Der
Nasenbär, der Nasenbär
Der
hat es diesmal wirklich schwer
Denn
seine Alte ist nicht nett
Liegt
mit dem Murmeltier im Bett
Der
Nasenbär, der Nasenbär
Der
hat es diesmal wirklich schwer
Denn
seine Alte ist nicht nett
Liegt
mit dem Murmeltier im Bett
Es ist
neun Uhr morgens. Wir sind am Set von „Andy Bonetti, Kaiser und Gott“. Ein
Porsche Cayenne schlingert knapp an einer Kamera vorbei und kommt kurz vor dem
Wohnwagen von Bonetti-Darsteller Jason Statham zum Stehen. Bonetti fällt aus
dem Wagen, torkelt auf die Crew zu und lallt ein kurzes „Ihr Dreckschweine“,
bevor er sich beim Catering eine Flasche Bier schnappt. Der Regisseur wurde von
Bonettis Frau schon vorgewarnt. Der Medienmogul hatte bereits zum Frühstück
Kaffee mit Cointreau, Schampus und ein paar Kurze. Zusammen mit dem Restalkohol
der vergangenen Nacht eine gefährliche Mischung. Niemand solle ihm direkt in
die Augen sehen, beschwor sie den Regisseur. Ein Praktikant wagt es, Bonetti
anzusprechen. Er hat vergessen, ihn „Pontifex Maximus“ zu nennen und bekommt
gleich eine gescheuert, dass die Plomben klingeln. So beginnt jeder der vierzig
Drehtage, es ist die Hölle auf Erden. Aber es entsteht große Kunst.
Die
Schlossstraße in Berlin-Zehlendorf. Hier begann alles. Ein rein biodeutsches
Wohngebiet mit großen Einfamilienhäusern. Oberschicht. Zahnärzte, Politiker,
Anwälte, Unternehmer. Überdurchschnittliche Wahlergebnisse für die FDP.
Am
Anfang ließ ich Flugblätter gegen ein geplantes Flüchtlingsheim verteilen.
Natürlich hatte niemand vor, hier ein Flüchtlingsheim zu errichten, aber das
Gerücht war in der Welt und es hielt sich hartnäckig. Ich engagierte ein paar
kurzhaarige Studenten, die mit Protestplakaten auf den Bürgersteigen unterwegs
waren.
Der
nächste Schritt waren drei afrikanische Frauen mit Kinderwagen. Sie waren
stundenlang auf der Schlossstraße unterwegs. Dann schickte ich ein paar
arabische Jugendliche aus Neukölln los, die den Anwohnern Drogen verkaufen
sollten. Bald fuhren die Leute im Auto in den Grunewald, weil sie auf ihrer
Straße nicht mehr den Hund ausführen wollten.
Die
letzte Stufe: Bettler und Sperrmüll. Dann hatte ich sie so weit. Ich machte den
Hausbesitzern Kaufangebote. Die ersten Häuser bekam ich für zwei Drittel des
Marktpreises. Ich überließ die Häuser syrischen, afghanischen und irakischen
Familien, die einen befristeten Mietvertrag bekamen. Die weiteren Häuser bekam
ich zum halben Marktpreis oder darunter. Bald gehörte mir die ganze
Schlossstraße.
Die
Migranten mussten wieder gehen und ich verkaufte das gesamte Paket an eine
Immobilienfirma in London. Reingewinn: sieben Millionen Euro. Andere Straßen in
Berlin und München folgten. Inzwischen leite ich mein Imperium von einer
Strandvilla in Malibu per Videokonferenz, das Geschäftsmodell ist unschlagbar.
Blogstuff 794
„Ich weiß nicht,
warum die Leute erwarten, dass Kunst Sinn macht. Das Leben macht keinen Sinn.“
(David Lynch)
Was
haben wir nicht alles von den Amerikanern übernommen? Jeans und T-Shirts, Filme
und Musik – selbst „1968“ ist nur eine Kopie. In den Vereinigten Staaten gab es
in den sechziger Jahren Apartheid (getrennte Schulen, Toiletten, Sitzplätze in
Bussen usw.), „Rassenunruhen“ (mit hunderten Toten, zerstörten Innenstädten,
Malcom X und Martin Luther King wurden ermordet) und eine schwarze
Bürgerrechtsbewegung. In Deutschland gab es keine Schwarzen und nur wenige
(weiße) Gastarbeiter. Die USA hatten den Vietnamkrieg, fünfhunderttausend Mann
kämpften in Übersee, zehntausende junge Männer starben in diesem sinnlosen
Krieg, hunderttausende wurden seelisch und körperlich verkrüppelt. An den
Universitäten und Schulen Amerikas wurden gleichzeitig neue Soldaten
rekrutiert. In Deutschland gab es Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg, aber
kein Deutscher war an diesem Krieg beteiligt. Lange Haare, Proteste,
Hippie-Mode. Alles wurde von den jungen Deutschen adaptiert. Da war nichts
Eigenes zu erkennen. Als die Hippiebewegung in Amerika und der Vietnamkrieg zu Ende
gingen, hörte der Protest auch in Deutschland auf. Merkwürdigerweise hat keiner
gegen den Einmarsch der Roten Armee im gleichen Jahr den Mund aufgemacht, als
sowjetische Panzer den Prager Frühling niederwalzten. 1970 gingen in Amerika
die Extremisten der Protestbewegung in den Untergrund („Weathermen“), im
gleichen Jahr folgte ihnen die RAF in Deutschland.
Früher
haben die jungen Leute noch am Klebstoff geschnüffelt. Das war mir viel
sympathischer.
Andy
Bonetti ist für siebzig Prozent aller Bigfoot-Sichtungen im Hunsrück
verantwortlich.
Es
gibt jetzt eine LPG Schwarzer Pfälzer. Danke, Heiner Lauterbach!
***
Sie:
(zieht einen grünen Faden aus dem Mund)
Er:
Was ist das?
Sie:
Grabbelwank.
Er:
Für was ist das gut?
Sie:
Für nichts.
Er:
Aber man kann es kaufen.
Sie:
Ja.
Er:
Dann ist es gut für die Wirtschaft.
Es war
in jenem magischen Sommer 1985, als wir uns kennenlernten. Es war Freundschaft
auf den ersten Blick. Wir passten perfekt zusammen: Wir interessierten uns
beide für Literatur und Philosophie, wir soffen beide wie die Löcher, rauchten
Kette, konnten Stunden am Flipper verbringen und hatten keinen Plan für unser
weiteres Leben.
Ich
hatte gerade Abitur gemacht und ein halbes Jahr Zeit, um zu machen, was mir
gefällt, bevor der Zivildienst beginnen sollte. Ich schrieb meinen ersten
Roman. „Drei Eimer Scheiße“. Inspiriert von den Strugatzki-Brüdern dachte ich
mir die Geschichte von außerirdischen Besuchern aus, die aufgrund unserer
Blödheit keinen Kontakt zur Menschheit aufnehmen wollten und bei ihrem Besuch
nur einen Riesenhaufen Scheiße hinterließen, den der Ich-Erzähler fand. Zum
Glück wollte kein Verlag dieses Elaborat je veröffentlichen. Ich fand drei
Tuben Ölfarbe (blau, rot und gelb) und hatte eine kurze Phase als Maler, bis
die Tuben leer waren. Geld für neue Farben hatte ich nicht. Ich zeichnete,
machte Collagen aus den Fotos, die ich in alten Zeitschriften fand, die sich in
meiner Messi-Bude stapelten. An den Wänden Bilder von James Dean, Borussia
Mönchengladbach, der brennenden Hindenburg und Kafka-Zitate. Dazu war ich Gralshüter
einer veritablen Pornosammlung, denn ich hatte ganze Jahrgänge von Playboy,
Penthouse und Lui, die ich an die vielen sexgeilen Jungfrauen verliehen habe,
die den ganzen Tag nicht die Finger von ihrem Schwanz lassen konnten. Als ich
noch zur Schule ging, habe ich regelmäßig in einer Buchhandlung Zeitschriften
und Bücher geklaut. Außerdem befriedigte ich meinen gigantischen Lesehunger in
der Schulbibliothek, der Stadtbibliothek und der Werksbibliothek von Boehringer
(via Vater). Ich schrieb für den Ingelheimer Lokalteil der Mainzer Allgemeinen
Zeitung belanglose Artikel über Vereinssitzungen und Kindergarteneröffnungen
und war immer noch mit dem Klapprad unterwegs, dass ich mit acht Jahren
geschenkt bekommen hatte.
