Sonntag, 31. Januar 2021

Offener Brief an Lars Reichow

 

Sie haben in einem Video ein Leberwurstbrot mit Marmelade beschmiert und anschließend verzehrt. Sie mögen als Komiker, d.h. auf äußerst zweifelhafte Art, Ihr Geld verdienen, aber das war nicht komisch. Als Mitglied des Vereins „Freunde der pfälzischen Leberwurst e.V.“ bin ich der Lebensfreude und dem Humor durchaus zugeneigt, aber dieser Vorgang ist unerhört. Wie ich bereits in einem bahnbrechenden Essay für „Leberwurst heute“, Ausgabe 5/2007, schrieb, sind Leberwurst und Marmelade eine Contradictio in adiecto.

Ich will kein Spielverderber sein, aber ich muss an dieser Stelle auf die Haager Landleberwurstordnung von 1899 hinweisen, die ausdrücklich die Kombination von Leberwurst und gesüßten Brotaufstrichen unter Strafe stellt, in diesem Falle nicht unter vier Wochen Leberwurstentzug. Mit großem Bedauern muss ich zur Kenntnis nehmen, dass es Ihnen ganz offensichtlich an der sittlichen Reife und dem notwendigen Ernst in Leberwurstfragen gebricht. Dieses Verhalten ist eines Rheinland-Pfälzers unwürdig, daher belegt Sie unser Verein „Freunde der pfälzischen Leberwurst e.V.“ bis zur Löschung des inkriminierten Videos mit einem Eintrittsverbot für das Leberwurstmuseum in Kaiserslautern.

Ich bitte Sie inständig: Gegen Sie noch einmal in sich. Noch ist es nicht zu spät, Ihre Seele dem Teufel zu entreißen.

Mit mahnendem Gruß aus Wichtelbach,

Andy Bonetti

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Samstag, 30. Januar 2021

Bonetti und die Fuge


Blogstuff 553

„Alle Leute haben Corona. Nur nicht Andy, der hat Andykörper.“ (Internet)

Gibt es von den Kritikern der Schutzmaßnahmen und der Impfstoffe eigentlich auch konkrete Vorschläge, wie man die Seuche beenden kann? Sie wollen keine Maske tragen, keinen Abstand halten, dicht gedrängt in Kneipen und Fußballstadien sitzen und sie wollen nicht geimpft werden. Aber wie wollen sie Menschenleben retten? Der Spruch „Es ist nur eine Grippe“ dürfte wohl kaum genügen. Kommt da noch irgendwas von den Querschwurblern, Neufundlandrabauken, Hildmann, Wodarg, Jebsen, Schiffmann oder aus dem Wutbürgerstübchen eines Berliner Oberlehrers? Ein einziger konkreter Vorschlag würde mir genügen. Aber vielleicht haben die Streithansel, Nörgler und Besserwisser überall in Deutschland, deren Arroganz mit ihrem mangelnden Fachwissen korreliert, auch kein Interesse an konstruktiven Beiträgen zur Problemlösung? Vermutlich fragen sich diese Leute gerade, warum Bill Gates als erstes die Juden in Israel chippen lässt.

Der erste Vertrag über Erdgaslieferungen zwischen der Bundesrepublik und der UdSSR wurde 1970 unterzeichnet. Ein Meilenstein der Entspannungspolitik von Willy Brandt. Schon zu Adenauers Zeiten war über dieses Geschäftsfeld verhandelt worden, allerdings scheiterten die Gespräche am Veto der USA. Seit 2011 ergänzt Nord Stream 1 die Lieferungen über die Pipeline auf dem Festland. Gerd Schröder hatte den Deal eingefädelt, Angela Merkel hat die günstige Verbindung durch die Ostsee, für die keine Transitgebühren an Belarus, Ukraine, Polen und Tschechien anfallen, eröffnet. Nord Stream 2 ist also nichts Neues unter der Sonne. Damals waren es die bösen Kommunisten, vor denen uns die geschäftstüchtigen Amerikaner warnten, jetzt ist es der Kreml-Blofeld.

Ich bin kein Putin-Versteher. Aber die verlogene Doppelmoral, gegen Russland Sanktionen zu fordern, während wir gleichzeitig mit den Chinesen, die in Hongkong die Demokratie zerschlagen und zahllose Uiguren in Zwangsarbeitslagern versklavt haben, und den Arabern, die Frauen und Andersdenkende wie den letzten Dreck behandeln, glänzende Geschäfte machen, kotzt mich einfach nur an. 

Ironie der Geschichte: Ein junger Engländer namens Charles Darwin kommt im Medizinstudium nicht recht voran und beschließt, Theologe zu werden. Mit 22 hat er seinen Bachelor in der Tasche, interessiert sich aber auch für Käfer und Botanik. Kurze Zeit später hat er die Möglichkeit, auf einem 10-Kanonen-Schiff der britischen Kriegsmarine eine Reise zu unternehmen. Die HMS Beagle sollte zu einer Vermessungsfahrt in den Pazifik aufbrechen. Damals war es durchaus üblich, einen Forscher mit auf Reisen zu nehmen. Es kam, wie es kommen musste: Ein Theologe widerlegte auf einer Kreuzfahrt die Schöpfungsgeschichte, einen Grundpfeiler der christlichen Kirche.

Mylo vs. Miami Sound Machine - Doctor Pressure (Dirty Radio Edit) - YouTube

 

Freitag, 29. Januar 2021

Endlich können wir genderneutral Skat spielen

 

Sind Sie auch so erleichtert wie ich? Die Spielkarten eines herkömmlichen Kartenspiels waren ja an Rückständigkeit und Peinlichkeit nicht mehr zu überbieten. Seit dreißig Jahren spiele ich daher aus Protest kein Kartenspiel mehr. Weder mit Freunden noch online. Das Kartenspiel ist nicht nur undemokratisch, sondern auch frauenfeindlich. Wie kann es einen König geben, wenn wir doch seit Jahrzehnten in einer Demokratie leben? Warum steht der Mann über der Frau und beide über dem Kind? König – Dame – Bube. Eine längst überholte Hierarchie, die für mich einen klaren Bruch des Grundgesetzes darstellt.

Aber eine mutige junge Frau hat nun ein genderneutrales Kartenspiel entwickelt. Gold – Silber – Bronze, die Karten sind mit Metallen gekennzeichnet. Damit ist der Geschlechterfrage Genüge getan, aber es ist doch sehr materialistisch, um nicht zu sagen: kapitalistisch gedacht. Wo bleibt das hierarchie- und damit herrschaftsfreie Kartenspiel? Warum steht die 9 höher als die 7? Sind nicht auch Zahlen vor dem Gesetz gleich? Was soll das ominöse Ass über dem König bzw. dem Gold? Symbolisiert es Gott? Dann wäre das Kartenspiel weltanschaulich nicht mehr neutral. Was ist mit dem proletarischen Grundgedanken des Skatspiels, dass den Buben über den König stellt? Fragen Sie Indy Mellink.

Mittwoch, 27. Januar 2021

Neulich am Telefon

 

A: Was machst du gerade?

B: Ich schneide Käse in Scheiben.

A: Kann man Käse nicht in Scheiben kaufen?

B: Du kennst meine Meinung zu Scheibenkäse.

A: Es ist wie mit den Miniatursportarten, oder?

B: Genau. Tischtennis und Minigolf sind kein Sport.

A: Kommst du wenigstens morgen Abend zur Party?

B: Morgen ist der Tag der Horen. Da huldige ich den Göttinnen, die mein Schicksal weben.

A: Hast du deswegen immer die Kapuze deines schwarzen Hoodies so tief in die Stirn gezogen?

B: Kann schon sein.

A: Okay. Dann viel Spaß noch.

B: Danke. Werde ich haben.

Perpetual - YouTube

 

Neulich bei der Partnervermittlung

 

Chef: Harald, schreiben Sie mir ein paar Anzeigen für das Lokalblättchen, Abteilung „Sie sucht Ihn“.

