Donnerstag, 14. April 2016

Die Natur erwacht

„Letzthin fragtest Du mich (…) nach meinen Plänen und Aussichten. Ich habe über die Frage gestaunt (…). Ich habe natürlich gar keine Pläne, gar keine Aussichten, (…) in die Zukunft stolpern das kann ich und am besten kann ich liegen bleiben.“ (Franz Kafka: Briefe an Felice)
Über meinen Tisch bewegt sich ein winziges Tier. Der schwarze Punkt ist eigentlich nur zu erkennen, weil er sich bewegt. Für seine Größe hat es eine geradezu irrwitzige Geschwindigkeit. Ich beobachte es und versuche, sein Begehren zu ergründen. Das untergehende Haus Usher hat Kekskrümel und Hautschuppen zu bieten. Beides scheint dem Wesen jedoch gleichgültig, denn es rennt vorüber. Ich spiele Gott und puste in seine Richtung. Es hält an und duckt sich womöglich. Da es mir zweidimensional erscheint, kann ich es nur vermuten. Es wartet einen Augenblick, prüft sorgfältig, ob der Sturm sich gelegt hat, und rennt dann weiter. Es sucht den Schutz des riesigen schwarzen Gebirges, dessen eigentliche Funktion als Notebook ihm verborgen bleiben muss. Hier findet es Schutz und entzieht sich zugleich meinem Blick. Welche Nahrung es wohl sucht? Vielleicht das Wort – oder sogar den Sinn? Ist es ein Literatierchen aus der unlegendären Wortschöpfungshölle eines Schweppenhäuser Schreibmaschinisten? Wir wissen es nicht, denn hier endet die Geschichte.
Roderick Usher

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