Dienstag, 5. April 2016

Sinn und Form

„Fast alle Menschen glauben, ihr eigenes Leben sei ein interessantes Gesprächsthema.“ (Johnny Malta)
Moderator: „Herzlich Willkommen zu unserer Talkshow ‚Literatur aktuell‘! Bei mir zu Gast sind Ronja von Rönne und Benjamin von Stuckrad-Barre. Guten Abend!“
Warmer Applaus des Studiopublikums
Stuckrad-Barre: „Wenn ich dazu kurz etwas bemerken dürfte …“
Moderator: „Nein. Meine erste Frage geht an Sie beide. Glauben Sie, dass man es mit Vornamen wie Ronja und Benjamin in Kindlers Literatur Lexikon schafft?“
Rönne: „Wer ist Kindler?“
Moderator: „Sie kokettieren mit Ihrer Dummheit. Habe ich Recht?“
Stuckrad-Barre: „Der adlige Nachname reißt es wieder raus. Im Neo-Biedermeier darf man wieder ironiefrei mit der eigenen Herkunft Werbung machen. Als ich mit Udo Lindenberg auf dem Flughafen von LA …“
Moderator: „Frau von Rönne. In Ihrem Debütroman – wobei ja viele Kritiker den Begriff Roman für diese Erzählung scheuen …“
Rönne: „Darf ich hier rauchen?“
Moderator: „Nein. Aber damit sind wir schon beim Thema Sucht …“
Stuckrad-Barre: „Genau darum geht es in meinem Buch. Ich habe die Sucht nach Kokain und Erbrochenem überwunden, aber die Sucht nach Ruhm ist geblieben. Ich brauche kein Literaturlexikon, ich brauche das Publikum. Ich kann meine Geschichten nicht nur dem Computer und meinem Therapeuten erzählen. Als ich neulich mit Thomas Gottschalk …“
Moderator: „Geht es nicht auch um Geld, Frau von Rönne?“
Rönne: „Mein Zeitvertrag bei Springer war auf ein Jahr befristet. Jetzt werde ich als Pauschalistin für zwei Artikel im Monat bezahlt. Davon kann man in Berlin nicht leben. Ich war also dankbar, als mir der Verlag anbot, ein Buch zu schreiben.“
Stuckrad-Barre: „Ich musste nach LA gehen, Berlin wurde mir zu heiß. Mit den Einnahmen aus meinem neuen Buch bezahle ich die Schulden bei meinen Dealern. Ich bin wie ein Hai, ich kann nicht ruhig bleiben, weil mein Leben Unmengen an Geld verschlingt.“
Und so weiter und so fort bis zur Werbepause …
Es ist aberwitzig, was uns heute als deutsche Literatur verkauft wird. Bastelstunden im Spiegelkabinett der Eitelkeiten. Da präsentiert man uns ein postpubertäres und substanzloses Schnatterlieschen namens Ronja von Rönne – ganz offensichtlich das inferiore Produkt von Verlagskaufleuten, Marketingfritzen und Strippenziehern des Medienkartells – als neue Hoffnung wie einige Jahre zuvor Charlotte Roche, die gerade auf dem Schulklo die eigene Möse entdeckt hatte.
Ich spreche mit einer Journalistin, die beide Autorinnen interviewt hat. Sie bescheinigt Rönne und Roche kein literarisches Talent, der letztgenannten gesteht sie aber immerhin einen „Tabubruch“ zu. Der Tabubruch mag eine Kategorie des Journalismus sein, aber er ist in der Literatur bedeutungslos. Haben Musil oder Kafka Tabus gebrochen? Haben Sie permanent nur über sich selbst nachgedacht? Nein, es waren Schriftsteller, die ihre Sprache so perfekt beherrscht haben wie ein Virtuose sein Musikinstrument. Sie konnten Geschichten erzählen, die bis heute unvergessen sind, und es ist ihnen nicht schwer gefallen, hinter ihren großartigen Erzählwelten vollständig zu verschwinden. Aber diese Bescheidenheit setzt Größe voraus.
Es gibt keine deutsche Gegenwartsliteratur, die man lesen müsste. Und das gilt auch für die arrivierten Vertreter der Zunft wie den völkisch verfinsterten Botho Strauß oder die Serbenmetze Peter Handke.
„Der ganze Jammer der heutigen Literatur (…) hat zur Wurzel das Geldverdienen durch Bücherschreiben. Jeder, der Geld braucht, setzt sich hin und schreibt ein Buch, und das Publikum ist so dumm, es zu kaufen.“ (Arthur Schopenhauer)
Aurora – Running With The Wolves. https://www.youtube.com/watch?v=PbKENEW_vkI

13 Kommentare:

  1. Dann springen Sie halt in Gottes Namen über Ihren Schatten und schreiben auch mal was für's Volk.
    Das kann doch nicht so schwierig sein.
    Obwohl das Einfache ja oft das Allerschwierigste ist.
    Was dann auch nicht von jedem verstanden wird.

