Dienstag, 20. Dezember 2022

Kunst II

 

Ich mag keine schnurgeraden Straßen. Sie erinnern mich immer an totalitäre Staaten. Also betrat ich den nächstbesten Laden. Es war ein Fachgeschäft für Seemöwenbedarf.

Hinter der Ladentheke stand ein alter Mann mit einem Eisenhaken anstelle der rechten Hand.

Ich starrte auf den Haken und er sagte: „Die Hand habe ich bei einem Bergwerksunglück verloren.“

Er kam um die Theke herum. Ich hörte das Tok-Tok eines Holzbeines.

„Das Bein habe ich bei einem Tauchgang verloren. Ein Hai hat es gefressen.“

„Und ihr Ohr?“

„Das waren Raubmilben. Eines Morgens wachte ich auf und hatte nur noch ein Ohr.“

„Das ist ja schrecklich.“

„Ja. Andere verlieren Regenschirme oder Hausschlüssel. Ich verliere Körperteile.“

„Und jetzt verkaufen Sie Seemöwenbedarf.“

„Ja.“

„Und wie laufen die Geschäfte?“

„Könnte besser sein.“

„Verstehe.“

„Seemöwen haben kein Geld. Sie verdienen ja auch nichts. Seemöwe ist schließlich kein Beruf.“

Das ist albern, dachte ich. Aber ich sagte: „Das klingt logisch.“

Ich verließ den Laden wieder und ging bis ans Ende der Straße. Dort stand ein Hochhaus. Rechts vom Hochhaus war ein Anbau. Ein Schloss. Rechts des Schlosses war eine Villa angebaut und dann kam eine winzige Holzhütte.

Ich klopfte an die Tür. Ein kleines Kind öffnete, sah mich kurz an und sagte: „Ich darf keine Fremden reinlassen.“

Dann schloss es die Tür wieder.

Eigentlich geht diese unfassbar bedeutungslose Geschichte noch weiter, aber für mich endet sie hier. 

3 Kommentare:

  1. Kafka lebt in offensichtlich in einem anderen Körper weiter — was möchte uns Gott damit sagen?

    Gruß
    Jens

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    1. Über eine Reinkarnation ist mir nichts bekannt. Aber wenn Sie Gott etwas fragen möchten, sind Sie hier genau richtig ;o)

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  2. Schnurgerade Straße, bis zum Horizont. Freiheit und Sehnsucht.

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