Donnerstag, 18. Mai 2023

Blogpost eines alten Weggefährten – So war Kleinbloggersdorf im August 2014

 

So, der ist überfällig, der ist sogar extrem überfällig, der muss sein, den will ich schon lange machen, weil er es verdient hat, weil ich seinen Blog so mag, weil ich seine Entwicklung faszinierend finde, weil einer nur so schreiben kann, wenn er Dinge selbst erlebt hat oder eine Vorstellungskraft hat, die nicht mehr nur Empathie ist, sondern irgendetwas größeres, ein literarisches Talent, ein Schreiber, ein Kiezschreiber.

Den Kiezschreiber lese ich seit etwa 2011. Zu der Zeit habe ich noch gar nicht gebloggt, sondern bei dem untergegangenen Bewertungsportal Qype meinen unmaßgeblichen Sermon ins Netz geblasen. Blogger waren für mich damals noch entrückte Feenwesen, die fast auf einer Stufe mit dem "professionellen" Online-Journalismus standen und die irgendwas machten, was ich nicht konnte: Einen Blog.

Der Kiezschreiber wohnte damals noch gegenüber in Berlin-Wedding und da ich die meisten Blogs meiner Umgebung in meinem Feedreader habe (außer die fünf Millionen Mutti- respektive Vatiblogs, denn so viel Content über den Kosmos zwischen Wickeltisch, Zahnfee und Bioweinbergpfirsich verkrafte ich nicht), war er eben auch dabei, denn ich mag ja Wedding sehr.

Seine Texte - er sieht mir das hoffentlich nach - fand ich seinerzeit zugegebenermaßen immer ein wenig konfus. Zu kurz auch. Keine Linie. Keine Absätze. Es gab Fragmente zur aktuellen Politik, kleinere Rants zu irgendwelchen Dingen, irgendwas zum Quartiersmanagement, das ich nicht verstand, einige Positionen zur unseligen Debatte um die Planierung des Mauerparks, als ein traurige Ansammlung von Clowns genannt Bürgerinitiative den Protest dagegen erst (zur Freude des Investors) in unerträglicher Vereinsmeierei befriedet und dann 
komplett verkackt hat.

Der Kiezschreiber
hat die Sache mit dem Mauerpark immer begleitet, für meinen Geschmack etwas dünn, aber nicht wirklich falsch, so wie das ganze Blog - leicht dünn, manchmal wirr, aber so ganz falsch nie. Ich las ihn so nebenbei, mein Eindruck war der eines sympathischen Kerls, der sich offenbar gerne verzettelt, sich oft das Leben schwerer macht als nötig und keine Mitte hat. Ich räume ein, ich habe ihn gerne überblättert. Oft überblättert. Quergelesen, wenn es hochkommt. Ja, culpa. Mea. Maxima. Tralala.

Dann
das.

September 2013. Krankheit. Abschied. Der Kiezschreiber schmeißt hin.

Autsch. So schnell geht das. Es ist eben doch Kleinbloggersdorf hier, in dem ich mich an den netten schrulligen Nachbarn gewöhnt habe und ihn vermisse, wenn er fort ist. Ich bin so ein sentimentaler Hund. Ich trauere um Leute, die ich gar nicht kenne.

Dann drei Monate später der
Neuanfang. In Schweppenhausen. Was zum Teufel ist Schweppenhausen?

Ehrlich, ich habe keine Ahnung, was dazwischen passiert ist, ich weiß ja im Grunde nichts über den Kiezschreiber, nur, dass ihm der Neuanfang zumindest literarisch (und hoffentlich sonst auch) gut getan hat, denn er ist seit diesem Jahr ständiger Bewohner meiner regelmäßigen Linkliste von Texten, die ich für lesenswert und in seinem Fall sogar partiell für großartig halte. Kiezschreiber Schweppenhausen unterscheidet sich in Stil, Thematik und Ästhetik diametral von Kiezschreiber Wedding.

Ich weiß es nicht, vielleicht liege ich komplett falsch, aber mich beschleicht das Gefühl, dass da einer sein Leben aufschreibt, ob aus eigenem Erleben oder aus fremden Einflüssen heraus kann ich nicht beurteilen und es ist mir auch egal. Da kommt ein Brett nach dem anderen, mal feinfühlig, mal brachial, mal derb, mal sinnlich. Fast jeden Tag eins. Literatur. Für umme. Er verschenkt sie einfach so.

Ja, ich lese ihn unheimlich gerne, die meisten seiner neueren Texte wären es wert, zwischen Buchdeckel gepresst zu werden, würden sich Bücher heutzutage noch lohnen.

Natürlich ist der optische Auftritt seines Blogs ein Heuler, na klar, es wirkt vom Design her ziemlich ungelenk und nicht so ansprechend wie das andere mal eben so nebenher bringen, aber das finde ich, der es nicht geschafft hat, bei wordpress.com ein schwarzes Theme einzurichten, das nicht 99,99 $ kostet, und deshalb gleichfalls hier bei Blogspot, dem Idiotenhoster für technische Nullen, anheuern musste, tatsächlich charmant. Noch einer, der das nicht kann. Find' ich gut.

Kiezschreiber, ich wünsche dir ehrlich, unironisch und mit allem gebotenen Pathos alles Gute, viel Kraft und in erster Linie Gesundheit. Bitte schreib' weiter. Und halt' den Kopf oben.

 

 

 

4 Kommentare:

  1. Ah, cool! Danke für den Hinweis auf dieses tolle Blog! Kannte ich noch gar nicht! ;-)

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    1. Unbedingt mal reinschauen. Lohnt sich. Eine echte Perle! Seit 2014 ist es auch noch viel viel besser geworden :o)

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  2. Das Blog des Laudators gibt's ja schon seit 2017 nicht mehr ;)

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