Sonntag, 1. Mai 2016

Nietzsche

Nietzsche? Da fällt so manchem halb- oder viertelgebildeten Flintenweib sofort der Spruch ein: „Du gehst zu Frauen? Vergiss die Peitsche nicht!“ Der Typ war doch ein Frauenhasser. Haken dran. Muss man nicht lesen. Aber Nietzsche meinte etwas anderes in „Also sprach Zarathustra“: Man solle als Mann die Peitsche gegen sich selbst schwingen, um den weiblichen Reizen nicht zu erliegen und einen klaren Kopf zu bewahren. Im Grunde genommen war es ein Kompliment. Ein weniger bekanntes Zitat des Mannes, dessen Vater früh verstarb und der allein unter Frauen aufwuchs: „Die Natur der Dinge ist so eingerichtet, dass die Frauen immer Recht behalten.“ Gewalt gegen Frauen? Nietzsche?
Wer hat überhaupt die Peitsche in der Hand? Man solle sie nicht vergessen, sich also an ihre Existenz erinnern. Womöglich hält die Frau die Peitsche? Man denke an die Geschichte vom weisen Aristoteles, Lehrer Alexanders des Großen, der sich von der schönen Phyllis so betören ließ, dass sie dem alten Mann einen Sattel auflegen und auf seinem Rücken durch den königlichen Garten reiten konnte, während sie ihn mit einem Rosenzweig peitschte …
Gewalt war Nietzsche überhaupt fern. Und dass Hitler ihn ebenso verehrte wie Wagner – dafür konnte er nichts. Er war längst wahnsinnig geworden und gestorben, als der Schwachkopf aus Braunau Weltgeschichte machen wollte. Übrigens ereilte ihn 1889 - also im Geburtsjahr Hitlers - der Irrsinn, als er ein geprügeltes Pferd in Turin vor einem brutalen Kutscher retten wollte, ihm die Peitsche entriss und der gequälten Kreatur um den Hals fiel. Nietzsche? Nietzsche!
Hier die schönsten Zitate, extrahiert aus dem Bändchen „Nietzsche für Boshafte“, den ein Freund von mir 2007 herausgegeben hat:
„Überzeugungen sind gefährlichere Feinde der Wahrheit, als Lügen.“
„Was ist also Wahrheit? Ein bewegliches Heer von Metaphern.“
„Dem Staat ist es nie an der Wahrheit gelegen, sondern immer nur an der ihm nützlichen Wahrheit, noch genauer gesagt, überhaupt an allem ihm Nützlichen, sei dies nun Wahrheit, Halbwahrheit oder Irrthum.“
„Ich halte es nicht in Deutschland aus, der Geist der Kleinheit und der Knechtschaft durchdringt alles, bis in die kleinsten Stadt- und Dorfblätter herab und ebenso hinauf bis zum achtenswerthesten Künstler und Gelehrten – nebst einer gedankenarmen Unverschämtheit gegen alle selbständigen Menschen und Völker.“
„Wir wissen es, die Welt, in der wir leben, ist unmoralisch, ungöttlich, unmenschlich – wir haben sie allzulange im Sinne unserer Verehrung interpretirt.“
„Was? du suchst? du möchtest dich verzehnfachen, verhundertfachen? du suchst Anhänger? Suche Nullen!“
„Seht mir doch diese Überflüssigen! Krank sind sie immer, sie erbrechen ihre Galle und nennen es Zeitung. Sie verschlingen einander und können sich nicht einmal verdauen.“
„Weil Zeit zum Denken und Ruhe im Denken fehlt, so erwägt man abweichende Ansichten nicht mehr: man begnügt sich, sie zu hassen.“
„Aus Mangel an Ruhe läuft unsere Civilisation in eine neue Barbarei aus. Zu keiner Zeit haben die Thätigen, das heisst die Ruhelosen, mehr gegolten.“
„Es ist eine indianerhafte, dem Indianer-Bluthe eigenthümliche Wildheit in der Art, wie die Amerikaner nach Gold trachten: und ihre athemlose Hast der Arbeit – das eigentliche Laster der neuen Welt – beginnt bereits durch Ansteckung das alte Europa wild zu machen und eine ganz wunderliche Geistlosigkeit darüber zu breiten.“
„Das fleissigste aller Zeitalter – unser Zeitalter – weiss aus seinem vielen Fleisse und Gelde Nichts zu machen, als immer wieder mehr Geld und immer wieder mehr Fleiss: es gehört eben mehr Genie dazu auszugeben, als zu erwerben!“
„Wenn Glück das Ziel wäre, so stünden die Thiere am höchsten.“
„Wir sind im Gefängnis, frei können wir uns nur träumen, nicht machen.“
„Ich fürchte, die Thiere betrachten den Menschen als ein Wesen Ihresgleichen, das in höchst gefährlicher Weise den gesunden Thierverstand verloren hat.“
„Nur bei drei Existenzformen bleibt der Mensch Individuum: als Philosoph, Heiliger und Künstler.“
„Die Menschen drängen sich zum Licht, nicht um besser zu sehen, sondern um besser zu glänzen.“
„Es ist zu bezweifeln, ob ein Vielgereister irgendwo in der Welt häßlichere Gegenden gefunden hat als im menschlichen Gesichte.“
„Der Irrsinn ist bei Einzelnen etwas Seltenes, - aber bei Gruppen, Parteien, Völkern, Zeiten die Regel.“
„Das moralische Urtheilen und Verurtheilen ist die Lieblingsrache der Geistig-Beschränkten an Denen, die es weniger sind (…).“
„Nur bis zu einem gewissen Grade macht der Besitz den Menschen unabhängiger, freier; eine Stufe weiter – und der Besitz wird zum Herrn, der Besitzer zum Sclaven; als welcher ihm seine Zeit, sein Nachdenken zum Opfer bringen muss (…).“
„In irgendeinem abgelegenen Winkel des in zahllosen Sonnensystemen flimmernd ausgegossenen Weltalls gab es einmal ein Gestirn, auf dem kluge Tiere das Erkennen erfanden. Es war die hochmütigste und verlogenste Minute der ‚Weltgeschichte‘: aber doch nur eine Minute. Nach wenigen Atemzügen der Natur erstarrte das Gestirn, und die klugen Tiere mußten sterben.“
Die Skeptiker - Deutschland, halt's Maul! https://www.youtube.com/watch?v=kY4BDLFEMso
Und weil mir der Tod von Prince, den ich zweimal live gesehen habe, zu leicht über die mediale Bühne gegangen ist, bitte ich Sie, das folgende Video in voller Lautstärke zu genießen:
PURPLE RAIN EPIC LIVE FINALE WITH INSANE GUITAR SOLO - Prince and the Revolution 1985. https://www.youtube.com/watch?v=8vCS_iKITCY

