Tooor, Toor, Tooor, Toor, Toor!. I wear narrisch! Krankl schießt ein – 3:2 für Österreich. Meine Damen und Herren, wir fallen uns um den Hals, der Kollege Rippel, der Diplom-Ingenieur Posch – wir busseln uns ab…“ (Edi Finger)
Was ist schon Watutinki, wenn du Ascochinga kennst. Auf diesem argentinischen Luftwaffenstützpunkt, dessen Name übersetzt „toter Hund“ bedeutet, waren die DFB-Kicker 1978 fünf Wochen eingesperrt. Aus Angst vor Entführungen durfte niemand das Camp verlassen, Lagerkoller war die Folge. Schließlich gab es damals noch keine Gameboys und Smartphones, auch das Internet und das Kabelfernsehen waren noch nicht erfunden. Für die gesamte Mannschaft, die auf dem Gelände von der GSG 9 bewacht wurde, stand nur ein einziges Telefon zur Verfügung. Pro Spieler gab es drei Freiminuten in der Woche, wer länger telefonieren wollte, musste zahlen.
Vor vierzig Jahren war eine Fußball-WM, die von einer Militärdiktatur organisiert wurde, kein Problem. So wie der Mannschaftskapitän von 1974, Franz Beckenbauer, auf den Baustellen in Katar keinen Sklavenarbeiter gesehen hat, so hat auch sein Nachfolger von 1978, Berti Vogts, nichts erkennen können: „Argentinien ist ein Land, in dem Ordnung herrscht. Ich habe keinen einzigen politischen Gefangenen gesehen.“
„Höhepunkt“ dieser WM-Teilnahme, die bekanntlich mit der „Schande von Cordoba“ und dem Ausscheiden nach der Niederlage gegen Österreich endete (inklusive einem Vogts-Eigentor), war der Besuch des Nazi-Generals Hans-Ulrich Rudel bei den DFB-Funktionären und der Mannschaft. Rudel war ein erklärter Liebling Hitlers und der am höchsten dekorierte deutsche Soldat im Zweiten Weltkrieg (nachdem Göring eine Woche vor Hitlers Selbstmord sein Lametta wieder abgegeben hatte).
Nach dem Krieg setzte er sich nach Argentinien ab und gründete dort das „Kameradenwerk“, das untergetauchte Nazis versorgte. Unter anderem brachte er Josef Mengele in Sicherheit. Er arbeitete für den Hitlerversteher Juan Perón, der nach seinem Militärputsch zum argentinischen Präsidenten gewählt worden war, und für die Diktatoren Pinochet in Chile und Stroessner in Paraguay. Außerdem war er Auslandsvertreter für deutsche Firmen, unter anderem auch für Siemens.
In Deutschland vertrat er offen rechtsradikale Positionen. Er unterstützte die 1952 verbotene Sozialistische Reichspartei, war 1953 Spitzenkandidat der Deutschen Reichspartei und trat noch in den siebziger Jahren als Redner für die DVU auf. Er nahm an Traditionstreffen der Bundeswehr teil und wurde 1982 mit allen Ehren im Freistaat Bayern beerdigt.
Der damalige DFB-Präsident Neuberger verstieg sich zu dem Satz, eine Kritik an Rudels Erscheinen käme „einer Beleidigung aller deutschen Soldaten gleich“.
P.S.: Zum fröhlichen Abschluss eines traurigen Rückblicks möchte ich noch auf den österreichischen Spieler Eduard Krieger hinweisen, dem ein Hund im Training in den Hintern gebissen hat, und auf die schottische Mannschaft, die sich in ihrem Hotel jeden Abend besoffen hat. Lassen wir den Hoteldirektor Jesus Garcia zu Wort kommen: „Dass Weltstars sich im betrunkenen Zustand zum Teil splitternackt ausziehen und im Whisky-Delirium den Korridor mit der Toilette verwechseln, hat uns alle sehr geschockt“.
P.P.S.: Ein Wort noch zur heutigen Partie Deutschland-Schweden. Was haben wir gelacht, als wir hörten, dass Italien und Holland nicht die Qualifikation zur Fußball-WM geschafft haben. Heute spielt die DFB-Auswahl gegen das Team, dass die beiden Traditionsmannschaften aus der Quali gekegelt hat. Wenn wir verlieren, habe ich es schon immer gewusst. Wenn wir gewinnen, habe ich nie gezweifelt.
Udo Jürgens & die deutsche Fußballnationalmannschaft - Buenos Dias Argentina. https://www.youtube.com/watch?v=r8x8MstDwpg

Donnerstag, 21. Juni 2018

Blogger 3000

„Wer nichts wird und wer nichts kann, der geht zu Post und Eisenbahn.
Ist auch dies dir nicht gelungen, machst du in Versicherungen.
Bist du einfach blöd geboren, gehst du unter die Autoren.“
(unbekannt)