Harald: Was sind die wichtigsten Punkte?

Chef: Damit die Männer bei uns anbeißen, müssen die Frauen gut kochen und putzen können, Autos mögen und große Brüste haben. Ganz wichtig: Sie müssen anspruchslos sein.

Harry fängt an:

Alexandra, 62 J., hübsche Witwe aus der Region, ich bin eine einfache liebevolle Hausfrau, (…) bin nicht anspruchsvoll (…) fahre gern Auto (…).

Brigitte, 74 Jahre jung, (…) bin schlank, etwas vollbusig und liebevoll, gute Hausfrau und Köchin mit zwei fleißigen Händen (…).

Nadja, attraktive Witwe, 68 J., Rentnerin, bin eine prima Köchin, (…) fahre gern Auto. (…) Ich habe keine großen Ansprüche (…).

Irmgard, 78 J., verwitwet, bin eine ruhige liebevolle Hausfrau, habe ein großes Herz, eine weibl. Figur mit schöner Oberweite, ich koche gern u. gut, bin fleißig in Haus u. Garten u. habe ein Auto (…).

Ilona, 65 J., (…) mit flotter Figur (…), sparsam u. bescheiden, hervorrag. Köchin tip-top im Haushalt (…).

Alle Anzeigen aus dem VRM-Wochenblatt vom 23.1.2021.

Montag, 25. Januar 2021

Wissen rettet Leben

 

Die größte Stärke der Wissenschaft ist ihre Offenheit. Ihre Fähigkeit, neue Erkenntnisse aufzunehmen und alte Erkenntnisse zu verwerfen. Ein Wissenschaftler wird von seiner Unwissenheit angetrieben. Er hat Fragen, er hat Zweifel und er begibt sich auf die Suche nach Antworten. Er muss in der Lage sein, im Licht neuer Erkenntnisse seine Meinung zu einer Forschungsfrage zu ändern. Flexibilität und Diskursfähigkeit sind, neben Intelligenz und Ausbildung, für ihn elementar.

Religionen und Ideologien sind im Gegensatz zur Wissenschaft geschlossene Systeme. Ihre Anhänger glauben, sie befänden sich exklusiv im Besitz der Wahrheit. Sie haben keine Fragen, weil sie alle Antworten in ihren heiligen Schriften besitzen. Sie haben auch keine Zweifel. Wer zweifelt, ist für religiöse und ideologische Organisationen untauglich. Ein gläubiger Christ oder Muslim, ein Marxist oder ein Faschist werden ihre Meinung niemals ändern. Sie haben die Bibel und den Koran, Das Kapital und Mein Kampf.

Der Laie hält die Offenheit und Wandlungsfähigkeit der Wissenschaft für eine Schwäche. „Erst war die Erde eine Scheibe, jetzt ist sie plötzlich eine Kugel. Entscheidet euch endlich mal!“ Das Wissen ist für ihn in Stein gemeißelt. Es kann für ihn in der Wissenschaft keine unterschiedlichen Meinungen geben. Er begreift nicht, dass es ohne offenen Diskurs keinen Fortschritt gibt. Was der Laie als Fehler betrachtet, ist in Wirklichkeit einer der größten Revolutionen der Menschheit. Es gibt keine absolute Wahrheit. Jeder kann sich irren. Wir können unser Wissen weiterentwickeln.

Wer hat die rettenden Impfstoffe gegen Covid-19 entwickelt? Waren es Priester oder Politiker, Demonstranten oder Volksverhetzer? Es waren Wissenschaftler aus aller Welt. Ihnen sind wir zu Dank verpflichtet und nicht den Schwätzern, die glauben, sie wären im Besitz der absoluten Wahrheit. Sie haben zur Lösung des Problems nichts beigetragen. Forschungserfolge sind der einzige Weg aus der Krise.

P.S.: Vor vielen Jahren, als ich noch in einem Forschungsinstitut gearbeitet habe, war ich einmal mit einer Frau zum Abendessen verabredet, die bei RTL gearbeitet hat. Als sie mir in vorwurfsvollem Ton erklärte, die Wissenschaftler wüssten auch nicht alles, musste ich sehr lachen. Dann habe ich ihr den Grund meiner ausgelassenen Heiterkeit genannt: Niemand kennt die eigene Unwissenheit und Unzulänglichkeit besser als ein Wissenschaftler. Die größten Vollidioten erkennen Sie zuverlässig daran, dass sie ihre persönliche Meinung für ein unwiderlegbares Naturgesetz halten.

Brand New - The Quiet Things That No One Ever Knows (Official Video) - YouTube

 

Sonntag, 24. Januar 2021

Ein Gedankenspiel

 

Im Rückblick erscheinen uns historische Entwicklungen als zwangsläufige Folge bestimmter Ursachen. Aber die Geschichte der Menschheit hätte an jedem Punkt auch anders verlaufen können. Es gibt Augenblicke, die wie der Flügelschlag eines Schmetterlings in der Chaostheorie ungeahnte Wirkungen entfalten können. Ein Beispiel:

Reichspräsident Hindenburg ernennt Adolf Hitler 1933 zum Reichskanzler. Wie wir im Nachhinein wissen, war das – gelinde gesagt – ein Fehler. Nehmen wir also für einen Augenblick an, er hätte die Nazis ignoriert und eine bürgerlich-konservative Regierung gebildet. Angesichts der schweren Wirtschaftskrise hätte er an alle Parteien bis auf die linksextreme KPD und die rechtsextreme NSDAP appelliert, eine gemeinsame Politik zu entwickeln. Wichtige Gesetze hätte er notfalls mit seinen präsidialen Notverordnungen durchgesetzt.

Was wäre passiert? Deutschland wäre eine Demokratie geblieben. Ab 1933 setzte mit Roosevelts New Deal eine wirtschaftliche Erholung ein, die bald auch Europa und damit Deutschland erfasst hätte. Deutschland wäre eine führende Industriemacht geblieben und hätte seine Produkte in alle Welt verkauft. Exportweltmeister wären wir also schon 1940 gewesen. Die zunehmende ökonomische Vernetzung hätte eine politische Vernetzung nach sich gezogen, da der internationale Handel ohne Vertragssicherheit nicht funktioniert. Nach der Interdependenztheorie sorgt die wachsende Vernetzung, die wir heute als Globalisierung bezeichnen, für Frieden zwischen den Nationen, da ein Krieg für alle Beteiligten zu ökonomischen Verlusten führt. Wir sehen diesen Effekt heute in der EU, wo ehemalige Erzfeinde friedlich zusammenarbeiten.

Wäre Hitler nicht an die Macht gekommen, hätte es also den Zweiten Weltkrieg nicht gegeben. Die Sowjetunion hätte diesen Krieg nicht gewonnen und damit auch nicht Osteuropa besetzen und zwangsweise mit dem Kommunismus beglücken können. Es hätte auch keinen Kalten Krieg und ein jahrzehntelanges Wettrüsten zwischen den USA und der UdSSR gegeben, weil beide nicht global in einen Konkurrenzkampf geraten wären. Die Russen hätten sicher die kommunistischen Parteien in anderen Ländern und die Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt unterstützt, aber sie wären keine Weltmacht geworden. Die USA wären eine international bedeutende Handelsmacht geworden, aber sie hätten nicht rund um den Globus Militärbasen errichtet und auf anderen Kontinenten Kriege angezettelt.

Ein interessanter Aspekt dieses Gedankenspiels ist die technische Entwicklung. Der Zweite Weltkrieg hat drei bedeutende Technologien hervorgebracht: die Atombombe, die Raketentechnik und die Entschlüsselungstechnik. Ohne den Krieg hätten die Amerikaner nicht das Manhattan Project durchgeführt. Wir hätten vermutlich bis heute keine Atomwaffen und keine Atomkraftwerke. Ohne den Krieg hätten die Deutschen keine Raketen entwickelt. Es gäbe die Raumfahrt im heutigen Sinne noch gar nicht oder sie hätte sich erst später entwickelt. Ohne den Kalten Krieg und die Raketentechnik hätte es in den 1960er Jahren auch nicht den Wettlauf zum Mond gegeben. Ohne das Geheimnis der Enigma zu enthüllen, mit denen die Funksprüche der deutschen Wehrmacht im Krieg verschlüsselt wurden, hätte Turing nicht die Grundlagen der Informations- und Computertechnologie entwickelt. Wir hätten heutzutage vielleicht keinen PC zuhause oder wir wären in der Entwicklung und Verbreitung dieser Technologie viel weiter zurück.