7 Kommentare:

  1. Leider, leider (ich finde es wirklich schade) kennen die meisten Menschen, die mir in den letzten 36 Jahren begegnet sind Nietzsche wenn, dann nur durch den Roman von Yalom ("Als Nietzsche weinte"). Ist zwar eine nette Lektüre hat aber mit der realen Person nicht allzu viel gemein, so dass man danach eigentlich nicht urteilen kann. Ich gebe allerdings zu, ich bin auch nie ganz durch den Zarathustra gekommen und kann infolgedessen ebenfalls nicht urteilen.

    Gibt es das "...für Boshafte"-Buch wirklich? Klingt, als könne es meinem Stiefvater gefallen.

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  2. Ja, das Buch gibt es. Von Norbert Wank im Insel Verlag. Norbert ist auch der Mensch, mit dem ich immer nach Franken fahre. Donnerstag geht es schon wieder los :o)

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  3. "Der stoische Typus. Die Festigkeit, die Selbstbeherrschung, das Unerschütterliche, der Friede als Unbeugsamkeit eines langen Willens - die tiefe Ruhe, der Verteidigungszustand, die Burg, das kriegerische Mißtrauen - die Festigkeit der Grundsätze; die Einheit von Wille und Wissen; die Hochachtung vor sich. Einsiedlertypus. Der vollkommene 'Hornochs'. "
    (Der Wille zur Macht). Ich habe Nietzsche, jenseits der leichteren pessimistischen Sentenzen nie verstanden; dort, wo ich ihn verstanden habe, weist er einen Weg, der mir sehr unheimlich ist.

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    1. Ihm fehlte der Glaube an das Gute, das sich durchsetzen oder doch zumindest seinen Lohn im Jenseits finden wird (Christentum), und der Glaube an den Fortschritt und ein Ziel der menschlichen Geschichte (Hegel). Damit bewegte er sich aus dem Koordinatensystem seiner Zeit (wie Spinoza und Schopenhauer, zu dem ich auch noch kommen werde) - was ihn sympathisch macht. Weniger sympathisch finde ich seine prätentiöse Sprache und die ewige Betonung einzelner Wörter im Text. Leider denkt man heute bei seinem "Über-Mensch" immer gleich an die Waffen-SS.

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  4. Wohlan! Das allein sind meine Leser, meine rechten Leser, meine vorherbestimmten Leser: was liegt am Rest?- Der Rest ist bloß die Menschheit.- Man muss der Menschheit überlegen sein durch Kraft, durch Höhe der Seele - durch Verachtung...sagt Friedrich. Ich sage: Gehts alle scheißen....

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  5. Das Ärgerliche an Nietzsche für aufrechte (um Orientierung bemühte)Allesrichtigmacher ist, dass bei ihm der Stil der Wahrheit überlegen ist, also schon auch mal das Gegenteil im selben pompösen Verkündigungssound angeboten wird.
    Als aphoristisch sich äußernder Kritiker des moralischen Denkens ist er ebenso unschlagbar, wie bemitleidenswert beim Aufbau seiner sich selbst feiernden Privatmoral.
    Aber wenn mir einer sagte, die Lektüre seiner Schriften habe ihm so gar nichts gegeben, wäre ich ab sofort nicht länger mehr mit ihm gut bekannt.

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  6. Ich habe PRINCE nur ein mal gesehen/gehört, Stuttgart, Schleyerhalle.
    Anfang Neunziger. PRINCE and the power Generation, love sign.
    Es war das beste, das allerbeste Konzert, daß ich je erleben durfte.
    Keine Vorgruppe, der Typ stand nahezu pünktlich auf der Bühne, vielleicht eine 1/4 Stunde Verspätung, und hat dann annähernd 3 Stunden gespielt.
    Ich war noch 3 Tage danach platt und beseelt von dieser power.

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