Es war auf der großen internationalen Messe in Hannover. Jeder kennt die „Blogger 3000“. Hier treffen sich Autoren, Fotografen, Designer, Verleger und Start-Up-Investoren. Wir hatten gerade Andy Bonettis phantastischen Vortrag „In sieben einfachen Schritten zum Welterfolg“ gehört und waren euphorisch.
Ich saß mit ein paar jungen Kollegen in einer Bar und wir unterhielten uns über unsere Zukunftsaussichten in der Branche. Neben mir saß ein Bursche von etwa zwanzig Jahren, der sich Strawberry High nannte. In Wirklichkeit hieß er Kuno Grindberg. Die anderen waren von den Poetry Ultras Neukölln.
„Ich will Schriftsteller werden“, sagte er und sog an seinem Cuba Libre.
„Wieviel verdienst du im Augenblick mit dem Schreiben?“ fragte ich ihn.
„Ich habe ein Werbebanner auf meiner Seite. Ein paar Euro im Monat.“
Ich blickte in die Thekenrunde. „Irgendjemand mehr?“
Alle schüttelten die Köpfe.
„Wenn ich genügend Kurzgeschichten zusammen habe, biete ich sie einem Verlag an“, sagte Strawberry High und sah mich tapfer an.
„Verlage veröffentlichen nur in Ausnahmefällen Kurzgeschichten. Sie wollen Romane. Das predigen ihnen ihre Marketing-Abteilungen seit Jahrzehnten.“
„Warum?“
„Weil sich Romane besser verkaufen“, antwortete ich ihm. „Um als Autor vom Schreiben leben zu können, musst du mindestens 20.000 Exemplare im Jahr an die Leser bringen.“
„Das verstehe ich nicht.“
Die anderen hörten aufmerksam zu, als ich ihnen die Rechnung erklärte.
„Nehmen wir an, dein Buch kostet zehn Euro im Laden. Im Regelfall bekommst du zehn Prozent Honorar vom Verkaufspreis und die Sache mit der Mehrwertsteuer lasse ich jetzt mal weg, sonst wird es zu kompliziert. Wenn du 20.000 Bücher im Jahr verkaufst, verdienst du also 20.000 Euro. Davon holt sich der Staat mindestens 2.500 über die Steuer und die Krankenkasse kostet dich nochmal dasselbe. Bleiben dir 15.000 im Jahr, also 1.250 Euro im Monat. Davon kann man leben, aber es nicht viel.“
Ich ließ es eine Weile sacken und nahm einen tiefen Zug aus dem Weizenbierglas.
„Aber 20.000 Leser im Jahr ist doch kein Ding“, sagte Strawberry High schließlich. „Ich habe mehr als 20.000 Seitenzugriffe auf meinem Blog im Monat.“
„Das sind immer die gleichen paar tausend Leute, die deine Texte umsonst lesen. Das heißt noch nicht, dass sie deine Bücher kaufen. Was glaubst du wie viele Autoren – Sachbücher und Promi-Autobiographien mal ausgenommen – 20.000 und mehr Bücher im Jahr verkaufen?“
„Keine Ahnung.“
„Ich war mal mit Sten Nadolny auf einer Tagung eingeladen. Es ging um das Thema Zeit. Auf dem Rückweg haben wir im Speisewagen gesessen und ein wenig geplaudert. Damals war ich so alt wie ihr. Ich habe ihn gefragt, wie viele Leute in Deutschland so wie er von Literatur leben können. Er fragte mich nach meiner Schätzung. Ich war so naiv und habe zweihundert gesagt. Er hat nur gelacht. Weniger als hundert und etliche davon haben einen reichen Ehepartner, eine Erbschaft, einen Redakteursposten oder eine Professur im Hintergrund.“
Die jungen Leute schwiegen betreten.
„Jetzt seit ihr deprimiert, oder?“
Keine Antwort. Schließlich sagte Strawberry High: „Soll ich mit dem Schreiben aufhören?“
„Nein“, sagte ich. „Du willst auch gar nicht mit dem Schreiben aufhören. Du bist Künstler, du kannst gar nicht anders. Aber such‘ dir einen Job, mit dem du die Miete zahlen kannst und krankenversichert bist. Ein Job, der dir genug Zeit zum Schreiben lässt. Wenn du dir jeden Tag um die Miete oder um die nächste Mahlzeit Sorgen machen musst, hast du den Kopf nicht frei. Es geht dir dann so wie einem Krebskranken, der sich auch nicht mehr auf seine Arbeit am Text konzentrieren kann. Bonetti ist eine Ausnahme. Er hat es doch selbst erklärt: ein Prozent der Autoren verdienen 99 Prozent des Geldes und 99 Prozent der Autoren verdienen ein Prozent des Geldes. Das ist die Wahrheit.“
Kraftwerk - Der Telefonanruf. https://www.youtube.com/watch?v=15UQO9j5aFw

Montag, 18. Juni 2018

Russen und Deutsche

Ich habe am Ingelheimer Gymnasium fünf Jahre lang Russisch gelernt. 1980 bis 1985. In einer Zeit des Russenhasses, die der jetzigen Epoche in nichts nachsteht. 1984 haben wir mit dem Russisch-Kurs eine Reise nach Moskau und Leningrad unternommen. Die russische Reiseführerin zeigte uns im heutigen Petersburg die Massengräber ihrer Vorfahren, ohne uns junge Menschen zu beschuldigen. Sie zeigte einfach nur die Opfer der Nazi-Belagerung - ohne Pathos, ohne Anklage. Mehr als eine Million Menschen verloren damals ihr Leben – fünfzigmal mehr als beim Luftangriff auf Dresden.
Die Russen hätten auch 2018 viele Gründe, nachtragend zu sein. #Sanktionen. Aber sie sind es nicht. Deutsche Länderspiele wurden nicht in Petersburg oder Wolgograd, dem ehemaligen Stalingrad, angesetzt. So primitiv würden die Russen niemals sein. Aber die deutschen Medien begeben sich auf ein Niveau der Berichterstattung herab, als würde es sich bei einem Staat wie Russland nicht um eine Kulturnation ersten Ranges handeln, sondern um ein gigantisches Konzentrationslager. Soviel Kritik hätte ich mir vor einigen Tagen gegenüber Nordkorea und Trump gewünscht.

Zeichnungen 6

Sonntag, 17. Juni 2018

Zeichnungen 5

Fußballweltmeisterschaft 1982

Fünf Mark hat das Sonderheft der Zeitschrift „Sport“, die es schon lange nicht mehr gibt (der Herausgeber „Deutscher Sportverlag“ existiert allerdings noch und befasst sich mit Galopprennen), damals gekostet. 1982. Die Mittelstufe des Gymnasiums lag gerade hinter mir. Nach dem Endspiel der WM habe ich meinen sechzehnten Geburtstag gefeiert. Das Heft habe ich natürlich aufgehoben.
Was für eine Mannschaft, die mit Trainer Josef „Jupp“ Derwall aus Würselen (kein Witz) nach Spanien fährt. Sturmgiganten wie Karl-Heinz Rummenigge, Klaus Fischer und Horst Hrubesch werden für die Tore sorgen. Im Mittelfeld zaubern Paul Breitner und Felix Magath. In der Abwehr warten das Bollwerk Stielike – Kaltz – Briegel und die Förster-Buben. Harald „Toni“ Schumacher steht im Tor. Junge Talente wie Lothar Matthäus, Hans Peter „Hansi“ Müller oder Pierre Littbarski ergänzen die Truppe; verletzungsbedingt fehlt Bernd Schuster.
Wer wird Weltmeister? Im Heft geben die Experten ihre Tipps ab. Günter Netzer sagt: Deutschland. Helmut Kohl und Karl Dall auch. Bernie Ecclestone tippt auf Brasilien. Thomas Gottschalk auf Brasilien oder Deutschland. Frank Elstner sieht es genauso. Bekanntlich hat Italien damals das Endspiel im Bernabeu-Stadion in Madrid gewonnen.
Diego Maradona ist mit sechs Millionen Mark pro Jahr der Spieler, der am meisten verdient. Zwei Drittel des Geldes kommen von Konzernen, für die er Werbung macht. Davon können deutsche Spieler nur träumen. Im Interview sagt der Kölner Torwart Schumacher: „500.000,- netto oder 600.000. Ja, da würde ich sofort gehen, auch nach Saudi-Arabien.“ Deutschlands Kapitän Rummenigge verdient beim FC Bayern 40.000 Mark im Monat, ohne Nebeneinkünfte. Peanuts aus heutiger Sicht. Für die Übertragungsrechte müssen ARD und ZDF unglaubliche sechs Millionen Mark hinblättern!
Ich habe mich damals auf das Turnier gefreut, das Sonderheft war jeden Pfennig wert. Und dann das! Auftaktniederlage gegen Algerien. Der Nichtangriffspakt gegen Österreich im letzten Gruppenspiel, so dass beide Mannschaften in die nächste Runde kamen. Seither finden die letzten Gruppenspiele immer parallel statt, um Schummeleien wie die „Schande von Gijón“ zu verhindern. Das Halbfinale gegen Frankreich, die legendäre „Nacht von Sevilla“ mit dem ersten Elfmeterschießen der WM-Geschichte, war das spannendste Spiel, das ich je gesehen habe. Schließlich die unrühmliche 3:1-Schlappe gegen Italien im Endspiel.
P.S.: Zu Weihnachten bekam ich damals den Bildband „Fußball-WM 1982“ von Frank Beckenbauer. Der „Kaiser“ war zu diesem Zeitpunkt noch Spieler für den HSV (zu diesem Zeitpunkt in der 1. Bundesliga), aber nicht mehr für die Nationalelf. Er hat trotzdem auf seine Weise Geld mit der WM verdient und für den Bertelsmann-Verlag  seinen Namen verkauft  ein Buch gemacht. Im Vorwort schrieb er: „Die WM hat mir Spaß gemacht. Ich habe mit Freude für dieses Buch gearbeitet. (…) Und ich habe dabei eines festgestellt: Zum Trainer würde ich nicht taugen.“ Zwei Jahre später war er Nachfolger von Derwall.
P.P.S.: Die WM 1982 war das erste Turnier mit 24 Mannschaften, vorher waren es immer sechzehn gewesen. Viele Fans fanden das damals nicht gut. 2026 wird mit 48 Mannschaften in drei Ländern gespielt. Tendenz: irgendwann sind alle etwa zweihundert Verbände dabei, die WM ist immer und überall.
Jenny Rock - Douliou Douliou St-Tropez. https://www.youtube.com/watch?v=bWYWWrnXzsc