    Egal,
    Da Da Da
    Tatadum tatadum
    Da Da Da

    Denken Sie an die Kohle !
    Und vor allem, machen Sie es gerne, lieben Sie es.
    Dann klappt es auch.
    Ohne Moos nix los.
    Ohne Kohle kein Gejohle.
    Keine Fete ohne Knete.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Der Literaturnobelpreis ist gut dotiert, damit begnügt sich Bonetti :o)

      Löschen
  2. Ich weiß nicht ob du dir die Talkshow ausgedacht hast oder ob es die in echt gab. Ich bekomme so was nicht mit und selbst wenn ich einen Fernseher hätte würde ich mir so was nicht anschauen, weil ich allgemein mit neuerer Literatur wenig anfangen kann (siehe meinen Herrndorf-Versuch) bzw. auch schon in Blogs häufig mit der Schreibe meiner Generation und jünger (die Vornamen von Herr und Frau von und zu lassen mich glauben, dass beide nicht oder nur wenig älter als ich sein können, meine Mutter hatte zwei Freundinnen mit Söhnen, die Benjamin hießen, die waren beide auch um 1980 geboren) nicht warm werde, denn ich kann dieses darstellende Element nicht ab bei dem alles um einen selber kreist. In meiner Nähe lebt der Mensch hinter dem Dampfbloque, fünf Jahre jünger als ich, also nun Anfang dreißig, der hat eine Kategorie die „Generation Y“ heißt und da, meines Erachtens nach gut beschrieben, wie die Zustände zumindest im Düsseldorfer Umkreis sind.

    Mangels gelesen haben kann ich also die literarischen Qualitäten nicht beurteilen. Schon die Themen interessieren mich nicht.

    Aber an den Beispielen sieht man die Maschinerie gut, das große Hurenhaus. Ich stand letztens im Mailverkehr mit jemandem, der mir erzählte, er hätte versucht bei einem Verlag unterzukommen und die wollten eine FOTO-Bewerbungsmappe(!) von ihm, mit diversen professionellen Fotos. Heute zählt also nicht was du kannst sondern, neben dem wo du sozial gesehen herkommst und auf welche tollen Uni du Germanistik- und Literatur studiert hast, sondern ob dem Mensch in der Marketing-Abteilung deine Fresse gefällt.

    Dass heißt du hast nicht nur keine Chance wenn du arm, aber talentiert bist, wenn du Haupt- oder Förderschüler warst (ich kenne diverse Leute die schreiben genial, da merkt man den Einfluss von Kafka und Fontane oder Camus raus, weil denen keiner was beibringt lesen die sich alles an – honoriert denen kein Mensch), sondern auch wenn du zufällig nicht in das Schönheitsideal der Marketingabteilung passt. Der Mensch mit dem ich mailte ist etwas korpulenter und hat Krähenfüße - dürfte raus sein.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Die beiden Jungautoren, über die ich geschrieben, waren in den beiden letzten Aspekte-Sendungen im ZDF. Beide würde ich dem Boulevard zuordnen, nicht der Literatur. Und wenn die Medien solche Figuren aufbauen, müssen sie jung, schön und sexy sein.

      Wir haben eine erbärmliche Literaturszene in Deutschland, keine Talente, wohin das Auge reicht (Bonetti natürlich ausgenommen). Die USA haben eine sehr lebendige Literaturszene, da denke ich an Auster, Roth, Franzen, DeLillo usw. Japan hat Haruki Murakami, aber Deutschland? Herta Müller?

      Löschen
    2. Auf Müller bestehe ich. Ich weiß, in deren Werk kommen viele Leute nicht rein. Tellkamp kannst du meines Erachtens nach vergessen (veröffentlicht der eigentlich noch?), der fällt mir ein, weil es immer wieder Leute gibt, die "Herztier" von Müller mit seinem "Turm" in die Schublade stecken, der Vergleich tut mir in der Seele weh. Es mag ja an meinen deutschrumänischen Wurzeln liegen (auch wenn meine Mutter ihre Herkunft verleugnet wie es gerade geht), dass ich zu Müller einen Zugang habe.

      Murakami ist toll, aber mich hat er nach "1Q84" verloren, beziehungsweise nach dem 3. Buch. Das war mir dann echt zu abgedroschen.

      Die guten Leute hier, beispielsweise der Glumm, weigern sich rumzuhuren, deshalb wird das nichts mit dem großen Erfolg.

