Mittwoch, 23. Dezember 2015

Sie fragen, wir antworten

„Und dann sitze ich im Fischrestaurant, aus den Lautsprechern dröhnt ‚Thunderstruck‘ von AC/DC und ich rufe immer wieder ‚Zander! Zander!‘ Das Leben ist schön, wenn du auf dem Weihnachtsmarkt gerade einer alten Frau die Handtasche geklaut hast.“ (Johnny Malta: Nutten, Koks und Sodomie – die Frankfurter Jahre)
Anfrage an das Management von Andy Bonetti: Stimmt es, dass Andy Bonetti den Literaturnobelpreis gewonnen hat?
Antwort: Im Prinzip ja.
Aber es war nicht Andy Bonetti, sondern Johnny Malta.
Und es war nicht der Literaturnobelpreis, sondern der Wanderpokal der nordhessischen Dichtkunst.
Und er hat ihn nicht gewonnen, sondern in einer durchzechten Nacht verloren.
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Zur Frage, welche Aufputschmittel es vor der Erfindung des Kokains und des Amphetamins gegeben hat: Seit der Spätantike ist Arsentrioxid, auch Arsenik genannt, als psychoaktive Stimulans bekannt. In geringen Mengen oral eingenommen, steigert es die Leistungsfähigkeit und das allgemeine Wohlbefinden, es regt den Appetit an und gibt dem „Arsenikesser“ ein gesundes Aussehen. Im 19. Jahrhundert wurde es vor allem von Bergbauern und Waldarbeitern in Tirol und der Steiermark, aber auch in den Südstaaten der USA verwendet. Dabei wurde ein kleines Stück in den Mund genommen und wie Kandiszucker gelutscht. In Österreich soll dieser Drogenkult noch bis in die Zeit des Zweiten Weltkriegs lebendig gewesen sein. Auch Rosstäuscher verwendeten die Droge, um ihre gebrauchten Vierbeiner an den Mann zu bringen.
Größere Menge von Arsenik führen zum Tod, weswegen es fast zweitausend Jahre lang das beliebteste Mittel der Giftmörder gewesen ist; daher auch die französische Bezeichnung poudre de succession („Erbschaftspulver“). Man gewinnt Arsentrioxid durch das Rösten arsenhaltiger Erze in sogenannten Gifthütten. In langen Kanälen verdichtet sich der Rauch zu einem weißen Pulver, das darum im Volksmund früher auch „Hüttenrauch“ genannt wurde. Heute wird es zur Behandlung von Leukämie und in der Homöopathie eingesetzt.
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Viele Berufe wie Mausefallenkrämer, Holzbeinschnitzer und Schleckereitrödler sind in der Neuzeit verschwunden. Welche waren die ungewöhnlichsten? Da gab es die Ameisler, die den Waldameisen den verpuppten Nachwuchs stahlen, um ihn als Tierfutter an die Besitzer von Singvögeln und Zierfischen zu verkaufen. Die Wagenschmiermänner, schwarz wie das Pech, das sie den Kutschen- und Karrenbesitzern aus Fässern zapften, die auf Wägelchen standen, die wiederum von Hunden übers Land gezogen wurden. Die Sesselträger, die vom frühen 17. bis ins 19. Jahrhundert in den großen Städten zu zweit mit Gurten und Stangen einen überdachten und mit Türen und Fenstern vor der Außenwelt geschützten Sessel trugen. Die Abtrittanbieter, mobile Bedürfnisanstalten, die mit Eimern und weiten Umhängen, mit denen sie die Kunden bei ihrem „Geschäft“ umschlossen, aus der Notdurft ein Geschäft machten, bevor öffentliche Toiletten im 19. Jahrhundert in Mode kamen (zuvor wurde ungeniert in den Gassen an die Wände uriniert und in Hinterhöfe und Gänge geschissen – was bei all den aus den Fenstern gekippten Nachttöpfen allerdings nicht weiter auffiel). Die Kastrierer, auch Sauschneider oder Nonnenmacher genannt, die aus wilden Hengsten und Stieren friedliche Wallache und Ochsen machten, aus Hähnen und Hühnern Kapaune und Poularden, aus dem Schaf den Hammel, aus Eber und Sau Borg und Gelze. Die Lichtputzer, die in den Theatern und Festsälen für permanentes Kerzenlicht sorgten, die Dochte schnitten und Wachs entfernten (und später durch den Berufsstand des Beleuchters ersetzt wurden). Die Hofnarren, die seit dem 15. Jahrhundert zu jedem Hofstaat in Europa gehörten; entweder gebildete Hofleute, die das Vorrecht der „Narrenfreiheit“ genossen und durch unterhaltsame Spottreden und geistreiche Kritik der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten durften, oder Behinderte und Kleinwüchsige, über die sich der Hofstaat lustig machen konnte. Die Laternenträger, die man sich des Nachts mieten konnte, um sich heimleuchten zu lassen; gelegentlich führten sie ihre Kunden auch direkt in die Arme von Straßenräubern, mit denen sie gemeinsame Sache machten. Die Siegellackmacher, die Schattenschneider, die aus schwarzem Papier eine Silhouette anfertigen konnten …
Und dann gab es noch die fahrenden Leute, die Gaukler und Puppenspieler, die Seiltänzer und Jongleure, die Akrobaten und Allesschlucker, die Quacksalber und Wahrsager, die alle gemeinsam mit tanzenden Bären, Affen und anderem Getier von Dorf zu Dorf, von Jahrmarkt zu Jahrmarkt zogen. In ihrem Gefolge die Freaks: Albinos, Doppelmenschen („siamesische Zwillinge“), Haarmenschen, Riesen und Zwerge. Sie waren nicht nur Entertainer, sondern verbreiteten auch Geschichten und Neuigkeiten. Sie galten in der Vergangenheit als „unehrliche“ Leute, die weder Ehre noch Rechte besaßen. Sie durften nach dem Gesetz (z.B. Sachsenspiegel, Schwabenspiegel) für erlittenes Unrecht nur Rache am Schatten ihrer Schädiger üben, nicht aber an den Bürgern selbst. Ihnen blieb nur, heimlich Flüche oder Verwünschungen auszusprechen und damit anderen ein schlechtes Gewissen zu machen, bevor sie weiterzogen.
Mick Karn - Ashes to Ashes. https://www.youtube.com/watch?v=GPBHQdG4xQ4

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