Mein
neuer bester Freund hatte nach dem Realschulabschluss eine Lehre als
Großhandelskaufmann absolviert und arbeitete in einem Baumarkt. Er wohnte nicht
weit von mir entfernt. Wir trafen uns meistens bei ihm, gelegentlich auch bei
mir. Nebenbei hatte er einen Job als Filmvorführer im örtlichen Kino. In seinem
ständig zugequalmten Zimmer hatte er Poster von Bruce-Lee-Filmen an den Wänden.
Außerdem zog er die Kronkorken aller Biere, die er trank, auf Schnüre, die
überall vor den Postern baumelten. Niemand hat sie je erzählt. Im Gegensatz zu
mir hatte er ein Auto, einen Opel Kadett. Eines schönen nachmittags tranken wir
einen kompletten Kasten Bier und
beschlossen, in unsere Stammkneipe am Bahnhof zu fahren. Er überholte auf dem
Weg dorthin in wilder Fahrt mehrere Autos. An der Kreuzung vor dem Bahnhof
stieg der Mann im Audi hinter ihm aus. Er zog meinen Kumpel aus dem Wagen und
legte ihm Handschellen an. Es war ein Polizist auf dem Weg zu seiner
Dienststelle. 1,8 Promille. Führerscheinentzug für ein halbes Jahr. Ich
torkelte zur Kneipe weiter, an den Rest des Tages konnte ich mich nicht mehr
erinnern. Jetzt war er also auch Radfahrer. Einen Monat später, auf dem Weg
nach Hause, legte er sich mit seinem Rad direkt vor der Polizeidienststelle in
der Bahnhofsstraße auf die Schnauze. Die Polizisten kamen raus, nochmal eine
Blutprobe, nochmal exakt 1,8 Promille, sechs weitere Monate Führerscheinentzug.
Einmal haben wir auf einer Fahrt auf der Autobahn eine Wette abgeschlossen. Er
glaubte nicht, dass ich bei über 100 km/h als Beifahrer vom vierten in den
ersten Gang schalten könnte. Er trat auf die Kupplung, ich prügelte mit zwei
Händen den Schaltknüppel in den ersten Gang und der Wagen rollte auf dem Standstreifen
aus. Er war mir noch nicht mal böse.
Damals
trafen wir uns jede Woche mehrmals, aber parallel dazu schrieben wir uns lange
Briefe. Genau wie ich las und schrieb er einfach gerne. Die Briefe hatten
manchmal fünf oder sechs Seiten Länge, ich habe sie heute noch. Obwohl wir uns
gegenseitig besuchten, schickten wir uns die Briefe per Post. Wir sprachen auch
nicht über die Briefe und unsere Gespräche wurden auch nicht in den Briefen
thematisiert. Es war, als hätten wir zwei Freundschaften, eine Brieffreundschaft
und eine „normale“ Freundschaft. Aber über seine Schicksalsschläge haben wir
weder gesprochen noch geschrieben. Ich fand es heikel, das Thema anzuschneiden,
und er schwieg beharrlich. Sein Vater hatte zehn Jahre in der Nervenheilanstalt
in Alzey gesessen, Schizophrenie. Nach seiner Entlassung arbeitete er in der
Leergutannahme eines Supermarkts. Als er wieder fremde Stimmen in seinem Kopf hörte,
erhängte er sich im Keller ihres Hauses. Mein Freund hat ihn gefunden. Im
nächsten Jahr wurde sein Bruder schizophren, auch er beging Selbstmord. Diese
Familienkatastrophen erzählte er ganz nüchtern und sachlich, danach erwähnte er
sie nie mehr. Er hatte sicher sein Leben lang Angst, dasselbe Schicksal zu
erleiden.
Vor
einigen Jahren erkrankte er an Krebs und war sieben Monate in stationärer
Behandlung. Über einen gemeinsamen Freund ließ er mir ausrichten, dass er mich
gerne noch einmal sehen wolle. Nach überstandener Therapie trafen wir uns. Wir
haben ein paar Gläser Weinschorle getrunken, die alten Zeiten wieder aufleben
lassen und viel gelacht. Es war, als hätten wir uns erst gestern zum letzten
Mal gesehen. Er ist inzwischen im Ruhestand und lebt nach dem Tod seiner Mutter
allein in seinem Elternhaus. Er muss einen Rollator benutzen und hat als letzte
Verwandte eine Schwester, die mit ihrem Mann in der Nähe von Bingen wohnt.
Gelegentlich treffe ich Duffy, einen alten Weggefährten. Von ihm erfahre ich,
wie es den Helden der Nacht heute geht.
P.S.:
Eine Anekdote noch. Als er Zivildienst bei „Behinderten- und Senioren-Reisen“
(BSR) in Ingelheim machte, wurde ihr VW-Bully von Ganoven geklaut, die damit
einen Diamantenhändler in Idar-Oberstein überfielen, 1,5 Millionen Beute
machten und anschließend den Kleinbus wieder zurückbrachten. Das Fahrzeug wurde
natürlich von Zeugen gesehen. Am nächsten Tag hat das LKA Mainz die komplette
Firma hochgenommen und zum Verhör in Handschellen abgeführt. Ich konnte meinem
Kumpel für die Nacht ein Alibi geben. Es war Hexennacht und wir waren in
unserer Stammkneipe gewesen. Anschließend bin ich mit ihm nach Hause gegangen.
Aber er wurde wochenlang beschattet. Immer lustig, wenn zwei kurzhaarige
Schweiger, die wir noch nie gesehen hatten, am Nachbartisch sitzen.
P.P.S.:
Unser erstes Ingelheimer Rotweinfest im Herbst 1985 endete mit einer Schlägerei
mit zwei anderen Jungs. Die amerikanische MP, die damals gemeinsam mit der
deutschen Polizei für die Sicherheit bei diesem mehrtätigen Massenbesäufnis
sorgte, beendete den Kampf und wir gingen nach Hause. Ungeschlagene Krieger vom
Stamme der Suffnasen.
Blogstuff 793
„Ein Paranoid ist jemand, der ein wenig davon weiß,
was los ist. Ein Psychotiker ist ein Typ, der gerade herausgefunden hat, was
los ist. " (William S. Burroughs)
Ulis
erstes Auto war eine Ente. Als sie mich zuhause abholte, erzählte sie mir, alle
Entenfahrer würden sich grüßen. Und dann kommt uns nach zwei Minuten wirklich
eine Ente entgegen und beide Fahrer winken sich zu. Ich dachte, ich spinne.
Ich
träume, ich bin der chinesische Botschafter in Island. Ich bekomme meinen Reis
per Diplomatenpost, aber er reicht nicht. In Reykjavik gibt es aber kaum Reis,
denn die Isländer sind fanatische Nudelesser. Italiener nix dagegen. Vor der
Stadt steht ein Turm, der sich in den Wolken verliert. Er stand schon, bevor
die ersten Menschen die Insel vor tausend Jahren erreichten. Er hat weder Türen
noch Fenster.
Können
Blinde Rassisten sein?
Nehmen
wir mal an, ich sitze in einem Hubschrauber, der aufsteigt und sich dann zwei
Stunden nicht von der Stelle rührt. Dann würde ich doch bei der Landung
woanders sein, denn die Erde dreht sich ja permanent. Oder?
Hätten
Sie’s gewusst? Wir haben in Rheinland-Pfalz ein Motorsportteam, das Frikadelli
Racing heißt. Frikadelli Racing &
Sabine Schmitz (frikadelli-racing-team.de)
Aus toten
Augen läuft das Blut / Der Horrorfilm war wieder gut.
Letzte
Straße. In Ludwigslust. Cooler Name.
Ein
Bahnhof ist nur ein Einkaufszentrum mit Gleisanschluss. Die Technik ist uralt:
Gleise aus Stahl, Bahnschwellen aus Beton. Die moderne Technik ist im Stellwerk
und im Zug. Wann wird der Stuttgarter Hauptbahnhof denn endlich fertig? Zu
Kaiser Willems Zeiten ging alles etwas flotter.
