„In Hinsicht auf unser Wohl und Wehe kommt es in letzter Instanz darauf an, womit das Bewusstsein erfüllt und beschäftigt sei. Hier wird nun im ganzen jede rein intellektuelle Beschäftigung dem ihrer fähigen Geiste viel mehr leisten, als das wirkliche Leben, mit seinem beständigen Wechsel des Gelingens und Misslingens, nebst seinen Erschütterungen und Plagen. (…) Was (…) die Menschen gesellig macht ist ihre Unfähigkeit, die Einsamkeit, und in dieser sich selbst, zu ertragen.“ (Arthur Schopenhauer: Aphorismen zur Lebensweisheit)
Es war in meinen jungen Jahren, und ich war gerade dabei, einen großen Roman zu schreiben. Einen von vielen großen Gegenwartsromanen, die ich nie zu Ende gebracht habe. Aber ich fühlte mich großartig. Wenn ich an meiner Schreibmaschine saß, war ich ein Schriftsteller. Und ich wollte immer ein Schriftsteller werden, der mit einer Zigarette im Mundwinkel lässig auf den Tasten einer Olympia herumtippte, die älter war als ich.
Und weil ich unglaublich originell sein wollte, handelte mein Roman von einem jungen Schriftsteller, der in einem Mansardenzimmer mit Blick auf die Seine den großen Gegenwartsroman schreibt. Inzwischen habe ich genügend Lektoren kennengelernt, die mir versichert haben, dass sie spätestens an dieser Stelle die Lektüre eines Manuskripts einstellen. Ich blickte damals nicht auf die Seine, sondern auf einen Hinterhof in Moabit.
Ich schrieb zu dieser Zeit noch ohne Konzept. Es gab weder einen Entwurf für den Handlungsverlauf noch für das Romanpersonal. Ich machte mir eine Flasche Bier auf und begann einfach zu schreiben. Linker Zeigefinger, rechter Zeigefinger – und dann immer so weiter. Bis ich müde oder betrunken war. Oder bis mir nichts mehr einfiel. Es war ein schönes Leben. Die Miete zahlten meine Eltern, die irrtümlicherweise annahmen, ich würde in Berlin Jura studieren.
Eines Morgens las ich im Kleinanzeigenteil des „Tagesspiegels“ jene verhängnisvollen Zeilen: „Autor für Buchprojekt gesucht. Zahle Honorar. Chiffre“. Nun kommen die Begriffe „Autor“ und „Honorar“ in der Zeitung selten gemeinsam in einem Text vor. Ich schrieb also einen Brief, gab mich als versierter Journalist aus und legte das Anfangskapitel meines aktuellen Werks bei. Wenige Tage später erhielt ich als Antwort eine Einladung nach Schmargendorf.
Zwei Stunden später, nach einem kurzen Telefonat, saß ich in der U-Bahn und fuhr zu Dr. Theobald Strumpfbändiger. Sein kleines Haus lag in einer abgelegenen Seitenstraße. An der Tür begrüßte mich ein alter Mann, schmal und gebeugt, mit einer Hornbrille.
„Fabrice-Reinhard Kutscherfreund, sehr angenehm“. So stellte ich mich vor und gab ihm artig die Hand. Bazooka Riley, meinen Künstlernamen, verschwieg ich aus strategischen Gründen.
„Kommen Sie doch herein“, sagte er freundlich und führte mich in ein Wohnzimmer mit einer nussbraunen Sitzgarnitur und holzgetäfelter Decke.
„Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?“ fragte er mich, während ich mich setzte. Ich nickte.
Er kam mit einem Tablett aus der Küche zurück und setzte sich in einen Sessel.
Ich schenkte mir eine Tasse ein und er begann, ohne Umschweife sein Projekt zu umreißen.
„Ich habe vierzig Jahre als Zahnarzt gearbeitet. Da erlebt man so allerhand. Die schönsten Anekdoten möchte ich in Buchform aufschreiben. Und dazu brauche ich einen Schriftsteller. Mir hat Ihr Text sehr gut gefallen.“
Ich hörte ihm aufmerksam zu, denn er kam gleich auf den Punkt.
