Blogstuff 802
„Ab fünfzig musst du tierisch auf dich achtgeben.
Wenn nicht, wächst dir über Nacht eine Steppjacke aus dem Oberkörper.“ (Nils
Heinrich)
Der
Oktobass ist das größte Streichinstrument der Welt. Er ist 3,45 Meter hoch und wiegt
über hundert Kilogramm. Das war damals, als ich noch in einer Rokoko-Band
gespielt habe, immer eine Quälerei in der U-Bahn.
Hätten
Sie’s gewusst? Die meisten Polohemdenträger haben in ihrem Leben noch nie Polo
gespielt.
Montagmorgen,
9:30 Uhr. Handwerker im Haus. Er pfeift fröhlich. Beim Abschied spreche ich ihn
darauf an, dass Montagmorgen selten jemand fröhlich ist. Er grinst und sagt:
„Solange ich arbeiten kann, bin ich gut drauf.“ Mit Anfang zwanzig sind die
Leute offenbar noch motiviert.
14.
Mai 1958. In der Maggi-Fabrik in Singen am Bodensee läuft die erste Dose
Ravioli vom Band. Ein kulinarischer Alptraum, den wir alle schon mal gegessen
haben (mancher von uns auch öfter, als er zugeben will), wird 65 Jahre alt. Die
Achse Berlin-Rom funktioniert auch in der Adenauer-Zeit. Noch heute laufen
täglich 170.000 Dosen im selben Werk vom Band. 36 Millionen Dosen und damit
etwa eine Milliarde Ravioli im Jahr. Und irgendjemand isst das viele Zeug
tatsächlich. Sie haben uns durch die Corona-Zeit gebracht und werden uns durch
den russischen Einmarsch bringen. Die Erfindung der Fertiggerichte hat übrigens
mehr zur Emanzipation beigetragen als alle Demonstrationen und Emma-Heftchen
zusammen. Endlich konnte die Hausfrau die Fesseln, die sie an den Herd gebunden
hatten, abwerfen und sich neben der kostenlosen Ausbeutung durch den Mann auch
noch der Lohnsklaverei hingeben.
Vor
fast zehn Jahren, Anfang Juli 2013, bin ich von Berlin nach Schweppenhausen
gezogen. Ruhe. Ein ganzes Haus und ein großer Garten für mich allein. Seither
habe ich keinen Kriminalroman und kein Sachbuch mehr geschrieben. Es sind viele
kurze Texte und Notizen („Blogstuff“) entstanden, ich schreibe nie länger als
eine Stunde am Tag. Ein entspanntes Leben. Dennoch sind in dieser Zeit ca. 3750
Word-Seiten Text (gespeichert in Dateien à 80 Seiten) entstanden. Zehn Jahre
sind 3650 Tage, also etwa eine Seite pro Tag – obwohl nach meinem Umzug nichts
geplant war. Nur umfassende Ruhe, keine Ziele, keine Ambitionen. Ich habe in
meinem Leben noch nie so viel geschrieben. Gelesen habe ich in dieser Zeit
hunderte von Büchern, selbst „Krieg und Frieden“ oder „Mann ohne Eigenschaften“.
Endlich hatte ich Zeit für die wesentlichen Dinge.
Ich lache über meine zehnjährige Pilgerschaft.
Verschossenes Gewand, zerschlissener Hut, Klopfen an
die Tore des Zen.
In Wahrheit ist das Gesetz Buddhas so einfach:
Iss deinen Reis, trink deinen Tee, trage deine
Kleider!
(Aus: Eiji Yoshikawa: Musashi, München: Droemer
Knaur 1984, S. 1090. Übrigens ein sehr empfehlenswerter Abenteuerroman für
lange Winterabende)
Ich möchte nicht tauschen, ich brauche den lärmenden Tanz.
AntwortenLöschenDer Oktabass erinnert mich an ein einzigartiges, von Schobert und Black in die Musikologie eingeführtes Blasinstrument, das Triebelbumpaphon. Das Triebelbumpaphon muss wegen seiner Größe von drei Menschen bedient werden: einer bläst hinein, ein zweiter bedient die Ventile und der dritte hat die Oberaufsicht. Das Triebelbumpaphon ist eine Weiterentwicklung des Zwiebelbumpahons, das von nur zwei Leuten bedient wird. Außerdem unterscheiden sich beide Instrumente noch durch eine weitere Eigenschaft: das Triebelbumpaphon riecht nicht.
AntwortenLöschenIngo Insterburg hat ja auch immer gerne neue Instrumente gebaut. Solche Leute gibt's heute gar nicht mehr. Ich denke z.B. an Ulrich Roski.
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