Sonntag, 1. April 2018

Du

„Das ist das Große am Kind, dass es das Gute bei den Menschen immer als selbstverständlich voraussetzt.“ (Albert Schweitzer)
Wenn ich gehen wollte, hast du dich oft mit deinen winzigen Füßen in meine Schuhe gestellt. Du bist ein paar Schritte damit herumgeschlurft. Es war dein Zeichen, dass ich nicht gehen sollte. Dann bin ich noch eine Viertelstunde geblieben.
Als ich dir versprochen habe, dir beim nächsten Besuch ein Tigerbaby mitzubringen, hast du gefragt: „Ein echtes?“ „Fast“, habe ich geantwortet. Du hast dich trotzdem über das Kuscheltier gefreut.
Wenn wir zusammen gespielt haben und deine Mutter rief aus der Küche, das Essen sei fertig, sagte ich zu dir: „Wer zuerst in der Küche ist, hat gewonnen.“ Dann bist du – als hätte dich ein Katapult abgeschossen – losgerannt und warst immer vor mir da.
Als ich dich fragte, was du malst – du hattest gerade ein Bild begonnen -, sagtest du: „Das weiß ich doch jetzt noch nicht.“
Als wir deine Einschulung bei einem Italiener feierten, hatten wir beide Spaghetti Bolognese bestellt. Alle bekamen ihr Essen, nur du musstest warten. Ausgerechnet. Also habe ich dir meinen Teller gegeben und zehn Minuten später habe ich deine Kinderportion serviert bekommen.
Am Tag, als die Möbelpacker eure Sachen eingeladen haben, saßen wir zusammen im Garten und ich habe dir ein ganzes Buch vorgelesen. Du hast zwei Stunden aufmerksam zugehört, ohne mich zu unterbrechen.
Als alle Kinder verrückt nach Knut, dem Eisbärenbaby, waren, bin ich durch Berlin gefahren, um den letzten Stoffeisbären für dich aufzutreiben. Im Schaufenster eines Geschäfts habe ich ihn entdeckt. An das Schauexemplar hatte wohl keiner gedacht. Ich habe ihn dir gegeben und du hast gesagt: „Du bist der liebste Menschen auf der ganzen Welt.“
Ich habe dir dein erstes Eis gekauft. Eine Kugel Vanilleeis. Im Becher mit einem winzigen Plastiklöffel. Du kanntest das Wort „Eis“ nicht und hast „heiß“ verstanden. Du hast deswegen erstmal auf das Eis gepustet, bevor du es probiert hast.
Deine sanfte helle Stimme, mit der du mich nach meinem Lieblingstier oder meiner Lieblingsfarbe gefragt hast. Das zufriedene Summen, wenn wir ein Lego-Haus nach deinen Vorstellungen bauten. Wir tanzten zusammen, du hast die Musik voll aufgedreht. Auf meinem Rücken bist du durch die Wohnung geritten, majestätisch wie eine Maharani auf ihrem Elefanten. Ich habe dir Höhlen aus Kissen, Decken und zusammengerückten Möbeln gebaut.
Ich war dein drittes Wort. Mama – Papa – Dada. Dada war ich. Ich habe dich gefüttert und du hast verträumt aus dem Fenster gesehen, als wärst du in diesem Augenblick woanders. Die ganzen Süßigkeiten, die ich dir mitgebracht habe. Der Double Fudge Brownie Supreme von Tim’s Canadian Deli am Winterfeldtplatz.
Am letzten Abend vor dem Umzug hast du mich gefragt, wer meine beste Freundin ist. Ich habe gesagt, dass du es bist. Dann hast du mit einem Kugelschreiber deinen Namen auf meinen Unterarm geschrieben. Ich habe meinen Namen auf deinen Unterarm geschrieben.
In diesem Monat feiern wir deine Konfirmation in Hamburg. Du bist ein tolles Mädchen.
Imagine Dragons – Thunder. https://www.youtube.com/watch?v=fKopy74weus