Donnerstag, 14. Juni 2018

Zeichnungen 2

WM-Schlagzeilen 2018



Heißer als Chili: Showdown gegen Mexiko.


Maradona nach 0:5 gegen Schweden: Schlechteste deutsche Mannschaft seit 1978.


Zieht den Koreanern die landestypischen Hosen aus!


Zweites Müller-Eigentor – Wird Lewandowski zwangsarisiert?


Weißes Pulver in kolumbianischem Quartier! Wirklich nur Puderzucker?


Morgen in BILD: Franz Beckenbauers Höschenblitzer!


WM-Aus: Heynckes, Jauch oder Dobrindt – Wer wird neuer Bundestrainer?


1:0 für Putinho! Geheime Kreml-Absprache vor Endspiel?


B. Scheuert: Bayern 2022 mit eigener Nationalmannschaft.


Javansinn! Indonesien WM-Gastgeber 2030.


Mittwoch, 13. Juni 2018

Zeichnungen aus der alten Republik 1

Früher habe ich nicht nur geschrieben, sondern auch gezeichnet. In den nächsten Tagen werde ich ein paar Seiten aus den Jahren 1987 bis 1990 präsentieren.

Lust, Vergnügen & Genuss


Blogstuff 219
„Dat Glück is mit die Doofen.“ (Ruhrpottweisheit)
Die Bewohner der Berliner Innenstadt und die Affen von Gibraltar haben eines gemeinsam: sie leben davon, begafft zu werden.
Mit der Bewegung meines linken Arms versuche ich, eine winzige Fliege von einem Blatt Papier zu verscheuchen. Mein Arm wiegt vermutlich so viel wie eine Milliarde dieser Fliegen. Mit dieser Bewegung habe ich mehr Energie verbraucht als sie in ihrem ganzen Leben. Erreicht habe ich nichts.
Warum nicht auch mal was Englisches eindeutschen? Wo bleibt der Friseursalon mit dem Namen „Heerkatz“? (dauert vielleicht ein bisschen)
Hätten Sie’s gewusst? Mit einer Wasserwaage können Sie auch Mehl wiegen.
Der bayrische Heimatminister Hinnerk van der Kluntje sagte heute auf einer Pressekonferenz …
Populistische Politik bedient dasselbe Bedürfnis wie schlechtes Fernsehen: die Sehnsucht nach einer heilen Welt und Geborgenheit.
Ich habe mir Anarchy™ von Axe™ gekauft. Ich bin einfach der Typ für dieses Deo.
Schwer im Trend: Tampons, die mit Wodka vollgesogen sind, in Anus oder Vagina einführen. Über die Schleimhäute wird der Alkohol aufgenommen und es kommt wesentlich schneller zum erwünschten Rauschzustand als durch orale Einnahme.
Erinnern Sie sich noch an die roten Teufel vom Betzenberg? 1998 waren sie zuletzt deutscher Fußballmeister, dann folgte der Abstieg in die zweite Liga, in diesem Jahr ging es noch eine Etage tiefer in die dritte Liga. Die Parallelen zu den roten Schnarchnasen von der SPD sind offensichtlich. 1998 feierten sie ihren letzten großen Wahlsieg, in diesem Jahr folgte der Abstieg in die zweite politische Liga. Von der Volkspartei zur Partei zwischen fünf und fünfzehn Prozent – wie die Grünen, die AfD, die FDP und die Linken. Werden wir den Abstieg in die dritte Liga, also unter die Fünf-Prozent-Marke, noch erleben?
„The Busted Condom Society“: Treffpunkt aller unerwünschten Kinder. Vielleicht gibt es auch in Ihrer Stadt eine Ortsgruppe?
Für wen und zu welchem Ende betreibe ich eigentlich den Schreibaufwand? Schreibt man seine Worte nicht jeden Tag in den Sand, bevor die nächste Flut kommt? Selbst eine Buchveröffentlichung ist kein Trost. Die Zeit wischt unsere Bemühungen immer wieder weg. Trotzdem geht es weiter. Ohne Grund, ohne Happy End.
Immer alles positiv sehen! Fehler sind die Basis deines Verbesserungspotentials. Es sei denn, dein Handy war noch in der Hose, die gerade im Schleudergang durch die Waschmaschine rotiert.
Ursache und Wirkung treffen sich: „Manager eines Energiekonzerns während eines Jogginglaufs von Orkan überrascht und vom Baum erschlagen“.
Hätten Sie’s gewusst? 1881 zieht die Familie Bourbon in die Vanille.
Der Satz „In dieser Nacht steckte er den USB-Stick der Liebe in den Laptop des Lebens“ aus dem Homosexuellenmelodram „Arztbesuch im Popoland“ von Heinz Pralinski wurde vom Bundesverband der Schweinezüchter und Literaturkritiker zum schlechtesten Satz des Jahres gekürt.
P.S.: Alle Produkte von Bonetti Media Unlimited werden seit diesem Jahr von Brainforrest Alliance Deutschland (B.A.D.) zertifiziert.
The Alan Parsons Project - The Fall Of The House Of Usher. https://www.youtube.com/watch?v=Y4K6j0m2mxE