      Wenn der Stuckard-Barre das wirklich so gesagt hat in den Sendungen dann bin ich hoffentlich nicht die einzige, die daraus nichts weiter liest als seine weit fortgeschrittene Krankheit. Das meine ich nicht ironisch, auch zum Stillstand gebrachte Süchte können die Psyche zerfressen und der schreit ja geradezu "Seht her wie krank ich bin!" Wenn nichts mehr geht macht man den Quotenkrüppel, oder wie? Ich schreibe hier bewusst Krüppel, denn keiner, auch nicht von den medienaffinen Gehandicapten, würde sich bewusst in dieses "Ich arme Sau"-Krüppelklischee schmeißen und der Typ bettelt ums Köpchengestreichtbekommen und in die Wangegekniffenwerden...

      Löschen
    3. Was kannst du mir zum Einstieg in die Welt von Herta Müller empfehlen? Vielleicht bin ich von der falschen Seite ins Gebäude gekommen.

      1Q84 ist sicher was für Hardcore-Fans, aber das letzte Buch, "Die Pilgerjahre des farblosen Herr Tazaki", habe ich schon zweimal mit großem Genuss gelesen.

      Stuckrad-Barre ist einfach unerträglich, ich habe seinen Interview-Stil nur kolportiert, es sind keine wörtlichen Zitate, aber wenn du ihn siehst, willst du einfach nur noch mit der Uzi in den Fernseher reinhalten, bis das Magazin leer ist.

      Löschen
    4. Ich habe mal ganz eigenverantwortlich Wikipedia zu dem Typ konsultiert und pflichte dir ebenso eigenverantwortlich bei, dass der einen aggressiv macht. Vermutlich - schon die Attitüde auf dem Foto - hat der ziemlich viel vom dergl-Vater und der ist ja auch das Kaliber "Nix können, dicke Hose machen und Hauptsache Rampenlicht". Die Tussi recherchiere ich jetzt nicht. Ich kann auch die Roche nicht ab. Die hat doch nur so gut verkauft, weil man die vorher schon kannte.

      Müller: Wenn sie jemand gar nicht kennt, also auch in Bezug auf den Themenkreis, empfehle ich immer "Heute wäre ich mir lieber nicht begegnet", weil sich das noch am ehesten als klassischer Roman liest. Bei den anderen musst du oft vier- oder fünfmal nachdenken was da jetzt eigentlich alles in dem Satz gesagt wird. Schön zu Anfang ist auch "Reisende auf einem Bein", das spielt im Berlin von 1987/88 und handelt von einer Frau, die ausreist aus Rumänien und riesige Erwartungen an Deutschland hat (unter anderem, dass ihr Ferienflirt mit ihr zusammenkommt), die sich natürlich nicht erfüllen. Das ist auch noch leicht zu lesen, aber es kommt nicht jeder in diese Atmosphäre dieses falschen Versprechens, das sie partout nicht loslässt rein.

      Löschen
    5. "Heute wäre ich mir lieber nicht begegnet" ist bestellt ;o)

      Löschen
  3. Man muß von der Rönne nicht viel lesen. Als Beispiel genügt das hier:
    http://www.welt.de/motor/modelle/article146987177/Man-haette-uns-dieses-Auto-nicht-geben-duerfen.html
    Germanys next Fräuleinwunder.
    Gibts vom Stückgut-Barren irgendwas kurzes im Netz als Ansicht? Irgendwie hatte ich den nie aufm Radar.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Gib mal Koks&Kotzen in die Suchmaschine ein :o)

      Löschen
    2. Oh je.
      " Das aufregendste Auto, daß ich je gefahren bin.......")
      Dann kann Ihr Leben bis dahin nicht viel geboten haben.
      In so einer Karre ist die Welt ausgesperrt, es gibt Sie nicht mehr.
      Es gibt nur noch Plastik, Ledersitze und eine sog. Klimaanlage, vulgo Kühlschrank.
      Und genau das ist eines der derzeit größten Probleme unserer Zeit.
      Die Leute, die so eine Karre benutzen, leben in eben so einer künstlichen Welt, Sie haben keinerlei Verbindung mehr zum wirklichen Leben, zur Realität.
      Und entscheiden doch über Unser aller Lebensumstände.
      Das Volk hat kein Brot ? Warum isst es keinen Kuchen......

      Löschen
  4. RvR habe ich tatsächlich gelesen; jung ist sie halt, stilistisch aber gar nicht so schlecht. Warten wir mal 10 Jahre. BvSB schaffe ich keine Seite.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich lese ihr Blog "Sudelheft". Gelegentlich blitzt eine gute Idee auf, aber sie hält dramaturgisch keine Kurzgeschichte durch, geschweige denn einen ganzen Roman. Sie ist eben eine Journalistin, keine Schriftstellerin. Autotest ist einfach, Figuren entwickeln (die sich in einem Roman womöglich auch noch weiterentwickeln) will gelernt sein.

      Löschen