Samstag, 5. Dezember 2015

Die Flut und der Plan

„Demokratie ist ein Verfahren, das garantiert, dass wir nicht besser regiert werden, als wir es verdienen." (Hagen Rether)
Bisher funktioniert Deutschland beim Thema Flüchtlinge nach dem Prinzip der Katastrophenschutzübung. Kennen wir von der Flutkatastrophe an der Oder: Wie bringe ich Tausende oder Zehntausende von Leuten unter, wie versorge ich sie mit Essen und Trinken, mit Klamotten und sanitären Anlagen? Und so machen viele Gemeinden im Augenblick eine Katastrophenschutzübung: Flüchtlinge werden in leerstehenden Verwaltungsgebäuden und Fabrikhallen, in Sportstätten und Zeltlagern untergebracht und versorgt. So weit, so gut. Aber man kann die Leute ja nicht bis in alle Ewigkeit auf Pritschen, die in endlosen Reihen nebeneinander stehen, leben lassen. Sie können unter solchen Umständen nicht als Familie existieren und ihre Kinder großziehen. Was kommt nach der Katastrophenschutzübung? Die Leute an der Oder waren nach einigen Wochen wieder in ihren Häusern oder sind anderswo untergekommen. Und die Flüchtlinge?
Ich glaube, es wird wie in der Türkei oder im Libanon werden, wo die Flüchtlinge aus Syrien seit Jahren in abgeschotteten Lagern vor sich hin vegetieren, herumsitzen und warten. Jede Stadt und jede Gemeinde hat zukünftig ihr kleines Ghetto, überall ist ein bisschen Libanon. Klein-Damaskus in Groß-Gerau, Klein-Timbuktu in Regensburg, Klein-Tirana in Rostock. Nach allem, was ich weiß, funktioniert Integration hauptsächlich über Bildung und Arbeit. Bildung: Ich schätze, unsere Schulen bekommen das hin und nach einem Jahr Sprachausbildung können die Kids in den Klassen der einheimischen Kinder unterrichtet werden. Aber was ist mit den Erwachsenen? Selbst wenn sie einen McJob ergattern, wie kommen sie an eine Wohnung? Und was passiert in der nächsten Wirtschaftskrise? Machen wir uns nichts vor, Aufschwung und Abschwung treten periodisch auf. Im Augenblick scheint noch die Sonne, aber für den Regen haben wir keinen Plan. Man sieht es an den Ländern mit hoher Jugendarbeitslosigkeit, d.h. bei allen Mittelmeeranrainern: Die Integrationsmaschine Arbeitsmarkt funktioniert ja noch nicht einmal für den eigenen Nachwuchs.
Die aktuelle Katastrophenschutzübung funktioniert planmäßig. Die Kommunen spulen das Programm routiniert ab. Aber für 2016ff. hat offenbar niemand einen Plan. Die Bundespolitik fährt spätestens seit der Finanzkrise 2008 auf Sicht, „muddling-through“ nennt man das im Englischen. Wir haben im Deutschen den kernigen Begriff „Durchwurschteln“ für diese Strategie, die in Wahrheit das genaue Gegenteil von Strategie ist. So hat die Kanzlerschaft von Merkel zehn Jahre lang geräuschlos funktioniert, die Wähler haben es gelangweilt abgenickt und damit die als Pragmatismus getarnte Planlosigkeit akzeptiert. Das erinnert mich an die ersten sieben Jahre Helmut Kohl. Dann fiel die Mauer und er brauchte aus dem Stand einen Masterplan für die neue Situation. Ich bin gespannt, wie „TINA“ Merkel das hinbekommt. Die deutsche Einheit hat den Steuerzahler Billionen Euro gekostet, weil die Politik bei der Zerschlagung der ostdeutschen Wirtschaft große Fehler gemacht hat.
Wie wird die deutsche Integration ablaufen? Bleiben Sie dran! Nach der Werbung geht’s weiter: Horst Seehofer wird der Integrations-Bambi verliehen. Die Laudatio wird von Til Schweiger genuschelt.
The Human League – The Lebanon. https://www.youtube.com/watch?v=xP_PpAm-lsY

1 Kommentar: