Montag, 24. November 2014

Schwarz und Weiß

1
“Macht Bonetti weiß”, hatte Lucky Scarfati zu ihnen gesagt.
Das war in der Buchbranche das Todesurteil. Weiß bedeutet Schweigen, das Weiße auf einer Buchseite spricht nicht. Nur die schwarzen Buchstaben. Jemanden „weiß machen“ hieß, ihn zum Schweigen zu bringen. Ihn umzulegen. Ihn kalt zu machen. Buchhandel ist nichts für Weicheier. Wer diesen Markt kontrollieren will, muss bereit sein, über Leichen zu gehen. Man würde es nicht glauben, wenn man in die harmlosen Hornbrillengesichter der Verkäufer in den Buchläden blickt. Aber man erkennt ja auch nicht, wie knallhart das Geschäft mit der Prostitution ist, wenn man das müde Lächeln einer Zwanzig-Dollar-Nutte sieht.
Was Bonetti mit Frankie „Machine Gun“ Bertone und Tony „Merciless“ Costello gemacht hatte, konnte sich die New Yorker Familie nicht gefallen lassen. Unmöglich. Niemals. Wer im Literaturbetrieb Schwäche zeigte, wurde vernichtet. Wenn Haie merken, dass ein anderer Hai verletzt ist und blutet, stürzen sie sich auf ihn und reißen ihn in Stücke. Wenn Lucky Scarfati nicht reagierte, würden ihm die anderen Familien bei lebendigem Leibe die Haut abziehen und ihn an seinen Gedärmen durch die Buchabteilung von Bloomindale’s ziehen. Seine besten Autoren würden die Schwänze der Bosse von Chicago, Philly und Detroit lutschen – und sie hätten noch Glück gehabt. Die meisten würden vermutlich als „freie Mitarbeiter“ auf dem Medienstrich landen und dort elendig vor die Hunde gehen.
Seine besten Leute standen vor seinem Schreibtisch im Hochhaus des Verlags Lansky & Falcone in der Lower East Side: Jerry „Fat“ Barletta, Billy „The Bullet“ Muletto und Rossi „The Pastaman“ Raviolo. Sie wussten, was zu tun war. Eine eingespielte Crew.
2
Es war bereits dunkel, als sich „Fat“ Barletta und Billy Muletto dem Hotelzimmer im elften Stock des Waldorf Astoria Berlin näherten. Sie wussten, dass Bonetti in seinem Zimmer war. Als sie ihren Wagen vor dem Hotel abgestellt hatten, musste der Pastaman nur die Rezeption anrufen und behaupten, er sei ein Reporter der Berliner Morgenpost, der Bonetti sprechen wolle. Er wurde zu Bonetti durchgestellt und als er dessen Stimme hörte, hatte er einfach aufgelegt.
Um den Aufenthaltsort Bonettis herauszubekommen, hatten sie gestern eine rattenscharfe Blondine auf seinen Chauffeur angesetzt. Ein paar Stunden, eine Flasche Bourbon und eine Prise Kokain später wussten sie, wo Bonetti untergetaucht war. Was sie nicht wussten: Äugelein hatte seinen Chef informiert. Ein kurzer Anruf, als sich die Blondine gerade im Badezimmer frisch gemacht hatte.
Die Zimmernummer kostete sie noch einmal fünfhundert Euro, die sich ein Hotelpage eingesteckt hatte. Der Pastaman wartete mit laufendem Motor, während seine beiden Kollegen vor Bonettis Zimmertür standen.
Die Musik war nicht zu überhören. Wagners „Ritt der Walküren“. Barletta öffnete vorsichtig das Schloss mit einem Dietrich, während The Bullet mit gezogener Waffe nervös den Kopf hin und her wendete, um den ganzen Flur im Auge zu haben.
Endlich war die Tür offen und „Fat“ Barletta nickte Muletto kurz zu. Dann rissen sie die Tür auf und rannten ins Zimmer. Es war stockdunkel. Und leer.
Muletto schloss die Tür zum Flur. Sie wollten Licht anmachen, aber es funktionierte nicht. Jemand hatte die Glühbirnen herausgedreht. Dann sah Barletta den Lichtschein im Spalt unter der Badezimmertür. Er schlich heran und presste sein Ohr an die Tür. Das Rauschen von Wasser. Der verdammte Bastard stand unter der Dusche!
Jerry riss die Tür auf und feuerte sein halbes Magazin auf den Duschvorhang. Dann trat er näher und zog den Vorhang beiseite. Die Duschkabine war leer. An der Wand hing ein Zettel, auf dem stand: „Ihr habt euch mit dem falschen Mann angelegt“.
Barletta hörte durch das Rauschen des Wassers und die Musik noch ein anderes Geräusch. Es hörte sich an, als sei eine Scheibe zu Bruch gegangen.
Er ging zurück ins Zimmer. Billy Muletto lag tot auf dem Boden und eine Blutlache breitete sich um seinen Kopf aus.
Barletta sah zum Fenster und hob instinktiv seinen Revolver, aber es war zu spät. Mit einem hässlichen Klatschen schlugen die Kugeln in seinem Gesicht ein.
Andy Bonetti zerlegte seelenruhig sein Scharfschützengewehr und verließ das Dach des Europa-Centers auf der anderen Seite des Breitscheidplatzes.
Niemand bemerkte Johnny Malta in seinem Trenchcoat, der sein Gesicht mit einer schwarzen Melone und einem falschen Bart getarnt hatte. Er schob im Vorübergehen ein Paket unter den Wagen von Rossi Raviolo.
Kurze Zeit später explodierte eine Bombe vor dem Waldorf Astoria. Die Crew aus New York gab es nicht mehr.
Jefferson Airplane -White Rabbit. https://www.youtube.com/watch?v=WANNqr-vcx0&spfreload=10

4 Kommentare:

  1. Yeah. Nur noch Chicago, Philly und Detroit. Dann beherrscht Bonetti die Literaturwelt.
    Ist Jeff B. immer noch in Bad Nauheim verschollen??

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    1. Genau darüber werde ich morgen berichten. Rocky Palermo betritt die Bühne des Geschehens. DER Rocky Palermo aus Detroit. Es wird blutig in diesem Blog ... Vermutlich wird man die Seite nur mit dem Einverständnis seiner Eltern anklicken dürfen.

      Wer zur Hölle ist Jeff B.? Sollte ich den Überblick über meine Figuren verloren haben?

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    2. Der B. von Amazon. Oder ham die im Buchgeschäft nix zu sagen??

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    3. Jeff Bezos? Sollte er sich je in Bad Nauheim blicken lassen, wird er in ein Betonfundament gegossen und Andy Bonetti wird einen Hollywood-Stern auf ihn scheißen. Capisce? ;o)

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