Freitag, 14. Oktober 2022

Die Kneipen unseres Lebens

 

Ich habe mal nachgeschaut, was aus meinen alten Stammkneipen geworden ist. Pony Express, Hobo, Eule und die Diskothek Strange Machine, kurz Club genannt. Alles in Ingelheim ist längst verschwunden. Das wusste ich schon. Auch das Gasthaus zur Pfalz, der Hinkelstall und die Bierpumpe in Schweppenhausen sind Vergangenheit. Aber was ist mit meinen Berliner Stammkneipen aus den neunziger Jahren geworden? Gott schütze unser Internet. Es gibt mir alle Informationen, die ich brauche.

Die Morena-Bar in der Wiener Straße, direkt am Görlitzer Park, gibt es nicht mehr. Ich wohnte damals auf der anderen Seite des Parks. Görlitzer Straße 41, Ecke Cuvrystraße. Die Morena-Bar war mir deswegen sympathisch, weil hier Susi aus Ingelheim bediente, die vorher im Pony Express gearbeitet hatte. Sie war nach Berlin gekommen, um Schauspielerin zu werden. Es sind damals so viele Leute in die Stadt gekommen. Volker aus Schweppenhausen, der in einem besetzten Haus im Prenzlauer Berg lebte und den es inzwischen nach Amsterdam verschlagen hat. Norbert und Annette aus Ingelheim kamen schon im Frühling 1989 und lebten ebenfalls in SO 36. Georg aus Gau-Algesheim, gelernter Bäcker und Sänger einer hoffnungslosen Provinzband*, kam kurz nach dem Mauerfall im Januar 1990. Er ging ebenfalls auf eine Schauspielschule, verdiente sein Geld als Briefträger und lebt inzwischen als Thalia-Knecht im Saarland.

In seiner Straße, der Manteuffelstraße, war der Intertank, ein dunkles Kellerloch, in dem es eigentlich nur Beck’s aus der Flasche und laute Musik gab. Die Kneipe gibt es immer noch, wurde inzwischen aber upgegradet. Und dann war da noch das Kloster in der Skalitzer Straße, am Schlesi. Die Wirtin war eine Bilderbuchpunkerin namens Elke. Auf der rechten Seite ihrer halbkreisförmigen Theke standen Sven Regener und die Element of Crime, auf der linken Seite Georg, der kleinwüchsige und großmäulige Ruhrpottkanake Jochen – der Einzige von uns, der es tatsächlich nur bis zum Taxifahrer gebracht hat, obwohl er auch nicht verpeilter war als wir – und ich sowie ein schüchterner und schweigsamer Buchhändler, den es aus Dithmarschen nach Berlin verschlagen hatte und dessen Namen ich nicht mehr weiß. Gelegentlich gesellte sich auch Westbesuch zu uns. Leider gibt es das Kloster nicht mehr. Elkes Mann war an Krebs erkrankt und sie musste sich um ihn kümmern. Aber zu diesem Zeitpunkt war ich ohnehin eher in Schöneberger Cocktail-Bars wie dem Green Door oder Mister Hu zu finden.

Und dann fiel mir plötzlich noch das Easy Going in Maastricht ein, der erste Coffee Shop meines Lebens, Ende der Achtziger. Martin und ich kauften allerfeinstes Dope für einen Hunderter und der Wirt lud uns zu einer Bong ein. Er machte den Klumpen nicht heiß und bröselte dann was ab, sondern säbelte mit einem riesigen Messer alles ab, was er für die Mischung brauchte. Wir waren anschließend so begeistert, dass wir nochmal für fünfzig Mark Dope gekauft haben. Das war natürlich viel zu viel für die paar Tage am Meer. Ich kann mich auch nicht mehr an viel erinnern. In die letzte Tüte haben wir mindestens ein Gramm reingebaut und sie auf der Rückfahrt fünfhundert Meter vor der Grenze geraucht. Als Martin sein Fenster bei der Ausweiskontrolle öffnete, kam dem Polizisten eine Cheech&Chong-mäßige Qualmwolke entgegen. Sie haben den ganzen Wagen gefilzt, und wir haben britzebreit danebengestanden und gegrinst. Das Easy Going gibt es heute noch.

* Die Band hieß Georg und die Bärchen. Da wird es gegen Extrabreit und Fehlfarben natürlich schwer. Die deutschen Texte schrieb ein schielender Keyboarder, der heute Germanistik-Professor in Polen ist. Aber viel schlimmer war eine Gruppe namens Dan Tanner, die nach der Hauptfigur der zu Recht vergessenen US-Serie Vegas benannt war und die eigentlich Dan Tanna hieß. Als ich es dem Gitarristen mal abends bei einem Bier erklärte, zuckte er nur mit den Schultern und meinte, jetzt sei es sowieso zu spät. Über vierzig Jahre spielten sie auf Gummistiefeldiscos dieselben Cover-Nummern und selbst dann musste der adipöse Sänger „Sweet Home Alabama“ noch vom Blatt ablesen, weil er sich keine Texte merken konnte.

Isolation Berlin - Alles Grau - YouTube

7 Kommentare:

  1. Die Morena Bar hieß ursprünglich "Nachtcafè Marabu", oder? Habe von 1981 bis 85 in der Görlitzer 38 gewohnt.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Als ich Anfang 91 nach Kreuzberg gezogen bin, hieß es Morena-Bar. Für 81 bis 85 empfehle ich "Wiener Straße" von Sven Regener ;o)

      Löschen
  2. Im Intertank nur Bier? Komisch. Wir sind da hin zum gepflegten Vorgehen. Immerhin verfügte das Intertank über eine spektakulär umfangreiche Cocktailkarte. Die Holztafeln sind im Keller zu besichtigen.
    Es gab keine Standardcocktails, wie in Bars oder Hotels.
    Die Drinks waren keine großen Eimer, aber köstlich und bezahlbar.
    Mein Favorit war der "Dr. Brinkmann-Spezial". Perfekt verflüssigte Schwarzwaldes Kirschtorte. Yummy.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Zu meiner Zeit war es ein Kellerloch mit Selbstbedienung. Aber auf meine Erinnerungen würde ich keine Wette abschließen ...

      Löschen
  3. In der Görlitzer Straße gab es (und gibt es noch?) auch das Club Culture Houze. Nicht eine Kneipe im engeren Sinne, jedenfalls mit hohem Unterhaltungswert. Das waren Zeiten.

    AntwortenLöschen
  4. ... warum tut ihr euch das an?

    An die Läden und die darin verbrachten Abende zu denken — dabei alleine und alt mit "Haaransatz" und Wampe zuhause zu sitzen — nun gut, nen besseren Grund ein Sixpack Chardonnay anzubrechen und ne große Marlboro zu vernichten kenne ich auch nicht so auf Anhieb.
    Hoffentlich ist genügend JJCale im Haus ...

    Gruß
    Jens

    AntwortenLöschen