Mittwoch, 6. April 2016

Der wundersame Gesang blauer Frösche

Selten dämliche Überschrift, oder? Sie befinden sich hier:
Blogstuff 33
„Man erinnert sich an sein eigenes Leben kaum besser als an einen Roman, den man irgendwo gelesen hat.“ (Arthur Schopenhauer)
Kann sich noch jemand an Makrobiotik erinnern? Das war ein quasi-religiöser Trend in den späten achtziger Jahren, so wie heute Veganismus. Ich habe vier Semester Makrobiotik bei Meister Ling Fang studiert, um die Frauen zu beeindrucken. Der Meister aß nur eine Handvoll getrocknete Mungbohnen am Tag, schlief in einem Jutesack, der an einem Seil vom Dachbalken seine Waldhütte baumelte, und wurde immerhin 29 Jahre alt.
„Vel in puellam impingunt, vel in poculum“, pflegte Meister Bonetti über seine Schüler zu sagen: Entweder sie neigen den Mädchen zu oder dem Becher. Mögen Sie in ihrem eigenen Kot verfaulen, diese Possenreißer und Einfaltspinsel, denen der Sinn bloß nach Mummenschanz und Lustbarkeit steht!
Der Mond hatte sein bleiches Licht in den Fluss gegossen. Ich war allein, als ich über die Brücke ging. Vor mir lag ein Fachwerkhaus, das über den Fluss gebaut war. Auf mächtigen Baumstämmen ruhte ein Erker und neben dem Haus stand eine große Trauerweide. Als sich plötzlich ein Fenster in diesem Erkerzimmer öffnete, blieb ich stehen, um zu sehen, wer in diesem Fenster erscheinen würde.
Mit großem Bedauern muss ich Ihnen mitteilen, dass in der vergangenen Woche Madame Seraphíne Lavache verstorben ist, die in ihrem magischen Salon in der Avenue de l’Opéra über zwanzig Jahre lang erfolgreich ein Elixier verkauft hat, das ewiges Leben versprach.
Hoch über uns auf dem Trapez vollführt der große Bonetti seine atemberaubenden Kunststücke. Er entlockt den Damen helle Angstschreie und den Herren bewunderndes Raunen. Und als er sich an seinem Seil ins Zirkusrund hinablässt, springt die Menge auf und applaudiert wie besessen. Währenddessen stapfe ich in einem Clownskostüm und viel zu großen Schuhen durch das Sägemehl und hebe das Cape auf, das Bonetti zu Beginn seiner Darbietung von der obersten Plattform geworfen hat. Und als der Zirkusdirektor mit der Peitsche knallt, um die Kunstreiterin in die Manege zu lassen, renne ich ungeschickt zurück ins Dunkel.
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Mit dem unverlangt geäußerten Satz „Ich fahre einfach nur mit dem Zug und sitze ganz zufällig hier“ machte sich der Mann bei mir verdächtig.
Da sitzt der alte Bonetti in seinem Schaukelstuhl auf der Veranda, nippt an seinem Bourbon und erzählt eine der Geschichten, aus denen sein Leben besteht. Wussten Sie, dass Andy Bonetti mal ein Meditationszentrum geleitet hat? Er hatte eine Etage in einem Geschäftshaus in Bad Nauheim angemietet und es „Haus der Harmonie und der vollkommenen Ruhe“ genannt. Leider lag direkt darunter eine Bundeskegelbahn, in der auch gerne zotige Lieder gesungen wurden. Kurz darauf hat er in Melbourne „Wally Mahoney’s House of Cheese“ eröffnet, aber das ist eine andere Geschichte.
Es gibt zwei Formen der Dunkelheit, die bekannte und die unbekannte. Wenn es in einem Raum dunkel ist, den du kennst, weißt du, wo ein Stuhl steht, wie viele Schritte es bis zur Wand sind oder wo die Tür ist. Ein dunkler Raum, den du nicht kennst, ist voller unangenehmer Überraschungen.
Depeche Mode – Two Minute Warning. https://www.youtube.com/watch?v=zZqaE9H79IQ