„Freiheit“
ist für viele Leute inzwischen das Synonym für Egoismus.
Im
Frühling 1991 gab ich meine erste Zeitungsannonce auf. In der Zitty. Rubrik: Er
sucht Sie. Der kurze Text begann mit „Save Our Souls“. Nur eine einzige Frau
antwortete mir. Lena. Wir gingen ein paar Mal aus, ins Kino (Filmkunst 66), ins
Yorckschlösschen in Kreuzberg. Dann reiste sie in die Schweiz und wir schrieben
uns Briefe. Wir wussten beide: Wenn sie zurück in Berlin ist, werden wir ein
Paar (Anrede im letzten Brief: „Matthi-As“, kein Witz!). Aber dann lernte sie
im Zug einen anderen Mann kennen, verliebte sich und die beiden wurden ein Paar
– für ein Jahr, wie ich später erfuhr. Ich habe sie nie wieder gesehen. Drei
Monate später traf ich die Liebe meines Lebens.
In
meinen ersten Semesterferien überführte ich einen Gebrauchtwagen nach
Marseille. Dort sollte er nach Afrika gebracht werden. Das Auto war vollgetankt
und ich bekam dreihundert Mark. Als ich in Marseille war, nahm ich mir ein
billiges Hotelzimmer. In einer Kneipe lernte ich einen anderen
Gebrauchtwagenhändler kennen. Am nächsten Tag fuhr ich nach Budapest.
Blogstuff 792
„Alle hatten Angst
vor Lücken in ihrem Lebenslauf. Aber niemand schien Angst davor zu haben, seine
Träume zu verraten.“ (Benedict Wels: Spinner)
Ich
finde es lustig, dass die Letzte Generation Berlin lahmlegen will. Das macht
die Stadtverwaltung doch schon seit zwanzig Jahren.
Supermarkt
und Impulskontrolle – mein großes Problem. Vor allem, wenn ich hungrig und ohne
Einkaufszettel unterwegs bin. Zum ersten Mal seit zwanzig Jahren habe ich
Knoppers zu Hause und warte jetzt jeden Tag auf halb zehn.
Außerdem
habe ich mir eine Flasche Cinzano gekauft. Wann habe ich zuletzt Cinzano
getrunken? Ich erinnere mich nur an einen völlig verregneten Vormittag im Mai
1991 auf einem Campingplatz in Südfrankreich, als ich mit zwei Freunden in
meinem Golf saß. Jeder hatte eine Flasche Cinzano in Arbeit, dazu hörten wir
dröhnend laut Musik und zogen uns damit den Hass der anderen Camper zu, feine
Pinkel mit fetten Wohnmobilen und Surfbrettern. Am Sonntag dann der Senna-Sieg
beim Grand Prix in Monte Carlo.
1887:
Der Berliner Ingenieur Max Sielaff lässt sich den ersten Selbsttätigen
Verkaufsapparat patentieren. Bald darauf stehen 10.000 Automaten in ganz
Deutschland, an den man z.B. Süßigkeiten kaufen kann. 1902 bereist der
Amerikaner Joseph Horn Europa und entdeckt in Berlin das erste
Automatenrestaurant. Begeistert von der Idee, ein Restaurant ohne Kellner
betreiben zu können, eröffnet er mit seinem Partner Frank Hardart ein
Automatenrestaurant in Philadelphia mit Sielaff-Automaten. 1941 gab es bereits
157 Horn & Hardart-Restaurants in den Vereinigten Staaten; allein über
fünfzig in New York, die täglich von 350.000 Kunden besucht wurden. Ein Tasse
Kaffee kostete fünf Cent. Mit dem Aufstieg der Fast-Food-Ketten begann der
Niedergang des Unternehmens, 1991 wurde das letzte Restaurant geschlossen.
Früher
hieß es immer, man solle beim Schreiben als Ort der Handlung eine Stadt nehmen,
die man persönlich kennt. Ein Kölner lässt seine Erzählung in Köln spielen und
nicht in Honolulu, wo er vermutlich noch nie gewesen ist. Heute ist das anders.
Warum sollte ich mir nicht Sandusky, Ohio, aussuchen? Die Basis-Infos bekomme
ich mit einem Mausclick bei Wikipedia, bei Google Maps sehe ich mir Bilder der
Stadt an und kann mir das Interieur und die Speisekarten diverser Restaurants
anschauen, in denen vielleicht eine Szene spielt. Aktuelle News gibt’s auch im
Internet. Ich gratuliere Teresa und Tom Sloma zu ihrem sechzigsten Hochzeitstag,
sie haben drei Kinder und acht Enkel. Für größere Städte gibt es Streetview, so
dass man jedes Gebäude beschreiben könnte. Das gilt auch für Straßen. Ich bin
mal zehn Minuten einer Landstraße in Island gefolgt, weil ich wissen wollte,
wie es dort überhaupt aussieht (öde). Die Menschen in Sandusky leben im Grunde
genommen nicht anders als die Menschen in Gütersloh. Sie gehen morgens zur
Arbeit oder in die Schule, sie fahren mit dem Auto, sie glotzen auf ihr Handy,
sie schauen sich Filme und Serien an. Liebe und Hass, Reichtum und Armut, gute
und schlechte Menschen, Streit und Versöhnung – das alles gibt es dort. Warum
sollte mein nächster Roman nicht in Ohio spielen?
Blogstuff 791
„Aber ich würde behaupten, dass ich in meinem Leben
erheblich mehr interessanten Büchern begegnet bin als interessanten Menschen.“
(Fran Lebowitz)
Die
SPD in Berlin hat sich entschieden. Schwarz-Rot haben wir in zwei Jahren auch
in der Bundesregierung, von daher ist es ein Menetekel. Kai „Ich will deinen
Vornamen wissen“ zieht ins Rote Rathaus ein.
Zu
meiner Zeit gab es auf dem Campus drei Arten von Studenten: die Poser, die
Streber und die Loser. Ich war nicht sportlich und nicht reich genug, um zu den
Posern zu gehören. Für die Rolle des Strebers war ich zu faul, außerdem fehlte
mir der Ehrgeiz.
Wettervorhersage
am 20. April für Rheinland-Pfalz: Schnee in höheren Lagen, der bis zum
Nachmittag liegen bleibt. Ohne Worte.
Ich
frage mich, warum ein Freistoß in Tornähe beim Fußball immer noch ein bis zwei
Minuten Spielzeit kostet, trotz Rasierschaumsprühdose des Schiedsrichters. Da
werden die Stutzen hochgezogen, die Frisur wird gerichtet, das Augen-Makeup
wird mit Eyeliner nachgezogen. Es kommt kein Sanitäter auf den Platz, sondern
ein Visagist, bevor es endlich weitergeht.
Die
Schnur in Ihrer Jogginghose verschwindet auf Nimmerwiedersehen?
Bonetti-Lifehack: Gleich nach dem Kauf an den losen Enden Sektkorken
befestigen.
Das
Benefizfußballspiel einer Auswahl Hamburger Feuilletonisten gegen elf Hooligans
von Dynamo Dresden endete in dem erwarteten Blutbad.
Hinter
Wichtelbach liegt die Gegend 51, ein Sperrgebiet, das mit einem Elektrozaun
hermetisch abgeriegelt ist. Hier wurde die Mondlandung gedreht, hier wurde das
Bernsteinzimmer eingelagert und hier findet man auch das Lasergewehr, mit dem Kennedy
von Marsianern ermordet wurde, weil die Amerikaner eins ihrer UFOs abgefangen
hatten.
Zum
Glück ist es die „Letzte Generation“. Noch eine würde ich nicht aushalten.
Sie
hatte so viel schwarzes Make-Up um ihre Augen geschmiert, dass ich bei ihrem Anblick
an einen Waschbären denken musste.
Der
Mann vor mir legt bei Netto vier Flaschen Captain Morgan aufs Band. „Mehr darf ich
nicht“, sagt er zur Kassiererin und lacht.
Uli
Hoeneß muss wieder Manager werden und Jupp Heynckes Trainer. Ohne die Boomer
läuft es nun mal nicht. Meine Meinung.
