Dienstag, 17. Juni 2014
Interview mit dem behandelnden Arzt von Mister Bonetti
Frage: Guten Abend, liebe Zuhörer! Wir haben heute Doktor Fandango zu Gast, den behandelnden Nervenarzt des berühmten Schriftstellers Andy Bonetti. Herzlich Willkommen bei BenFM!
Antwort: Vielen Dank!
F: Erzählen Sie uns doch bitte, wie Sie Herrn Bonetti kennengelernt haben!
A: Natürlich. Mister Bonetti wurde am 27. Mai 2013 in unserer Klinik eingeliefert. Es war ein Montag, daran erinnere ich mich noch sehr genau.
F: In welchem Zustand befand sich Mister Bonetti zu diesem Zeitpunkt?
A: Er war auf einer Bahre festgeschnallt und wurde uns von einem Krankenhaus überstellt, in das er zunächst eingeliefert worden war. Er war offensichtlich verwirrt und schrie immer wieder dieselben Namen. Wie wir später feststellten, handelte es sich dabei um Figuren aus seinen Romanen.
F: Was haben Sie mit Mister Bonetti gemacht?
A: Wir haben ihm ein Beruhigungsmittel gespritzt und am nächsten Morgen konnte ich bereits mit ihm sprechen. Dann hat er mir seine ganze Geschichte erzählt.
F: Was war geschehen?
A: Mister Bonetti hatte einige Wochen lang größere Mengen Bourbon getrunken und diverse psychoaktive Substanzen zu sich genommen.
F: Illegale Substanzen?
A: Ja, illegale Substanzen. Nach einigen Nächten, in denen er fast nicht geschlafen und nur geschrieben hat, hörte er plötzlich Stimmen. Er war davon überzeugt, dass in beiden Nachbarwohnungen Agenten eines Geheimdienstes wären und auch sein Computer, sein Handy und sein Festnetzanschluss überwacht würden. Am Morgen des 27. Mai verließ er das Haus in Berlin, in dem er zu diesem Zeitpunkt wohnte.
F: Was ist dann passiert?
A: Er kaufte zunächst ein belegtes Brötchen und eine Cola bei einer Bäckerei auf der anderen Straßenseite. Als er die Bäckerei verließ, warf er seine Einkäufe jedoch in einen Mülleimer, da er dachte, sie seien vergiftet. Dann ging er in ein Frühstückslokal und setzte sich an einen Tisch. Er rief dreimal hintereinander jeweils die Worte „Wirtschaft!“ und „Bedienung!“ Diese Anweisung habe ihm eine Stimme gegeben, die er in der Nacht zuvor gehört haben will. Daraufhin wurde er aus dem Lokal geschmissen.
F: Und dann kam die Polizei?
A: Nein. Mister Bonetti lief weiter zum Rathaus Schöneberg, wo er sich auf dem Bürgersteig auszog und sich nackt auf die stark befahrene Straße legte, um – wie er sich ausdrückte – in Ruhe schlafen zu können. Als die Polizei kam und ihn von der Straße tragen wollte, lieferte er sich eine Schlägerei mit den Beamten, wurde schließlich überwältigt und in Handschellen auf eine Bahre geschnallt. Im Krankenhaus hat man sich dann entschieden, ihn zu uns die psychiatrische Klinik in der Landhausstraße in Wilmersdorf zu bringen.
F: Sie meinen, Andy Bonetti hat sich splitternackt mitten auf die Straße gelegt?
A: Genau so hat es sich laut Polizeibericht zugetragen. Herr Bonetti erinnert sich selbst an jede Kleinigkeit und hat es mir glaubhaft versichert.
F: Wie hat er sich in der Klinik verhalten?
A: Er hat sich mit einem türkischen Gewalttäter, einem ehemaligen Fotomodell und einem ungarischen Drehbuchautor angefreundet und viel Zeit in unserem Garten verbracht. Jeden Morgen hat er ausgiebig die Berliner Zeitungen gelesen. Zu diesem Zeitpunkt, Anfang Juni 2013, begann auch die Berichterstattung über die Abhörkationen der amerikanischen und englischen Geheimdienste, was Mister Bonettis Heilung verzögert hat.
F: Sie meinen, er war sich nicht bewusst, dass er verrückt geworden war?
A: Nein, seiner Auffassung nach litt er nicht unter Verfolgungswahn, sondern wurde wirklich verfolgt. Dazu kam, dass jemand die Bekleidung, die er vor dem Rathaus Schöneberg abgelegt hatte, mitnahm und mithilfe seiner Papiere und seiner Hausschlüssel die Wohnung ausräumte.
F: Was haben die Diebe mitgenommen?
A: Notebook, Handy, Kamera, Notizbücher, Brieftasche. Glücklicherweise hatte Mister Bonetti seine Arbeit auf diversen USB-Sticks und im Netz gespeichert, sonst wären mehrere Romanmanuskripte verloren gegangen.
F: Wie geht es Mister Bonetti inzwischen?
A: Wir haben ihn nach fünf Wochen entlassen und er hat sich zunächst in sein Landhaus zurückgezogen. Dort litt er mehrere Monate unter schweren Depressionen. Nachdem er, obwohl er den Drogen und dem Alkohol erfolgreich entsagt hatte, eine ganze Flasche Bourbon in drei Zügen leergetrunken hat, wachte er auf der Intensivstation eines Krankenhauses wieder auf. Daraufhin war er noch einmal für ein paar Tage bei den dortigen Kollegen in der Psychiatrie.
F: Doktor Fandango, wie würden Sie den jetzigen Zustand von Andy Bonetti einschätzen?
A: Es geht ihm gut. Er braucht keine Medikamente mehr und auch die Gesprächstherapie ist inzwischen abgeschlossen. Wie ich höre, kann er sogar wieder arbeiten. Es mag seltsam klingen, aber ich glaube, der Nervenzusammenbruch hat ihm gut getan. Er hat ihm geholfen, ein neues Kapitel aufzuschlagen.
F: Danke für Ihre Einschätzung, Doktor.
A: Danke für das Gespräch.
King Crimson – Elephant Talk. http://www.youtube.com/watch?v=t3DppaXz4-o
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