Dienstag, 12. April 2022

Zur Causa Spiegel

 

Es war ein verstörender und mitleiderregender Auftritt, den Bundesfamilienministerin Anne Spiegel am Sonntag aufs Berliner Parkett gelegt hat. Ungewöhnlich der Auftritt, Frau Spiegel war offensichtlich angespannt und nervlich am Ende, ungewöhnlich auch der Zeitpunkt. Was verkündet man am Sonntag um 21 Uhr, was man nicht auch am Montag um zehn Uhr verkünden könnte? Ungewöhnlich auch das Thema: Sie berichtete von ihrer persönlichen Überforderung mit einem kranken Ehemann und vier kleinen Kindern in Corona-Zeiten. Ihre Work-Life-Balance war durch die Erkrankung des Ehepartners, der sie in ihrem Job nicht mehr entlasten konnte, und den Hausunterricht aufgrund der Pandemie durcheinandergeraten. Das komplexe Gefüge aus Privat- und Berufsleben war zerbrochen.

Jetzt ist sie zurückgetreten und in die alte Falle geraten, die für viele Frauen verhängnisvoll ist: die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Zu diesem Thema habe ich im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung vor einigen Jahren mit drei Kollegen ein Forschungsprojekt durchgeführt. Das Buch zum Projekt nannten wir „Prekäre Balancen“. Die moderne Arbeitswelt verlangt eine hohe Flexibilität, permanente Erreichbarkeit, Bereitschaft zu Mehrarbeit und Priorisierung der Arbeit. Gerade in Führungspositionen. Daran scheitern nicht die Männer. Sie delegieren die Familien- und Hausarbeit an ihre Gattin, an Putzfrauen und Kindermädchen. Natürlich ist Frau Spiegel in erster Linie an der unglücklichen Wahl ihres Urlaubstermins direkt nach der Flutkatastrophe im Ahrtal und an ihren Lügen bezüglich der Teilnahme an Kabinettssitzungen gescheitert. Aber eigentlich scheiterte sie an der Überforderung durch einen anspruchsvollen Fulltime-Job und ein Fulltime-Familienleben.

Es hat ihre Kräfte erschöpft. Sie wirkte am Sonntag, als wäre sie ausgebrannt, obwohl sie erst 41 Jahre alt ist. Sicher lebt sie in materiellem Wohlstand. Aber ein hoher Lebensstandard garantiert noch keine hohe Lebensqualität. Zu letzterem gehört frei verfügbare Zeit, für sich selbst, für eigene Interessen, zur Erholung. Die Berliner Journaille, der politische Gegner und zuletzt ihre eigene Partei haben ihren Kopf gefordert. Sie haben ihn bekommen. Ihre Karriere ist beendet. Viele Frauen werden diesen Vorgang aufmerksam beobachtet haben. In der Ferne lacht Andi Scheuer.   

 

4 Kommentare:

  1. Wem es in der Küche zu heiss ist, sollte kein Ponyhof betreten. Oder so.

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  2. wie recht du hast, lieber matthias. wer solche parteifreunde hat, braucht keine feinde. die private situation war bestimmt manchen "freunden und freundinnen" bekannt, da hätte ja auch mal jemand hilfe vermitteln können, oder einen tipp geben. aber war ja konkurrenz. die nullnummern wie scheuer, dobrinth, v. guttenberg und co. können sich auf ihre leute verlassen. schade, hoffentlich lernen die frauen daraus besser miteinander zu netzwerken.

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  3. S C H A D E P U P A D E... 💃🏼

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