Jetzt
habe ich doch tatsächlich in einem Roman das Wort „Bordsteinschwalbe“ gelesen.
In längst vergangener Zeit wurde Prostitution noch poetisch verbrämt.
Klimafreundlich geschrieben
Weiden
Soll man meiden
Tannen
soll man bannen
Eichen
soll man weichen
Buchen
soll man verfluchen
Fichten
soll man richten
Kiefern
soll man liefern
Band
of Horses - Is There a Ghost [OFFICIAL VIDEO] - YouTube
461
Worte. Der längste Leserbrief, den ich je bekommen habe. Der Verfasser ist ein
ehemaliger Mitschüler von mir. Wir frequentierten in den späten Achtzigern in
Ingelheim die gleichen Kneipen und in einer schwachen Stunde hat er mich damals
als seinen besten Freund bezeichnet. Als ich 1991 nach Berlin gezogen bin, hat
er mich dort allerdings nie besucht und auch nicht mehr angerufen. Der Kontakt
brach ab. Jetzt meldet er sich plötzlich wieder.
Hannes Blech (Name von der Redaktion geändert), inzwischen VWL-Dozent an der Volkshochschule
Pforzheim (ich ringe minutenlang mit dem Wortspielteufel), sein schrägstes
Machwerk heißt „Der Liebesökonom“ (2005 im FAZ-Verlag erschienen, „Rein unter
volkswirtschaftlichen Aspekten betrachtet er das Wesen von Beziehungen“), ist
zum ersten Mal über meine publizistische Tätigkeit verärgert. Wie im
akademischen Milieu üblich, ist der Text klar gegliedert und umfasst vier
Hauptpunkte der Kritik. Ich zitiere nur in Auszügen.
1.
„Ein Schriftsteller darf erfinden, erdichten und dramatisieren. Du aber
schreibst über reale Personen, verfälschst oder ignorierst aber den Kontext und
erfindest Dinge – kurz gefasst: Du lügst. Aber bei Deinen Lesern erweckst den
Eindruck, dass alles wahr ist. Vieles von dem, was Du in Deinem Blog über
Bekannte und Erlebnisse geschrieben hast, ist falsch oder gelogen, aber Du
erweckst den Anschein der Wahrheit. Das ist unredlich. Und das ist nicht
Schriftstellerei. Als Journalist hättest Du mit dieser Arbeitsweise in keinem
Medium die Probezeit überlebt.“ Sehr geehrter Herr Blech! Vermutlich ist es
Ihnen entgangen, aber ich bin Schriftsteller und kein Journalist. Daher muss
ich mich zum einen nicht vor einer imaginären Probezeit fürchten, zum anderen darf
ich, wie in der Belletristik üblich, nach Belieben Fakten und Fiktion
kombinieren. Fragen Sie Benjamin von Stuckrad-Barre oder Maxim Biller, die für
ihre nur mühsam kaschierten Porträts von Freunden und Bekannten berühmt sind.
Stellen Sie sich vor, Ihre Schwester wäre eine kleine Provinztippse, die jeden
mit ihrer hochnäsigen Besserwisserei nervt und Ihnen bei sämtlichen Familientreffen
eine Boulette in Sachen Homöopathie ans Ohr quatscht. In einem Roman stellen
Sie eine solche Frau dar, aber sie verändern diverse Merkmale, z.B. ist sie weder
eine Sekretärin noch die Schwester des Protagonisten. Das ist keine Lüge, das
ist Kreativität. Schriftsteller benutzen die Realität, ihre Erinnerungen und Erfahrungen
als Rohstoff. Ich empfehle Ihnen hierzu das gleichnamige Buch von Jörg Fauser,
in dem dieses Grundprinzip sehr anschaulich erklärt wird. In einem Roman wird
nie der Anschein der Wahrheit erweckt, es ist ja keine Reportage. Ein
Schriftsteller ist nicht der Wahrheit verpflichtet, wenn man darunter nur die
oberflächliche Welt der Tatsachen versteht, sondern bestenfalls einer höheren
Wahrheit. Lesen Sie bitte Terry Pratchetts berühmte Scheibenwelt-Romane, Harry
Potter oder Science-Fiction. Vielleicht begreifen Sie es dann.
2.
„Du bist frei, über Deine Mitmenschen zu denken, was Du willst. Aber
gibt Dir das das Recht, Dich über andere zu erheben, sie öffentlich lächerlich
zu machen, zu beleidigen (…)?“ Ja, siehe oben. Ich bin tatsächlich frei. Sie
haben als Volkswirt natürlich noch nie einen Blick ins Grundgesetz geworfen,
aber unsere wunderbare Verfassung gibt mir sogar ausdrücklich das Recht auf
eine eigene Meinung. Wenn ich mich beispielsweise über Ihren legendären Geiz
und Ihre absurde Geldgier lustig machen würde, erhebe ich mich nicht über Sie,
ich halte Ihnen nur den satirischen Spiegel vor. Hierzu möchte ich Ihnen als
Lektüre „Gullivers Reisen“ von Jonathan Swift ans Herz legen.
3.
„Mit diesen Beleidigungen und Denunziationen einher geht ein
bemerkenswerter Mangel an Respekt: Du machst Dich lustig über andere Leute, die
nicht Deine Ansichten und Deinen Lebensstil haben. Dieser Mangel an Toleranz
für andere Lebensentwürfe und Ansichten sei Dir zugestanden.“ Wenn Sie mir
mangelnde Toleranz zugestehen (vielen Dank übrigens, das ist sehr großzügig von
Ihnen), warum ist es dann ein Kritikpunkt? Bitte redigieren Sie Ihre Leserbriefe
in Zukunft noch einmal, bevor Sie in Ihrem infantilen Zorn eine solch endlose
Suada auf die Reise schicken.
4.
„Was Deinem Blog gänzlich fehlt sind Demut, Selbstzweifel und die
Bereitschaft, anderen Meinungen Gehör zu schenken. Was immer Du schreibst, Du
lässt keinen Zweifel daran, dass Du im Besitz der einzigen Wahrheit bist.
Andere Meinungen werden abgewertet, verhöhnt und lächerlich gemacht.“ Wer Don Blech kennt, weiß: Er ist ein selbstverliebter Egozentriker mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Auf gut deutsch: Er wichst vor seinem eigenen Spiegelbild. Woher hat dieser Giftzwerg Begriffe wie "Demut" oder "Selbstzweifel"? Schließlich hat er sie bisher noch nie benutzt. Ich
vertrete selbstverständlich meine persönliche Meinung. Was sollte ich denn sonst
tun? Ich begründe meine Positionen mit Argumenten und illustriere sie an
Beispielen. Manchmal mache ich mich über die AfD, die CSU, den real
existierenden Scholzialismus, Putin, Bayern München und am allerliebsten über
mich selbst lustig. Schade, dass Ihnen der Humor meiner Beiträge bis heute
nicht aufgefallen ist. Hier kriegt jeder sein Fett weg. Falls es für Ihre
zartbesaitete Finanzmarktseele unerträglich ist, empfehle ich Ihnen, die
Lektüre zu wechseln, anstatt darauf zu hoffen, dass ein Autor seinen Stil und
seine Themen ändert.
Vielleicht konzentrieren Sie sich in Zukunft wieder auf Ihre eigentliche Tätigkeit in der Erwachsenenbildung, anstatt anderen Menschen in oberlehrerhaftem Tonfall Ratschläge zu erteilen, in deren Tätigkeitsbereich Ihnen ganz offensichtlich die fachliche Kompetenz fehlt. Ansonsten kann ich Ihnen auch gerne mal Ihren neoliberalen Propagandamüll erklären. Leben Sie wohl!
Blogstuff 790
„SPIEGEL: Sie haben
sich zum Schreiben auf die Seychellen zurückgezogen.
Bonetti: Ja, wenn es
um Stuckrad-Barre geht, schreibt man besser am Strand.“
Jetzt
wird überall herumgejammert, dass die NRW-Abiprüfungen auf Freitag verlegt
werden – und ausgerechnet an diesem Tag streikt die Bahn. Ich bin in meiner
Jugend jeden Morgen fünfzehn Kilometer bei Wind und Wetter zur Schule gelaufen,
weil ich die dreißig Pfennig für den Bus nicht hatte!
