Donnerstag, 19. Mai 2016

Die Masse als Monstrum

„Der Mensch ist die Dornenkrone der Schöpfung.“ (Hagen Rether)
Ich staune immer wieder und werde es nie begreifen. Der Einzelne kommt ja gelegentlich im Gespräch durchaus vernünftig rüber, vor allem wenn man sich kennt. Nehmen wir mal etwas so Banales wie die Fußballfans. Trifft man einen Fan ganz alleine, stößt man nicht bei allen, aber doch bei vielen, die ich kenne auf fundierte Analysen, Verständnis für Andersdenkende (i.e. Fan eines anderen Vereins) und Artikulation ohne Gebrüll. Fußballfans als Massenphänomen bedeutet: Schlachtgesänge, Olli Kahn mit Bananen bewerfen, Aggression gegenüber Andersdenkenden. Musikfan im Singular: Entspannung, Kunstgenuss, liebevoll gepflegte Sammlungen. Nicht alle, aber viele. Musikfan im Plural: ESC-Orgien, Länderwettkämpfe mit beleidigten Leberwürsten („Wir machen da nicht mehr mit“, „Man hat uns um den Sieg betrogen“), gemeinsam wird die mieseste Scheiße in erbarmungswürdigen Kostümen grölend und chips-fressend durchgewinkt.
Weitere Beispiele aus den Bereichen Sport, Ernährung und Politik:
• Millionen von Spaziergängern schleppen am helllichten Tag Skistöcke hinter sich her und nennen es Nordic Walking. Keiner wäre allein auf diesen Schwachsinn gekommen.
• Der Einzelne als Gourmet, der in der Masse eines Schlussverkaufs zum Beutelprimaten mit Raffzwang wird.
• „Protestwählen“: Der Einzelne, selbst wenn er zur Zielgruppe der Modernisierungs- und Globalisierungsverlierer gehört, wirkt im Gespräch ja durchaus so, als sei er halbwegs bei Verstand. In der Masse wird dann aber Trump, AfD, FPÖ, Front National usw. gewählt.
Je größer die Menschenmenge, desto schwachsinniger die Entscheidungen. Niemand findet Umweltzerstörung, die Abholzung der Urwälder und das Artensterben gut, wenn man ihn fragt. Aber gemeinsam machen wir das jeden Tag. Eines der Mysterien der Menschenwelt: Als Masse mutieren wir zum Monstrum.
Fazit: Dummheit addiert und multipliziert sich, Intelligenz kann offenbar nicht aggregiert werden. Oder wie Henry Louis Mencken es formulierte: „Democracy is a pathetic belief in the collective wisdom of individual ignorance.”
She Past Away – Asimilasyon. https://www.youtube.com/watch?v=5OsETaZhBzE

4 Kommentare:

  1. Da passt doch dein Freund Friedrich "Wahnsinn bei Individuen ist selten, aber in Gruppen, Nationen und Epochen die Regel."

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Richtig, man muss nur bei den alten Meistern nachlesen. Aber gibt es für Crazy Fritz auch eine Begründung für dieses Phänomen?

      Löschen
    2. Also mit den Begründungen hält sich der Nietzsche eigentlich sehr zurück. Er ist so eine Art Phänomenologe der ziemlich ubiquitär (Nicht aufregen! Wozu gibt es google?)von der Moral geschwängerten Köpfe.
      Und Moral ist nun mal bloß der Heiligenschein des Aufgedrungenen.

      Löschen
  2. In der Masse wird dann aber auch Grün und Rot gewählt.

    AntwortenLöschen