Samstag, 1. November 2014
Heisenberg in Schweppenhausen
Sie kennen sicher die Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik. Im Volksmund spricht man auch von der Heisenbergschen Unschärferelation. Mit meiner Beobachtung verändere ich den Gegenstand der Beobachtung. Deswegen kann ich über meine Stammkneipe eigentlich nichts schreiben. Sonst kann ich mich dort nie wieder blicken lassen. Sie würden mir ohnehin nicht glauben, dass direkt hinter dem Tresen eine Tür ist, durch die man ins Wohnzimmer der Familie kommt, die das Lokal betreibt. Und sie würden ungläubig den Kopf schütteln, wenn ich Ihnen erzähle, dass der Sohn des Wirts auf der Sonderschule war und im vergangenen Jahr die Probezeit als Hilfsarbeiter in einer nahegelegenen Lagerhalle nicht überstanden hat. Aber seine Schwester hat gestern den Vogel abgeschossen. Sie bediente die Gäste in Hot Pants und zeigte ihre neue Tätowierung (die genaue Zahl kenne ich nicht, aber ich habe allein fünf Piercings in ihrem Gesicht und in ihrem Mund gezählt) auf dem rechten Oberschenkel. Sie fragte uns, was es wohl darstellen solle. Wie im Chor antworteten alle Männer am Tresen: „Was ist DAS denn?!“ Sie erklärte uns, es wäre ein Totenkopf. Ihr Fitnesstrainer wolle demnächst ein Tattoo-Studio aufmachen und hätte an ihr geübt. Ich fragte sie noch, ob es denn ein permanentes Tattoo wäre. Natürlich, sagte sie, und der Typ dürfe in den nächsten Wochen weiter auf ihrer Haut üben. Völlig ironiefrei. Dann wechselten wir das Thema und es ging darum, wer von uns an ihrem dreißigsten Geburtstag als Stripper auftreten soll. Sie ist bereits Witwe und hat mehrere Kinder, aber ich kenne Frauen aus meinem Jahrgang, die schon lange Großmutter sind. Mehr will ich jetzt nicht verraten, mein Literaturagent hat mir geraten, den ganzen Stoff für einen großen Roman zu sammeln und dann von hier wegzuziehen …
P.S.: Würden Sie mir glauben, dass sich ihr Mann wenige Wochen nach der Trennung auf dem Dachboden von Diego (aus: Durstige Männer, 26.10.14), der ihm vorübergehend Unterschlupf gewährt hatte, aufgehängt hat? Nein, würden Sie nicht. Ich bin ein Schriftsteller mit einer wilden Phantasie.
Spliff – Heut Nacht. http://www.youtube.com/watch?v=DQQUgTO0QNg
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An alle Leser dieses Beitrags: Sämtliche Rechte für diese Geschichte sind bereits gesichert - als Literaturagent für Herrn Dr. Eberling werde ich unbarmherzig jeden mit dem BGB verfolgen, der diese Kleinode der deutschen Trinkerliteratur kopieren will.
AntwortenLöschenGez. Heinz-Herbert "Literaturschlampe" Milbenberger (aka "Mr. 50 Prozent")
50 Prozent! Milbenberger, Sie Halsabschneider. Zwanzig Prozent. Das ist mein letztes Wort oder der Blitz soll mich treffen ;o)
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