Langsam
wird es unheimlich. Vier Tage hintereinander klingelt eine junge Frau in einem
roten T-Shirt an meiner Haustür. Sie benutzt nicht die Klingel an der
Gartentür, sondern betritt einfach das Grundstück und steht direkt hinter der
Tür. Ich sehe sie durch die Mattglasscheibe als rote Silhouette. Sie klingelt
ein zweites Mal und bleibt noch eine Weile stehen. Dann verlässt sie das
Grundstück wieder. Ich beobachte sie vom Küchenfenster aus. Sie ist Ende
zwanzig, trägt ein Klemmbrett und hat ihr schwarzes Haar zu einem Pferdeschwanz
gebunden. Sie setzt sich in einen silbernen Mittelklassewagen mit Ingolstädter
Kennzeichen, macht sich Notizen und sieht dabei immer wieder zu unserem Haus
hinüber. Keine Ahnung, was das soll. Soll ich ihr irgendwann mal aufmachen?
Ü50-Freundschaften
sind manchmal eine seltsame Sache. Ein Schulfreund, den es nach Mainz
verschlagen hat, bezeichnet einen Schulfreund in Ingelheim, der Nachbarstadt,
ernsthaft als seinen „besten Freund“. Die beiden sehen sich zwei- bis dreimal
im Jahr auf ein Glas Wein (wg. Führerschein). Ein anderer lebt seit zwanzig
Jahren in Saarbrücken. Er besucht einen alten „Freund“ in Ingelheim einmal im
Jahr. Dieser „Freund“ war in all den Jahren nicht ein einziges Mal in Saarbrücken.
Er hat die Frau und die drei Kinder des Saarbrückers, die älteste Tochter ist
inzwischen fünfzehn, noch nie gesehen. Wenn ich sowas höre, bin ich über die
Jungs und Mädels froh, mit denen ich Fußball oder Filme gucken und Pizza essen
kann, die flüssigen Requisiten stets in Reichweite, auch wenn die Niederlage
gegen die Skyblues letzte Woche bitter war (das Rückspiel haben wir uns
erspart). Wir sind alle so herrlich Old School, ich habe in diesem Jahr schon
zwei Ansichtskarten aus dem Urlaub bekommen und wir führen tatsächlich noch Telefongespräche.
Ich
verstehe die heutige Studienordnung nicht. Erst macht man den Bachelor, für den
sechs Semester vorgesehen sind, dann den Master in vier Semestern – wenn man
sich an die Regelstudienzeit hält. Früher hieß der Bachelor Grundstudium. Dafür
habe ich damals drei Semester gebraucht. Von den zwanzig Scheinen, die man zur
Abschlussprüfung vorlegen musste, habe ich in diesen drei Semestern dreizehn
gemacht, keiner besser benotet als 3. War mir egal, interessiert hinterher ohnehin
niemanden mehr. Für die restlichen sieben Scheine, die Magisterarbeit und die
mündliche Prüfung habe ich mir dann acht Semester Zeit gelassen. An zwei Tagen
pro Woche Seminare, keine Vorlesungen. Ansonsten Baggersee und Party. Warum
presst man die Studenten heutzutage in dieses elende Korsett, als gingen sie
noch zur Schule?
Es
dauerte eine Stunde, bis ich in sein Büro gerufen wurde. Mir klopfte das Herz.
Der 66. Stock im Springerhochhaus. Chefetage. Oder „Führerhauptquartier“, wie
es im internen Jargon hieß.
Ich
stand vor seinem Schreibtisch. Er schrieb gerade eine SMS. Dann sah er zu mir
auf.
„Sie
sind?“
„Letschko,
Herr Döpfner. Florian Letschko.”
Er
stand auf und sah mich prüfend an.
„Machen
Sie mal den Oberkörper frei.“
Ich
zog, Schlips, Hemd und Unterhemd aus und stand ungefragt stramm, die Arme eng
an den Körper gelegt.
„Wo
haben Sie gedient?“
„Landeszeitung
für die Lüneburger Heide.“
Er
trat einen Schritt näher und betastete die Muskulatur meiner Arme, dann meine
Hände.
„Sie
sind gesund und können mit zehn Fingern schreiben?“
„Sir,
ja, Sir.“
„Es
ist Ihnen klar, dass Sie mir mit Haut und Haaren gehören, wenn Sie für Springer
arbeiten?“
„Sir,
ja, Sir.“
„Gut.
Vier Wochen unbezahltes Praktikum. Der Praktikantenraum ist im ersten
Untergeschoss. Und geben Sie mir Ihre Handynummer.“
Zwei
Stunden später kam die erste SMS von Döpfner. „Alle Ossis sind Entweder
kommunisten; Odr Nazis. Vierzig zeilen bis morgeN.“
Ich
begann mit meiner Recherche bei Wagenknecht, aber sie war schon lange keine
Kommunistin mehr, sondern Unternehmerin. Ich machte mit Björn Höcke weiter,
aber der ist Wessi. Schließlich schrieb ich was über Gysis Stasivergangenheit
und die „Wilhelmsruher Türkenklatscher“, die es schon zu DDR-Zeiten gegeben
hat, obwohl in der DDR gar keine Türken gelebt haben.
Als
ich abends nach Hause kam, erhielt ich eine zweite SMS: „Wir Müssn druck auf
Regirung erhöhn. Ötzdemür beim fleischessen zeigen.“
Das
war schon schwieriger, denn zu diesem Thema gab es keine Bilder. Özdemir ist
bekanntlich seit seiner Jugend Vegetarier. Also montierte ich mithilfe von
Photoshop seinen Kopf auf den Körper von Peter Altmaier, der gerade auf einem
Volksfest eine Bratwurst isst. Bildunterschrift: „Landwirtschaftsminister:
lecker Schweinefleisch. So gesund, Herr Özdemir.“
Vier
Wochen später begann meine unbezahlte Probezeit im ersten Stock.
Ein Test zum Thema Prokrastination. Fünf Minuten. Hat mich echt geschafft.
Achtzig Euro für sechs Monate Anti-Prokrastinationstraining. Ich habe lange überlegt. Dann war die Zeit abgelaufen. Vielleicht probiere ich es morgen nochmal. Die sollten sich das echt überlegen, ob so eine runtertickende Uhr das richtige Marketinginstrument ist. Hat mich irgendwie getriggert oder so. Ich leg mich jetzt erstmal hin.
P.S.: Vorhin fand ich eine Nachricht in meiner Mailbox.
Mein Gott, diese Leute haben recht! Ich muss mich meinen Ängsten stellen und endlich das Bad putzen. Die seit Jahrzehnten geplante Diät machen. Allerdings habe ich weder Netflix noch ein Projekt. Und meine Zeit vergeude ich mit Tests zum Thema Zeitvergeudung ...
Blogstuff 789
„An was denke ich? An eine Wurst denke ich. Es ist
schrecklich.“ (Robert Walser)
Warum
habe ich eigentlich so lange keinen Spießbraten mehr gemacht? Es muss viele
Jahre her sein. Dabei ist es so einfach: einen fertigen Spießbraten (1 kg) beim
Metzger holen, von allen Seiten scharf anbraten und dann für 1,5 h bei 160 Grad
im Backofen lassen. Null Arbeit, köstlicher Genuss. Man braucht noch nicht mal
Beilagen oder Soßen. Saftig, zart, reicht für zwei bis drei Portionen.
Kinder
sind ein perfekter Kompromiss zwischen Vater und Mutter. Stellen Sie sich vor:
ein blaues Auge von der Mutter, ein braunes Auge vom Vater, ein kurzer
schlanker Arm von der Mutter, ein dicker langer Arm vom Vater, ein kurzes
elegantes Bein von der Mutter, ein langes behaartes Bein vom Vater, ein Ei, ein
Eierstock.
Warum
steigen wir nach dem Atomausstieg nicht einfach wieder in die Atomenergie ein?
Ein neues AKW kostet 12 bis 13 Milliarden Euro, wenn man sich an den aktuellen
Bauvorhaben in Frankreich orientiert. Wenn wir also wieder zwanzig neue
Kraftwerke haben wollen, werden ca. 250 Milliarden fällig. Die
Energieversorgung ist von Helmut Kohl bekanntlich privatisiert worden. Die
alten AKW wurden komplett mit Steuergeld gebaut. Welches private Unternehmen
hätte das Geld für die neuen Kraftwerke? Keins in Deutschland, keins weltweit.
