Dienstag, 10. Januar 2023

Profiling


Racial Profiling gibt es bei der deutschen Polizei und in vielen anderen Ländern. Gerne auch bei Politikern, vor allem nach Silvester. Worüber nie gesprochen wird: Social Profiling. Du bist nicht ordentlich gekämmt und adrett gekleidet? Du siehst nicht aus wie Philipp Amthor? Dann werden wir dir mal auf den Zahn fühlen, Freundchen.

Wenn ich in den achtziger und neunziger Jahren in die Niederlande gefahren bin, wurde ich bei der Ausreise regelmäßig gefilzt. Ob ich zum Formel 1-Grand Prix in Zandvoort gefahren bin, mir auf einem Städtetrip Amsterdam angeschaut oder einen Strandurlaub gemacht habe. Ich hatte lange Haare, war unrasiert, trug eine zerschlissene Jeansjacke oder irgendwas aus schwarzem Leder. Das reichte. Manchmal hat der deutsche Zoll unser Auto eine halbe Stunde lang nach Drogen durchsucht. Währenddessen verhörte uns ein Zöllner. „Sagt doch endlich, wo ihr das Gras versteckt habt. Spart uns die Arbeit. Dann bekommt ihr eine Anzeige und könnt weiterfahren.“ Einmal musste ich aufs Klo. Ein Zöllner brachte mich in eine Gefängniszelle und beobachtete mich an der Tür, ob ich auch nichts in die Toilettenschüssel schmeiße. Zum Glück musste ich nur pinkeln.

In Texas wurden wir 1993 nachts auf einer einsamen Landstraße verhaftet. Meine Reisebegleiterin hatte ein Hippie-Kleid an, sehr kurze knallrote Haare und war barfuß. In Handschellen gings aufs Polizeirevier. Die berühmten Fotos mit der Nummer wurden gemacht, Fingerabdrücke genommen und ein Verhör durchgeführt. Nach einer Nacht in der Zelle gingen wir, die Hände auf den Rücken gefesselt, links und rechts von Polizisten flankiert, zum Gericht. Wir bekamen beide 75 Dollar Strafe für „public intoxication“, weil auf dem Rücksitz eine Whiskyflasche ohne bottle bag lag. In der Nacht hatten sie unseren Mietwagen auseinandergenommen, als sie nach Drogen suchten. Selbst die Türverkleidungen hatten sie abmontiert, einzelne Kleinteile fehlten. Dann mussten wir die Stadt verlassen.

Das letzte Mal habe ich es 2007 erlebt, als ich mit einer Studiosus-Reisegruppe aus China zurückkam. Wer war der Einzige, der von der Polizei am Flughafen Frankfurt durchsucht wurde? Richtig. Sehe ich aus wie ein Verbrecher?

P.S.: In Sachsen haben die Nazis an Silvester randaliert und die Polizei mit Böllern angegriffen. Ein rassistisches Erklärungsmuster fällt also aus. Wie wäre es stattdessen mit Sexismus? „Man muss aber, glaube ich, vor allem darüber reden, dass, ehrlich gesagt, wo auch immer junge Männer sich in Gruppen von mehr als zwei zusammenrotten, das in der Regel für die Umwelt zum Ärgernis wird.“ (taz-Chefredakteurin Ulrike Winkelmann im ARD-Presseclub). Der Skatabend als Terrorzelle. 

Silvester-Randale in Sachsen: Mit Böllern und "Sieg Heil" gegen Rathaus und Polizei (t-online.de)

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