Dann gäbe es am Ende womöglich noch gar kein Internet? Sie könnten diesen Text nicht lesen. Und ich hätte ihn nie geschrieben. Aber Hindenburg hat sich bekanntlich anders entschieden.

P.S.: Einige Fragen für muntere Diskussionsabende:

Gäbe es ohne den Kalten Krieg und das Wettrüsten noch die Sowjetunion und den Kommunismus?

Ohne Drittes Reich und Weltkrieg wäre die Bundesrepublik nie gegründet worden. Säßen 2021 die KPD und die NSDAP noch im Reichstag?

Würde Königsberg in der Reichsliga spielen?

Wäre Berlin heute so groß wie London oder New York?

Alkaline Trio - Sadie - YouTube

Samstag, 23. Januar 2021

Er hat es schon wieder getan!

 

Bonetti kann es einfach nicht lassen. Unter seinem Pseudonym „Matthias Eberling“ hat er ein Buch veröffentlicht. Es ist Nr. 19. Hört das denn niemals auf?

„Die Dunkelheit am Ende des Tunnels“ ist depressiv und dystopisch, es ist ein Buch voller Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Mit anderen Worten: Wenn Sie sich gerade in einer Pandemie und im Lockdown befinden, müssen Sie es unbedingt kaufen. Besser wird’s nicht.

Es ist, wie die letzten Bücher auch, im Kindle Store des liebenswerten Herrn Bezos aus Amerika zu haben. Für unglaubliche 4,13 €. Dafür bekommen Sie 267 Prosa, Lyrik, Aphorismen und Analysen.

Warum dieser Preis? Warum 4 und 13? Der vierte und der dreizehnte Buchstabe des Alphabets: DM. Ich war immer ein Gegner der europäischen Einheit und ihrer Teufelswährung. In D-Mark ist das 8,08. HH. Hansestadt Hamburg.

Die Dunkelheit am Ende des Tunnels eBook: Eberling, Matthias: Amazon.de: Kindle-Shop



Die Leiden eines Hypochonders in Zeiten der Pandemie

 

Blogstuff 549

„Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie.“ (Friedrich Nietzsche)

Der Mensch besteht aus Zellen. Wie ein Gefängnis.

Am Ende passt dein Leben in eine Holzkiste.

Die Bonetti Labs entwickeln gerade ein Dreirad, dass mit einem Deuterium-Tritium-Reaktor angetrieben werden soll.

Verschärfter Lockdown? Ich habe eine hohe Isolationstoleranz und weiterhin über vierzig Rollen Klopapier.

Ich hatte mal eine Phase, in der ich als Punkrapper gearbeitet habe. MC Rotten. Heute spiele ich die Congas bei Wichtelbach Sound Machine.

Wäre ich jetzt in Berlin, könnte ich über Lieferando zwischen 405 Restaurants wählen. Aber die Pizzeria in Waldalgesheim ist auch nicht schlecht.

Lenin und Stalin, Mao und Pol Pot haben die Ideen von Marx nur für ihre Machtinteressen missbraucht, so wie die christlichen Kirchen die Ideen von Jesus.

Ich weiß auch nicht, warum ich erst 2021 auf die Idee gekommen bin. Es muss die Langeweile im Lockdown gewesen sein. Aber ich habe mal nachgeschaut, ob irgendwas von meinen Machwerken in der Berliner Staatsbibliothek gelandet ist. Acht Bücher haben sie da, auf denen mein Name steht. Von Andy Bonetti gibt es gar nichts. Dieser Stümper!

Es ist Abend und es könnte so wunderbar still auf der Terrasse sein, wenn deine Frau nicht dieses bescheuerte Windspiel gekauft hätte, das permanent klimpert.

Warum werden nicht die Reichen zuerst geimpft? Das ist doch schon wieder verdächtig. #Verschwörung

Im Alter sehe ich nur noch Teile meines Körpers. Ich erreiche auch etliche Gegenden nicht mehr mit meinen Händen. Wo ist der Kolumbus, der meinen Arsch entdeckt?

Viele wollten mich ändern, gelungen ist es keinem. Ich bin wie ein Stein. Der Nachteil: Ich bin liegengeblieben.

Traum: Auf dem Bürgersteig kommt mir ein Mann in einem dunklen Anzug entgegen. Aus seinem Hemdkragen wächst ein Kaktus.

Im Home Schooling merken die Eltern, wie dämlich ihre angeblich hochbegabten Kinder in Wirklichkeit sind.

Im Zweiten Weltkrieg kamen 405.399 US-Amerikaner ums Leben. Covid-19 hat bis zum 21. Januar 2021 innerhalb eines Jahres ebenso viele Leben in den Vereinigten Staaten gefordert.

The Beautiful South - You Keep It All Inn (Original Video) - YouTube

 

Freitag, 22. Januar 2021

Die nächste Enttäuschung


„This is a great nation. We are good people.” (Joe Biden, 20.1.2021)

Das Kabinett Biden ist in Sachen Diversity eine perfekte Regierung. Unter der Führung des ältesten und weißesten Mannes aller Zeiten gibt es mehr Frauen und POC in allen Varianten als je zuvor, sogar einen bekennenden Homosexuellen und eine Ureinwohnerin Amerikas sind am Start. Der neue Präsident ist erst der zweite Katholik nach Kennedy, 44 seiner Amtsvorgänger waren Protestanten. Die Vize-Präsidentin hat Eltern aus Sri Lanka und Jamaika und ist mit einem Juden verheiratet, der nun als erster Second Gentleman in die Geschichte eingeht. Vergessen ist das Horror-Regime des cholerischen Polit-Amateurs, dessen Name bei der Vereidigungszeremonie am 20. Januar nicht mehr genannt wurde.

Schauen wir uns das Kabinett einmal genauer an. Es besteht aus 27 Mitgliedern inklusive der Vize-Präsidentin. Noch nie hatte eine Frau ein so hohes Staatsamt wie Kamala Harris. Sie ist nur eine Pistolenkugel oder einen Herzinfarkt vom Oval Office entfernt. 15 Männer und 12 Frauen. So weiblich war kein Kabinett zuvor. 18 Weiße, darunter einige Latinos, und neun POC afrikanischer, indischer, chinesischer und indigener Abstammung. So vielfältig hat ein US-Kabinett noch nie ausgesehen. Manche erfüllen sogar eine Doppelquote wie Katherine Chi Tai, deren Eltern aus Taiwan stammen. Mit der Professorin Rachel Levine wird zudem eine Transgender-Frau Staatssekretärin im US-Gesundheitsministerium. 

Werfen wir als nächstes einen Blick hinter die äußerlichen Merkmale wie Geschlecht, Hautfarbe und sexuelle Orientierung. Die Eltern von Kamala Harris stammen zwar aus Ländern der Dritten Welt, aber ihre Mutter ist Krebsforscherin und ihr Vater Wirtschaftsprofessor. Sie selbst ist Juristin. Der Schwarze Lloyd Austin, der designierte Verteidigungsminister, war General der U.S. Army und Kommandeur der Koalitionsstreitkräfte im Irak. Außerdem war er in Afghanistan und Syrien im Einsatz. Er sitzt im Vorstand des Stahlherstellers Nucor und der Tenet Healthcare Corporation. Die Jüdin Janet Yellen, die erste Frau, die für die Finanzen zuständig sein soll, leitete vier Jahre die mächtige FED. Das Halbblut Deb Haaland ist, wie Biden und Harris, ebenfalls Juristin.