Welche private Versicherung übernimmt die Haftung im Falle eines GAU? In einem
dichtbesiedelten Land wie Deutschland kommen da leicht 50.000 bis 100.000 Tote
zusammen. Keine Versicherung geht derart ins Risiko. Wann wären die neuen
Atommeiler fertig, in einem Land, das für den Bau von Flughäfen, Bahnhöfen und Autobahnen
Jahrzehnte braucht? Und das sind alles keine Hightech-Anlagen. Wir führen
lauter Gespensterdebatten.
Der
legendäre Porsche 956 wurde 1982 zum ersten Mal eingesetzt. Im
24-Stunden-Rennen von Le Mans gelang dem Werksteam ein Dreifachsieg vor zwei
weiteren Porsche (935). Bester Nicht-Porsche war ein Ferrari auf Platz 6 mit 37
Runden Rückstand. Es gab also mal Zeiten, da war die deutsche Technik gar nicht
so übel.
In der
ZEIT heißt es jetzt „Witwerinnen“ statt Witwen. Gut. Machen wir das ab jetzt eben
so.
Hätten
Sie’s gewusst? Die Sahara hat eine Fläche von 9,2 Millionen qkm. Das entspricht
der Fläche der USA oder Chinas (je 9,5 Mill.).
„Von
der Wiege bis zur Bahre / Ist der Schnaps das einzig Wahre“ (Charles Bukowski
zugeschrieben).
Kaum
ist die Gespensterdebatte über E-Fuels, die es an keiner Tankstelle gibt,
vorbei, tritt das Parteisurrogat FDP eine neue Gespensterdebatte los. Die
Kernfusion soll unsere Energieversorgung sichern. Leider gibt es noch keinen
einzigen Konfusionsreaktor auf der Welt, aber durch „Entbürokratisierung“ soll
dieser Technologie in Deutschland endlich der Weg frei gemacht werden. Lindner,
Kubicki, Dürr – ich glaube, da hilft nur noch die Entzugsklinik.
#Fluxkompensator
Ich
kann mich nicht mehr erinnern, wer aus unserer Clique ihn eines Abends
mitgebracht hatte. Wir haben uns damals entweder im Hobo oder im Pony Express getroffen, den beiden einzigen Kneipen in der
Stadt, in der sich die Jugend allabendlich bei lauter Musik zum gemeinsamen
Rausch zusammenfand. Aber irgendwann gehörte er einfach dazu.
Er
stammte aus gutem Hause wie etwa die Hälfte von uns. Sein Vater verkörperte das
gediegene Bildungsbürgertum der alten Bundesrepublik und war Chefredakteur der
Lokalzeitung. Seine Mutter verbrachte den Tag im repräsentativen Anwesen am
Stadtrand mit Sarkasmus, Rotwein und Selbstmitleid. Wie viele Jugendliche
wollte er gegen seine spießigen Eltern rebellieren und weigerte sich, ans
Gymnasium zu gehen. Er machte nur den Realschulabschluss und begann eine Lehre
als Metzger.
Tagsüber zerhackte er Fleisch, abends besoff er sich in der Kneipe und spielte im schwarzen Jackett den Kleinstadtintellektuellen. Sein Nonkonformismus wirkte angestrengt und bisweilen verbissen. Wir studierten zu diesem Zeitpunkt schon, genossen aber den proletarischen Charme seiner selbstverliebten Ergüsse. Schließlich hatten wir noch zwei Leute vom örtlichen Baumarkt und von Woolworth am Tisch, die auch zu philosophischen und politischen Monologen ab 1,0 Promille aufwärts neigten. Es war eine gute Mischung, unterschiedliche Perspektiven und Meinungen, die lautstark, aber nie feindselig diskutiert wurden.
Sein
Kinderzimmer war überraschend bürgerlich. Regalmeterweise ungelesene
Weltliteratur (wie er mir eines Tages unter vier Augen gestand), die ihm sein
kulturbesessener Vater geschenkt hatte, an der Wand ein echtes Ölgemälde,
dessen Wert sämtliche Ersparnisse des Freundeskreises überstieg. Nach seiner
Lehre drohte der Wehrdienst. Also ging er nach West-Berlin und nahm, zum
Entsetzen seiner Eltern, Schauspielunterricht. Er wohnte in SO 36 und arbeitete
als Briefträger. Natürlich wurde er nie Schauspieler, auch ein kurzes
Intermezzo als Sänger einer Band verlief im Sand. Dann kam die Einheit und in
ihrem Gefolge das Kreiswehrersatzamt. Tschüssikowski, Kreuzberg, Servus,
Bayern. Er kam zu den Gebirgsjägern und unterschrieb gleich für zwei Jahre.
Keine
Ahnung, was aus ihm geworden ist. Wir haben ihn aus den Augen verloren. Wahrscheinlich
hat er eine Frau, zwei Kinder und ein Reihenhaus in der tiefsten Provinz. Oder
er verprasst sein üppiges Erbe in Florida.
Blogstuff 788
„Die Industrielle Revolution, angetrieben von
Sklaverei und Kolonialisierung, brachte dem globalen Norden unvorstellbaren
Reichtum, besonders einer kleinen Minderheit der dort lebenden Menschen. Diese
extreme Ungerechtigkeit ist die Grundlage, auf der unsere moderne Gesellschaft
aufgebaut ist“ (Greta Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz
Efraimstochter Thunberg)
Greta
fordert in ihrem neuen Buch die Abschaffung des Kapitalismus. Wie sieht die
Alternative aus? Der Staat soll unser Leben bis ins Detail regeln und mit planwirtschaftlichen
Rationierungen (Eigentum, Wohnraum, Mobilität usw.) eingreifen. Klingt
irgendwie bekannt, oder? Egon Krenz lebt noch. Die DDR war ja bekanntlich
CO2-neutral. Lustig ist auch die Co-Autorin Sonja Guajajara, eine Indianerin
aus Brasilien. Sie fordert, dass statt privilegierter weißer Männer
Indianerinnen die Macht auf Erden haben sollten. Welches politische Amt hat
Greta eigentlich? Ist sie irgendwo Entscheidungsträgerin? Oder ist es einfach
mal wieder nur das übliche Gelaber? Natürlich wird ihrer Meinung nach viel zu
wenig über das Thema Klimakrise berichtet und gesprochen: „Eigentlich sollte
das jede Stunde unserer täglichen Nachrichten, jede politische Diskussion,
jedes Business-Meeting und jede Minute unseres Alltagslebens beherrschen. Aber
das geschieht nicht.“ Und nun zum Sport.
Jean-Louis
Schlesser fuhr nur ein einziges Formel 1-Rennen, den Grand Prix in Monza 1988.
Dabei schaffte er es, den sicheren Sieger Senna zwei Runden vor Schluss
abzuschießen, als dieser ihn überrunden wollte. Ich könnte mich heute noch
aufregen.
Söder
will tatsächlich ein AKW weiterbetreiben, das ihm gar nicht gehört. Eigentümer:
PreussenElektra, eine hundertprozentige Tochter von E.ON. Will dieser Populist
von der Christlich Sozialistischen Union das Kraftwerk verstaatlichen? Wir
leben in einer Marktwirtschaft. Das Unternehmen entscheidet, was mit dem
Kraftwerk passiert. Es wird abgeschaltet. Ende der Durchsage.
Jogginghosen
heißen jetzt Appartement-Pants. Für Sie im Internet gelesen.
Erst
wirst du zu Hochzeiten eingeladen, dann zu Taufen, anschließend passiert ewig
nix, weil Scheidungen nicht gefeiert werden, und später geht es mit den
Beerdigungen los.
Liebe
Nachfahren! Wir hatten den Atomstrom, ihr habt den Atommüll. Kommt damit klar,
ihr Heulsusen!
