Die
Tür wurde aufgerissen und bevor ich noch den Kopf heben konnte, begann die
Brüllorgie. Ich entnahm dem 120-Dezibel-Orkan meines Vorgesetzten folgende
Elemente: Recherche zu einer Parteispende eines Rüstungskonzerns an die CSU,
noch heute, möglichst vor Redaktionsschluss, Fotos, Beweise, einhundertzwanzig
Zeilen Text, Tempo, Tempo, Tempo.
„Folgen
Sie diesem verdammten Heumelker bis auf die Toilette! Ich will wissen, wie oft
er nach dem Pissen abschüttelt!!“
Ich
wartete vor der CSU-Landesvertretung in der Behrensstraße und sah, wie der
Bundestagsabgeordnete Alois Heumelker in eine schneeweiße Limousine stieg. Ich
folgte ihm mit meiner Vespa, natürlich hielt ich den Abstand konstant bei zehn
Metern. Vor dem Einstein Unter den Linden stieg er aus und betrat das Lokal.
Ich kam eine Minute später ins Einstein und setzte mich an den Nachbartisch.
Nach
etwa zehn Minuten kam ein großer Mann in einem schwarzen Anzug und mit
Sonnenbrille an Heumelkers Tisch. Er setzte sich und stellte einen Koffer ab.
Ich beobachtete die beiden Männer durch ein faustgroßes Loch in einer
Tageszeitung. Heumelker verabschiedete sich schließlich und ging mit dem Koffer
davon. Einem durchschnittlichen Reporter hätte dieser Vorgang für eine Story
gereicht, aber ich bin Profi in Sachen investigativem Journalismus.
Die
Limousine brachte Heumelker zu seiner Villa in Schmargendorf. Ich blieb auf
meiner Vespa und beobachtete alles mit meinem Feldstecher. Er öffnete die
Haustür und verschwand im Haus. Kurz darauf ging im Arbeitszimmer im
Erdgeschoss das Licht an. Ich sah, dass der Abgeordnete den Aktenkoffer neben
seinen Schreibtisch stellte. Dann ging im ersten Stock ein Licht an, offenbar
war er hinaufgegangen.
Ich
schlich mich auf das Nachbargrundstück und kletterte über den Zaun. Ein Pudel
sah mich erwartungsvoll an, bellte jedoch glücklicherweise nicht. Stattdessen
verging er sich genüsslich an meinem rechten Schienbein. Auf der Terrasse
hinter dem Haus fand ich eine unverschlossene Tür. Ich betrat die Villa und
ging auf Zehenspitzen ins Arbeitszimmer. Von oben hörte ich Wagner.
Der
Koffer ließ sich problemlos öffnen. Ich fand einhunderttausend Euro in bar vor
und das geheime Programm für die CSU-Wahlkampagne für 2023. „Arbeit ist
Freiheit“, „Sicherheit ist Frieden – für eine starke Bundeswehr“ und „Drum wähl
auch du: CSU“ lauteten die Slogans, die ich abfotografierte. Mit dieser heißen
Story ging es zurück in die Redaktion.
Ich
wusste, dass sie in der Nacht kommen würden. In der CSU gibt es zwar keine
Hacker, aber jede Menge Leute, die „fensterln“ können. Sie wollten sich die
brisanten Informationen auf dem klassischen Weg zurückholen. Aber ich hatte
mich vorbereitet. Als sie nach Mitternacht die Leitern an die Hauswand lehnten
und zu meiner Wohnung im zweiten Stock eines Altbaus in Friedenau
hinaufkraxelten, war das Fenster nur angelehnt. Das Weißbier, die Brezn und die
Weißwürschtl, die auf dem Wohnzimmertisch platziert waren, enthielten ein
starkes Schlafmittel.
Die
Polizei sammelte die beiden Typen, die Hirschlederhosen, Haferlschuhe mit
Trachtenstutzen, blauweiße Hemden, Lodenjoppen und Filzhüte mit Gamsbart
trugen, eine halbe Stunde später ein. Wir benutzten am nächsten Tag Buchstaben
für unsere Schlagzeilen, die man noch aus zwanzig Meter Entfernung lesen
konnte.
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