Dienstag, 12. Juni 2018

Die letzte Kaiserin

Es war eine große Zeit. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands kam es zu einem ungeahnten Aufschwung der Wirtschaft. Deutsche Industrieprodukte waren überall in der Welt begehrt, der Handel und das Bankwesen blühten. Die politischen Verhältnisse waren innen- und außenpolitisch stabil. Die Lohnarbeiter kuschten brav unter der Knute ihrer Herren und hatten keinerlei parlamentarische Vertretung.
Mit Österreich-Ungarn und Italien hatte man den „Dreibund“ geschlossen, zwischen den Herrscherhäusern in Berlin, Wien und Sankt Petersburg gab es das „Drei-Kaiser-Bündnis“. Mit dem englischen Königshaus waren die Hohenzollern verwandt, das demokratische Frankreich war eine Großmacht ohne Verbündete. Fun Fact: Der Kilimandscharo war der höchste Berg des Deutschen Reichs.
Aber deutsche Großmannssucht, Überheblichkeit und der Irrglaube an die technische, ökonomische, moralische und rassische Überlegenheit führten dieses Reich erst in die Isolation und dann in die Katastrophe der Weltkriege, in den Untergang und die Hölle des Massenmords.
Nach der Wiedervereinigung 1990 begann es ähnlich verheißungsvoll. Heute sind wir unbestritten ein Globalisierungsgewinner und schwimmen im Geld. Andere müssen Schulden bei uns machen, um überhaupt noch die vielen großartigen Erzeugnisse unserer Konzerne bezahlen zu können. „Made in Germany“ ist ein Qualitätssiegel wie zur Zeit des letzten deutschen Kaisers. Wir hatten in den neunziger Jahren viele Verbündete in der Welt. Das Verhältnis zu den Supermächten USA und Russland, zu Frankreich, Großbritannien, Italien, Österreich und Ungarn war entspannt, die Lage stabil.
Welche Verbündeten haben wir heute noch? Das Verhältnis zu Russland ist zerrüttet, die Beziehungen zu den USA gehen in diesen Tagen den Bach hinunter. Großbritannien verabschiedet sich mit dem Brexit von der gemeinsamen Politik, Italien widerspricht offen der deutschen Besserwisserei und nimmt die deutsche Hegemonie in der EU nicht mehr hin. Frankreichs konkrete Vorschläge zur Vertiefung des Bündnisses bleiben seit einem Jahr unbeantwortet. Rassismus und Nationalismus sind in Deutschland wieder salonfähig und finden eine wachsende Anhängerschar.
Merkel geht gerade den Weg, den Wilhelm II. gegangen ist. Dazu passt der Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses. Das Ende ist offen. Noch. Aber ein Blick ins Geschichtsbuch genügt. Wenn es den Deutschen zu gut geht, glauben sie, dass sie niemanden mehr brauchen. Der Starke ist am mächtigsten allein, lässt Schiller seinen Helden Wilhelm Tell sagen. Einsam und unverstanden wie 1914.

Montag, 11. Juni 2018

Emilija

„There’’s more room in a broken heart.“ (Carly Simon: Coming Around Again)
Er lag auf dem Bett wie jemand, der gar nicht vorhatte zu schlafen. Die Hände hinter dem Kopf verschränkt und mit offenen Augen. Seine Tage waren leer wie ein japanischer Zen-Garten, aber voller Ruhe und Gelassenheit. Er bewohnte den ersten Stock eines alten Backsteinhauses. Im Erdgeschoss lag die Kneipe, die er bis vor einigen Jahren betrieben hatte. „Lobotomie 21“. Jetzt war der Rollladen der Eingangstür für immer geschlossen.
Der Hinterhof war von einer verwitterten Mauer umgeben. Am hinteren Ende war eine Werkstatt, der er schon seit Jahren nicht mehr betreten hatte. Neben dem Hoftor war ein Schuppen voller rostigem Trödel. Auf dem Hof stand ein alter Opel Diplomat, der seit zehn Jahren abgemeldet war. Im Hoftor, das aus Holzbrettern bestand, von dem die lindgrüne Farbe abblätterte, war eine kleine Tür eingelassen, durch die er gelegentlich die Straße betrat, wenn er einkaufen ging.
Das Haus lag an den stillgelegten Schienen zwischen einer Großstadt und der Provinz. Unmittelbar an sein Grundstück grenzte ein Gewerbegebiet mit gigantischen fensterlosen Würfeln von Versandhändlern und Logistikzentren. Er sah auf der Straße nur die vielen Lkws, aber keine Menschen, wenn er von seinem Wohnzimmerfenster hinabblickte. Schlafzimmer, Bad und Küche lagen auf der Rückseite des Hauses, vor den Fenstern lagen der Hinterhof und die Gleise.
Eines Tages eröffnete am Ende der Straße eine Imbissbude. Auf dem Weg zum Supermarkt an der Landstraße legte er eine Pause ein, aß eine Currywurst und trank einen Kaffee. Er hörte sich das Fernfahrergequatsche an und plauderte gelegentlich ein paar Takte mit der Würstchenverkäuferin. Sie hieß Emilija und kam aus Lettland. Irgendwann kam er jeden Tag und blieb immer länger. Nachmittags war wenig los und es tat ihm gut, mit einem Menschen zu reden.
Es war im Frühling, als ein Stammgast sich den Spaß erlaubte und zu ihnen sagte: „Ihr würdet ein tolles Paar abgeben.“
Emilija lachte. „Ich brauche keinen Mann.“ Dann warf sie zwei Hände voll Pommes in die Fritteuse.
„Ich interessiere mich nicht für Frauen“, sagte er leise.
Dann sah er Emilija in die Augen.
Am nächsten Tag zog sie bei ihm ein. Es war der Beginn einer wunderbaren Zeit. Sie eröffneten die alte Kneipe wieder. „Trucker’s Delight“ war der neue Name. Das Autowrack verschwand vom Hof und der Schuppen wurde entrümpelt. Morgens duftete es herrlich nach Kaffee, mittags nach Bratwurst. Die Fahrer kamen gerne in das gemütliche Lokal und im Winter hatten sie es warm. Das ist schon die ganze Geschichte. Nichts Besonderes, aber Emilija und ihm gefiel es.