Nochmal
Greta: „Wir haben die unvorstellbar großartige Chance, im entscheidendsten
Augenblick der Menschheitsgeschichte zu leben.“ Und was machen Sie? Lesen schon
wieder diesen Stuss von Bonetti. Zum Beispiel: „Wie entsteht das Klima? Wenn
ganz viel Wetter zusammenkommt, also ein richtig großer Haufen Wetter, dann
sprechen wir von Klima. Klima gibt es in allen Farben und auch in einer
Light-Version für Diabetiker.“
Wissen
Sie, wo die Ukraine Dieseltreibstoff für ihre Armee kauft? In Russland.
Natürlich. Das hat Seymour Hersh herausgefunden.
Wissen
Sie, dass die Ukraine Waffen und Munition, die sie vom Westen geliefert bekam,
an private Waffenhändler in aller Welt verkauft? Auch das hat Seymour Hersh
herausgefunden. Er hat mit jemandem geredet, schreibt er.
Der
findet ja alles raus. Alles findet der raus, dieser Teufelskerl.
Blogstuff 787
„Was immer du
schreibst – schreibe kurz, und sie werden es lesen, schreibe klar, und sie
werden es verstehen, schreibe bildhaft, und sie werden es im Gedächtnis
behalten.“ (Joseph Pulitzer)
Acht
Uhr morgens im Bus. Die resignierten Gesichter der zwei Jungs, die in
Bretzenheim aussteigen. Mit gesenkten Köpfen gehen sie auf die andere
Straßenseite. Dort steht eine Fabrikhalle. Wenn es gut läuft, sind sie
irgendwann verheiratet und haben ein Reihenhaus. Das ist das Maximum, aber
keiner weiß, wie ihre Chancen stehen. Wie hält man das in diesem Alter aus?
Auf
was im Leben hat uns eigentlich der Barren vorbereitet?
„Danke
Peter Nidetzky in Wien! Wir schalten zu Konrad Toenz in Zürich. Gibt es neue
Erkenntnisse?“ – „Andy Bonetti ist nur verhaltensauffällig, nicht
verhaltensgestört. Das ist ein großer Unterschied.“
Pythagoras
selbst war unberechenbar.
Propaganda
erkennt man immer daran, dass eine Geschichte nur vom Ende her erzählt wird.
Die USA werfen Atombomben auf Japan. Böse. Punkt. Den imperialistischen
Eroberungskrieg eines faschistischen Staats in China und Südostasien mit
Millionen Toten, der diesem Angriff vorausging? Geschenkt. Die NATO hat
Jugoslawien bombardiert. Böse. Punkt. Der Bürgerkrieg ab 1991, die jahrelangen
Verhandlungen mit Milosevic, die nichts gebracht haben, das Massaker von
Srebrenica? Zählt alles nicht. Wollen wir nicht hören. Und dann wundern sich
diese Leute, warum niemand mit ihnen diskutieren will.
Wann
kapieren die jungen Klimaaktivisten endlich, dass die alten und uralten
Menschen in Deutschland klar in der Mehrheit sind? Alte wollen nichts
verändern, Grundbesitzer, Aktionäre und SUV-Fahrer schon gar nicht. Verzicht
ist utopisch, Verzicht bedeutet Versagen. Was ich mir leisten kann, das will
ich auch haben. Die Deutschen sind eine Schafherde. Gib ihnen genug zu fressen
und sie halten das Maul. Millionen Menschen wehren sich gegen einen
Regierungsbeschluss? Das ist Frankreich, Leute. In Mordor herrschen willenloser
Gehorsam und pflichtbewusster Untertanengeist. Gib Hitler eine
Jack-Wolfskin-Jacke und drück ihm einen Beyond-Meat-Burger in die Hand – wir
werden ihm folgen.
Eine
unglaubliche Künstlerbiografie. Ich habe mir gleich mal „Tagebuch eines Diebs“
bestellt. Jean Genet – Wikipedia
Die
„Wiener Zeitung“ ist die älteste noch existierende Tageszeitung der Welt. Sie
existiert seit 1703. Jetzt ist Schluss.
Natürlich
gibt es Geister. Wir können uns mit den Verstorbenen in Gedanken unterhalten
und sie tauchen in unseren Träumen auf. Sie leben in unseren Erinnerungen. Von
diesem Punkt aus ist es nicht weit, um an die Geister der anderen glauben, die
überall herumspuken. Vielleicht entstand so der Aberglaube.
Blogstuff 786
„Mein Vorschlag.
Friedensnobelpreis für Trump. Und ibama wieder wegnehmen.“ (Mathias Döpfner)
„Große Überraschung:
Langjähriger Chef von niederträchtiger, rechtspopulistischer, rassistischer,
volksverhetzender und lobbyistischer Zeitung selber auch niederträchtig,
rechtspopulistisch, rassistisch, volksverhetzend und lobbyistisch.“ (Der
Gazetteur)
Seit
die AKW vom Netz sind, läuft mein Internet total langsam und es ist auch irgendwie
dunkler in meiner Wohnung.
In den
letzten Wochen haben CDU, CSU und FDP über das Ende der Atomkraft in
Deutschland gejammert und geklagt, gezetert und gekeift wie drei alte
Waschweiber. Fun Fact: Genau diese drei Parteien haben 2011 den Atomausstieg
beschlossen. Diese Hysterie erinnert mich an vergangenes Jahr, als uns allen
ein Winter mit kalten Wohnungen und Blackouts prophezeit wurde. Kassandra ist
eine Deutsche.
Letztes
Jahr stiegen wegen des Krieges die Energiekosten, damit die Produktionskosten
und letztlich die Preise. Die Inflation 2022 lässt sich einfach erklären. Aber
was ist in diesem Jahr? Die Energiekosten sind teilweise wieder auf
Vorkriegsniveau, die Produktionskosten sinken, aber
nicht die Preise. Und jetzt die Eine-Million-Euro-Frage: Warum bleiben die
Preise hoch? Ein guter Indikator zur Beantwortung dieser Frage sind die
Unternehmensgewinne. Sie gehen gerade durch die Decke, Aktionäre bekommen
Rekorddividenden, Managergehälter steigen. Man kennt dieses Spiel seit
Jahrzehnten an der Tankstelle. Steigen die Rohölpreise, wird dieser Anstieg
ganz schnell an den Kunden weitergegeben, sinkende Preise allerhöchstens
teilweise und mit Verzögerung („Wir haben ja noch so viel teures Öl auf
Lager.“), in der Hoffnung, der doofe Kunde hätte die früheren Preise vergessen.
Man nennt das auch ganz einfach „Volksverarschung“.
Pubertät
heißt, sich von den Eltern zu lösen. Das macht man, indem man die Beziehung
langsam erkalten lässt, wie bei einer Paarbeziehung. Mürrische Blicke,
maulfaule Antworten, oft nicht mehr als ein oder zwei Worte, mutwillige
Verwahrlosung des Zimmers, peinliches Verhalten (in den Vorgarten kotzen, in
der Schule sitzenbleiben). Eltern lieben uns bis über den Tod hinaus, wenn es
sein muss. Dann pilgern sie an unsere Gräber, was wir umgekehrt nie machen
würden. Nach der Scheidung (Auszug) werden die Eltern erstmal geghostet, dann
werden strenge Besuchsregeln vereinbart, z.B. nur an Weihnachten, Ostern,
Geburtstagen und anderen Familienfesten.
Bayern-Fan:
Vielleicht geschieht ja noch ein Wunder. – Ich: Jesus hat auch Wunder
vollbracht. Aber nicht gegen ManCity.
Beim
Joggen verliert man kein Gewicht, aber seine Würde.
Sie
kannten sich seit vielen Jahren, hatten über soziale Medien regelmäßig Kontakt
und lasen gegenseitig ihre Blogposts im Internet. Jetzt wollten sie sich zum
ersten Mal „in echt“ treffen. Er war nervös. Was sollten sie miteinander reden?
Er kannte sämtliche Katastrophen und Todesfälle im Leben des anderen. Das
musste er in jedem Fall elegant umschiffen und für den Anfang nur Unverbindliches
zur Sprache bringen. Wo stand dieser Mann eigentlich politisch? Würde nach
einer Viertelstunde verlegenes Schweigen wie Blei über der peinlichen Szenerie
liegen? Er wollte ihn am Bahnhof seiner Heimatstadt abholen. Würden sie zu ihm
nach Hause gehen, wo er auf seine Frau treffen würde? Wäre er ein Fremdkörper,
ein unverschämter Eindringling ins häusliche Idyll? Sollte er ein Gastgeschenk
kaufen oder wirkte das spießig und antiquiert?