So könnte ich noch eine Weile weiter machen. Die Juristen im Kabinett habe ich erst gar nicht gezählt. Dazu kommt: Zwei Blackrock-Größen werden Chefökonom des Präsidenten und stellvertretender Finanzminister, auch die Vize-Präsidentin baut auf die Expertise eines Blackrock-Mannes. Wir sind in Deutschland ja gerade knapp an einem Blackrock-Bundeskanzler namens Merz vorbeigeschrammt. Biden selbst war jahrzehntelang Senator des Bundesstaates Delaware, der bedeutendsten Steueroase der USA. Dem Kabinett Nähe zur Finanzwelt zu unterstellen, wäre die Untertreibung des Jahrhunderts.

Fazit: Das politische Establishment gibt sich multikulturell, vielfältig und tolerant. Wir sehen „linke“ Identitätspolitik in Reinkultur: bunte Fassade und derselbe Inhalt wie immer. Die farbenfrohe Bonzenwelt unserer Zeit. Wir werden von Biden genauso enttäuscht werden wie zuvor von Obama und Clinton. Aber er beherrscht die glatte Doppelzüngigkeit der Diplomatie sicher besser als der Tölpel Trump. Macron und Merkel werden begeistert sein.

P.S.: Der letzte Katholik im Weißen Haus wurde erschossen. Zwinkersmiley.

 Glen Campbell - "Wichita Lineman" - Original Stereo LP - HQ - YouTube

Mittwoch, 20. Januar 2021

Regierungskritik und Kritik der Regierungskritik

 

Angesichts neuer Corona-Maßnahmen wird immer wieder gefordert, die Parlamente müssen mitbestimmen dürfen. Hinter den Ministerpräsidenten stehen die Mehrheitsfraktionen im Landtag, die die Landesregierungen gewählt haben. Glaubt irgendjemand im Ernst, dass diese Abgeordneten sich gegen ihre Chefs entscheiden? Dasselbe gilt für Bundesregierung und Bundestag. Man nennt es Fraktionsdisziplin. Kein Abgeordneter setzt seinen gutbezahlten Job aufs Spiel. Legislative und Exekutive sind eng miteinander verzahnt. Die Nummer kann man sich also sparen. Abgesehen davon hat der Bundestag schon dreimal alle Maßnahmen abgesegnet.

Es wird auch immer wieder kritisiert, dass die Runde der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten vom Grundgesetz nicht vorgesehen ist. Wie wir alle wissen, ist Infektionsschutz eigentlich Ländersache. Da die Seuche aber bundesweit ausgebrochen ist, werden die Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung in Form von Konferenzen koordiniert, in denen Bund und Länder zusammenarbeiten. Das ist im Katastrophenfall oder in Ausnahmesituationen durchaus üblich. Die runden Tische zwischen SED und Opposition standen auch in keiner Verfassung. Wenn im Falle einer Flutkatastrophe ein Krisenstab gebildet wird, in dem sich Landräte, betroffene Bürgermeister, das THW und die Feuerwehr absprechen, womöglich noch mit einem Vertreter der Landesregierung oder der Bundesregierung, ist das weder illegal noch undemokratisch. Als Hamburg von einer verheerenden Sturmflut getroffen wurde oder die RAF die Bundesregierung erpresst hat, hatte niemand Zeit für lange Debatten im Parlament. Es ging um Menschenleben.

Die Diskussion um die Einschränkung von Grundrechten führen wir jeden Tag in der Öffentlichkeit. Zeitungen, Online-Portale und soziale Medien sind voll von Fakten und Meinungen zum Thema. Die öffentliche Diskussion halte ich für wichtiger als parlamentarische Redeschlachten, die sich ohnehin niemand im Fernsehen ansieht. Es gibt gute Gründe, die aktuelle Corona-Politik zu kritisieren. Die Zahl der Impfungen muss drastisch erhöht werden. An diesem Punkt kann man z.B. von Israel lernen. Warum darf ich meine Schwester und meinen Neffen besuchen, aber sie können keinen Gegenbesuch in meinem Haus machen? Die Gastronomie hat die Hygienekonzepte in vielen Fällen besser umgesetzt als die Betriebe anderer Branchen. Wofür werden sie bestraft? Außerdem bin ich der Meinung, dass Geimpfte sich nicht mehr den Maßnahmen unterwerfen müssen. Das wäre gut für Restaurants, Kinos, den Einzelhandel usw. und es würde die Menschen motivieren, sich auch impfen zu lassen. Wir alle diskutieren darüber, nicht nur die Politiker. Und wir können bei sieben Wahlen in diesem Jahr die Corona-Politik der Parteien bewerten.

P.S.: Weitere Informationen zum Thema gibt es in einem Kiezschreiber-Extra nach der Tagesschau um 20:15 Uhr.

The Pixies - Gouge Away [Lyrics] - YouTube

 

Dienstag, 19. Januar 2021

Mein Freund Harvey


Es muss irgendwann während des zweiten Lockdowns gewesen sein. Ich saß gerade am Schreibtisch und schmökerte ein wenig in den Online-News, als ich seine Stimme hörte.

„Wäre Zeit für das erste Bier. Was meinst du?“

Ich drehte mich um. Auf dem Sofa saß ein etwa zwei Meter großer Hase in Unterhosen und löchrigem T-Shirt. Ungepflegtes Fell und lange Ohren.

„Was ist? Holst du jetzt ein Bier oder was?“

„Es ist gerade mal zwei Uhr mittags“, gab ich zu bedenken.

Das war mein Fehler. Ich hätte mich nicht auf meinen imaginären Freund einlassen sollen. Schließlich war ich erwachsen.

Am nächsten Tag saß er mir schon beim Frühstück gegenüber und ich fragte mich, ob es allen alleinlebenden Menschen im Lockdown so erging wie mir. Immerhin war Harvey kein Kontroll-Freak. Er sagte nie, dass ich mehr Obst essen sollte. Ganz im Gegenteil. Es war sein Vorschlag, einen ganzen Karton Eis am Stiel zu kaufen. Er sagte nicht nur ja zu Chips, sondern auch ja zum Käse-Dip. Harvey überredete mich sogar zu einem Mikrowellen-Hamburger, der allerdings scheußlich schmeckte.

Was das Fernsehprogramm anging, hatten wir einen ähnlichen Geschmack. Wir mochten beide keine Western und keine Piratenfilme. Allerdings war er ein Fan von Fantasy-Filmen wir Harry Potter oder Herr der Ringe. Aber das war nicht meine Welt. Ich sah mir lieber Action-Filme und Thriller an. Wir mochten beide Fußball, aber Harvey war leider Bayern-Fan. Er konnte sich furchtbar aufregen, wenn ein Abseits-Tor gegeben wurde.

Harvey beschränkte seine Auftritte nicht nur auf meine Wohnung. Peinlich war er vor allem bei meinen seltenen Ausflügen in den Supermarkt. Er wollte die verrücktesten Dinge. Wie schmeckte Thunfisch mit Avocado? Ich wollte es gar nicht wissen. „Wir kaufen dieses Zeug nicht“, nuschelte ich in meine Maske und hoffte, niemand würde uns hören.

Eines Abends hatte ich einen Freund zu Gast. Wir wollten uns einen netten DVD-Abend machen. Ich musste einfach einen anderen Menschen sehen, weil ich sonst noch verrückt werden würde. Als erstes sahen wir „Shining“.

Als sich mein alter Kumpel Finn ein Bier aus der Küche holte, sagte er mir: „Wusstest du, dass auf dem Flur ein riesiger Hase steht?“

Derek And The Dominos - Layla - YouTube

Montag, 18. Januar 2021

Wie ist Veränderung möglich?

 

Es gibt Millionen Menschen in diesem Land, die mit den politischen, sozialen und ökonomischen Verhältnissen unzufrieden sind. Ihre Gründe und ihre Lösungsvorschläge mögen unterschiedlich sein, aber sie haben alle das gleiche Problem: Wie organisiere ich die Veränderung? Wie bilde ich eine Gemeinschaft, die stark genug ist, die Veränderungen durchzusetzen?