Saint Germain - Sure Thing (feat.John Lee Hooker). https://www.youtube.com/watch?v=y7soACtNgJo

Samstag, 9. Juni 2018

Amtlicher WM-Tipp

Seit 1986 sehe ich die Fußballwelt- und europameisterschaften mit Freunden in Wackernheim. Je wichtiger das Spiel, desto voller das Wohnzimmer. Bis zu fünfzehn Leute sitzen dann vor der Glotze. Traditionell wird in Rheinhessen Weißweinschorle und Spundekäs zum TV-Event gereicht. Spundekäs ist vegetarisches Fingerfood, leicht herstellbar und wird mit kleinen Bretzeln genossen. Natürlich gibt es eine Tipprunde, die ich traditionell - mit Ausnahme der WM 2002 - haushoch verliere. Etwa zwanzig Spielerinnen und Spieler haben sich in diesem Jahr mit fünf Euro beteiligt. Früher hat der einzige von uns, der Mathe studiert hat, den Sieger errechnet, heute gibt es Computerprogramme.
Mein Tipp: Deutschland fliegt im Achtelfinale gegen Brasilien raus, Spanien wird Weltmeister. Was denken Sie? Geben Sie Ihren Tipp im Kommentarbereich ab! Schreiben Sie mir nicht, wie unwichtig Fußball ist. Das weiß ich selbst. Wer für den TuS 09 Schweppenhausen und die Spielvereinigung Ingelheim in der Kreisklasse gespielt hat, hat keine Illusionen mehr.
Der erste Gegner der DFB-Auswahl ist Mexiko. Erkennen Sie Lothar Matthäus unter seinem Sombrero? https://www.youtube.com/watch?v=tffACIijQ8k

Freitag, 8. Juni 2018

Es lebe der Populismus – eine Entgleisung

„Vergessen wir nicht, dass das Imperium Romanum auch nur ein skrupelloses Geschäftsunternehmen war und die großen Römer sämtlich Spekulanten waren. Und trotzdem liegt Schönheit über dem Römertum. Für das ‚Imperium Germanicum’ der Zukunft wünsche ich viel tun zu können. Die ungeheuren Dimensionen adeln da alles, was in kleinen Verhältnissen krämerhaft wirkt.“ (Oswald Spengler)
Träge schippert der rostige Datenkreuzer Bonetti durch die Weiten des Internets. Nirgends Hoffnung, nirgends Licht. Das verdammte dreizehnte Jahr der Merkelherrschaft, das Universum wird von den Borg-Drohnen aus Wirtschaft, Politik und Medien dominiert.
Ich bin müde, ich bin alt. Links und rechts von mir sehe ich Blogger in den Staub sinken, ihre Texte verglühen in der Sonne des Konzernkapitalismus. Wie weit werde ich mich noch schleppen? Die DSGVO hat mich den Kommentarbereich, die Musik und die Bilder gekostet. Es laufen nur noch die Notstromaggregate, der WARP-Antrieb ist ausgefallen. Die Mannschaft findet die Antwort auf ihre Fragen im Alkohol, ich bin alleine auf der Brücke. Einer muss da sein, denke ich, einer hält Wache.
Aber dann kommt plötzlich Hoffnung auf. Italien. Sehnsuchtsort. Heimliche Liebe jedes aufrechten Poeten. Il Popolo hat das Establishment hinweggefegt. Die grauen Herren der Berliner Zeitsparkasse verlieren die Kontrolle. Merkel lässt die Bestien ihrer Medien von der Kette. Schnorrer seien sie, die Italiener, Worte wie Arbeitslager klingen unausgesprochen im Hintergrund. Die Griechen haben als erste den Ausbruch aus den Ketten des deutschen Spardiktats gewagt. Sie sind gescheitert. Aber der Spartakus-Aufstand der Italiener ist ungleich stärker. Wir wollen leben! Wir wollen nicht auf Morgen warten!
Amerika ruft derweil einen Handelskrieg gegen die Deutschen aus. Der teutonische Exportchauvinismus kommt von zwei Seiten unter Druck. Drecksautos, die den Planeten verpesten, Chemikalien, die unsere Lebensgrundlagen zerstören, Maschinen, die sinnlosen Plastikmüll produzieren. Weg damit! Dem ökonomischen Imperium Germanicum wird der Kampf angesagt.
Ich wünsche Euch viel Glück! Das selbstgefällige, besserwisserische Deutschland, an dessen Wesen wieder einmal die Welt genesen soll, braucht richtig was in die Fresse. Schon jammern die Sith-Lords der Volkswirtschaftslehre über sinkende Auftragseingänge und abgeschwächtes Wachstum. YEAH !!!

Das letzte Geheimnis der DDR

Sie galt als das größte Geheimnis von Honecker und Mielke: die „Gesellschaft für lyrische Rätsel“, kurz GLR. Eigentlich stand die Abkürzung für „Geheimes Labor für Raumfahrtsimulation“. Hier sollte die Teilnahme von Kosmonauten der DDR an Weltraummissionen der UdSSR vorgetäuscht werden, falls den Russen mal das Geld ausgehen sollte oder etwas schief gelaufen wäre.
Auf dem Gelände eines ehemaligen Braunkohlereviers in der Nähe von Cottbus war das eingezäunte Gebiet der GLR. In einem Gebäude war das Innere einer Raumstation nachgebaut. Kamera und Tonband konnten bei Bedarf sofort von den Mitarbeitern der zuständigen Stasi-Abteilung, Code-Name „Peterchens Mondfahrt“, eingeschaltet werden. Einer der drei Pseudokosmonauten, die im Drei-Schicht-Betrieb rund um die Uhr arbeiteten, saß immer in voller Montur, d.h. im Raumanzug, den Helm griffbereit, in der Kopie einer Sojus-Kapsel vor dem Steuerpult.
Im zweiten Gebäude lebten Dieter, Olaf und Peter zusammen mit dem vierten GLR-Mitarbeiter. Erich musste keinen Schichtdienst machen. Er war ein lakonischer Phlegmatiker, der sich verpflichtet hatte, im Falle des Todes eines DDR-Kosmonauten die Leiche zu spielen. Wäre ein Kosmonaut im Weltraum verschollen oder seine Leiche nach dem Absturz einer Raumfähre unauffindbar gewesen, hätte man seinen toten Körper bei einer festlichen Bestattung als Held des Sozialismus gewürdigt. Er musste immer eine Zyankalikapsel bei sich tragen. Arbeiten musste er nie. Ihre Bilder waren regelmäßig im Neuen Deutschland und der Aktuellen Kamera zu sehen, so dass die Bevölkerung an den Anblick ihrer Allerweltsgesichter gewöhnt war.
Eine Woche nach dem Rücktritt von Honecker beschlossen die vier Jungs, mit ihrem Geländewagen das Gittertor der Umzäunung zu durchbrechen. Es war eine abenteuerliche Fahrt, die Stasi-Bewacher verfolgten sie mit zwei Wartburg. Es gelang ihnen, die Stasi mit einer kleinen Querfeldeinvorstellung abzuhängen. In einer bedeutungslosen Seitenstraße von Cottbus besuchten sie einen Freund von Olaf, der sie mit Zivilklamotten versorgte und ihnen seinen Trabi im Tausch gegen den Jeep gab. Beim Abschied sagten sie ihm, er müsse den Wohnort und den Namen wechseln, weil die Stasi vermutlich bald bei ihm wäre. Das fand der Freund nicht so gut.
Aber schon quietschten die Reifen und es ging weiter nach Ost-Berlin. Dort tauchten sie in der Menschenmenge unter, die täglich nach West-Berlin pilgerte, um sich McDonald’s und Deichmann anzuschauen. Sie gerieten in Kreuzberg in eine Kiffer-WG und nahmen zum ersten Mal in ihrem Leben Drogen. Ein kleiner brauner Erdklumpen auf einem alten Holztisch, hart und seltsam duftend, wenn man ihn anzündete, sollte ihr Leben verändern. Der Osten brauchte nicht nur Opel und Marlboro – er brauchte Dope in rauen Mengen. Dieter, Olaf, Peter und Erich hatten endlich ihre eigentliche Bestimmung gefunden und dienen auf diese Weise bis heute der Gesellschaft.

