Sonntag, 26. Februar 2023

Die Fehlerkette

 

Offensichtlich hatte ich einige Dinge falsch eingeschätzt. Alles begann mit einem Schlüssel, den ich auf dem Bürgersteig gefunden hatte.

Der Schlüssel hatte einen Metallanhänger, auf dem „Zur goldenen Post“ stand. Ich kannte die kleine Pension in der Brentanostraße. Und weil ich ein guter Mensch bin, ging ich die kurze Strecke, um den Schlüssel abzugeben.

An der Rezeption war niemand zu sehen. Ich rief ein paarmal laut Hallo und läutete die kleine Glocke auf dem Tresen. Nach einigen Minuten des Wartens wurde ich ungeduldig. Sollte ich den Schlüssel einfach liegenlassen. Ohne ein Wort des Dankes oder einen kleinen Finderlohn?

Dann kam mir die verhängnisvolle Idee. Ich bin von Natur aus neugierig und gelegentlich auch ein wenig leichtsinnig. Oder soll ich sagen: abenteuerlustig? Also ging ich die Treppe hinauf. Zimmer 17. Ich werde die Zahl nie mehr vergessen.

Ich klopfte an der Tür. Niemand antwortete. Dann rief ich „Zimmerservice“ und schloss die Tür auf. Niemand war im Zimmer, keiner im Bad. Auf dem Bett lag ein großer schwarzer Lederkoffer. Ich schloss die Tür und ging zum Bett.

Der Koffer war unverschlossen. Natürlich habe ich ihn geöffnet. Was hätten Sie an meiner Stelle getan? Seien Sie ehrlich. Im Koffer war Geld. Viel Geld. Fünfzig-Euro-Scheine in Hunderterbündeln. Ich steckte mir zwei Bündel in die Jackentaschen. Das würde nicht auffallen, oder?

Dann dachte ich mir: Warum nimmst du nicht alles? Auf einen Schlag bist du deine Geldsorgen los. Ich schloss den Koffer wieder und schlich die Treppen hinunter. Die Rezeption war immer noch unbesetzt. Ich ging auf die Straße. Niemand war zu sehen. Mit meiner kriminellen Energie hätte man in diesem Augenblick ein Hochhaus heizen können.

Ich ging zur Hauptstraße und hielt ein Taxi an. Ich fuhr zum Hauptbahnhof und packte den Koffer in ein Schließfach. Dann besorgte ich mir einen Umschlag, einen Stift und eine Briefmarke. Den Schlüssel legte ich in den Umschlag, auf dem meine Adresse stand. Wer würde schon im Briefkasten nach Hinweisen suchen? Dann fuhr ich nach Hause.

Gegen zehn Uhr abends klingelte es an meiner Wohnungstür. Ich blieb einfach auf dem Sofa sitzen. Dann klopfte es. Ich wartete ab. Dann ein hässliches Knirschen, gefolgt von einem lauten Knacken. Die Tür war offen. Zwei Männer traten ein. Ich erzählte ihnen alles. Aber sie glaubten mir nicht.

Jetzt liege ich gefesselt und geknebelt in einem Kofferraum. Wann kommt der Briefträger? Und was passiert dann?

 

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