„Ich zahle Ihnen zwanzig Mark pro Druckseite. Das Werk sollte etwa zweihundert Seiten haben.“
Viertausend Mark. Davon konnte man in Berlin ein ganzes Jahr leben, wenn meine Eltern auch weiterhin die Miete übernahmen. Wenn es auch nur ein Künstlerleben war. Mehr als zehn Mark am Tag. Das reichte für Tabak, Bier und Buletten.
„Sehr interessant. Können Sie mir eine Ihrer Anekdoten erzählen?“ fragte ich freudig erregt.
„Gerne. Da gab es zum Beispiel Gerlinde Meisenkeimer, eine langjährige Patientin. Angstpatientin, muss ich dazu sagen. Sie war schon kurz vor einem Ohnmachtsanfall, wenn sie nur die Spritze sah.“
Und dann erzählte er eine halbe Stunde lang von einer langweiligen alten Schachtel, immer wieder unterbrochen von einem glucksenden Lachen. Er hörte gar nicht mehr auf. Ständig ging es um schadhafte Gebisse und Schmerzen. Unwillkürlich fuhr ich mir die ganze Zeit mit der Zungenspitze über meine Zähne. Ein endloser Nachmittag voller sterbenslangweiliger Geschichten. Ich wollte nur noch weg. Wie konnte ich mich unauffällig verdrücken? Die ganze Situation war ein Alptraum.
Ein halbes Jahr später fing ich als Verkäufer in einem Sportgeschäft an.
Beck Bogart & Appice – Superstition. https://www.youtube.com/watch?v=uuq0_TpQtP4
Schopenhauer...........So So.
AntwortenLöschenMuss man sich von solch einem überheblichen Idioten die Welt erklären lassen ?
Ziehen Wir Wikipedia zu Rate, so erfahren Wir, das der Typ aus reichem Hause stammt, seine Kaufmannslehre abgebrochen hat und fortan von der Erbschaft seines früh verstorbenen Vaters gelebt hat.
Wie nennen so etwas heute Schnösel.
Der Typ hat nie etwas mit eigenen Händen oder Kopf, ergo planend, erarbeitet.
Er wurde also nie durch die Realität geprüft, er musste nie Fehler erleiden wie auch aushalten.
Nur zur Verdeutlichung, wenn ein Maurer oder Statiker Scheiß baut, dann bricht die Wand zusammen.
Ein Filosoph kann einem alles erzählen, alles.
Was Sie ja auch tun, man verschone mich mit Schlodderdoig.
Also.........das sollen Unsere Vordenker sein ?
Leute, die keine Zwiebel schälen können, keinen Nagel in ein Pfund Butter reinschlagen oder 2 und 2 zusammenrechnen.
Der Volksmund sagt "Brotlose Kunst" , noch nie hatte er so recht.
Ich bin auch der Meinung, dass man Philosophen danach bewerten sollte, ob sie mauern oder Zwiebelschneiden können, Musiker danach, wie gut sie tapezieren und töpfern können, und Maler nach ihren Fähigkeiten bei Elektroinstallationen. Und wenn jemand Geld hat und etwas sagt, halten wir uns die Ohren zu und rufen "Schnösel".
Löschen@ Provinzei
Löschen"Auch wird man einsehn, dass, Dummköpfen und Narren gegenüber, es nur einen Weg gibt, seinen Verstand an den Tag zu legen, und der ist, dass man mit ihnen nicht redet." (Arthur Schopenhauer: Aphorismen zur Lebensweisheit)
@ Herrn Ackerbau: eine Antwort, die nichts zu wünschen übrig lässt :-)
LöschenHey Matte.
AntwortenLöschenDu als Verkäufer im Sportgeschäft, das hätte ich sehen mögen.Lach.
Wünsche dir einen schönen Donnerstag.
Und verkauf nicht so viel. Grins.
Gruß aus Berlin
Hubert
Ist auch nicht wahr. Verkäufer im Getränkeland - schon eher :o)
LöschenGruß aus Schweppenhausen an die alte Heimat!
Grins....Lach...
LöschenJa als Bierverkäufer.
Hubert
Ich nenne es "Gerstensaftberatung" :o)
LöschenAb morgen tingele ich wieder durch die fränkischen Biergärten.
Sportarten muss es geben...
AntwortenLöschen@Ei: Herr Schopenhauer war erfolreicher Pudelabrichter.
Schmargendorfer Zahnärzte... da ist uns was entgangen.
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