Samstag, 11. Juni 2022

Doppelte Heimat

 

Als ich im Herbst 2020 von Berlin nach Schweppenhausen zurückkehrte, hätte ich nicht gedacht, dass es ein volles Jahr dauern würde, bis ich im Herbst 2021 wieder in meiner Wohnung sein würde. Zum ersten Mal seit meinem Einzug im August 1992 hatte ich damals nicht mehr das Gefühl, nach Hause zu kommen. Aus meiner Heimat war eine Ferienwohnung geworden.

Im Winter dachte ich ernsthaft darüber nach, die Wohnung in Berlin zu verkaufen. Schließlich war sie stark im Wert gestiegen. Ich hätte nicht nur dreißig Jahre umsonst gewohnt, sondern sechsstellig an der Sache verdient. Ich überlegte mir, den Rest meines Lebens am Rhein zu verbringen, vielleicht sogar in Ingelheim, meinem Geburtsort, in dem ich bis 1989 bei meiner Mutter – parallel zum Haus meines Vaters im Hunsrück – gelebt hatte. Dann hätte sich der Kreis geschlossen.

Schon der Wohnungseinbruch 2013 hatten mein Vertrauen und mein Heimatgefühl erschüttert. Ich erinnerte mich auch an eine Panikattacke vor etwa fünfzehn oder sechzehn Jahren, als mir eines Abends schlagartig klar wurde, dass die Wohnungstür, diese schmale Holzplatte, mein einziger Schutz vor der Außenwelt war. Eine zerbrechliche Eierschale, die meine Welt von der Wirklichkeit dort draußen trennte. Der Tritt eines einzigen Polizeistiefels hätte genügt, um meine Illusion von Sicherheit zu vernichten.

Aber bei meiner Reise im vergangenen Monat fühlte ich mich in der Hauptstadt wieder ganz zuhause und freue mich schon auf die nächste Berlinreise im Sommer. Ich habe die Restaurantbesuche, die Spaziergänge, die Zeitungslektüre auf der Parkbank genossen und ich war sogar zum ersten Mal seit über zehn Jahren wieder mal in einer Buchhandlung, die ich zufällig am Fasanenplatz entdeckt hatte. Ich habe einfach ein bisschen gestöbert und mir zwei Bücher gekauft, darunter „Zuhause“ von Daniel Schreiber. Berlin – das geht vielleicht nie wieder weg.

 

2 Kommentare:

  1. Wie schön, dass Du eine für Dich gute Entscheidung getroffen hast!
    So eine Zweitwohnung in der großen Stadt ist schon was Feines und ein wenig beneide ich Dich darum.

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    1. Eines Tages werde ich mich von einem Wohnsitz verabschieden müssen. Momentan laufen die Kosten für das Haus noch über das Konto meines Vaters. Ich kann mir dieses Leben eigentlich gar nicht leisten ;o)

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