Problem Nr. 1: Die Größe der Gemeinschaft. Um öffentlich wahrgenommen zu werden, muss man eine bestimmte Zahl von Menschen zusammenbringen.

Problem Nr. 2: Die Organisation der Gemeinschaft. Es geht nicht ohne Strukturen, ohne eine bundesweite Organisation und Formen der Willensbildung wie Versammlungen und Diskussionen.

Problem Nr. 3: Die Stabilität der Gemeinschaft. Das politische Engagement muss verstetigt werden, damit es über viele Jahre stabil bleibt. Aufstieg und Fall von Fridays For Future 2019 und den Querdenkern 2020 sind Beispiele aus der jüngsten Zeit, aus denen man lernen kann, wie schnell eine Gemeinschaft wieder zerfällt. Ich denke auch an Attac, Occupy und Blockupy.

Problem Nr. 4: Die Strategie der Gemeinschaft. Wie trage ich die Veränderungen ins politische System? 1980 bildeten Friedens-, Umwelt-, Anti-AKW- und Frauenbewegung eine starke Gemeinschaft, in dem sie eine Partei gründeten. Das Ergebnis ist bekannt. 1998 kamen die Grünen in die Regierung, beteiligten sich an Kriegen (Kosovo, Afghanistan) und stürzten mit der Agenda 2010 zahllose Menschen ins Elend. Wer sich ins System begibt, kommt darin um.

Staat und Markt haben kein Interesse an starken Gemeinschaften. Ihr Interesse liegt in der Vereinzelung, um die Gesellschaft als Ganzes besser beherrschen zu können. Teilhabe wird auf reine Symbolpolitik reduziert. Bei sogenannten Wahlen haben wir keine Wahl. Unser Interesse wird auf den Konsum gelenkt, das angebliche Schlaraffenland der bunten Warenwelt. Es existieren belanglose Gemeinschaften zwischen Fußballfans, Whiskyliebhabern und Anbetern von Götzen der Popkultur. Als Surrogat für große und stabile Gemeinschaften bietet man uns die Nation und die Religion an.

Mir fehlen die Phantasie und der Glaube an eine neue Gemeinschaft, die noch die Kraft zur Veränderung hätte. Keine Pointe.

Ain't No Mountain High Enough (extra HQ) - Marvin Gaye & Tammi Terrell - YouTube

 

Sonntag, 17. Januar 2021

Die Falle

 

Ich habe keine Ahnung, wie lange ich so gelebt habe, aber es war schön. Es gab keine Uhr, keinen Kalender, kein Handy und kein Fernsehen in meinem Leben. Ich machte einfach den ganzen Tag, worauf ich gerade Lust hatte. Es gab auch keinen Ort, an dem ich länger blieb. Ich fuhr einfach durch die Gegend, immer der Nase nach. Meistens auf Nebenstraßen, manchmal sogar auf Feldwegen.

Zu essen gab es überall genug. In der warmen Jahreshälfte Äpfel, Birnen, Nüsse und Beeren. In der kalten Jahreszeit nahm ich mir aus den Containern hinter den Supermärkten, was ich brauchte. Es ist unfassbar, wieviel kostenloses Essen es in diesem Land gibt. Tütenweise Brötchen, Joghurts, Käse und Schinken. Es tat mir leid, dass ich gar nicht so viel essen konnte und massenweise leckere Sachen liegen lassen musste.

Ich schlief im Auto und, wenn es warm genug war, unter freiem Himmel. Ich wusch mich an Bächen oder ging in einem See schwimmen. Eine Tasche voll Klamotten genügte mir. Gelegentlich ging ich in einen Waschsalon. Während sich meine Jeans und meine Shirts in der Maschine drehten, schaute ich mir die Menschen an, die auf dem Bürgersteig vorüberkamen. Leere Gesichter, den Blick nach unten gerichtet. Ein trauriger Anblick.

So fuhr ich durchs ganze Land. Wenn ich Geld für Benzin brauchte, fragte ich in einem Restaurant, ob sie einen Tellerwäscher brauchen. Wenn man ein paar Lokale abgeklappert hatte, fand man schon was. Acht Stunden für achtzig Euro. Das reichte wieder für fünfhundert Kilometer. Der Job war ganz einfach. Man kratzte die Essenreste vom Teller in den Schweineeimer. Dann stellte man die Teller in die Spülmaschine und räumte sie später in den Schrank. Oft war noch ein halbes Schnitzel oder ein halbes Steak auf dem Teller. Das ließ ich mir natürlich nicht entgehen.

Ab und zu ging ich abends auch mal in eine Kneipe. Einmal hatte ich eine Frau am Edersee in Hessen kennengelernt. Wir gingen zu ihr nach Hause. Wir hatten wild gevögelt und am nächsten Morgen gleich nochmal. Ich blieb dann einfach liegen, als sie zur Arbeit ging. Als sie am Abend wiederkam, sagte sie nichts. Ich blieb zwei Wochen bei ihr. Es war schön, aber eines Tages musste ich einfach weiter. Der Ruf der Straße, das alte Lied. Klingt blöd, ich weiß. Aber wenn man los muss, hilft alles nichts.

Irgendwo in Niedersachsen, auf einer schmalen Landstraße, sah ich irgendwann dieses Schild: „Wir brauchen Sie. Firma Niemeyer stellt ein.“ Ich dachte mir nichts dabei. Dann wieder das gleiche Schild einen Kilometer weiter. Und nochmal. Ich kam in eine Kleinstadt und plötzlich sah ich das Werkstor mit der Inschrift „Niemeyer & Co KG“. Es war November und ich dachte mir: Geh vier Wochen arbeiten und du hast genug Kohle, um den Winter auf Sizilien zu verbringen. Ich hielt an und ging ins Personalbüro. Was soll ich sagen? Ich bekam einen Job.

Seither packte ich jeden Tag Schuhe und Klamotten in Kartons und machte einen Versandaufkleber auf die Vorderseite. Es machte keinen Spaß, aber ich dachte an das Geld. Am Monatsende bekam ich mein erstes Gehalt auf ein Konto, dass ich auf der Stadtsparkasse einrichten musste. Davon gingen fünfhundert Euro an meinen Vermieter. Ich war jede Woche einkaufen gegangen, jeden Samstagabend in die Kneipe und jeden Sonntagmittag in Restaurant. Alles vom Vorschuss, den mir die Firma gegeben und jetzt vom Gehalt abgezogen hatte. Ich war fast pleite! Außerdem hatte mir niemand was von den ganzen Sozialabgaben gesagt. Krankenversicherung, Rentenversicherung und die ganze Scheiße. Wer brauchte sowas? Also blieb ich noch einen zweiten Monat.

Diesmal ging ich sparsamer mit meinem Geld um. Aber das Leben war so unfassbar öde, dass ich es nur mit Alkohol ertrug. In einem Augenblick der Schwäche überlegte ich sogar, mir einen Fernseher zu kaufen. Aber das wäre ja wieder ins Geld gegangen. Ich ernährte mich von billigem Aldi-Fraß und wurde immer dicker. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich Rückenschmerzen. Jetzt wurde mir klar, warum die Leute eine Krankenversicherung haben. So gingen die Monate ins Land. Heute ist der 25. Juli und ich bin immer noch Packer bei der Firma Niemeyer.

Ich warne alle Menschen, die diesen Text lesen. Die Sesshaftwerdung des Menschen ist der größte Fehler der Weltgeschichte.

jimmy eat world - 23 - YouTube

Samstag, 16. Januar 2021

Da waren es nur noch zwei

 Wird Laschet der neue Bundeskanzler?

Oder mit Söder der erste CSU-Politiker?

Jedenfalls ist der Weg für Schwarz-Grün frei. Habeck oder Baerbock als Vize-Kanzler?

Merz wird als Trostpflaster ins CDU-Präsidium gewählt und ist vermutlich der nächste Wirtschaftsminister.

