Montag, 6. Juni 2022

Leben am Überfluss

 

Blogstuff 703

„Wer die Wahrheit im Wein finden will, darf die Suche nicht gleich beim ersten Glas aufgeben.“ (Werner Mitsch)

Es ist etwa zwanzig Jahre her, da habe ich in Berlin den ersten Fuchs gesehen. Potsdamer Straße, Ecke Schöneberger Ufer, mit Blick auf das Neue Nationalmuseum. Er latschte einfach des Nachts an uns vorbei, meine Freundin bemerkte ihn noch nicht einmal. Er würdigte uns keines Blickes, schließlich waren wir nur zu Gast in seinem Revier. Damals war es ein normales griechisches Lokal, heute ein sündhaft teurer Gourmet-Tempel. Die ganze Stadt wird vom Geld gefressen.

„Würden Sie bitte das europäische Haus verlassen. Sie bluten mir hier die teuren Teppiche voll.“

Ich werde die Zeit verklagen, weil der Alterungsprozess mein Gesicht und meinen Körper zerstört hat.

Die Wexstraße in Schöneberg ist ganz hart am Kalauer gebaut.

Manchmal lasse ich in Berlin einfach das Landei raushängen (im übertragenen Sinn) und bestelle die Pizza „al dente“. Zum Abschied gibt’s von mir noch ein gutgelauntes „Bel Paese“.

Die Marxisten erinnern mich an die Zeugen Jehovas. Sie eint der Glaube, diese Welt ginge unter. Und so stehen sie, mit den Händen in den Hosentaschen, vor der Weltgeschichte, und warten und warten, um endlich den Spruch bringen zu können: „Ich hab’s euch ja immer gesagt.“

Vor über dreißig Jahren, im Frühling 1989, zog der erste meiner Freunde nach Berlin. N. lebte mit seiner damaligen Freundin in SO 36, 1990 folgte V., der in einem besetzten Haus in P-Berg lebte und überstürzt eine Inderin heiratete. 1991 folgten G. und ich, beide in SO 36. N. ist inzwischen in Mainz, V. in Amsterdam, G. in Saarbrücken (drei Kinder!) und ich in meinem Dorf – aber mit gelegentlichen biographischen Berlin-Splittern. Zu keinem von ihnen habe ich noch Kontakt, nur gelegentlich zu mir selbst.

Häuptling Mountain Cheese schreibt: „Hallo, Brasserie Voltaire! Es ist ja schön, dass ihr Escargots und Bouillabaisse aux poissons et fruits de mer auf der Karte habt. Aber wieso gibt es bei euch keine Currywurst mit Pommes oder Eisbein mit Erbspüree? Schließlich liegt euer Lokal am Berliner Gendarmenmarkt. Und warum nicht auch mal eine schöne Salami-Pizza oder ein Gyros mit Tsatsiki anbieten? Ich vermisse auch das Glutamat im Essen. Warum weigert ihr euch, Geschmacksverstärker zu benutzen? Damit hat man in der asiatischen Küche gute Erfahrungen gesammelt. Und dann diese Riesen-Show, die ihr mit dem Wein abzieht. Ich habe neulich eine Zwei-Liter-Flasche Lambrusco mit Schraubverschluss bei Aldi gekauft. Ein Jahrhundertwein! Daher nur einen Stern von mir.“

Versuchen Sie mal, Ribaltone Da Lucia in Berlin zu bekommen. Zwecklos. Kennen die Leute nicht.

Belfegore - All That I Wanted (Extended Club Mix) (Music Video) - YouTube

 

6 Kommentare:

  1. Der Neulandrebell Roberto De Lapuente heute so: "In den letzten Jahren bin ich dazu übergangen, überhaupt nichts mehr zu glauben, was mir über den etablierten Medienbetrieb vermittelt wird."

    Querdenkerei im Endstadium. Und was kommt danach - auswandern nach Paraguay?

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    1. Sein Kollege schreibt derweil einen offenen Brief an Markus Lanz :o)

      Auffällig ist auch, dass bei den "Alternativmedien" Zero Tolerance gegenüber Andersdenkenden gilt. Von der Bandbreite der vertretenen Meinungen, wie man sie aus TV-Talkshows kennt, sind sie meilenweit entfernt.

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  2. Thema "Bel Paese": Ich antworte beim Griechen auf "Kalispera" und "Kalinichta" grundsätzlich mit "Kalli Feldkamp" und feiere damit schöne Erfolge.

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    1. Und nach der Rehakles-Platte genehmige ich mir immer einen Expresso.

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  3. Korrektur: Bin Jan. 1990 nach Berlin gezogen. Liebe Grüße. G.

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    1. Dann war ich ja der Letzte! Und bin am längsten geblieben ...

      Gruß aus dem Hunsrück

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