Dienstag, 9. Mai 2023

Sprechen wir über Cricket

 

Cricket wurde früher in Deutschland nur von wenigen blasierten Engländern gespielt. Unsere Englischlehrerin am Gymnasium war eine waschechte Britin, die aus unerfindlichen Gründen einen Deutschen geheiratet und aus dem glorreichen Empire ins öde und schnöde Ingelheim gezogen war. Sie beschrieb uns das Spiel, von dem wir noch nie gehört hatten, als unglaublich kompliziert, langweilig und endlos. Manche Spiele zogen sich über bis zu fünf Tage hin (täglich drei zweistündige Spielabschnitte). Jedes Duell besteht aus bis zu sechs Spielen, so dass sich die Sache über mehrere Wochen hinziehen kann, bis endlich ein Sieger feststeht.

Inzwischen hat man die Cricket-Regeln geändert, um den Sport medientauglicher zu machen. Man kennt das ja auch aus dem Motorsport. Zum Beispiel die Targa Florio, ein Langstreckenrennen auf Sizilien. Früher war es ebenso berühmt wie die Mille Miglia (Brescia - Rom - Brescia). 1906 war die Strecke noch 148 Kilometer lang, die Siegerzeit von Alessandro Cagno betrug neuneinhalb Stunden. Die Strecke wurde im Lauf der Jahrzehnte immer weiter verkürzt und verstümmelt. Heute ist das Rennen vergessen, 1977 wurde es zum letzten Mal ausgetragen. Mediengerecht ist das Fahren im Kreis vor einer überschaubaren Anzahl von Kameras (z.B. Formel 1).

Cricket wird in England seit dem 13. Jahrhundert gespielt. Seit dem späten 19. Jahrhundert gibt es Profi-Ligen. Zunächst war der Sport nur in Großbritannien, Australien und Südafrika bekannt, später kamen Indien, Pakistan und andere Länder dazu. Seit den 1960er Jahren gibt es das One-Day-Cricket, das zwar von Traditionalisten abgelehnt wird, aber bei Spielern und Zuschauern sehr beliebt ist.

In Deutschland wurde Cricket zuerst in Berlin gespielt. Ab 1888 begannen fünf Berliner Vereine den geregelten Spielbetrieb. Aktueller deutscher Meister sind die Darmstadt United Stars. Es gibt derzeit etwa 150 Clubs in Deutschland. Cricket erlebt gerade einen Boom, weil viele Flüchtlinge aus Indien, Pakistan, Bangladesch und Afghanistan in deutsche Vereine eintreten. In ihren Ländern gehört Cricket zu den Nationalsportarten.

Beginnt, parallel zum Abstieg der deutschen Fußballnationalmannschaft, jetzt der Aufstieg der deutschen Cricket-Nationalmannschaft? Werden uns junge Asiaten zu sportlichem Ruhm führen wie einst Fritz Walter? Bisher hat sich die Nationalmannschaft noch nie für eine Weltmeisterschaftsendrunde qualifizieren können. Wird es in einigen Jahren Cricket-Liveübertragungen im Fernsehen geben? Schlimmer als die Super Bowl kann es nicht werden, oder?

11 Kommentare:

  1. Was für Randsportarten in all den Jahren schon kurz euphorisch Anlauf genommen haben im dtsch,. Spielbtrieb, und ein paar Minuten später war Finis in der Fischkostabteilung: AUSVERKAUFT! ALLES WEG: Futsal, Rugby, Flossenschwimmen. Aber andererseits - man kann so einen Fußball ja ruhig mal 3 Minuten lang durchs Wasser schleppen, ohne direkt eine rote Karte zu kassieren. Ich fang mit 75 mit Faustball an. Hab ich mir fest vorgenommen. Rappa-Bong, schön einen auf die Nuss meines Wuppertaler Gegenspielers auf der anderen Seite des Netzes. Das muss schon sein. Dann geh das auch!

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    1. Ich kannte mal eine Rugbyspielerin. Das machten damals so wenige Frauen in Deutschland, dass man sofort in der Bundesliga spielte. Nach zwei Jahren war sie zum Probetraining der Nationalmannschaft eingeladen. Wie wäre es mit Kopfballtennis oder Federfußball? Mehr Randsportart geht nicht.

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    2. Direkt Bundesliga find ich gut. Absteigen geht auch nicht. Kommt jetzt nur noch drauf an, wieviel Handgeld unterm Tisch höhöh! Ich komme. Sportart egal, auch mit schmierigen Stöcken innerhalb China.

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    3. Wir erfinden einfach unseren eigenen Sport und sind automatisch in der Nationalmannschaft. Mit Geha-Füllern auf ein Dartbrett voller Buchstaben werfen. Für komplette Worte gibt's Punkte wie beim Scrabble.

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  2. Mein inzwischen verstorbener, aus Sri Lanka stammender Onkel, der an der High School selbst Cricket gespielt hat, versuchte mir mal, als ich zu Besuch in GB weilte und im Fernsehen die Liveübertragung von The Ashes lief, die Regeln zu erklären und vor allem das System, wie die Punkte gezählt werden. Nach einer halben Stunde habe ich mit Brummschädel aufgegeben.
    Meine Tante meinte daraufhin, Cricket sei vermutlich entstanden, als gelangweilte Kolonialherren sich ein möglichst kompliziertes Spiel ausgedacht haben, um die vermeintlich primitiven Kolonisierten maximal zu demütigen und ihnen die Überlegenheit des weißen Briten vor Augen zu führen. Seitdem gibt es für viele Kolonien nichts wichtigeres, als das ehemalige Mutterland im Cricket zu schlagen.

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    1. Beim Fußball haben wir beim Thema Handelfmeter inzwischen ähnliche Verhältnisse geschaffen.

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    2. BILD TV übernimmt demnächst das Video Assist Center im Kölner Keller und macht daraus das Quizz "Wie würden Sie entscheiden?" mit Günther Jauch.

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    3. Ausgezeichnete Idee! Ich werde Döpfner eine SMS schicken.

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    4. Döpfner? Ich dachte, der sitzt bei Dir auf der Couch und Du fütterst ihn mit Pralinen ?

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    5. Nicht dienstags. Da hat ihn Kai Diekmann.

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    6. Das ist ja die coolste Erklärung überhaupt. Das würde auch die komplexen Regeln im Rugby erklären.

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