„Es war ein langer Flur, der sich im Dunkel verlor. Am äußersten Ende führten steile Stufen in absolute Finsternis.“ (Chester Himes: Die Geldmacher von Harlem)
Es stürmte und heulte. Es regnete von allen Seiten gleichzeitig. Und es war so dunkel, als hätte ein riesiger Wal die ganze Nacht verschluckt. Niemand war Zeuge. Der Sturm, der Regen und die Finsternis würden schweigen wie ein Grab.
Haifische schlafen nicht. Sie können in Ruhephasen nur dort existieren, wo die Meeresströmung Wasser durch ihre Kiemen drückt. Haie können nicht einfach anhalten, nur ihre permanente Bewegung hält sie am Leben. Und genauso war Malik Ostrowski.
Er hatte eine winzige Nase, einen dünnen Mund und zwei dunkle Augenmurmeln, eingesunken in ein fleischiges Mondgesicht, auf engstem Raum beisammen, als hätten sie sich ins Zentrum geflüchtet und warteten nun, ängstlich zusammen gekauert, die weitere Entwicklung seines Lebens ab. Oben wurde diese zugleich leere und dramatische Landschaft von einem Bürstenhaarschnitt begrenzt, nach unten versickerte sie halslos in seinem Hemdkragen.
Sie hörte nicht, wie sich ein Schlüssel im Türschloss drehte. Das machte sie aggressiv. Sie hörte nicht das Telefon klingeln. Das machte sie unglaublich wütend. Und je länger die Stille andauerte, je länger die Tür sich nicht öffnete und das Telefon nicht klingelte, desto aggressiver und wütender wurde sie. Ihr Gesicht erinnerte an eine Bulldogge mit Magengeschwür und ihre Augen glänzten wie Christbaumkugeln. Sie brauchte es. Jetzt. Ihr ganzes Leben schrumpfte zu diesem einen Gedanken zusammen.
Auf ihrem Nasenrücken klebte ein schmales Spice-Depot, von dem ein durchsichtiger Schlauch in ihr rechtes Nasenloch führte. Spice hatte alle anderen Drogen vom Markt verdrängt. Niemand trank mehr, niemand rauchte mehr. Es gab die Spice-Depots in unauffälliger Hautfarbe, und es gab schillernde Design-Modelle in den aktuellen Modefarben oder mit grellen Leuchteffekten. Die Depots waren so unterschiedlich wie Handy-Hüllen. Aber ihr Depot war leer.
Malik hatte das Haus erreicht. Er wusste, dass sie auf ihn wartete. Er wusste, dass es nicht leicht werden würde. Plötzlich machte er ein Gesicht, als hätte er ein Handyklingeln aus einem Grab gehört. Aber es war kein Geräusch. Jemand stand hinter ihm, das konnte er spüren. Er drehte sich um.
Zuerst sah er den Lauf einer vernickelten 38er aufblitzen. Dann sah er Augen, die so grau waren wie die Spree im November. Die Haare hatten die Farbe von frisch gesägtem Holz. Und er sah zwei weitere Männer lautlos aus der Finsternis auftauchen.
Plötzlich richtete sich die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf ihn, als hätte er in einer Versammlung der Zeugen Jehovas das Thema Brustwarzenpiercing angesprochen. Er war aufgeflogen.
Und es wurde ihm schlagartig klar: Ich werde es nicht schaffen.
Diesmal nicht.
Lesen Sie den neuen Thriller „Toter geht’s nicht“ von Andy Bonetti. Ab nächsten Montag in einer Bahnhofsbuchhandlung in Ihrer Nähe. Nichts für schwache Nerven! Hard boiled bis zum Anschlag!! FSK: ab 28!!!
Chuck Berry - Johnny B. Goode. https://www.youtube.com/watch?v=Ncra00lEdw4
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen