Donnerstag, 20. November 2014
Huxley 2014
Es ist eine Freude, wie der Mensch des 21. Jahrhunderts mit friedlichen Mitteln und einer geradezu mütterlichen Sorgfalt auf seine Aufgaben, auf seine Funktion als Erwachsener vorbereitet wird. Gewalt und Zwang seien uns fern, wir gehen mit der Ruhe und Übersicht von Rinderzüchtern vor, die den Ertrag ihrer Herde steigern wollen. Das Vorschulkind lernt, dass der eckige Stab nicht ins runde Loch passt. Man beginnt, ihm Englisch, die Sprache des Erfolgs, schon vor dem ersten Schultag zu vermitteln. Mit lustigen Computerspielen und bunten Simulationen übt es als Schulkind das spätere Alltagsleben ein, mit dem Smartphone trainiert es seine permanente Verfügbarkeit. Als Erwachsener hat der Mensch die geschmeidige Anpassungsfähigkeit an die Anforderungen seiner Ausbilder und Vorgesetzten soweit verinnerlicht, dass er sie als „Flexibilität“ und „Mobilität“ idealisiert und verwirklicht. Nach dem Glück sucht er in der ihm angebotenen Ratgeberliteratur. Er findet es in schönen und nützlichen Gegenständen, die er nach einiger Zeit durch neue Gegenstände ersetzt, die ihm noch schöner und noch nützlicher erscheinen. Wir leben gerne so. Kritik? Wir haben doch alles, es geht uns doch gut. Einmal ins Laufen gebracht, ist das Programm der zwanghaften Selbstoptimierung nicht mehr zu stoppen.
„Ein wirklich leistungsfähiger totalitärer Staat wäre ein Staat, in dem die allmächtige Exekution politischer Machthaber und ihre Armee von Managern eine Bevölkerung von Zwangsarbeitern beherrscht, die zu gar nichts gezwungen werden brauchen, weil sie ihre Sklaverei lieben“, schreibt Aldous Huxley 1949 in seinem Vorwort zur Neuauflage von „Schöne neue Welt“. Seine Utopie ist schon heute Wirklichkeit geworden. Nur das in Deutschland die Gegenwelt der Reservate, in der die nicht integrierbaren „Wilden“ seines Romans leben, nicht existiert. Wer nicht anpassungs- oder leistungsfähig genug ist, vegetiert als isolierter Hartz IV-Empfänger in seiner Bruchbude vor sich hin, sediert von TV-Schwachsinn, Alkohol und Internetpornographie. Jeder Gegenentwurf zur herrschenden Vernunft endet offenbar zwangsläufig in der Selbstzerstörung. Unser Leben ist perfekt – und darum alternativlos.
Ton Steine Scherben – Sklavenhändler. https://www.youtube.com/watch?v=0M3TV0zuuTA&spfreload=10
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen