Donnerstag, 20. November 2014

Bonetti ist tot

"Der Bericht über meinen Tod wurde stark übertrieben." (Mark Twain)
Am Vormittag schlägt die Nachricht ein wie eine Bombe: Andy Bonetti ist tot. Er sei in einem Hotel in Miami bei einer autoerotischen Strangulierung ums Leben gekommen. Stunden später ist eine Überdosis Chrystal Meth in Nairobi die Todesursache, während eine andere Nachrichtenagentur meldet, Jorma Harkonnen, der Boss der finnischen Mafia in Bad Nauheim, habe ihn wegen seiner Spielschulden umlegen lassen.
„Spiegel Online“ richtet einen Liveticker ein und informiert die Leserschaft über Reaktionen aus aller Welt. Nachrufe, Gerüchte, Verzweiflung.
Das ZDF bringt eine Sondersendung mit ihrer Live-Korrespondentin Tricia Takanawa. Angeblich plant die Deutsche Post eine Gedenkbriefmarke.
Bonettis Verleger, Werner Wachtelgruber, gibt ein Interview und erklärt, dass sämtliche Werke neu aufgelegt werden sollen. Gebunden und in Schweinsleder. Sogar das philosophische Frühwerk Bonettis „Torheit und Gram“ soll wieder erscheinen. Es gäbe ferner Überlegungen, das unvollendet gebliebene Werk „Namenloses Unglück des Weltruhms“ im Vorweihnachtsgeschäft zu veröffentlichen.
Die Nachricht erreicht den hessischen Ministerpräsidenten Theobald Lackstern bei einem Mittagessen mit dem Wirtschaftsminister von Boldawien. Er ordnet eine dreitägige Staatstrauer mit Flaggen auf Halbmast an und bittet seinen Referenten, eine kurze Fernsehansprache vorzubereiten, die am Abend im Hessischen Rundfunk nach der Tagesschau gesendet werden soll. Der Referent berichtet, ein bedeutender Künstler habe bei ihm angefragt, ob er den Grabstein anfertigen dürfe.
Fans legen Blumen vor die Einfahrt zur Villa Bonetti und zünden Kerzen an. Die „Aktionsgemeinschaft spätgebärender Veganerinnen“ (ASV e.V.), die Bonetti mit Geldspenden unterstützt hatte, legt einen Kranz nieder. Fliegende Händler bieten „Bigger Than Jesus“-T-Shirts mit Bonettis Porträt an. Währenddessen überschlagen sich die Meldungen:
Die antifaschistische Literaturgesellschaft „Wehret den Anfängern“ aus Klappstadt an der Winsel regt an, aus der Villa Bonetti ein Museum zu machen, und würde gerne das Ausstellungskonzept erarbeiten.
Der Radiosender Ben FM meldet, das Wim Wenders einen Film über Bonetti mit dem Titel „Der Himmel über Bad Nauheim“ plant.
Der Octopus-Verlag (Bertelsmann-Gruppe) wird in der nächsten Woche eine Bonetti-Biographie auf den Markt werfen und hat damit das Rennen gewonnen. In anderen Verlagshäusern wird fieberhaft an Konkurrenzprodukten gearbeitet.
In Marburg hat sich ein Germanistikstudent an die Tür der Universitätsbibliothek gekettet und will erst wieder Alkohol zu sich nehmen, wenn der Mord an Bonetti lückenlos aufgeklärt ist.
Eine tantrisch-buddhistische Chakra-Schnellreinigung namens „Zwölfblättriger Lotos und Müller“ wirbt im Internet mit der „patentierten Bonetti-Methode“.
Die rechtsalternative Protestpartei „Aufstand der Anständigen“ fordert den Rücktritt des hessischen Kultusministers Jochen Knochendocht.
Der Bahnhofsvorplatz von Bad Nauheim soll in Andy-Bonetti-Platz umbenannt werden. Die posthume Ernennung zum Ehrenbürger ist geplant. Auch die örtliche Volkshochschule soll seinen Namen tragen.
Am Spätnachmittag kommt das Gerücht auf, der US-Verlag Lansky & Falcone, in dem die New Yorker Mafia ihre Finger hat, habe Bonetti ermorden lassen, um mit ihrem eigenen Autor Nemo Breslauer ins lukrative Geschäft mit dem deutschen Bahnhofsbuchhandel einzusteigen. Bonettis Verlag hatte auch einen exklusiven Deal mit Aldi und Lidl über einen 99 Seiten-Krimi pro Monat abgeschlossen, den die Amerikaner mit ihrer Uncle Sam-Krimireihe gerne übernehmen würden. Darüber berichtet die Internetseite „Crime & Business aktuell“ ausführlich kurz vor der Tagesschau.
Am Abend sitzen zwei Männer vor dem Kamin.
„Noch einen Schluck Bushmills, Johnny?“
„Nur einen winzigen Tropfen.“
„Das war gute Arbeit. Die Sache mit der Strangulierung hat mir gefallen. Solche Details geben einer Geschichte erst die rechte Würze.“
„Danke, Andy. Auf dein Wohl!“
Lawrence Brown – Do nothing till you hear from me. http://www.youtube.com/watch?v=H5RrVRMV8xc

2 Kommentare:

  1. Unbestätigte Gerüchte besagen daß das ZDF eine 15 Teilige Guido Knopp Doku plant. Arbeitstitel der ersten Folge: Bonettis Frauen

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