Donnerstag, 7. Juni 2018

IG GAGA

„Komm schon. Beim letzten Mal hast du Ja gesagt.“ Henry lachte.
„Ich habe nur gesagt, dass ich es mir überlege“, antwortete Stefan.
Die beiden standen im Fahrstuhl. Wiener Straße, Kreuzberg. Feierabend.
„Wann warst du zum letzten Mal im Park?“
Henry sprach einen wichtigen Punkt an. Seit Jahren war er nicht mehr auf der anderen Straßenseite im Görlitzer Park gewesen. Nachdem die Drogenszene von der Polizei vertrieben worden war, hatten sich die christlichen Sekten den Park unter den Nagel gerissen. Tagsüber veranstalteten sie dort ihre Treffen, nachts war der Park gesperrt. Drogen gab es jetzt am Mariannenplatz zu kaufen.
„Samstag gibt es das Abendmahl mit Tofu-Hot Dogs und Riesling.“ Henry ließ nicht locker.
„Vielleicht komme ich mit“, sagte Stefan.
„Ich kann ja mal bei dir klingeln. Kostet ja nichts.“
Dann stiegen sie aus dem Fahrstuhl und gingen in ihre Wohnungen, die sich auf dem gleichen Stockwerk gegenüber lagen.
Am Abend dachte Stefan über die ganze Sache nach. Viele Menschen waren Mitglieder der neuen Sekten geworden. In Berlin war die IG GAGA die Sekte, die am erfolgreichsten in der Anwerbung neuer Anhänger war. Die Abkürzung stand für „Internationale Gemeinschaft – Glauben an God Allmighty“.
Die Mitgliedschaft war kostenlos und er würde endlich mal wieder in den Park kommen. Außerdem könnte er dort Johanna treffen. Sie arbeitete in derselben Abteilung bei Percy Hempel & Tochter in Britz wie er. Sie ging ihm nicht mehr aus dem Kopf.
Die IG GAGA war auch politisch aktiv. Bei der letzten Wahl zum Abgeordnetenhaus hatte sie sieben Prozent bekommen. Sie versprach ein Ende des Egozentrismus und der Ellbogengesellschaft. Sie setzte sich gegen den Islam ein, war aber nicht rechts. Das gefiel Stefan.
Am Samstag ging er mit Henry in den Park. Auf dem Weg dorthin wurden sie von einer Aldi-Drohne geortet, die sich sofort auf sie stürzte. Sie flog dicht über ihren Köpfen und plapperte Werbesprüche und Sonderangebote vor sich hin. Diese Biester ließen sich nicht abschütteln. Zum Glück waren die Werbedrohnen nur auf öffentlichen Straßen und Plätzen erlaubt, nicht bei religiösen und politischen Veranstaltungen.
Im Görlitzer Parkt wehte das Banner der IG GAGA auf einem hohen Mast, unter dem sich hunderte Menschen versammelt hatten. Henry stellte Stefan dem Priester und anderen Sektenmitgliedern vor. Er wurde von vielen Menschen umarmt, alle lächelten ihn an.
Er würde für immer zu ihnen gehören. Er war nicht mehr allein.

Mittwoch, 6. Juni 2018

Das Museum

„Ich bin Science-Fiction-Autor. Ich verkaufe Träume. Mein Leben ist ein Traum.“ (Philip K. Dick: Valis)
Der Raum hatte kein Fenster. Der alte Mann lag im Krankenbett, diverse Maschinen kontrollierten seine Körperfunktionen. Er sah auf seine Hände hinab. Sie waren voller Runzeln und Flecken. Wie alt war er inzwischen?
Dann kamen die drei Historiker. Jeden Morgen das gleiche Ritual. Sie fragten, ob es ihm gut gehe. Sie überprüften die Nährstoffzufuhr und seine Daten. Dann drehten sie einen winzigen Hahn auf. Die Droge floss über eine Kanüle in die Vene seines rechten Arms.
Er wachte in seinem Kinderzimmer auf. Die Sonne schien hell, er sah den makellos blauen Himmel. Seine Mutter erschien in der Tür. Der Frühstückstisch in der Küche war schon gedeckt. Es gab Toastbrot mit Butter und Marmelade. Ein Glas Milch mit Erdbeergeschmack. Er mochte den Geschmack von Milch nicht. Deswegen standen im Küchenschrank Behälter mit Pulver in den Geschmacksrichtungen Vanille, Banane und Erdbeere, die man in die Milch einrühren konnte.
Er war in der Schule. Der Mathematikunterricht interessierte ihn nicht. Er sah aus dem Fenster oder unterhielt sich flüsternd mit seinem Nachbarn. Nachmittags spielte er Fußball mit seinen Freunden aus der Nachbarschaft. Abends sah er fern. Die Droge ermöglichte es ihm, sich exakt an jede Minute zu erinnern. Alles war in seinem Unterbewusstsein gespeichert. Jetzt konnte er den ganzen Tag noch einmal erleben.
Der alte Mann sprach die ganze Zeit und seine Erzählungen wurden aufgezeichnet. Er konnte von den Stränden berichten und von den Bergen. Vom Leben in der großen Stadt und einem Besuch auf dem Bauernhof. Er hatte studiert und später als Angestellter in einem Konzern gearbeitet. Er hatte jeden Tag die Nachrichten gesehen und wurde für die Historiker auf diese Weise zu einem lebenden Geschichtsbuch. Er hatte viele Bücher gelesen, die auf diese Weise der Nachwelt erhalten blieben.
„Wie lange werden wir diesen Mann noch verwenden können, Mister Grey?“
„Er ist schon sehr alt. Er wird vermutlich sterben, bevor er uns alles erzählt hat. Lassen Sie ihn nur einen Tag pro Monat seines Lebens wiederholen. Vergessen Sie die Nächte, vergessen Sie die Träume.“
„Glauben Sie, diese vielen banalen Details seiner Erinnerungen werden uns helfen?“
„Eines Tages werden wir auf die Oberfläche zurückkehren, Mister Dark. Unsere Kinder sollen das Leben der alten Welt nicht vergessen. Wir werden Computersimulationen herstellen, die es kommenden Generationen ermöglichen, die Vergangenheit zu studieren. Wir haben nicht mehr viele Menschen, die sich an die alten Zeiten erinnern können. Das Gedächtnis dieses Mannes ist ein Museum der Erinnerungen.“
„Wir sind mehr als nur Historiker“, sagte Mister Black, der bisher geschwiegen hatte. „Wir sind die Zukunft.“