Eine Oase der Belanglosigkeit

 

Blogstuff 547

„An der Isar, 100.000 v.Chr. Mit dem ersten Faustkeil entsteht das Privateigentum.“ (CSU: Geschichte der Menschheit)

Meditation. Das ist die Phase vor dem Einschlafen, oder?

Es heißt übrigens Friteurin, nicht Friteuse.

Natürlich müssen wir die Schöpfung bewahren. Aber Kohlekraftwerke sind auch eine Schöpfung. Und das hat ein bisschen mehr gekostet als so ein blöder Wald. Bäume sind zum Beispiel eine Gefahr für Autofahrer. Immer wieder kommt es zu Kollisionen, die für den Mensch tödlich sind. Wie viele Menschen werden jedes Jahr von einem Ast erschlagen?

Die Musterschüler der ersten Corona-Welle trifft es in der zweiten Welle besonders hart. Womöglich war der trügerische Glaube im Sommer, alles sei jetzt vorbei, der Grund. Tschechien hatte in der ersten Welle nur etwa dreihundert Tote zu beklagen, in der zweiten sind es aktuell fast 14.000 Tote. Die Inzidenz lag am 12. Januar bei 853, also fünfmal so hoch wie in Deutschland.

Hätten Sie’s gewusst? Vergewaltigung in der Ehe ist seit 1997 in Deutschland strafbar. Aber erst seit 2006 in Österreich und der Schweiz.

Wer hat Kriege begonnen, Weltreiche und Religionen gegründet? Es waren Idealisten und Visionäre, Menschen mit Machtgier oder einer Mission, die die Menschheit ins Unglück gestürzt haben. Der Zyniker hingegen stellt keine Gefahr dar. Er will nichts, er erwartet nichts. Die Welt ist ihm egal.

Stellen Sie sich vor, Jesus würde heute seine Memoiren schreiben und sie fingen mit dem Satz an: „Meine Mutter war eine Jungfrau und mein Vater war ein Geist.“ Kein Verlag würde das drucken.

Freitag: zehn Stunden Internet- und Fernsehausfall in meinem Dorf. Scheuers Digitalisierung läuft wirklich prächtig. Gibt’s das auch in Albanien?

Hätten Sie’s gewusst? Die Demokraten zwangen Anfang 1917 den Zaren zum Rücktritt. Die Bolschewisten haben ihn nach der Abschaffung der Demokratie nur noch erschossen.

Der moderne Mensch lebt nicht ohne Religion. Kapitalismus ist das neue Christentum, Geld ist der neue Gott. Genau wie Gott existiert das Geld nur durch unseren Glauben. Das bunte Papier und das runde Metall sind imaginäre Werte. Die unsichtbare Hand des Marktes ist der heilige Geist. Die Säulenheiligen heißen Friedman und Hayek. Die Börse ist das Gotteshaus. Der Kapitalismus ist die erste Religion in der Geschichte, die den gesamten Planeten umfasst. Wir glauben alle an das Geld. Wir wollen es und wir brauchen es.

We Are Augustines - Headlong Into The Abyss (Audio) - YouTube

 

 

Donnerstag, 14. Januar 2021

Besteuert endlich den Neid!

 

Friedrich Merz hat mal wieder recht, wenn er sich über die vorgeschlagene Neidsteuer beschwert. Der Kanzler der Herzen, der am Samstag als erster digital gewählter Parteivorsitzender die schnöde Welt analoger Analogien, um nicht zu sagen: Analorgien … aber ich schweife ab.

Deutschland 2021: Neid und Missgunst beherrschen das Land. Jedes klitzekleine Privatflugzeug, jeder gebrauchte italienische Sportwagen, jede Villa am Tegernsee, jeder Nerzmantel wird zum Gegenstand des Zorns. Es reicht, wenn man heute zum gehobenen Mittelstand gehört, wie der Visionär aus dem Sauerland, um sich seines Lebens im Sterne-Restaurant nicht mehr sicher zu sein.

Aber was trägt denn der Pöbel zum Steueraufkommen bei? Ein Lieferfahrer oder eine Krankenschwester zahlen vielleicht ein paar tausend Euro Einkommenssteuer im Jahr. Bei einem Vorstandsvorsitzenden wie Bonetti oder einem Spieler des FC Bayern sind es Millionen. Millionen! Auf Immobilien wird eine Grundsteuer fällig, obwohl mir das Land doch schon gehört. Unternehmen zahlen Gewerbesteuer, Umsatzsteuer und Körperschaftssteuer. Ohne Merz und Bonetti gäbe es überhaupt keine Straßen und keine Schulen, keine Kultur und keinen Sozialstaat.

Ich fordere: Senkung des Spitzensteuersatzes auf 30 Prozent und eine Neidsteuer für jede Anfeindung der Leistungsträger in den sozialen Medien. Die Quandts haben sich ihren Platz in der Mittelschicht hart erarbeitet. Leistung muss sich wieder lohnen.

Mittwoch, 13. Januar 2021

Landschaften, Selbstmörder

 

Blogstuff 546

„Es heißt mit Recht, dass wir unseren Dämon selbst wählen; denn durch die Art unserer Lebensführung wählen wir die höhere leitende Macht.“ (Plotin)

Bekanntlich beruht jede Gesellschaft auf Fiktionen. Wir sind eine Nation, das bunte Papier und das runde Metall haben einen bestimmten Wert, Herrschaft des Volkes usw. Dann gibt es Fiktionen, die nur eine bestimmte Gruppe innerhalb der Gesellschaft teilt, die aber für den Rest der Gesellschaft unproblematisch ist. Beispielsweise der Glaube der Katholiken, ein Priester könne mittels magischer Rituale Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi verwandeln. Es gibt aber auch Fiktionen bestimmter Gruppen, die inkompatibel sind. Beispielsweise der Glaube der Querdenker an die Merkel-Diktatur und an eine internationale Verschwörung. Ein Teil dieser Gruppen, Rechtsextremisten, Querdenker und Reichsbürger, radikalisiert sich gerade. Wie immer ist uns Amerika einen Schritt voraus. Im Dezember habe ich von bevorstehenden Anschlägen auf Impfzentren geschrieben. Ich warte auf den ersten Fall.

In Afrika hungern die Menschen und in Europa werden Lebensmittel vernichtet. Also kommen die Hungernden zu den Lebensmitteln, wenn die Lebensmittel nicht zu den Hungernden kommen. Es ist so schlicht und einfach, dass man gar nicht begreift, warum es nicht jeder versteht.

War der Tod von Julius Cäsar eigentlich ein Arbeitsunfall?

Der Dokumentarfilm „Mit dem Rhönrad durch die Alpen“ ist ein Fake. In Wirklichkeit waren es nur hundert Meter, die aus verschiedenen Perspektiven gedreht und anschließend geschickt montiert wurden. Bonetti ist von einem Double ersetzt worden. Nur die langen Monologe, die zwischen den Reiseszenen in diversen Restaurants in der Schweiz und in Österreich gedreht wurden und Bonetti in Großaufnahme zeigen, sind authentisch.

Die Corona-Hotspots sind inzwischen alle in Deutsch-Südost.

Die Gesichter aus den alten Tagen. Unbeschwert und schokoladensatt. Den Arm um die Schulter eines Freundes gelegt. Stilles Lächeln, wenn man an morgen denkt.

Wer kann sich noch an das legendäre Tacheles erinnern, das vor einigen Jahren geschlossen wurde? Neulich las ich diesen Satz: „13.800 Euro/qm verlangt Aermont Capital im Schnitt für seine 46 im Bau befindlichen Wohnungen im ehemaligen Kunsthaus Tacheles.“ Ohne Worte.

„Sie sind zurzeit schwer zugänglich“, heißt es in meinem Wochenhoroskop. Leute, wir haben Pandemie und in meinem Landkreis gilt die 15km-Regel. Wer denkt sich sowas aus?

Würden die Menschen drei Monate Winterschlaf halten, würde jede Pandemie automatisch beendet werden.

