Dienstag, 16. Dezember 2014
Post-Konfetti 5
„Sein ganzes Denken kreist um die verschissene kleine Sonne namens ICH.“
„Der deutsche Feldwebel, also eigentlich ja der deutsche Vorgesetzte im Allgemeinen, vielleicht nennt man das inzwischen mittleres Management, ich weiß es nicht, also diese Menschen haben so etwas Angestrengtes, wissen Sie, so etwas Ängstliches und Aggressives hier in Deutschland, das ist ganz typisch, das ist die typische deutsche Art, mit Druck umzugehen. Andere zerbrechen am Druck oder er macht sie wild entschlossen, aber der Deutsche hält ihn stumm aus und ist schlecht gelaunt.“
„Es ist ihm zu hoch. Es hat ihm zu viel Tiefgang. Er ist nicht gerne auf der Höhe und er geht auch nicht gerne in die Tiefe. Hier auf der Oberfläche fühlt er sich am wohlsten. Dann erörtert er bei einem Cocktail das Für und Wider von Paisleymustern.“
„Wann ist das Tippen eines Schriftstellers live im Netz zu sehen? Lesung war gestern, jetzt muss der nächste Medienhype ums Schreiben zusammengebastelt werden.“
„Er arbeitet bei Inkasso Iwan, Abteilung Beschwerdemanagement.“
„Ich sitze mitten in der Nacht auf dem Klo und scheiße mir die Seele aus dem Leib. Und jetzt fällt mir alles wieder ein: Zum Frühstück hatte ich einen Hot Dog. Das war gegen Elf in der Motzstraße. Am frühen Nachmittag habe ich ein Überraschungsei gekauft. Das Spielzeug darin war unbrauchbar, sah aber gut aus (ich sollte weniger Drogen nehmen und endlich erwachsen werden). Abends dann die Pizza mit ganzen Chilischoten, dazu Rotwein. Wie kommt es, dass ich überhaupt lebe, obwohl ich mich seit dreißig Jahren wie eine Arschmade ernähre?“
„Warzen sollte man entfernen lassen, wenn sie so groß geworden sind, dass sie einen eigenen Schatten werfen, rät Kurienkaplan Nils van Geldern.“
„Er ist von allem etwas: still und geschwätzig, süchtig und kontrolliert, expressiv und autistisch, streitlustig und verspielt, manisch und depressiv, Träumer und Schläger, lachend und weinend an allen Tagen.“
„Es gibt zwei Typen, die den Weisheitsschatz Asiens verkörpern: den Eremiten und den Yogi. Der Yogi konzentriert sich auf den Körper und erlangt seine Erkenntnis durch Übung, er lebt in der Stadt und ist in Gruppen organisiert. Der Eremit lebt einsam in einer Höhle in den Bergen und kommt im Frühling mit einem klappernden Sack voller Pfandflaschen und Weisheiten ins Tal zu den Menschen.“
„Leider hat mich zu allem Überfluss am Wochenende eine Erkältung (oder ist es schon die vielbeschworene Schweinegrippe?) aufs Lotterbett geworfen, ich rotze Taschentücher voll und mache heiteres Temperaturen-Raten an meiner heißen Stirn, da ich die Anschaffung eines Thermometers schon immer für spießbürgerlichen Unfug gehalten habe.“
„Gestern Nachmittag bin ich aus Prag zurückgekommen und heute habe ich schon Heimweh - ich könnte glatt morgen früh wieder in den Zug steigen. Ich sage nur ‚Kozel‘, das helle im ‚schwarzen Ochsen‘ auf dem Hradschin, das dunkle im ‚U Bubenice‘ auf der Myslikova. Glückliche Stunden beim Glas, habe in diesen Tagen fast ein kleines Oktavheft gefüllt. Das ist der gute alte Biergeschmack der Achtziger, sowas wird hierzulande in Flaschen gar nicht verkauft (die von Heineken und Interbrew aufgekauften namhaften Brauereien haben ihre Seele verhökert, den Schmutz fasse ich hier im Regal nicht mehr an!), selbst im ‚Slavia‘ bei mir um die Ecke schmeckt es nicht halb so gut. Dazu Novemberwetter, nicht ein einziges Mal war die Sonne zu sehen. Das Hotelzimmer in Zizkov entpuppt sich als große Zweiraumwohnung mit Einbauküche, dafür lässt sich auch kein Zimmermädchen blicken. Das Schlafzimmer sieht am Ende aus wie in einer Bukowski-Erzählung.“