Dienstag, 5. Juni 2018

Die Entführung

Sie war an einen Stuhl gefesselt und wir hatten sie geknebelt, um ihr Geschrei schon im Ansatz zu unterbinden.
„Sie brauchen keine Angst zu haben“, sagte ich zu ihr.
Die Augen der Justizministerin gaben mir eine andere Antwort. Sie dachte offenbar, sie sei in den Händen von mordlüsternen Terroristen.
Ich zeigte ihr die Schafschermaschine.
„Wir werden Ihnen eine Glatze schneiden“, sagte ich.
Sie schüttelte wie wild den Kopf, aber ich fing einfach an.
„Wir behandeln Sie so, wie Sie die Mieter und Internet-User behandeln“, erklärte ich ihr, während ihr Haar in langen Strähnen auf den Boden fiel.

Montag, 4. Juni 2018

Elf Freunde sollt ihr sein

Nächste Woche beginnt wieder einmal das völkische Ringen um den Endsieg im Finale. Die Fußballweltmeisterschaft ist die sportliche Apotheose des Nationalismus. Seit 2006 ist auch Deutschland wieder satisfaktionsfähig, schwarz-rot-golden prangt uns jede Duplo-Packung im Supermarkt entgegen. Panini wirft die Heiligenbildchen millionenfach unters Volk. Wir freuen uns auf gaskammervolle Fanmeilen. Keine Olympischen Spiele und schon gar keine Paralympics werden das je schaffen.
Wie tief sich der Nationalismus, der letztlich nur ein sprachlich verbrämter Rassismus ist, der sich auf die Idee eines biologisch klar definierten Volkskörpers stützt, in die Köpfe eingenistet hat, sieht man an der Debatte um Özil und Gündogan, die sich mit dem Präsidenten aus dem Land ihrer Familien fotografieren ließen. Für jeden echten Nationalisten war es schon vorher klar, dass nur reinrassige Germanen das blütenweiße Hemd mit dem Reichsadler tragen dürfen.
Das nationalistische Hetzblatt „Der Spiegel“ stimmt uns diese Woche auf den neuen politischen Feind ein. Nach den Griechen und Russen sind es jetzt die Italiener, auf die sich die Geschütztürme deutscher Drohungen und deutschen Selbstmitleids gedreht haben. Natürlich ist es nur zu unserem Schutz. Wir müssen uns verteidigen, denn die Italiener mögen uns angeblich nicht mehr. Diese Schnorrer verprassen den ganzen Tag unser Geld, liegen faul in der Sonne und fressen Spaghetti statt Königsberger Klopse. Wir haben es immer gewusst. Feindschaft als Selbstverteidigung. Fragen Sie die Polen!
Wem das alles noch zu milde ist, wer es deftiger und härter braucht, dem wird vom faschistischen Demagogen Gauland reichlich eingeschenkt. Im Sportpalast bringt er die Höcke-Jugend mit seiner Vogelschiss-Metapher auf den orgiastischen Höhepunkt. Lasst uns Hitler und Auschwitz vergessen und in den Schulen wieder alle drei Strophen des Deutschlandlieds singen. Am besten zu jeder vollen Stunde. Die Bayern hängen Kreuze in die öffentlichen Gebäude? Das reicht nicht. Wir brauchen Hakenkreuze.

Das siebte Jahr

„Abends früh ins Bett
Suppe ohne Fett
Morgens Arsch warm
Fliegeralarm“
(in einer Duisburger Kneipe am Nachbartisch gehört)
Wir trafen uns im Apartment von Bubka Rettich, drei alte Freunde aus Schultagen. Bubka lebte wie ein Waschbär auf der Müllkippe, in seiner Wohnung konnte man alles fallenlassen – es war längst egal.
Seine roten Speckbacken zitterten vor Aufregung. „Zeigt mal, was ihr bekommen habt.“
Ich holte das Ergebnis meiner Bemühungen aus einer zerknitterten Papiertüte.
„Och“, sagte Mortimer Hastings. „Das sind ja nur Endsieg-Kekse und Endsieg-Zigaretten.“
„Es ist Monatsende. Ich habe nur noch Marken für Lebensmittel und Zigaretten übrig.“
„Verdammter Krieg“, maulte Bubka in weinerlichem Tonfall.
„Die verfluchte Regierung hat einen Deal mit Aldi gemacht. Auf meine ganzen Lebensmittelmarken bekomme ich nur Sachen der Hausmarke Endsieg. Wie soll man von zweihundert Gramm Brot am Tag und fünf Kilo Kartoffeln im Monat überhaupt leben?“ Ich war genauso frustriert wie meine Freunde.
„Seht mal, was ich hier habe.“ Hastings zog eine Flasche Gin aus seiner zerschlissenen Jacke.
„Alter Finne!“ Bubka schrie fast.
„Wie hast du das gemacht?“ fragte ich ihn.
„Fünf-Finger-Discount“, sagte Hastings lässig und schraubte den Verschluss auf. Er mochte seinen Vornamen nicht, deswegen nannten wir ihn Hastings.
„Darauf steht Arbeitslager“, bemerkte Bubka bewundernd, dann ließ er mit einem leisen Gluckern den ersten Schluck die Kehle hinunterrinnen.
„Ist das Arbeitslager schlimmer als das siebte Kriegsjahr?“ gab ich zu bedenken.
Wir rauchten eine Zigarette und schwiegen.
Ich hatte noch Glück gehabt. Ich arbeitete für Bonetti Media. Vor dem Krieg hatte ich Kriminalgeschichten geschrieben. Billige Verbrechen auf billigem Papier. Sechzig Seiten pro Heft. Ein Heft im Monat. Jetzt musste ich Landser-Geschichten schreiben. Die Kollegen aus der Zeitungsredaktion mussten die Hurra-Meldungen des Verteidigungsministeriums in seriös klingende Berichte umformulieren. Der ganze Verlag war auf Kriegsproduktion umgestellt worden.
Bubka arbeitete in einer Fabrik, die vor dem Krieg Spielzeugautos hergestellt hatte. Jetzt produzierten sie Spielzeugpanzer. Hastings war Kellner in einem Weinlokal, in dem der Riesling inzwischen in einem Verhältnis von eins zu drei mit Wasser gemischt war.
Alles war inzwischen auf Kriegsproduktion umgestellt und rationiert. Das Benzin, das Brot, die Margarine, Wurstersatz und Käsesurrogat. Richtiges Fleisch gab es schon lange nicht mehr. Ein Paar neue Schuhe pro Jahr. Im Fernsehen kamen nur noch Wiederholungen und Nachrichten vom angeblich bevorstehenden Endsieg. Das Militär kontrollierte das Internet und alle anderen Kommunikationskanäle. Die Kriegsregierung nannte sich „Die Erneuerung“, der Kriegskanzler hieß Neumann.
Alle hassten den Krieg, alle hassten die Regierung. Wie war es überhaupt so weit gekommen?