Alvin Lee – The Bluest Blues - YouTube

Dienstag, 12. Januar 2021

Die Inflation der Reichen

 

Erinnert sich noch jemand an den Monetarismus? Eine neoliberale Theorie des vergangenen Jahrhunderts. Sie besagt, dass die Inflation steigt, wenn die Geldmenge erhöht wird. Seit Beginn der Bankenkrise 2008 (#Lehman Brothers) hat allein die EZB die Geldmenge um vier Billionen Euro erhöht. Aber es gab zu meinen Lebzeiten noch nie so geringe Teuerungsraten wie von 2008 bis heute.

Wo ist das ganze Geld eigentlich geblieben? Wäre es gleichmäßig auf die Bevölkerung verteilt worden, hätten die Leute sicher mehr Geld ausgegeben. Sie hätten sich teure Klamotten, bessere Lebensmittel, schönere Reisen, schnellere Autos oder anderes von dem Geld gekauft. Vermutlich hätten sie auch einen Teil gespart. Aber es hätte sicherlich eine höhere Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen gegeben. Auf dem Gütermarkt ist das Geld also nicht angekommen, sonst hätten wir eine Güterpreisinflation.

Wo ist es dann? Wir müssen uns nur anschauen, wo die Preise stark gestiegen sind, wo wir also Inflation beobachten können. Der DAX hat einen neuen Höchststand erreicht. Mitten in einer Wirtschaftskrise. Merkwürdig, oder? Außerdem steigen die Immobilienpreise seit der Bankenkrise unaufhörlich an – selbst während einer Pandemie. Wir haben es also mit einer Vermögenspreisinflation zu tun. Und diese Inflation ist sehr gut. Zumindest, wenn Sie zu den wohlhabenden Bürgern dieses Landes gehören.

Wer ein Aktiendepot besitzt, darf sich über eine Verdoppelung seines Vermögens in zehn Jahren freuen. Ein Freund, der eine Immobilie in Bingen am Rhein besitzt, darf sich über die Verdreifachung ihres Wertes im selben Zeitraum freuen. Betongold ist zum erfolgreichsten Asset des 21. Jahrhunderts geworden. Ich habe ja neulich einmal vorgerechnet, wie der Marktwert meiner Wohnung in Berlin gestiegen ist. Obwohl ich keinen Cent investiert habe und ich immer noch dieselben Möbel und dieselbe Kücheneinrichtung wie bei meinem Einzug 1992 habe.

Vereinfacht ausgedrückt: Wer Aktien und Geld besessen hat und noch besitzt, gehört zu den Nutznießern der vier Billionen von der EZB. Alle anderen – und das sind etwa neunzig Prozent der Bevölkerung - sind leer ausgegangen. Die Vermögenspreisinflation hat also die Reichen reicher gemacht. Durch die ausgebliebene Güterpreisinflation sind die Armen aber wenigstens nicht ärmer geworden. Ein schwacher Trost. Der untere Teil der Schere zwischen Arm und Reich hat sich nicht bewegt, der obereTeil bewegt sich weiterhin vom unteren Teil weg, um das alte Bild noch einmal zu bemühen.

Welcher Kapitalist befasst sich noch mit steigenden oder fallenden Profitraten wie die traurigen Altmarxisten? Sein Geld vermehrt sich von allein. Wie durch Zauberhand, denn es ist den Reichen ja nicht einfach von der EZB aufs Konto überwiesen worden. Alles ganz legal. Von Seiten der Arbeitnehmer droht auch keine Gefahr durch Lohnforderungen, denn die globalisierte Welt ist voller billiger Arbeitskräfte. Die Regierung und die EU sorgen mit der Ausweitung der Geldmenge und der Nullzinspolitik auch in Zukunft dafür, dass es der Eilte nicht nur gut, sondern immer besser geht. Da können Sie bei der Bundestagswahl am 26. September wählen, wen Sie wollen.

Montag, 11. Januar 2021

American Psycho – Trumps letzte Tage

 

Blogstuff 545

„Die Fesseln der gequälten Menschheit sind aus Kanzleipapier.“ (Franz Kafka)

Andy Bonetti ist geimpft. Alle systemrelevanten Leute sind inzwischen immun. Er stand in der Warteschlange zwischen Uli Hoeneß und Stefan Raab.

Trump ist bei Twitter rausgeflogen. Und jetzt fällt mir das Wortspiel Twitler ein. Mist!

„Straßenbegleitgrün“. Fürchterliches Wort, fürchterliche Wirklichkeit.

Es sterben gerade so viele Leute an Covid-19. Wann geht das erste Bestattungsunternehmen an die Börse?

Positiver Nebeneffekt der Seuche: Die Lage am Wohnungsmarkt entspannt sich. Ich weiß, ich weiß. Für diese Witze werde ich in der Hölle brennen.

17 Uhr. Es ist dunkel und kalt. Aber von der Straße höre ich Kinderstimmen. Sie spielen immer noch draußen. Donnerwetter, denke ich, die Schule mit dem ständigen Stoßlüften hat sie abgehärtet.

Ein Kopftuchmädchen und ein alimentierter Messermann entwickeln einen Impfstoff? AfD-Politiker und -Wähler sollten sich diese zweifelhafte Knoblauchbrühe nicht spritzen lassen.

Am ersten März habe ich silberne Promotion. Meine Disputation war am 1.3.1996 und ich habe mich noch von Cum Laude auf Magna Cum Laude upgegradet.

Sollte ich jemals einen Möbelkatalog machen, nenne ich ihn „Ein Tisch namens Wanda“.

Dieser Frauenblick, wenn man um zehn Uhr abends eine Eintagsfliege erschlägt. Als stünde „Mörder“ auf meiner Stirn.

Hätten Sie’s gewusst? 1933 gab es zum ersten Mal eine Reichsgartenschau. Später nannte man es Bundesgartenschau.

Pflugscham bei Bauern - auch so ein Thema.

Krass: Bei zwei Infizierten innerhalb einer Woche hat Schweppenhausen einen Inzidenz-Wert von über 200.

Hätten Sie’s gewusst? Mary Roos stammt aus Bingen. 2017 taufte sie eine Autofähre, die zwischen Bingen und Rüdesheim verkehrt, auf ihren Namen.

A: Kennen Sie den Typen?

B: Das ist mein Mann.

A: Das ist keine Antwort auf meine Frage.

Purple Mountains - "Nights That Won't Happen" (Music Video) - YouTube

 

Sonntag, 10. Januar 2021

Grandpa Simpson erzählt

 

Was wir als Kinder alles machen konnten. Wir haben einfach das Haus verlassen und niemand hat gefragt, wo wir hingehen. Es gab keine Handys, wir waren nicht erreichbar. Zum Abendbrot war man zuhause, oft völlig verdreckt und verbeult, mit verschorften Wunden an den Knien. Niemand hat gefragt, was wir gemacht haben. Hat man uns mehr zugetraut oder war es den Eltern egal? Bekommen Jungs heute noch ein Taschenmesser?

Wir sind als Vierzehnjährige mit kleinen Booten, deren Außenbordmotor gelegentlich ausfiel, über den Rhein geschippert, mitten im Frachtverkehr riesiger Schubverbände, und haben die unbewohnten Inseln in der Flussmitte erkundet. Wir haben wild gezeltet, irgendwo im Wald, ohne den genauen Standort zu verraten, und sind erst Tage später wieder hungrig und wild nach Hause gekommen. Damals durften die wohlbehüteten Kinder aus gutem Haus keine Abenteuer erleben. Sie taten uns leid.

Ich möchte 2021 kein Kind mehr sein. Was können die Kinder von heute später mal erzählen? Welches Level sie bei einem Computerspiel erreicht haben? Vielleicht ist Home Schooling während der Pandemie die größte Geschichte, die sie erleben.