Mit
diesen Gedanken belastet ging er am Tag der Reise zum Bahnhof. Es war stürmisch
und winzige Hagelkörner trafen sein Gesicht wie Nadelstiche. Gegen den Wind
gelehnt und mit gesenktem Kopf quälte er sich Schritt für Schritt, bis er
endlich den Bahnsteig erreichte. Die Fahrt durch das Rheintal war ereignislos.
Er hatte nicht die Ruhe, um auf den Fluss und die vielen Burgen zu schauen, die
ihm früher immer die kleine Reise angenehm gemacht hatten.
In
Köln musste er umsteigen. Er fühlte sich nicht gut. Vielleicht sollte ich mich
erstmal bei einem Glas Bier entspannen, dachte er. Aber im Kölner
Bahnhofsviertel gab es nur Kölsch. Er brauchte kein wässriges Biersurrogat in
viel zu kleinen Gläsern, der Sinn stand ihm nach einem kräftigen Guinness,
möglicherweise von einem Single Malt begleitet. Er kannte sich in der Stadt
nicht aus und ging ziellos durch die Straßen. Es dauerte eine halbe Stunde, bis
er einen Irish Pub fand.
Im
Inneren war es warm und behaglich. Sein von der Kälte taubes Gesicht begann
aufzutauen. Seine klammen Hände schlossen sich alsbald um ein köstliches Pint der
gälischen Göttergabe. In drei Zügen hatte er das Glas geleert. Wärme breitete
sich in seinem Inneren aus und strömte wie ein Frühlingserwachen durch seinen ganzen Körper. Die Wirtin nickte ihm anerkennend zu und begann, ein zweites Pint zu
zapfen. Er nahm es dankend entgegen und wählte einen Bushmills Malt zur
geistigen Erhebung.
Bald
war er in ein Gespräch mit einem neunschrötigen Galgenstrick verwickelt, der
zwei Barhocker weiter saß. Erst ging es um Bier und Whisky, dann um Fußball,
schließlich um das Leben selbst in seiner ganzen unergründlichen und
faszinierenden Pracht. Als er schließlich zahlte und die Kneipe verließ,
dämmerte es bereits. Natürlich fand er den Rückweg nicht und rief schließlich
ein Taxi, dass ihn zum Bahnhof brachte.
Sie
wissen natürlich längst, wie die Geschichte endet. Er fuhr mit dem Zug nach
Hause und hat den Bloggerkollegen bis heute nicht getroffen. Aber sie verstehen
sich immer noch großartig. Vermutlich war die Erleichterung über die
gescheiterte Begegnung auf beiden Seiten groß.
Blogstuff 785
„Kaum ist man mal für Waffenlieferungen und
Kriegseinsätze, wird man in so’ne grüne Ecke gedrängt.“ (Harald Schmidt)
Sportgeschichte:
Der FC Bayern hat nur ein einziges Mal in der Bundesligageschichte einen
Drei-Tore-Vorsprung wieder abgegeben. Das war 1973, vor fünfzig Jahren, auf dem
Betzenberg. Die Münchner führten 4:1 und bekamen von den roten Teufeln
anschließend noch sechs Tore eingeschenkt. Sieben Gegentore gab es auch beim
0:7 gegen Schalke 1976 und beim 1:7 gegen Düsseldorf 1978.
Ich
habe die 26cm-Pizza von meinem Stammitaliener mal nachgemessen. 22 cm. So wird
man einen langjährigen Kunden los. Greedflation im Hunsrück.
Kulinarischer
Link der Woche: Pastetenvogel – Wikipedia
Folgende
Zusatzstoffe sind ab dem 1. Mai in Lebensmitteln verboten: Sägemehl, Asche,
Sand, zermahlenes Glas, Schlamm, Gülle, Eiter, E 17, E 32, E49, Superzahl: 3.
50.000
Jahre v.Chr.: Der Grand-Marnier-Mensch betritt die Weltbühne.
Letzte
Woche habe ich mir einen Teleskop-Rückenkratzer gekauft und ich kann nur sagen:
Er hat mein Leben verändert.
„Man
nannte ihn Mulatten-Freddie, obwohl er nur einen großen Leberfleck auf der
linken Backe hatte.“ (Beginn einer langweiligen Sozialstudie über Bochum in den
siebziger Jahren)
Django
Fandango war ein alter Hase in diesem Geschäft, eigentlich ein Dinosaurier.
Zeitdruck war sein Lebenselixier, Redaktionsschluss war wie starker Kaffee. Er
schrieb seine Texte, ohne auch nur einmal die Hände von der Tastatur zu nehmen.
Sein eigentlicher Name war Winfried Bockmelker, aber seine Kollegen nannten ihn
einfach nur Django Fandango. Er war auf altmodische Weise elegant, trug
Tweedanzüge und braune Lederschuhe. Bei jedem Wetter hatte er einen Regenschirm
dabei und hielt Frauen ungefragt die Tür auf.
Bonetti
Media plant einen Film, in dem es um ein Gourmet-Steakhaus gehen soll.
Arbeitstitel: „Wagyu Göthe.“
Neben
mir im Bus sitzen zwei Zwangsneurotiker, die sich offenbar aus der Therapie
kennen. Der Ältere ist vierzig und wohnt wieder bei den Eltern, erzählt von
seinem Waschzwang, während er sich permanent mit der rechten Faust gegen den
Schädel klopft. Dann fragt er den Jüngeren: „Wo kommst du eigentlich her?“ Er
antwortet: „Aus Karlsruhe.“ „Ist auch trist, oder? Da im Schwarzwald.“
In der
BL-Rückrundentabelle steht Mainz auf Platz 3, nur einen Punkt hinter den
Bayern.
Hinter
der oberflächlichen Welt gibt es eine zweite Ebene. Wir nennen uns „Der
Dienst“. Wir bewegen uns in dieser Welt, aber wir gehören nicht dazu. Jede Tür
steht uns offen. Nachts holen wir uns aus den Geschäften, was wir brauchen. Wir
leben in Wohnungen von Leuten, die gerade verreist sind.
Ursprünglich
war es unsere Aufgabe, für Ruhe und Ordnung in der Gesellschaft zu sorgen. Aber
eben nicht mit Polizeiknüppel und Verboten, sondern auf subtile und subkutane
Art. Rädelsführer der Arbeiterbewegung wurden in heiße Liebesaffären
verwickelt, ewig Unzufriedene fanden „zufällig“ einen Batzen Geld auf der
Straße, Revoluzzer versorgten wir mit harten Drogen.
Heute
ist das alles nicht mehr nötig. Es gibt Streamingdienste und andere Medien, Computerspiele,
soziale Medien, billigen Alkohol und Sedativa. Alles ist ruhig. Menschen
fotografieren sich selbst oder ihre Mahlzeiten. Aber „Der Dienst“ ist immer
noch da. Wir spazieren durch die Stadt, beobachten Menschenaufläufe, belauschen
Gespräche an der Theke und schreiben unsere Berichte.
Tagsüber
sitze ich im Kino, wenn sonst niemand Zeit hat. Abends gehe ich in die besten
Restaurants der Stadt, die Kreditkarte meiner Organisation ist immer gedeckt.
So hätte es ewig weiter gehen können, aber dann kam alles anders. Ich hätte es
mir ja denken können. Die Zombie-Apokalypse. Plötzlich waren überall
kreischende Untote, die Appetit auf Gehirn hatten.
Glücklicherweise
konnte ich mich in ein Waffengeschäft retten. Ich lud ein halbes Dutzend
automatischer Gewehre und Pumpguns durch und verschanzte mich hinter der
Ladentheke. Dann kamen sie. Es war wie eine Safari auf einer Hühnerfarm.
Irgendwann blockierte der Leichenberg den Eingang.
Ich
hängte mir zwei Gewehre um, nahm genügend Munition mit, dazu eine Thermoskanne
Kaffee und Mürbegebäck, dann floh ich durch den Hinterausgang. Dort stand eine
Enduro, mit der ich in eine Holzhütte in den Bergen floh. Dort wartete ich auf
die nächste Zombie-Attacke.