Sonntag, 3. Juni 2018

High Companion

Ich bin noch nie in einem Hochhaus gewesen, das so edel war. Selbst der Fahrstuhl war mit Mahagoni getäfelt und ein livrierter Diener drückte die Knöpfe.
Die Tür zum Apartment wurde mir von einem Butler geöffnet. Ich ging mit meinem Werkzeugkasten ins Wohnzimmer. Dort saßen sie alle.
Melissa McCarthy, Jonah Hill, Sarah Silverman, Seth McFarlane. Rund um den Wohnzimmertisch. Und ihre Bong war am Arsch. Angeblich runtergefallen, als einer von den vier Stars kurzzeitig das Bewusstsein verloren hatte.
Ich habe die Bong repariert. Das ist mein Job. Ich bin der High Companion. Ich habe auch ihren Koks-Spiegel poliert und die Crack-Pfeife gereinigt. Deswegen ruft man uns. Deswegen sind wir da.
High Companion. Telefon: 555-88810. Mail-Adi: info@high.com

Freitag, 1. Juni 2018

Wirtshausgedicht

Nach Bier und Würsten
Soll es dich dürsten
Graubrot in Scheiben
Sollst du vermeiden

Zu gebratenen Gänsen
Sollst du dich wenden
Kartoffeln und Braten
Sollst du entraten

Erbsen und Bohnen
Sollst du belohnen
Lauch und Karotten
Sollst du verspotten

Fenchel und Beeren
Sollst du verehren
Kraut und Rüben
Sollen dich betrüben

Zu Zander und Forellen
Sollst du dich gesellen
Auf Schnaps nach Gedichten
Sollst du niemals verzichten

Seine Welt

„Es war, als trüge er in sich, irgendwo in dieser trägen, ächzenden Fleischmasse, das Geheimnis: das, was sie alle bewegte und aufweckte, ein Versprechen auf etwas, das über den Stumpfsinn vollgestopfter Bäuche und monotoner Tage hinausging.“ (William Faulkner: Licht im August)
Es war natürlich die absolute Sensation des Jahres 2020. Darauf hatte die Welt schon viele Jahre gewartet. Aber es war dann doch etwas anders, als wir alle erhofft hatten.
Das Raumschiff der Außerirdischen war recht klein. Es klinkte sich in eine Erdumlaufbahn ein, ohne Kontakt mit uns aufzunehmen. Die Chinesen entdeckten es zuerst und sendeten eine Botschaft.
Es stellte sich heraus, dass das Raumschiff von einem intergalaktischen Konzern zu uns geschickt worden war. Alle hundert Jahre kontrollierte man den Planeten Erde. Vor fünfzigtausend Jahren hatte das Unternehmen hundert Gruppen mit je hundert gezüchteten Homo Sapiens auf der Erdoberfläche ausgesetzt. Man hatte sie mit grundlegenden Technologien wie Feuermachen, Hüttenbau, Jagd und der Herstellung von Waffen, Bekleidung und Behausungen vertraut gemacht.
Jetzt war man natürlich über die Entwicklung der Menschheit zwischen 1920 und 2020 erstaunt. Die Außerirdischen berichteten den Chinesen, dass sie sich über die Fortschritte ehrlich freuen würden. Nicht alle Setzlinge, die man im Laufe der Jahrmillionen in der Galaxie ausgesät habe, hätten sich so erfreulich entwickelt.
Zunächst herrschte auf der Erde großes Erstaunen, dann bekannten der Papst, der Dalai Lama und ein Sprecher der Hindus, dass man von diesen Dingen längst wusste. Der intergalaktische Konzern, der gerne ungenannt bleiben wollte, gab zu verstehen, dass er keinerlei Interesse an weiterer Kommunikation oder technologischer Hilfe für die Erdlinge habe.
Als Andy Bonetti die Meldung über den wahren Ursprung der Menschheit gelesen hatte, war er unglaublich deprimiert und zog sich endgültig in seine Privatwelt zurück. Er hatte sich auf zehn Hektar Land, das hermetisch abgeriegelt war, das Jahr 1975 nachbauen lassen. Eine Kleinstadt im Stil seiner Kindheit. Das Haus, in dem er aufgewachsen war. Gegenüber ein Tengelmann und der kleine Laden, wo er als Kind Comics und Süßigkeiten gekauft hatte.
Drei Fernsehsender, die das alte Programm abspielten: Dalli Dalli, Musik ist Trumpf, Bonanza und Raumschiff Enterprise. Im Radio liefen die Bay City Rollers, Frank Zappa und Vicky Leandros. Deutschland war Fußballweltmeister, Uli Hoeneß hatte noch nicht den Endspielelfmeter der EM 1976 verschossen. Kein Internet, keine Handys, aber Ariel-Werbung mit Clementine und Raider statt Twix.
Er ist nie wieder aus dieser Welt aufgetaucht. Und wir dürfen hoffen, dass die Firma aus dem Weltraum 2120 den Acker nicht umpflügt, weil hier alles aus dem Ruder gelaufen ist.