7 Kommentare:

  1. Beim DM-Titel ist ein S zu viel, das Lied heißt "Two Minute Warning". Ich hab gestern zufällig die LP auf der das drauf ist ("Construction Time Again") in der Hand gehabt. Aber das wird auch gesungen "Two minute warning, two minutes later, when time has come my days are numbered..." (Thema wie "Fly On The Windscreen"). Warum hatte ich die LP in der Hand? Ich bin zufällig an eine Vinyl-Pressung von "A Broken Frame" geraten, wollte die zu den anderen legen. (Das war jetzt Zufall, früher, etwa mit 20, hab ich mir das ein oder andere Vinyl gekauft, wenn ich es irgendwo fand.)

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    1. Vergessen: Die Überschrift ist nicht selten dämlich sondern zeugt von ausführlichem Murakami-Konsum. Oder findest du "Als ich eines Tages das 100%ige Mädchen sah" einen besser gedachten Titel? Aber er kann ja nichts für seine Übersetzer.

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    2. Danke. Wird gleich korrigiert. Ich höre gerade wieder Depeche Mode ohne Ende, aber auch Ultravox und Level 42. Da kommt also musikalisch demnächst einiges aus der Richtung.

      Und meine Lektüre hat einen immensen Einfluss auf mein Schreiben, zuletzt Schopenhauer, Sartre und Queneau. Dazu in den nächsten Wochen mehr :o)

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    3. Einfluss durch die Lektüre kenne ich, ich glaube, das ist bei ziemlich vielen so. Jutta Reichelt, die ja auch viel bei mir liest und kommentiert, hat auf ihrem Blog einen Geschichten-Generator. Ich mache da immer mit zwecks Fingerübung und Spontaneität. Hier merkt man doch eindeutig, dass ich zu dem Zeitpunkt Kafka gelesen habe

      Musikalischer Einfluss ist auch sehr prägnant für einen Schreiber. Auch diejenigen, die anders als ich, nebenbei hören und sowieso und überhaupt. Ich bin ja sehr selektiv in so was. Letzthin kam ich aber nach Jahren mal wieder an DMs "Ultra" und die passt ideal zu dem Ding, dass ich den größten Teil des Märzes ausgekocht habe. Was bei mir auch fast immer funktioniert ist "Spice Crackers" von Camouflage, sehr anders als das was die sonst machen, aber trotzdem nicht für jeden. Muss man sich drauf einlassen. Herr Mit-Künstler zum Beispiel wird rappelig davon. Mit Ultravox (vorwiegend Sachen aus der Zeit von "Vienna") hat die Mit-Künstler-Mutter uns so überladen, dass wir irgendwann beim Materialkauf einem Typ begegneten, uns ansahen und beide dachten, der sieht aus wie Mr. Ure damals. Wenn einem so was passiert, weiß man, dass es übertrieben wurde.

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    4. Der Link funktioniert leider nicht, ich habe den Doppelpunkt hinter dem http vergessen. Kannst du entsprechend bearbeiten oder rauswerfen, wie's beliebt.

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    5. "Auf dem Flohmarkt ..." mit dem Affen Rotpeter. Ich habe in meiner Hardcore-Kafka-Phase Mitte der 80er Jahre das Epigonentum bis zum Exzess betrieben. Das düstere Zeug ist heute komplett unleserlich. Im Gegensatz zu Kafka, der tausende Seiten im Ofen verbrannt hat, lagert das Zeug aber immer noch in einem Schränkchen unter der Stereoanlage. Vielleicht liegt's an der Zentralheizung?

      Am 27.2.1985 - also mit 18 Jahren - hatte ich schon mein "Urteil"-Erlebnis. Grauenhafter Text :o)

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    6. Meins steht alles im Kafka-Brief. Damals lief das das fast mechanisch. Ich habe überall geschrieben, immerzu. Aber das einzige was ich von damals noch habe ist das im Kafka-Brief erwähnte Stück und ich freue mich dass es noch da ist. Qualitativ kein Vergleich zu späteren Sachen, aber für die Umstände und die Zeit und die Reife in der es damals entstand ist es gut. Wobei das nur jeder selber beurteilen kann wie gut oder nicht gut seine alten Sachen sind.

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