Freitag, 11. August 2023

Bonetti wird von der Vergangenheit eingeholt

 

Samstagvormittag im Frühstück 3000 auf dem Wichtelbacher Kaiserdamm. Bonetti genießt ein Tofu-Rührei mit Dalai-Lama-Bacon und Bulgur-Toast, dazu trinkt er einen Hafermilch Latte. Plötzlich klopft es an die Scheibe. Er dreht sich um und sieht eine abgerissene Gestalt in einer alten Lederjacke, Zwanzig-Tage-Bart und mit Tesafilm geklebte Brille inklusive.

Er betritt das Café und kommt an Bonettis Tisch.

„Mensch, Bonetti. Alte Socke!“

Der Meister schaut konsterniert von seinem Frühstück auf.

„Kennen wir uns?“

„Ich bin’s. Mirko Weißhorn.“

„Da klingelt bei mir nichts.“

„Wir waren damals zusammen beim Wichtelbacher Anzeiger. Volontariat.“

Er setzt sich an den Tisch. Die Kellnerin kommt.

„Ein großes Bier und einen Obstler, bitte.“

Bonetti nippt an seinem koffein- und laktosefreien Heißgetränk.

„Gut siehst du aus“, plappert Weißhorn munter weiter. „Ist das eine echte Rolex? Mit Schlips habe ich dich noch nie gesehen. Was machst du inzwischen?“

„Ich habe mich selbständig gemacht“, antwortet Bonetti zurückhaltend. Es muss ja nicht jeder von seinem Medienimperium erfahren.

„Ich bin Journalist geblieben“, sagt Weißhorn. „Binger Wochenschau. Ein Käseblatt, das sich durch Anzeigen finanziert. Wird kostenlos in alle Haushalte verteilt. Ich arbeite auf Honorarbasis. Reich wird man dabei nicht. Das kann ich dir sagen.“

Das Bier und der Obstler kommen. Weißhorn kippt den Schnaps hinunter und trinkt in langen Zügen das halbe Bier.

„Aaah, das habe ich jetzt gebraucht. Sag mal, du kannst mir nicht zufällig einen Fuffi leihen?“

„Ich habe leider nicht so viel Geld dabei“, antwortet Bonetti indigniert.

„Wenigstens einen Zwanni? Wegen der alten Zeiten.“

Bonetti schüttelt stumm den Kopf.

Weißhorn kippt das restliche Bier in seinen Schlund, steht auf und geht. Ohne zu bezahlen.

Man hat es heutzutage im Journalismus nicht leicht.

 

 

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