Freitag, 8. Januar 2021

Gleichung mit einer Unbekannten

 

Bonetti ist fassungslos. Eigentlich hat er den Lesern seines Blogs, das er zu Werbezwecken vor zwölf Jahren begonnen hat, nur eine rhetorische Frage gestellt: Wer ist der größte Blogger aller Zeiten? Die Antwort ist doch eigentlich klar, oder? Stattdessen taucht in den Kommentaren immer wieder ein Name auf: Lobotomie 21.

Bonetti hat diesen Namen noch nie gehört. Er klickt das Blog an und beginnt zu lesen.

***

Am Anfang sah Wolters nur die konzentrischen Wellen in seiner Kaffeetasse. Er saß gerade an seinem Schreibtisch und hatte es sich mit den Sportseiten im Netz gemütlich gemacht. Montagmorgen. Erst mal sehen, was es Neues gibt.

Dann spürte er die Erschütterungen auch körperlich. Ein rhythmisches Stampfen, das immer stärker wurde.

„WOLTERS!“

Er blickte erschrocken auf. Jemand hatte seinen Namen gebrüllt.

Einen Augenblick später flog seine Bürotür aus den Angeln und blieb vor dem kleinen Tisch mit dem Drucker liegen.

„WOLTERS!“

Die orkanartige Druckwelle ließ seine Haare flattern. Der Chef stand vor ihm. Er hatte die Größe eines T. Rex und sein makrocephalischer Schädel, der vor Zorn korallenrot angelaufen war, konnte es in Länge und Breite mit einem Kleinwagen aufnehmen.

Er donnerte mit der Faust auf den Tisch, der in zwei Teile zerbrach. Wolters wurde durch die zweite Druckwelle mit einer solchen Wucht gegen die Wand geschleudert, dass er fasst zweidimensional wirkte.

„WOLTERS!“

„Ja, Chef,“ flüsterte er.

„ICH HABE IHNEN VOR FÜNF MINUTEN EINE MAIL GESCHRIEBEN! WO BLEIBT DIE ANTWORT?“

„Kommt sofort, Chef.“

Aber der Chef war längst aus dem Büro gestürmt.

„NEUMANN!“

Wolters zog das Notebook aus den Trümmern seines Schreibtischs und öffnete das Postfach. Die Mail enthielt so viele Tippfehler, dass er den Eindruck hatte, sein Chef hätte aus drei Metern Entfernung mit Walnüssen auf die Tastatur geworfen. Offenbar hatte er beschlossen, am Nachmittag ein außerplanmäßiges Meeting zu veranstalten.

***

Was soll dieser Quatsch, dachte Bonetti. Das ist albern und schlecht geschrieben. Wieso dieser Hype um Lobotomie 21? Ich werde meine fliegenden Affen losschicken und diesen drittklassigen Dilettanten ausfindig machen. Wir werden schon sehen, wer hier der größte Blogger ist.

Mit der stillen Anmut und der Feierlichkeit einer japanischen Teezeremonie lässt der erhabene Meister seinen Hattori-Hanzo-Füllfederhalter über das handgeschöpfte Büttenpapier gleiten.

***

Als Bonetti von dem Frevel erfuhr, erzitterte das Pantheon. Kurze Zeit später verwandelte er sich in einen dicken alten Mann in schäbigen Klamotten und klopfte an eine Tür der Sterblichen. Er war überrascht, als sie von einer jungen Frau geöffnet wurde.

„Ich bin ein großer Verehrer Ihrer Kunst“, sagte Bonetti und setzte sein liebenswürdigstes Lächeln auf.

„Schickt dich der Vermieter oder was ist hier los?“ Ihre Stimme klang nach Roth-Händle.

„Nein, nein“, stotterte Bonetti, plötzlich nervös geworden. „Ich wollte eigentlich nur ganz kurz …“

„Alter, wenn du von den Zeugen Jehovas bist, erlebst du heute deinen ganz persönlichen Weltuntergang!“

Großer Gott“, rief Bonetti aus und bereute es sofort. Wie spricht man heutzutage mit den jungen Leuten? „Ich finde Ihre Texte groovy, ich meine edgy, far out, over the … äh … over the …”

„Sachma, Opa, bist du auf Droge?“ Sie kam ihm bedrohlich näher.

„Sie sind doch Lobotomie 21, oder?“

Die junge Frau lachte. „Du meinst Cosma Shiva Knesebeck. Meine Mitbewohnerin. Die ist gerade nicht da. Soll ich ihr was ausrichten?“

„Ja“, antwortete er. „Sagen Sie ihr, Andy Bonetti war hier und würde gerne mit ihr über das Schreiben sprechen.“

„Andy Bonetti? Nie gehört.“  

***

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich finde, Bonetti hat in letzter Zeit stark nachgelassen. Viva Lobotomie 21!

Tricky - 'Aftermath' (Official Video) - YouTube

 

Donnerstag, 7. Januar 2021

Jake Angeli

 

Das ist der Name des Mannes, der mit gehörnter Pelzmütze, Speer und nacktem Oberkörper das Kapitol gestürmt hat. Einer von vielen Möchtegern-Putschisten. Wer ist er?

Ein selbsternannter Schamane, zu dessen Geschäftsmodell Kartenlegen, spirituelle Rückführungen, Verteidigung gegen “Energie-Vampire” und anderer Mumpitz gehören. Ein rechtsextremer QAnon-Anhänger aus Arizona, der in der absurden Welt des Verschwörungsgeschwurbels lebt.

Kommt Ihnen diese Mischung aus Esoterik und Faschismus bekannt vor? Richtig. Die Querdenker, die im Sommer versucht haben, das Reichstagsgebäude zu stürmen. Wir haben einen Blick in die Zukunft geworfen.

Die Polizei war in Amerika nicht willens, den Nazi-Pöbel aufzuhalten. Schließlich haben 84 Prozent aller US-Polizisten Trump gewählt. Wer steht auf der Seite des Antifaschismus, wenn in Deutschland die rechtsradikalen Hetzer zum Angriff blasen?

Dienstag, 5. Januar 2021

Debatten in der digitalisierten Moderne

 

Während in Berlin noch die Pressekonferenz mit Angela Merkel und ausgewählten Stammesfürsten der Republik läuft, klingelt es an meiner Haustür. Die Pizza ist da! Und die Spaghetti Mafia für morgen. Der stets freundliche Herr Quintana, der sein Dolce Vita in Bella Italia aufgegeben hat, um ein kulinarisch unbedeutendes Volk mit seinen erlesenen Gerichten zu erfreuen, hat heute tiefe Sorgenfalten auf der Stirn, die sich, in Ermangelung ausreichenden Haarwuchses, bis in den Nacken zieht.

Ob ich auch gehört hätte, dass unser Bewegungsradius auf fünfzehn Kilometer eingeschränkt werde. Gewiss hatte ich das, war ich doch bis vor wenigen Augenblicken noch an meinem Schreibtisch und im Netz. Wir wissen alle in Echtzeit Bescheid. Ein Lob der Technik.

Sein Liefergebiet sei doch viel größer und seine Kinder müsse er morgens nach Mainz in die Schule fahren. Ich erzähle ihm, meine Schwester nebst Neffen und viele meiner Freunde würden in Ingelheim wohnen. Das ist zwanzig Kilometer entfernt. Natürlich werde ich sie weiterhin besuchen. Meine Schwester hat Ende des Monats Geburtstag.

Herr Quintana ist klug und hat schon einen Plan. Die Polizei überprüfe diese Regelung vermutlich über die Ortung seines Handys. Also wird er es in Zukunft einfach zuhause lassen. Gute Idee. So verschleiere ich meine Aktivitäten seit zehn Jahren vor NSA, BND und Mossad.

Fünfzehn Kilometer. Ich habe mal nachgeschaut. Von meiner Berliner Wohnung kann ich locker bis Spandau im Nordwesten und Köpenick im Südosten kommen. Das ganze Stadtgebiet steht mir zur Verfügung. Im Hunsrück sind fünfzehn Kilometer eine Katastrophe. Niemand wird sich an diese Regel halten – Inzidenz hin oder her.