„Ansonsten hatte ich in der vergangenen Woche ein Erlebnis, das sich mit Kafkas Blutsturz vergleichen lässt. Mein ewiger Dünnpfiff kulminierte in einer Toilettenschüssel voller Blut. Sonst nichts mehr ... ich warte noch auf die Untersuchungsergebnisse, aber es ist gut möglich, dass Morbus Crohn sein hässliches Haupt erhoben hat. Die gute Nachricht: Die Krankheit ist unheilbar. Die schlechte: Sie verläuft im Regelfall nicht tödlich. Oder war es umgekehrt? Egal. Der Franz wäre jetzt sicher sehr stolz auf mich. Gestern ging der Roman in Druck, zur Buchmesse in Leipzig ‚erscheint‘ er dann.“
„Der Atzteken- oder Wahrsagersalbei (Salvia divinorum) hat eine ganz erstaunliche Wirkung. Erst nach einigen Minuten an einem fremdem Ort mit anderen Menschen (alles in allem sehr angenehm, vor allem die Dreh- und Bewegungseffekte, anfangs war ich über die unmittelbar einsetzende Wirkung und die neue Erfahrung überrascht) konnte ich mich mühsam zu der Erkenntnis durcharbeiten, dass ich Drogen genommen haben musste und mich tatsächlich immer noch auf meinem Sessel befand. Nach etwa zehn Minuten dann normales Stoned-Gefühl für eine Stunde. Selbst LSD hat mich nicht so vom Hocker gehauen. Diese Droge erinnert an Philip K. Dick-Geschichten.“
„Toilettenfrau mit Migrationshintergrund erwischt den Präsidenten mit Nasen-Ata und runtergelassenen Hosen - das ist der Teaser. Wir können ja beim Äppler mal ein bisschen rumspinnen. Man kann ja aus allem was machen. Ein Kumpel von mir hat fürs ZDF-Nachtprogramm ein paar Hamster im Puppenhaus gefilmt und Toni Mahoni, ein hiesiger Spaßvogel und Bänkelsänger, hat als Text dazu eine Pseudo-Soap geschrieben. Weiß gar nicht, ob's schon gesendet wurde, aber es gab den 2. Innovationspreis vom Sender (aber kein Preisgeld). Krimis sind noch übler bezahlt als Filme. Im schlimmsten Fall ist es echt nur Nasenwasser und der deutsche Krimipreis ist tatsächlich nicht dotiert (es gibt noch nicht einmal Geld für eine Preisverleihungszeremonie - da gibt's einfach nur einen Brief oder 'ne Mail).“
„Vier verkaufte Exemplare in deiner Buchhandlung sind nicht viel (und wenn man die Zahl ausschreiben muss, war der Verkauf nicht überwältigend, wichtige Leute drücken sich in diesem Zusammenhang in Ziffern aus), aber es ist exakt die Art von Erfolg, mit der ich gerechnet habe. Meinen Grabstein werden betrunkene Hauptschüler anspucken, wenn sie nachts auf dem Friedhof ihre Billigdrogenorgien veranstalten. Sei's drum, danke für deine Bemühungen. Mit weiteren Romanen wirst du trotzdem rechnen müssen. Sei einstweilen ganz herzlich gegrüßt, das ‚Kloster‘ gibt es übrigens nicht mehr, kommende Generationen werden es also nur noch aus unseren Notizen kennen, die picklige Germanistikstudenten im Marburger Literaturarchiv mit ihren Schweißhänden durchfingern.“
„Ansonsten bullert die Heizung heute zum ersten Mal und mit Kafkas wunderbarem, ins Leere meines Lebens hallendem Schlachtruf ‚Meine Gefängniszelle - meine Festung‘ läute ich die sechs Monate Berliner Winterelend ein.“
„Da, wo heute die CDU-Zentrale in Berlin steht, war früher die ‚Taverne‘. Eine Holzbaracke, in der Boxkämpfe, Bockbierfeste und Catchen veranstaltet wurden. Boxen-Bundesliga sonntags um 11 Uhr morgens, Catchen in den Sechzigern noch mit freiwilliger Publikumsbeteiligung.“
„Neulich habe ich zum ersten Mal einen Nazi in meinem Kiez gesehen. Er war ganz allein, hatte vermutlich den Kontakt zu seiner Herde, seiner Horde oder seinem Borg-Kollektiv verloren. Ein schmächtiger junger Kerl, kaum achtzehn Jahre alt. Er hinkte mit gesenktem Kopf den Bürgersteig entlang mit seinen viel zu großen schweren Kampfstiefeln. Vielleicht hatte er sich verletzt, er wirkte nicht nur einsam, sondern auch traurig. Wenn er mir sympathisch gewesen wäre, hätte ich Mitleid mit ihm gehabt.“
Der Plan – Ulrike. https://www.youtube.com/watch?v=3cWndm9LXlg
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