„Schlagen Sie einen Pflock in die Erde und ketten Sie einen Menschen daran. Alsbald wird dieser Mensch einen Platz wählen, an dem er sich regelmäßig entleert, und einen Platz, an dem er regelmäßig schläft. So entstand der erste Grundriss.“ (Lupo Laminetti: Über Architektur)
Alt-Ringlein, Bamberg. Wir sitzen mittags bei Bier und Bamberger Würsten, als eine junge Frau schüchtern den Kopf durch die Gasthaustür schiebt und eine der Kellnerinnen nach einem Platz für zehn Gäste fragt. Die Kellnerin nickt und weist auf einen großen Tisch am Fenster. Die junge Frau gibt die Zusage leise nach hinten durch, worauf eine Männerstimme kurz und zackig „Einmarsch“ bellt. Ich zucke zusammen, das Wort „Polen“ schießt mir durch den Kopf. Einen Augenblick später strömen zehn deutsche Rentner, teilweise mit Hut, ins Gasthaus.
Gerüche in Bamberg: der Malzgeruch der Brauereien, dann wieder Bratwurstduft. Im Dom riecht es nach Stein und Weihrauch.
Fassbier ist – aus der Perspektive des einzelnen Trinkers - in räumlicher Hinsicht immobil und in zeitlicher Hinsicht instabil. Man muss es vom Fass trinken und nach dreißig Minuten ist es ungenießbar. Das schützt die kleinen fränkischen Brauereien, die keinen Vertrieb haben, vor dem Abstieg zur Massenware, denn nur wenige Menschen machen sich die Mühe, sie zu besuchen. Wein und Spirituosen kann ich mir im Internet bestellen, es sind hochmobile und praktisch unbegrenzt haltbare Produkte.
Brauerei Dinkel in Stublang. Man geht in einen Hof, in dem vereinzelte Männergruppen mit Bierkrügen stehen. Aus einer Art Waschküche, vielleicht fünf Quadratmeter groß, in der ein Zapfhahn aus der Wand ragt, wird das einzige Bier, ein dunkles Kellerbier, für zwei Euro pro Krug verkauft. Wer sich setzen möchte, wird in einen kargen Saal mit Sitzgarnituren verwiesen. Das Bier ist köstlich, der Braumeister setzt sich zu uns. Wir sprechen über fränkisches Bier. Der Hopfenmogul braut nur dieses eine Bier, von der Brauerei Trunk, nicht weit entfernt, sagt er, sie verzettle sich mit ihren vier Sorten. Sein Bier gäbe es auch nicht im Supermarkt, weil es sich nicht so lange halte wie das Industriebier der großen Brauereien. Wir kommen mit anderen Bierfans ins Gespräch, die sich auf die alteingesessenen Mikrobrauereien spezialisiert haben. Zwischendurch ein kurzer Dialog mit einer alten Frau, die von den Hungertoten der Weltkriegszeit in Bamberg erzählt.
Bizarr sind immer wieder die Züge der Wallfahrer, angeführt von einem Kreuzträger, begleitet von Musikanten, die zur Vierzehnheiligenkirche laufen, wo doch einzig das Kellerbier der dortigen Brauerei Trunk verehrungswürdig ist. Der Mount Everest des Biers.
Man kommt sich in der fränkischen Provinz vor wie ein Entdeckungsreisender in Polynesien. Ich bestelle in einem Gasthaus eine Waffel mit heißen Kirschen und Sahne zum Nachtisch und bekomme ein pizzagroßes Gerät mit etwa dreißig Kirschen, Apfel- und Melonenscheiben, das anderswo als Hauptmahlzeit durchgehen würde. Für zweiachtzig!! Fast schäme ich mich. Als hätte ich Glasperlen gegen Gold getauscht.
Empfehlung: Zwischen Dingelshausen und Schlappenbach ist der Landgasthof „Zur fetten Henne“. Jeden Mittwoch gibt es saure Lunge und Herz aus eigener Schlachtung.
Ein April wie im Bilderbuch. Freitags sitzen wir noch im T-Shirt im Forchheimer Kellerwald beim Bier, auf der Rückfahrt am Sonntag fällt das Thermometer in zehn Minuten von zehn auf null Grad und wir geraten in dichtes Schneetreiben. Sonnenbrille, Regenschirm und Schlittschuhe, Shorts und Schal – man hätte alles in den Rucksack packen können. Vier Jahreszeiten in drei Tagen.
The Four Seasons – Dawn. https://www.youtube.com/watch?v=DPQ_jBwlbB8&nohtml5=False
Der Kiezschreiber hat die weltbesten Fotos!
AntwortenLöschenDas muss heißen: die weltallerbestesten!
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