Marketing
ist eine Zukunftsbranche, haben sie mir gesagt. Nach der Probezeit wirst du
Junior-Vizepräsident, haben sie mir gesagt. Und ich Idiot habe ihnen jedes Wort
geglaubt. An meinem ersten Arbeitstag habe ich die ganze Agentur kennengelernt:
Carla und Gerhard. Mein erster Auftrag: Prospekte in der Fußgängerzone
verteilen. Erste Erfahrung im Kundenkontakt sammeln, haben sie es genannt.
Kaltakquise am lebenden Objekt. Sie drückten mir einen Stapel Flugblätter in
die Hand. „Hellas, die Klobürste, die im Dunkeln leuchtet“. Ich machte mich auf
den Weg.
Ich
stand im Nieselregen neben einem Betonkübel mit hässlichem Grünzeug und
versuchte, meine Werbezettel loszuwerden. Es gibt nichts peinlicheres, als in
seiner eigenen Kleinstadt einer so armseligen Tätigkeit nachzugehen. Niemand
schaut dir ins Gesicht, niemand will in deiner Nähe sein. Es ist, als ob du
Lepra hättest. Hoffentlich kam niemand vorbei, den ich kannte. Ich würde die
Schmach nicht überleben. Aber da kam schon Frau Hartwig, unsere Nachbarin,
vorbei.
„Hast
du nicht Abitur gemacht? Und das ist jetzt dein erster Beruf? Mein Lukas
studiert BWL.“
Das
angebotene Prospekt nahm sie nicht an. Sie wartete auch keine Antwort ab,
sondern ging einfach weiter.
Zehn
Minuten später kam mein Mathelehrer vorüber.
„Hättest
du besser aufgepasst, wärest du nicht hier gelandet“, sagte er in tadelndem
Tonfall.
Aber
das sollte noch nicht der Tiefpunkt sein. Der kam mit langem blondem Haar,
dessen bezaubernde Schönheit selbst von der albernen dunkelgrünen Pudelmütze
nicht geschmälert werden konnte. In hohen schwarzen Lederstiefeln und Minirock.
Ute. Die Göttin meines Jahrgangs. Wir waren alle rettungslos in sie verliebt.
Ich hatte sie sogar mal im Bikini gesehen, als ich im Freibad war. Der erotische
Höhepunkt meiner Oberstufenzeit. Hoffentlich erkannte sie mich nicht, sondern
ging einfach weiter.
„Mensch,
Sebastian. Bist du das?“
Ich
wollte den Kopf schütteln, aber ich blieb einfach stumm und lief rot an.
„Zeig
mal, was verkaufst du denn?“
Sie
nahm einen Zettel und studierte ihn gründlich.
„Ein
Klobürste, die im Dunkeln leuchtet. Das ist ja krass. Wo kann ich die kaufen?“
Ich
zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ist mein erster Tag.“
„Na,
dann viel Glück“.
Sie
schritt graziös von hinnen und warf den Zettel in einen Mülleimer.
So
fing es an, so ging es weiter.
P.S.:
„peinlicheres“ ist Nominativ Singular Neutrum der starken Deklination des
Komparativs des Adjektivs „peinlich“. Bonetti Media hat schließlich auch einen
Bildungsauftrag.
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